MENSCHENRECHTE
Europäischer Gerichtshof lehnt Klage des Mörders Magnus Gäfgen ab
Magnus Gäfgen, der Entführer und Mörder des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler, ist mit einer Aufsehen erregenden Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland gescheitert. Gäfgen hatte sich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg beschwert: Die Polizei hatte dem heute 33-Jährigen während der Ermittlungen im Jahr 2002 Folter angedroht. Erst mit Hilfe dieser Repressalien war es ihnen gelungen, Gäfgen wichtige Hinweise auf das Versteck des Jungen abzuringen.
Retten konnten die Fahnder den Elfjährigen trotz fieberhafter Eile nicht mehr: Gäfgen hatte ihn bereits vor seiner Verhaftung grausam erstickt. Der Jura-Student wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Vor dem EGMR berief er sich nicht nur auf das Folterverbot, sondern auch auf das Menschenrecht auf einen fairen Prozess. Hätte er Erfolg gehabt, hätte sein Verfahren in Deutschland vermutlich neu aufgerollt werden müssen.
Diese Hoffnung hat sich für ihn nun weitgehend zerschlagen. Die Straßburger Richter erkannten zwar an, dass Gäfgen während der Befragung in der Tat "unmenschlich" behandelt worden sei. Trotzdem aber könne er "nicht mehr behaupten, Opfer einer Verletzung von Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu sein". Denn die deutschen Gerichte hätten ihm bereits ausreichend Genugtuung geleistet.
So waren der frühere Vizepräsident der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, und ein zweiter Beamter wegen der Folterdrohung verurteilt worden. Mehrfach hatten deutsche Richter die Menschenrechtsverletzung bestätigt. Außerdem war das erpresste Geständnis Gäfgens im Strafprozess nicht verwendet worden.
Die Entscheidung des Gerichts ist von erheblicher Tragweite: Der Fall Gäfgen steht exemplarisch für die Frage, ob und inwieweit das Folterverbot zur Rettung von Menschenleben ausgehöhlt werden darf. Gerade vor dem Hintergrund des Anti-Terror-Kampfes ist das von Bedeutung. Gäfgens Rechtsanwalt Michael Heuchemer - und nicht nur er - war davon ausgegangen, dass die Bundesrepublik verurteilt werden würde. Von einer "Nagelprobe für den Rechtsstaat" hatte er gesprochen.
Heuchemer prüft nun, ob er vor der Großen Kammer des Straßburger Gerichts Berufung einlegen wird. Viele Europarechts-Experten sind dagegen der Auffassung, dass die Straßburger Entscheidung keine Niederlage für den Rechtsstaat darstellt. Denn das Menschenrechtsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass das Folterverbot ein absolutes ist. Es gelte "unabhängig vom Verhalten des Beschwerdeführers" und "selbst dann, wenn die Misshandlung dem Zweck dienen soll, Informationen zur Rettung von Menschenleben zu erlangen". Die Tatsache, dass die Polizisten unter extremem Druck standen und völlig erschöpft waren, könne ihr Verhalten keinesfalls entschuldigen, erklärten die Straßburger Richter.