Demografie
Altersarmut nimmt in Entwicklungsländern zu. Globale Lösungen sind gefragt
Der demografische Wandel beschäftigt seit geraumer Zeit Politik und Gesellschaft in den Industrienationen. Die Angst vor dem Verlust des Wohlstands und Generationenkonflikten breitet sich aus: Werden die Renten- und Gesundheitssysteme die Last der "Alten" tragen können?
Dabei ist das Altern der Gesellschaft längst kein Markenzeichen der hochentwickelten Länder mehr. Denn bereits heute leben zwei Drittel der alten Menschen in den Entwicklungsländern, Tendenz steigend, ohne etablierte Sicherungsstrukturen und staatlich verankerte soziale Netze. Die familiären Solidargemeinschaften, die traditionell für den sozialen Ausgleich und die Pflege sorgten, zerfallen zunehmend. Die alten Menschen geraten so gewissermaßen unter die Räder der Globalisierung. Im Unterschied zu den hochentwickelten Ländern, die zuerst wohlhabend und erst dann alt wurden, müssen die armen Regionen der Welt gleichzeitig die Last der Armut und der Alterung ihrer Gesellschaften in den Griff bekommen.
Das Problem nimmt an Schärfe zu. Nach UN-Schätzungen verfügen 80 Prozent der alten Menschen in den Entwicklungsländern über kein regelmäßiges Einkommen. Armut und Ausgrenzung sind weit verbreitet.
Die Einführung staatlich organisierter Rentensysteme in den Ländern der so genannten Dritten Welt "ist absolut notwendig", meint dazu Stephen Kidd von der Organisation HelpAge International. Zusammen mit dem früheren Bremer Bürgermeister, Henning Scherf (SPD), der nun Schirmherr von HelpAge Deutschland ist, regte er im Entwicklungsausschuss am 23. April eine engere Zusammenarbeit mit dem Parlament an. Das Thema habe noch nicht die "zentrale Bedeutung, die es verdient", meinte Scherf.
Eine Grundlage für das Handeln der Politik sei der so genannte Weltaltenplan, der 2002 von der UNO in Madrid verabschiedet wurde, so der SPD-Politiker, der eine öffentliche Anhörung über die Lage alter Menschen in Entwicklungsländern vorschlug.
In der Madrider Erklärung verpflichtet sich die Weltgemeinschaft, die Teilhabe älterer Menschen in ihren Gesellschaften zu fördern und ein Altern in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Das Dokument wurde von 159 Staaten unterzeichnet.
Leider gebe es kaum Fortschritte seit dieser Zeit, meinte Kidd im Ausschuss. "Wir haben die Alten vergessen." Sie würden in Entwicklungsländern vielfach benachteiligt. Zum Beispiel in der Gesundheitsvorsorge und bei der politischen Willensbildung. Selbst innerhalb der Vereinten Nationen herrsche ein großes Ungleichgewicht. Während sich mit dem Wohl der Kinder eine große Organisation, die Unicef, beschäftige, gebe es keine Entsprechung dieser Art für alte Menschen. Schon die personelle Ausstattung spreche für sich - nur vier Personen beschäftigten sich bei den Vereinten Nationen mit diesem wichtigen Thema. "Wir müssen Prioritäten setzen", meinte Kidd und nannte drei Bereiche: Einkommenssicherheit, Gesundheitsvorsorge und Wohnungslage.
Scherf wies auf ein weiteres Problem hin: Die Aids-Seuche habe in Südafrika fast eine ganze Generation ausgelöscht. Um die 19 Millionen Waisen kümmerten sich die Großeltern, vor allem die Frauen. Diese "stillen Helden" hielten das Land zusammen. Scherf appellierte eindringlich, die Potenziale des Alters stärker in den Fokus zu stellen. "Die Alten sind nicht nur Last, sie tragen mit, sie helfen mit", und sie würden eine große Rolle bei der Armutsbekämpfung spielen.
Der Ausschuss interessierte sich vor allem für das Problem der fehlenden Rentensysteme in den Entwicklungsländern. Die Union machte den Vorschlag, ein bis drei kleinere Länder herauszugreifen und an ihnen zunächst modell- und beispielhaft zu zeigen, wie man Rentensysteme ausbauen könnte. Man müsse dabei nicht alles staatlich machen. "Das ist genau richtig", meinte Scherf. Man sollte zusätzlich zu steuerfinanzierten Lösungen über Beteiligung von Stiftungen oder privaten Fonds nachdenken.