STAATSFINANZEN
Ein Gesetz soll die steuerliche Subventionierung kommunaler Unternehmen absichern
Auch in Zeiten zunehmender und wünschenswerter Privatisierung ist ein gewisses Maß an öffentlicher Daseinsvorsorge unentbehrlich", meint Michael Meister, Vizechef der Union im Bundestag. Der SPD-Abgeordnete Bernd Scheelen kündigt an, seine Fraktion werde sich aktiv für die Neuregelung einsetzen. Selbst die FDP will das Gesetz trotz Bedenken nicht ablehnen.
So könnte denn der Regierungsentwurf zum steuerlichen Querverbund eine Mehrheit in Bundestag und Länderkammer finden: Gesetzlich erstmals abgesichert werden soll das seit einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) auf der Kippe stehende Prinzip, dass im Bereich kommunaler Daseinsvorsorge Verluste besonders bei Bahnen und Bussen sowie Bädern mit Gewinnen der Energieversorgung steuerlich zu Lasten von Bund und Ländern verrechnet werden können. Allerdings wird auch Kritik laut, etwa seitens der Wirtschaft. Und vor allem muss sich noch entscheiden, ob das Gesetz mit dem EU-Beihilferecht vereinbar ist.
Als Verwaltungspraxis existiert der Querverbund seit den 20er-Jahren: Die Defizite eines Betriebs werden mit den Gewinnen eines anderen Unternehmens verrechnet, was dessen Überschuss und damit die Steuerlast vermindert. Im Kern handele es sich, so Jens Lattmann als Wirtschaftsdezernent des Städtetags, um eine "indirekte Subventionierung kommunaler Dienstleistungen durch Bund und Länder, die auf Steuereinnahmen verzichten." Genaue Statistiken gibt es nicht. Doch der Städte- und Gemeindebund schätzt die Verluste, die in den Gewinnausgleich mit profitablen Betrieben fließen, republikweit auf bis zu 6 Milliarden Euro jährlich.
Verrechnet werden in erster Linie Defizite beim Verkehr und bei Bädern mit Gewinnen aus Geschäften mit Strom, Gas und Wasser. Aber es existieren auch andere Modelle wie etwa eine Verknüpfung von Energieversorgung und Bibliotheken. Das als Voraussetzung für einen Gewinn- und Verlustausgleich geforderte Kriterium einer "engen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung" ist freilich schwammig. Der BFH hat jedenfalls im Herbst 2007 den Querverbund zwischen einer Grundstücksentwicklungsgesellschaft und einem defizitären Bad für unzulässig erklärt. Dieses Urteil drohte das gesamte System aus den Angeln zu heben.
Mit ihrer Forderung, den Querverbund gesetzlich abzusichern, fanden die kommunalen Spitzenorganisationen und der Verband Kommunaler Unternehmen bei SPD-Finanzminister Peer Steinbrück ein offenes Ohr. Auch Meister begrüßt es, "dass die langjährige Verwaltungspraxis auf gesetzlichen Boden gestellt wird." Nur auf diese Weise, so Scheelen, könne im Interesse der Bürger "weiterhin ein optimales Angebot gewährleistet werden." Künftig soll das Merkmal der "engen technisch-wirtschaftlichen Verflechtung" wegfallen. Im Gegenzug soll die steuerlich günstige Gewinn- und Verlustverrechnung nur noch bei kommunalen Betrieben der Daseinsvorsorge eingesetzt werden können.
Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen. Ulrike Beland sieht jedoch die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zuungunsten privater Betreibern etwa von Buslinien oder Bädern, die nicht in den Genuss fiskalischer Vorteile kommen. Die DIHK-Steuerexpertin kritisiert auch die dem Querverbund innewohnende Intransparenz: "Wofür bezahlt der Stromkunde eigentlich seine Rechnung?" Die direkte staatliche Bezuschussung defizitärer Unternehmen als Alternative berge indes die Gefahr in sich, dass die Finanzierung der Daseinsvorsorge noch komplizierter wird - wenn nämlich die im Falle einer Abschaffung des Querverbunds an Bund und Länder fließenden Steuern wieder zu den Rathäusern geleitet werden müssen. Beschränke man die Neuregelung tatsächlich auf die Daseinsvorsorge, sei das vielleicht akzeptabel, so Beland.
Der Querverbund, meint auch der FDP-Abgeordnete Horst Meierhofer, begünstige nun mal öffentliche Betriebe gegenüber privaten Anbietern. Für die Bürger bleibe "häufig unklar, wofür im Rahmen verbundener Unternehmen eigentlich das Geld genau ausgegeben wird." Meierhofer sympathisiert mit der direkten Subventionierung defizitärer Daseinsvorsorge aus öffentlichen Etats: "Das schafft Transparenz." Ablehnen will die FDP das Gesetz aber nicht.
SPD und Union verteidigen die Beschränkung des Querverbunds auf kommunale Betriebe. Scheelen: "Nur so ist ein qualitativ hochwertiger Nahverkehr im Verbund mit guten Standards bei den Arbeitsplätzen in solchen Unternehmen möglich." Die Union weist darauf hin, dass private Betreiber die oft defizitäre kommunale Daseinsvorsorge nicht flächendeckend gewährleisten können.
Aus Sicht des Finanzministeriums widerpricht die avisierte Lösung nicht dem EU-Beihilferecht. Der Städtetag lässt jedoch vorsichtshalber ein Gutachten erstellen, von dem sich Lattmann eine Bestätigung der Vereinbarkeit mit Brüsseler Recht erhofft. In Österreich war der Querverbund schon vor dem EU-Beitritt Gesetz und kann deshalb nicht von EU-Bestimmungen überlagert werden. Für Lattmann ist es eine "spannende Frage", ob das hiesige Modell ebenfalls als "Altfall" gilt: seit Jahrzehnten praktiziert, aber gesetzlich nicht verankert, durch die Neuregelung zudem modifiziert. Scheelen optimistisch: "Es handelt sich um Gewohnheitsrecht."