Sicherheit ja - Totalüberwachung und Abschottung nein. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich Datenschützer in Deutschland. So auch Wolfram Kolodziej-Derfert, der für diese Gratwanderung in der Verwaltung des Deutschen Bundestags zuständig ist. Welche personenbezogenen Daten erhoben und gespeichert werden dürfen, ist im Gesetz geregelt. Der Jurist überwacht und kontrolliert, ob diese Vorgaben im Bundestag eingehalten werden. "Ich versuche, einen Ausgleich zwischen den Interessen zu schaffen", sagt Kolodziej-Derfert, seit Herbst 2005 Datenschutzbeauftragter des Bundestages.
Das Parlament möchte keine Burg sein, sondern vielmehr ein transparenter Ort der Demokratie. Deshalb ist er nicht nur für den Schutz und die Sicherheit der Personendaten der Mitarbeiter und der Abgeordneten zuständig, sondern kümmert sich auch um Anfragen von außen: Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Informationen über Verwaltungsvorgänge. "Von diesem Recht wird rege Gebrauch gemacht", sagt der Datenschützer. Die Rechte der Bürger gilt es auch in den Liegenschaften zu wahren: Dort liefern rund 400 Überwachungskameras im Fall des Falles Beweisbilder. Die Fragen, wo Kameras mit welchem Aufnahmewinkel aufgehängt, wo Besucher auf sie aufmerksam gemacht werden und wie lange Bilder gespeichert werden dürfen, sind mit dem Datenschützer der Verwaltung abzustimmen. Auch vor Einführung oder Änderung neuer IT-Programme prüft der 37-Jährige, ob sie den Vorgaben genügen.
Intern betrifft Datenschutz fast jeden der rund 2.500 Bildschirmarbeitsplätze in der Bundestagsverwaltung. Deshalb müssen den Mitarbeitern die Regeln des Umgangs mit sensiblen Daten zunächst einmal vermittelt werden. Vier- bis sechsmal im Jahr schult Kolodziej-Derfert Auszubildende und Mitarbeiter der Verwaltung. "Es beginnt bei der Erhebung von Daten und endet bei deren ordnungsgemäßer Entsorgung", sagt Kolodziej-Derfert. Tag für Tag arbeitet er eng mit dem IT-Team der Verwaltung zusammen, prüft bei der Einrichtung neuer Arbeitsplätze, ob sie den datenschutzrechtlichen Vorgaben entsprechen und diskutiert gemeinsam mit den Computer- und Netzwerkspezialisten, wie Daten intern aber auch gegen den Zugriff von außen geschützt werden können. Mehr als 100.000 E-Mails erreichen täglich die Bundestagsverwaltung, die Sicherheit des Systems darf dabei nicht gefährdet werden - und die Daten der Absender und der Nutzer einer Website müssen gleichermaßen geschützt sein.
In der täglichen Arbeit kommt es beim Thema Datenschutz naturgemäß zu vielfältigen Diskussionen, beispielsweise im Rahmen von Bewerbungsverfahren. "Der Wunsch, Entscheidungen auf der Grundlage von möglichst vielen Informationen treffen zu können, ist verständlich", sagt Kolodziej-Derfert. Aber der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Bewerber habe nun einmal eine hohe Priorität. Was darf ein Kandidat zum Beispiel im Bewerbungsverfahren oder bei der Vergabe eines Stipendiums überhaupt gefragt werden, ohne zu sehr in seine Persönlichkeitsrechte einzugreifen? Und welche Antworten dürfen gespeichert werden? "Da gibt es manchmal unterschiedliche Auffassungen", sagt der Datenschützer.
Meist handelt er präventiv, um Missbrauch zu verhindern. Manchmal gibt es jedoch auch Hinweise auf Fehler, denen er gezielt nachgeht. Wo Millionen von Daten verwaltet werden, kann auch schon einmal etwas schiefgehen und Informationen können etwa auf einem falschenen Laufwerk gespeichert werden. "Wir versuchen, Bearbeitungsfehler zu finden und solche Vorfälle im Gespräch mit den Beteiligten für die Zukunft zu verhindern", sagt Wolfram Kolodziej-Derfert. Für die Betroffenen sind solche Vorgänge dennoch höchst ärgerlich.
Der Beauftragte weiß, dass es eine völlige Datensicherheit trotz aller technischer Neuerungen nicht geben kann, doch der Jurist plädiert für eine ausgewogene Sicht der Dinge: "Zurückhaltung und Skepsis sind wichtig, aber man sollte auch nicht die immensen Vorteile der Datenverarbeitung aus dem Auge verlieren."