Wenn Armin Grunwald sein Büro am Hackeschen Markt Richtung Bundestag verlässt, wird es für die Abgeordneten kompliziert. In aller Regel macht sich der Professor für Technikphilosophie nämlich auf den Weg, um den Mitgliedern eines Ausschusses das Ergebnis von bis zu 18 Monaten wissenschaftlicher Arbeit zu präsentieren: über Nanotechnologie oder Präimplantationsdiagnostik zum Beispiel oder auch zu Perspektiven der militärischen Nutzung des Weltraums. Zuletzt war Grunwald im Ausschuss für Bildung und Forschung zu Gast und berichtete über ein nicht nur sportpolitisch brisantes Thema: Gendoping. Wird es künftig möglich sein, Spitzensportler nicht nur mit Hilfe von Medikamenten aufzupeppen, sondern geradewegs zu züchten? Nein, legten Grunwald und sein Team in ihrem Gutachten dar. Dass die körpereigene Genaktivität mittels spezifischer Arzneien so beeinflusst werden kann, dass Leistungssteigerungen möglich werden, sei keineswegs ausgeschlossen. Wenn es so weit sei, folgerten die Wissenschaftler weiter, würde es im Spitzensport auch genutzt - trotz kaum einschätzbarer gesundheitlicher Risiken. Auf Grundlage dieser Einschätzung kann der Bundestag nun entscheiden, ob er eine Gesetzesinitiative zum Gendoping für nötig hält oder nicht. Dass es kompliziert wird, wenn der Karlsruher Professor gerufen wird, liegt in der Natur seiner Position: Er ist Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag (TAB). Das residiert außerhalb der Bundestagsgebäude und ist auch nicht offizieller Teil desselben. Seit das Parlament 1989 beschloss, sich ein Beratungsorgan in technisch-naturwissenschaftlichen Fragen zu leisten, wird sein Betrieb regelmäßig neu ausgeschrieben. Bisher ging der Zuschlag immer an Armin Grunwald und seine Mitarbeiter. Zehn Menschen bilden das TAB in Berlin, das organisatorisch Teil des größeren Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe ist. Das Berliner Büro arbeitet ausschließlich für das Parlament - an der Schnittstelle für Wissenschaft und Politik. Beauftragt wird es von den Ausschüssen; häufig, aber längst nicht immer vom Forschungsausschuss. Auch wenn der Wirtschaftsausschuss sich über behinderungskompensierende Technologien schlau machen oder der Innenausschuss die Sicherheit biometrischer Daten untersuchen will, ist das TAB gefragt. "Was wir nicht untersuchen, sind die Auswirkungen von Hartz IV oder der Rentenreform", erläutert Grunwald, "dafür bräuchte man ein anderes Institut." Zwölf bis 15 Themen bearbeiten die Mitarbeiter gleichzeitig. Das wäre viel, wenn sie die alleine beackern müssten. Das müssen sie aber nicht. Bekommt das TAB ein Thema gestellt - das durchaus so vage sein kann wie "Macht doch mal was zu Nanotechnologie", erzählt Grunwald - zerteilen seine Mitarbeiter es zunächst in kleinere Pakete. Welches politische Interesse besteht an dem Thema? Was ist der wissenschaftliche Hintergrund? Welchen Forschungsbedarf gibt es? Anschließend wird zu jedem Unterpunkt ein Gutachten externer Experten angefordert - von Wissenschaftlern an Universitäten oder Forschungsinstituten. Am Ende obliegt dem TAB die Aufgabe, die Erkenntnisse in ein plausibles Dokument zu überführen. Ziel ist dabei immer, ein möglichst vollständiges Panorama der Positionen zu erstellen, mit dessen Hilfe sich Abgeordnete eine Meinung bilden können. Kontakt zu den Mitgliedern des Bundestags wird außerdem nicht nur in den Ausschüssen, sondern auch durch monatliche Treffen mit den Berichterstattern der fünf Fraktionen gehalten. Dass das Institut für Technikfolgenabschätzung nur selten in den Medien auftaucht, hat zwei Gründe. Erstens: Die Abgeordneten müssen fraktionsübergreifend die wissenschaftliche Bearbeitung eines Themas fordern: "Politisch umstrittene Fragen wie die Kernkraft erreichen uns häufig nicht", bekennt Grunwald freimütig. Zweitens: Die Erstellung ausgewogener Papiere ist zwar für die Abgeordneten unerlässlich - für die Medien aber nicht sonderlich interessant.