BANKENKRISE
Der Steuerzahler muss in die Bresche springen. FDP und Linke sind empört. Doch die Koalitionsfraktionen stützen das Krisenmanagement des Ministers
Der Steuerzahler muss einspringen, weil sich öffentliche Banken auf dem US-Immobilienmarkt verspekuliert haben und nun in eine gefährliche Schieflage geraten sind. Diese Folge diverser Rettungsversuchen bei einigen Landesbanken sowie bei der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB Deutsche Industriebank AG wollen FDP und Linksfraktion nicht einsehen. Sie haben im Bundestag Konsequenzen gefordert, die aus den Erfahrungen mit der seit Monaten andauernden internationalen Bankenkrise zu ziehen sind. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben am 25. April im Bundestag das bisherige Vorgehen der Bundesregierung gegen die Kritik aus den Reihen der Opposition verteidigt. Zwei Anträge der FDP ( 16/6998, 16/8771) und ein Antrag der Linksfraktion ( 16/8888) überwies das Parlament zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss.
Auf rund eine Billion US-Dollar schätzt der Internationale Währungsfonds den weltweit entstandenen Schaden durch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Von den Landesbanken wurden vor allem die SachsenLB, die WestLB und die Bayern LB betroffen. Der Beinahe-Zusammenbruch der IKB hat wiederum die staatliche KfW-Bankengruppe aufgrund deren Beteiligung an der IKB in Mitleidenschaft gezogen.
Eine Forderung der FDP zielt darauf ab, dass der Bundesanteil an der IKB bis zum 30. Juli dieses Jahres an einen privaten Investor verkauft wird. Die Geschäftspolitik dieser Institute müsse überprüft werden, um derartige Fehlentwicklungen künftig auszuschließen. Interessant ist für die Liberalen vor allem die Frage, ob das Bundesfinanzministerium (BMF) aufgrund des Miteigentums der KfW an der IKB eher hätte einschreiten können. Lehre aus der IKB-Krise ist aus Sicht der FDP, dass sich Banken mit staatlicher Beteiligung auf ihr Kerngeschäft konzentrieren müssen. Wer mit Steuergeldern operiere, dürfe sich nicht auf spekulative Geschäfte einlassen, die nichts mit dem Geschäftszweck zu tun haben.
Vor allem dürfe die Regierung keine zusätzlichen Haushaltsmittel und kein KfW-Vermögen einsetzen, um die Verluste der IKB zu übernehmen und sie dadurch dem Steuerzahler aufzubürden. Eine "verantwortungslose Spielcasino-Mentalität" hätten die Banken offenbart, sagte der Abgeordnete Martin Zeil (FDP) in der Debatte. Eine Reform des öffentlich-rechtlichen Bankensektors sei daher überfällig. Die Aufsichtsgremien seien mit der Einschätzung der Risiken einer international tätigen Geschäftsbank völlig überfordert gewesen. Auf jeden Bürger komme ein "verbrannter 100-Euro-Schein", so Zeil. Sein Fraktionskollege Frank Schäffler sagte: "Die IKB war zu jedem Zeitpunkt eine staatliche Bank." Das BMF habe nicht die richtigen Leute in die IKB geschickt. Hätte der Finanzminister entschlossen gehandelt, hätte ein Käufer für die IKB gefunden werden können, behauptete Schäffler.
Das wollte Peer Steinbrück nicht so stehen lassen. "Es ist nicht Aufgabe des BMF, irgend jemanden in die IKB zu schicken. Ich habe nicht den IKB-Verkauf zu leiten", sagte er. Der Minister verglich die deutsche Situation mit der in anderen Ländern, die ungleich stärker von der Krise betroffen seien. Die USA stünden kurz vor einer Rezession, in Großbritannien sei die Northern-Rock-Bank verstaatlicht worden. Die Genehmigung eines KfW-Darlehens an die IKB sei nicht leicht gefallen, doch die Alternative wäre gewesen, die Bank "gegen die Wand" fahren zu lassen, sagte Steinbrück. "Der Knall wäre so stark, dass der Schaden noch größer wird." Man wolle den KfW-Anteil an der IKB verkaufen, aber nicht "zu jedem schlechten Preis", sagte der Minister. Nicht der Verkauf an sich sei das Ziel, sondern ein günstiger Verkauf. Nun müsse es darum gehen, die Eigenkapitalstandards der Banken so zu verändern, dass Kreditverbriefungen, also die Bündelung von Kreditforderungen in handelbaren Wertpapieren, künftig in der Bilanz auftauchen. Liquiditätsstandards müssten dazu beitragen, den vorherrschenden Vertrauensbruch zwischen den Banken zu überwinden. Auch sollten die Banken ihre Risiken offenlegen, um neues Vertrauen zu bilden. Schließlich müsse auch die internationale Zusammenarbeit der Finanzaufsichtsbehörden verbessert werden.
Mit der FDP stimmt die Linksfraktion darin überein, dass die Spekulationsverluste nicht sozialisiert werden dürfen. Die Linke forderte die Regierung auf, einen Sicherungsfonds einzurichten, damit künftig "Serienbankrotte" von deutschen Finanzinstituten vermieden werden können. Der Fonds solle mit einer Sonderabgabe der privaten Banken finanziert werden und die vorhandenen Einlangensicherungssysteme ergänzen. Er solle gefährdete Institute retten, indem er von diesen befristet nichtwerthaltige Aktiva übernimmt. Als Gegenleistung sollen die angeschlagenen Institute Wertpapiere erhalten, die vom Sicherungsfonds herausgegeben werden. Einen Teil der Gegenleistung solle der Fonds in Form von Liquidität bereitstellen, umd die Zahlungsfähigkeit des Instituts zu erhalten. Der Fonds darf nach dem Willen der Fraktion nur tätig werden, wenn die Stabilität des Finanzsektors gefährdet ist und die Anteilseigner sowie die Gläubiger aus dem Finanzsektor zu einem "angemessenen Sanierungsbeitrag" bereit sind. Heiterkeit löste die Einschätzung des SPD-Finanzpolitikers Jörg-Otto Spiller aus, mit ihrem Vorschlag wolle Die Linke wohl den lange herbeigesehnten Zusammenbruch des Kapitalismus gerade noch rechtzeitig abfangen. Dagegen sagte Herbert Schui von der Linksfraktion: "Der Staat muss Vorkehrungen treffen, damit wir für eine Krise gerüstet sind." Im Übrigen sprach sich die Fraktion gegen eine Privatisierung von Landesbanken aus. Vielmehr müsse die durch EU-Vorgaben beseitigte Gewährträgerhaftung bei den öffentlich-rechtlichen Sparkassen wieder eingeführt werden.
Gerhard Schick von den Bündnisgrünen hielt dem Finanzminister vor, er rücke seine Aktivitäten auf internationaler Ebene in den Vordergrund, werde aber "schmallippig", wenn gefragt werde, was auf Bundesebene getan werden kann. Es müsse offengelegt werden, was in den Systemen falsch gelaufen ist und ob Milliardenlasten auf den Fiskus zukommen werden.
Die Redner der Koalitionsfraktionen verteidigten das auf den drei Säulen der öffentlich-rechtlichen Banken, der Genossenschaftsbanken und der Privatbanken beruhende deutsche Bankensystem als Stabilitätsfaktor. Eine grundsätzliche Debatte darüber und auch über die zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank geteilte Bankenaufsicht sei unangebracht, sagte der Unionsabgeordnete Leo Dautzenberg. Für die Landesbanken seien die Länder zuständig, und da die FDP an einigen Landesregierungen beteiligt sei, hätte sie ihre eigenen Vorschläge dort bereits umsetzen können. Sein CSU-Kollege Bartholomäus Kalb nannte die Rettung der IKB richtig und berief sich dabei auf den Bundesbankpräsidenten Axel Weber.
Jörg-Otto Spiller (SPD) wandte sich gegen die Einschätzung, es handele sich um eine Krise der öffentlich-rechtlichen Banken. Die Sparkassen seien so gut wie gar nicht betroffen. Ursache seien unklare Verantwortungsstrukturen gewesen, man könne das Versagen der jeweiligen Leitung auch nicht auf die Ratingagenturen delegieren. Wie viele andere habe auch die IKB auf dem US-Markt großzügig Hypothekenkredite gewährt. Die KfW habe die IKB-Krise wieder aufgefangen. Anders als Spiller nahm Eckardt Rehberg (CDU/CSU) dagegen gerade die Ratingagenturen und auch die Wirtschaftsprüfer aufs Korn, deren Rolle hinterfragt werden müsse. Den öffentlich-rechtlichen Banken stellte er ein gutes Zeugnis aus: "Der Aufbau der neuen Länder wäre ohne sie nicht möglich gewesen."