Arbeit und Soziales
Die Koalition sonnt sich im Glanz der sinkenden Arbeitslosenzahl. Für die Opposition ist das Konjunkturtrittbrettfahrerei. Schlimmer noch: Die Folgen des Abschwungs würden im Etat ignoriert
Der Bundesarbeitsminister hat einen Traum. Es wäre "ein Riesenerfolg", wenn die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr "unter drei Millionen sinkt", sagte Olaf Scholz am 18. September in der Beratung des Haushalts seines Ministeriums. Das wäre das Ergebnis guter Politik, so der SPD-Politiker weiter. Die Gelegenheit, sich einer solchen zu rühmen, nutzten in der Debatte alle Redner von Union und SPD rege.
So listete der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Ralf Brauksiepe (CDU), den Rückgang der Arbeitslosenzahl um fast zwei Millionen seit Anfang 2006, fast 1,5 Millionen mehr versicherungspflichtige Jobs sowie höhere Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge in der Erfolgsbilanz der Koalition auf.
Der Forderung der Unions-Fraktion, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 0,5 Punkte auf 2,8 Prozent zu senken, mochte sich die SPD jedoch nicht anschließen. Zwar sei auch ihre Partei bereit, Spielräume zu nutzen, betonte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Andrea Nahles. Sie warnte aber davor, notwendige arbeitsmarktpolitische Maßnahmen durch eine zu starke Senkung zu gefährden.
Aus Sicht der Opposition schmückt sich die Koalition im Hinblick auf die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ohnehin mit fremden Federn. Der FDP-Abgeordnete Heinrich L. Kolb kritisierte, Union und SPD betätigten sich lediglich als "Trittbrettfahrer einer guten Weltkonjunktur". Der Linksparlamentarier Volker Schneider warf der Koalition arbeitsmarktpolitische Schönfärberei vor: "Das einzige, was bei Ihnen zunimmt, sind schlecht bezahlte und unsichere Jobs." Vor allem aber, so die Opposition, ignoriere die Bundesregierung im Arbeits- und Sozialetat die Folgen des sich abzeichnenden konjunkturellen Abschwungs. Während am Konjunkturhimmel längst Wolken zu sehen seien, versuche die Regierung, "uns noch immer arbeitsmarktpolitisch die Badehosen" zu verkaufen, bemängelte etwa der Grünen-Politiker Alexander Bonde.
Ihr besonderes Augenmerk richtete die Opposition in der Debatte auf die arbeitsmarktpolitischen Ausgaben, die im kommenden Jahr mit 41 Milliarden Euro (2008: 42,63) zu Buche schlagen. Die Leistungen der Grundsicherung für erwerbsfähige Arbeitslose ("Hartz IV") summieren sich auf 33,2 Milliarden Euro (34,89). Davon sind allein 20 Milliarden Euro für das Arbeitslosengeld II (Alg II) veranschlagt. Der Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit im Zuge des konjunkturellen Aufschwungs kommt dem Bund zugute: 880 Millionen Euro weniger als noch im Jahr 2008 will er deshalb für Leistungen an Langzeitarbeitslose ausgeben. An den Kosten der Unterkunft beteiligt sich der Bund - angesichts einer sinkenden Zahl an Bedarfsgemeinschaften - im Jahr 2009 mit 3,2 Milliarden Euro (2008: 3,9). Die FDP-Haushaltsexpertin Claudia Winterstein kritisierte, es sei unrealistisch, davon auszugehen, dass 2009 bei schwächerer Konjunktur weniger Mittel für das Alg II zu veranschlagen. Dies sei eine "komplette Luftbuchung".
Auch der Geldfluss von und zur Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde von der Opposition als bemängelt. Über den so genannten Eingliederungsbeitrag fließen aus Nürnberg 5 Milliarden Euro ans Staatssäckel. Begründet wird der Finanztransfer von der Regierung damit, dass der Bund im Rahmen der Arbeitsmarktreformen in den vergangenen Jahren Aufgaben von der BA übernommen habe. Der Betrag macht einen Gutteil der Gesamteinnahmen des Scholz-Etats von 6,91 Milliarden Euro aus. Umgekehrt beteiligt sich der Bund mit dem Aufkommen aus einem Umsatzsteuerpunkt an der Finanzierung der seit Anfang 2008 gültigen Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages auf aktuell 3,3 Prozent. Völlig intransparent sei das, so Bonde.
Wie schon im Jahr 2008 präsentiert sich der Einzelplan 11, das größte Ausgabenschwergewicht des Bundeshaushaltes, im kommenden Jahr leicht abgespeckt. Das Minus von 518,56 Millionen Euro fällt angesichts der insgesamt veranschlagten 123,52 Milliarden Euro jedoch kaum ins Gewicht. Immerhin verzeichnet der Etat von Scholz aber den größten Ausgabenrückgang aller Einzelpläne. Auch der Anteil des Etats an den Gesamtausgaben des Bundes ist weiter rückläufig. Betrug er 2008 noch knapp 44 Prozent, sind es nun 42,83 Prozent. Die Zuweisungen und Zuschüsse belaufen sich auf 123,25 Milliarden Euro (2008: 123,79). Investitionen spielen eine marginale Rolle: Vorgesehen sind 36,58 Millionen Euro (24,2). An Verpflichtungsermächtigungen sind 4,11 Milliarden Euro eingeplant (5,27).
Auch 2009 wird der Bund am meisten für die Renten ausgeben; knapp ein Drittel des Bundeshaushaltes wird an die Rentenkassen überweisen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) muss 2009 79,06 Milliarden Euro locker machen, rund 86 Millionen Euro mehr als noch 2008. Große Teile des Geldes - 30,6 Milliarden Euro - wandern als Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung. Der Steueranteil an den Rentenausgaben der allgemeinen Rentenversicherung liegt damit bei 27,6 Prozent. Hinzu kommen unter anderem ein weiterer Zuschuss zur Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen in Höhe von 18,72 Milliarden Euro, Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten in Höhe von 11,47 Milliarden Euro sowie der Bundeszuschuss für die Ostrenten in Höhe von 8,11 Milliarden Euro. Mit 6 Milliarden Euro will sich der Bund an der knappschaftlichen Rentenversicherung beteiligen.