Föderalismuskommission
Zähes Ringen um das Abtragen des Altschuldenbergs
Bislang, resümiert ein Ministerpräsident vor dem Saal bei einer Pause, seien doch "nur Fensterreden" gehalten worden, fortan aber gehe es "politisch zur Sache". Diese Anmerkung darf wohl als Indiz gelten, dass es in der Föderalismuskommission II, die eine Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern bewerkstelligen soll, nun wirklich spannend wird - und dass die Vorsitzenden Günther Oettinger (CDU) und Peter Struck (SPD) ihre schon mehrfach angekündigten "Eckpunkte" für ein solches Konzept tatsächlich im Juni präsentieren werden. "Wir biegen jetzt auf die Zielgerade ein", meint der baden-württemberische Ministerpräsident nach der Sitzung am 24. April. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag zeigt sich seinerseits "zuversichtlich", dass das Gremium im Herbst seinen Vorschlag unterbreitet und dann kommendes Jahr alles in Gesetze gegossen sein wird - samt einer Änderung der Verfassung, in der eine staatliche Schuldenbegrenzung festgeschrieben werden soll.
Freilich lassen offizielle Verlautbarungen, Indiskretionen und öffentlicher Streit bislang nicht erkennen, wie der gordische Knoten durchzuschlagen ist. Im Oktober werde klar sein, sagt Oettinger, welche Lösungen es gebe - aber er schließt auch ein "Nullsummenspiel" nicht aus.
Gerungen wird etwa immer noch über "Effizienzgewinne" in der Administration, also über Einsparungen durch Rationalisierungen oder über die von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück geforderte Bundessteuerverwaltung. Im Zentrum des Konflikts steht indes die sogenannte Altschuldenproblematik und dabei speziell die Lage der drei Länder Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein: Deren Regierungen sehen keine Chance, ohne Hilfen anderer Länder und/oder des Bundes bei der Tilgung ihrer gigantischen Schuldenberge einem Stopp bei der Aufnahme neuer Kredite zuzustimmen. "Ohne Regelung der Altschulden wird es keine Schuldenbremse geben", proklamiert der Saarbrücker CDU-Ministerpräsident Peter Müller am Rande der Sitzung. Ein republikweit greifendes Rahmenkonzept für die Finanzpolitik kann jedoch nur gelingen, wenn alle 16 Länder und der Bund mit im Boot sind.
Während dieses Treffens müssen, glaubt man Schilderungen von Teilnehmern, die Positionen durchaus aufeinander geprallt sein. Grundlage der Debatte war der 300-seitige Bericht einer Kommission, die prüfen sollte, ob die drei Sorgenkinder nicht doch von sich aus zu ausgeglichenen Etats in der Lage sind und deshalb auf neue Kredite verzichten können. Oettinger diplomatisch: Er sehe bei den drei Ländern "weitere Möglichkeiten, sich aus eigener Kraft zu einer schwarzen Null zu bewegen".
In der Studie selbst vermerken der Bund, Bayern und Berlin, die Analyse lege in den drei Ländern "erhebliche Konsolidierungspotenziale" offen, es existiere ein "eindrucksvolles Spektrum von Möglichkeiten" zur Ausgabenreduzierung: "Auch mit niedrigem Personaleinsatz lässt sich eine gute Qualität öffentlicher Leistungen sicherstellen." Die drei Regierungen sehen hingegen "keine signifikanten Einsparpotenziale". Saarland und Schleswig-Holstein erklären, ihre hohen Sozialausgaben seien auf eine besonders hohe Zahl betroffener Bürger zurückzuführen. Bremen habe schon heute "ausnahmslos weit unterdurchschnittliche Qualitätsstandards" etwa bei Polizei, Justiz, Schulen und Universitäten.
Struck ortet die "üblichen Klagelieder, die man nicht überbewerten darf". Während der Sitzung soll, so ein Landesminister, von bayerischer Seite den drei Ländern angeraten worden sein, doch ihre Gewerbe- und Grundsteuer anzuheben. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin soll auf seinen Sparkurs etwa mit Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst hingewiesen haben. Es scheint, als könnten sich Saarbrücken, Bremen und Kiel keine allzu großen Hoffnungen auf Geld aus den Kassen reicher Länder und des Bundes machen.
Auch wenn eine Lösung für die spezielle Situation der drei "Armen" gelingen sollte: Geklärt ist damit noch nicht, wie rigide die Schuldenbremse formuliert werden soll und wie die Tilgung der insgesamt 480 Milliarden Euro Altschulden der Länder zu schaffen ist. Geregelt werden soll das Problem über einen Fonds, in den alle nach noch offenen Kriterien einzahlen und der die Kredite über Jahrzehnte bedient. Erstmals deutete Struck an, dass unter bestimmten Bedingungen auch der Bund in einen solchen Fonds einzahlen könnte - "die aber sind noch nicht klar".