Wer glaubt, mit der Verankerung des Spähangriffs im BKA-Gesetz werde der Rechtstaat ausgehebelt, muss sich nicht erst zur Verabschiedung dieser schmucklosen 94 Seiten eine andere Heimat
suchen. Selbst in Berlin - hier formuliert mit Ehrhart Körting ein vehementer Gegner der visuellen Wohnraumüberwachung die Leitlinien der Sicherheit - darf die Polizei im Ernstfall längst in die Wohnzimmer spähen. Die neuen BKA-Befugnisse heben auf Bundesniveau, was in vielen Ländern Gesetz ist. Auch zusammen mit Online-Durchsuchung und Rasterfahndung ist ein Überfall des Sicherheitsstaates nicht in Sicht. Kein Grund, jetzt zum Finale zwischen Freiheit und Sicherheit zu rüsten.
Es sei denn, es ginge hier um etwas anderes. Darum, was selbst manchem Rechtspolitiker der Union Sorge bereitet: Dass die Bundesregierung mit bald jedem neuen Sicherheitsgesetz die Dehnbarkeit der Verfassung testet. Dass der Bundesinnenminister dort Linien zieht, wo er sich in der Lage sieht, Gefahren eindämmen - ebenso wie dort, wo er dann später möchte sagen können, alles getan zu haben.
Denn heute oder in einem Jahr könnten in einer deutschen Stadt Gotteskrieger zuschlagen. Die Gefahr besteht - allen Sicherheitsgesetzen zum Trotz. Der Koalition aber kommt derweil im sicherheitspolitischen Wettlauf um das Ansehen der je eigenen Partei der nüchterne Blick abhanden. Und so besteht die akute Gefahr, dass in der Summe das Gewicht aller im Einzelnen rechtfertigbaren Fahndungsinstrumente die sensible Tarierung des Rechtstaates beschädigt.
Vorerst aber sind auch im BKA-Gesetz hohe Hürden eingebaut. So müssen weder die Bürgerrechtler der Humanistischen Union, noch die Datenschützer oder gar die komplette FDP das Land verlassen.