KOOPERATION IM TOURISMUS
Die Bürokratie ist ein größeres Hindernis als Sprache und Mentalität
Einst war es eine Stadt, heute sind es zwei: das deutsche Görlist und das polnische Zgorzelec. Gemeinsam firmieren sie nun als "Europastadt". Die Grenze im geeinten Europa überwinden wollen auch die örtlichen Tourismusmanager, und zwar nicht nur im Osten, sondern auch im Westen Deutschlands. "Grenzregionen sind die Laboratorien der europäischen Integration", wie es Klaus Brähmig, tourismuspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion, bei einer öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses am 23. April umschrieb. Wie kooperiert man an der Grenze miteinander, und welche Hindernisse könnte die Politik beseitigen helfen - das wollten die Abgeordneten von ihren sachverständigen Gästen hören.
In Görlitz und auch in der pommerschen Region um Stettin ist man noch nicht so weit wie etwa in der Eifel und am Oberrhein. "Das Verhältnis war in den letzten 50 Jahren nicht so rosig", sagte Lutz Thielemann, Geschäftsführer der Europastadt Görlitz Zgorzelec GmbH. In den 80er-Jahren sei überhaupt kein Reiseverkehr möglich gewesen, es kam zu Entfremdung und Misstrauen. "Vertrauensbildung" ist für Thielemann daher das Gebot der Stunde. So wollten beide Städte ein Dokumentationszentrum zum Thema Flucht und Vertreibung errichten. Hoffnungen würden in der Region auf den Weiterbau der Autobahn bis Breslau gesetzt. Die Sprachbarriere sei ein Problem, sie zu beseitigen eine Generationenaufgabe, sagte Thielemann. "Mehr Polen lernen Deutsch als Deutsche Polnisch." In Bayern, wo es eine Kooperation mit Oberösterreich und der angrenzenden tschechischen Region gibt, ist es ähnlich. Bei den Gastschülern stelle sich das Interesse sogar als Einbahnstraße dar. "Sie gehen nur von Tschechien nach Bayern, in die umgekehrte Richtung fast überhaupt nicht", so Kaspar Sammer, Geschäftführer der Euregio Freyung Bayerischer Wald/Böhmerwald (tschechisch: Sumava). Sammer plädierte dafür, eine "interkulturelle Kompetenz" aufzubauen, wobei die Deutschen noch etwas mehr tun könnten. "Wer kann bei uns schon einen Förderantrag auf Tschechisch ausfüllen?" Überhaupt die Fördermittel. Sie zu beschaffen bereitet bei der Kooperation offenbar größere Schwierigkeiten als Unterschiede in Sprache und Mentalität. Da gibt es das EU-Programm "Interreg", aus dem grenzüberschreitende Vorhaben gefördert werden. "Das aufwendige Antragsverfahren wirkt eher hemmend", sagte die Grünen-Abgeordnete Bettina Herlitzius. Nicht blätter-, sondern stapelweise müssten Formulare ausgefüllt werden. Um Fördermittel beantragen zu können, muss es nach Auffassung Kaspar Sammers langfristige Kooperationen geben, etwa in Form des Europäischen Verbundes für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ). Oder der Europäischen Wirtschaftlichen Interessengemeinschaft (EWIV), wie sie sich in der Grenzregion mit Belgien und Luxemburg unter dem Namen Eifel-Ardennen Marketing gebildet hat. Hier wird beiderseits der Grenze deutsch gesprochen, die Probleme liegen auch hier bei der Mittelbeschaffung. "Die EWIV kann nicht Empfänger von EU-Zuschüssen sein. Es wäre wünschenswert, dies zu ändern", sagte Helmut Etschenberg, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Eifel Tourismus GmbH. Sein Erfolgsrezept für die Kooperation lautet, die nationale Identität nicht aufzugeben und gemeinsame Ziele herauszustellen.
Im fortgeschrittenen Stadium befindet sich auch die Zusammenarbeit im Dreiländereck Deutschland, Frankreich, Schweiz. Hier begann die Kooperation bereits 1954, als man gemeinsam das Projekt der "grünen Straße" aus der Taufe hob, die den Schwarzwald mit den Vogesen verbindet. "Je globaler die Welt wird, desto wichtiger ist die Authentizität der Regionen", formulierte Christopher Krull, Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH. "Wir arbeiten mit der Schweiz und Frankreich intensiver zusammen als mit der benachbarten Schwäbischen Alb. Das hängt damit zusammen, dass wir Fördergelder bekommen." Was ein Schlaglicht darauf wirft, dass die Kooperation der Tourismusregionen innerhalb Deutschlands auch noch verbesserungsfähig ist. Die Abgeordneten sollten sich dafür einsetzen, so Krull, dass die Interreg-Programme konzentrierter gestaltet und bürokratische Hürden abgebaut werden. "Tun Sie was dagegen, damit wir unbürokratisch zusammenarbeiten können", sagte er in der Anhörung.
Von der richtigen Schweiz zur Sächsischen und Böhmischen, die sich an der deutsch-tschechischen Grenze gegenüberliegen. "Wir füllen die Förderanträge gemeinsam aus, allein wären wir dazu nicht in der Lage", sagte Micaela Lindheimer, die stellvertretende Vorsitzende des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz. "Wir versuchen, so viele Partner wie möglich einzubeziehen und die Angebote auf ein gemeinsames qualitatives Niveau zu bringen. Dazu gibt es keine Alternative." Bemerkbar machten sich hier die Unterschiede in den Verwaltungsstrukturen. So gebe es in Tschechien keine Regionalverbände. In Polen wiederum ist das Vereinswesen nicht so ausgeprägt wie in Deutschland, wie Peter Heise, Geschäftsführer der Kommunalgemeinschaft Europaregion Pomerania berichtete. Konkurrieren die Regionen, trotz der Kooperation, nicht auch miteinander um die Urlauber? Durchaus. Es sei jedoch ein "gesundes Konkurrenzdenken", so Heise. Und für Christopher Krull ist klar: "Unser Konkurrent ist nicht die andere Region, sondern das Sofa zu Hause."