Generaldebatte
Koalition beschwört eigene Geschlossenheit - Opposition sieht dagegen Streit
Es ist noch kein Bundestagswahlkampf. Diesen Eindruck wollten zumindest die Vertreter der Koalition am 17. September bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2009, der so genannten Elefantenrunde, vermitteln. Die Koalitionäre waren eine Herz und eine Seele, lobten sich gegenseitig für das, was sie seit dem Start der Großen Koalition im Jahr 2005 erreicht haben, und versprachen sich gegenseitig, dass sie bis zur Wahl in einem Jahr alles abarbeiten wollen, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
Am weitesten ging SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Struck, der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausdrücklich dafür lobte, dass sie die "erfolgreichen Bemühungen" in der Außenpolitik von Frank-Walter Steinmeier, dem designierten SPD-Kanzlerkandidaten, unterstützte. Unter dem Gelächter der Abgeordneten meinte er: "So, das musste sein." Das war es auch schon an Koalitionswahlkampf. Denn laut Struck ist jetzt Arbeit angesagt. Wahlkampf sei später.
Für Bundeskanzlerin Merkel setzt die Regierung mit ihrem Haushaltsentwurf 2009, der Einnahmen und Ausgaben von 288,4 Milliarden Euro vorsieht, einen erfolgreichen Weg fort. Mit der geringsten Neuverschuldung seit der deutschen Einheit von insgesamt 10,5 Milliarden Euro markiere dieser Etat einen Wendepunkt. "Die Bundesregierung legt ihnen einen Haushalt vor, der seinesgleichen sucht", sagte die Bundeskanzlerin. Mit den Plänen werde die Voraussetzung für das Kernziel eines ausgeglichenen Haushalts 2011 geschaffen.
Die Politik müsse sich dafür einsetzen, dass das Versprechen der sozialen Marktwirtschaft "Wohlstand für alle" eingehalten werden könne, so Merkel. Dafür habe die Große Koalition in den vergangenen Jahren viel getan. So seien Arbeitslosigkeit und Lohnzusatzkosten gesunken, die Familien hätten entlastet werden können und die Investitionen in Forschung seien gestärkt worden. "Wohlstand für alle heißt aber vor allem auch, Bildung für alle", erklärte Merkel.
Bildungschancen unabhängig vom Einkommen der Eltern sei ein "Aufstiegsversprechen". Bildung für jeden ermögliche es, sich Wohlstand zu erarbeiten. Deshalb könne das Motto nur lauten: "Die Bildungsrepublik ist der beste Sozialstaat."
Die Bundeskanzlerin ging auch auf die internationale Finanzkrise ein. Diese werde sich auf die deutsche Volkswirtschaft auswirken. Trotzdem dürfe darauf nicht mit einer Abschottung des Marktes reagiert werden. Allerdings müsse Politik einen "klugen" Ordnungsrahmen schaffen, der die Chancen nutze und der die Risiken begrenze. "Politik muss gestalten", sagte sie. Wie der SPD-Fraktionschef Struck betonte auch sein Unionskollege Volker Kauder, dass die Koalition noch bis zum Ende der Legislaturperiode ihre Arbeit gemeinsam fortsetzen will. "Wir werden uns nicht ausruhen, sondern den Menschen Antworten geben auf die Fragen, die sie stellen", sagte er. Auch hielt er frühzeitige Diskussionen über mögliche Koalitionen nach der Wahl für unsinnig: "Ich rate davon ab, solche Diskussionen zu führen."
Wesentlich kritischer sahen naturgemäß die Sprecher der Opposition die Leistungen der Regierung. Für Guido Westerwelle (FDP) hat die Bundesregierung in allen Belangen versagt. Die Koalition habe die vergangenen wirtschaftlich guten Jahre nicht genutzt, um Vorsorge zu betreiben. "Wenn Sie es nicht mal schaffen, in den berühmten sieben fetten Jahren die Kornkammer zu füllen, wie soll es Ihnen dann gelingen in den mageren Jahren", sagte er.
Mit der größten Steuer- und Abgabenerhöhung der Republik habe die Koalition die Menschen um die Früchte des Aufschwungs gebracht. Deshalb werde es der Koalition auch nicht gelingen, 2011 einen ausgeglichen Haushalt vorzulegen.
Westerwelle hielt auch die Harmonie der Koalition nur für ein Schauspiel. In Wahrheit sei die Koalition "tief zerstritten". "Wir haben eine Bundesregierung, die hat hier heute Morgen auf Rosamunde Pilcher gemacht und heute Nachmittag geht dann im Wahlkampf das Kettensägenmassaker weiter", meinte er. Dagegen seien Kain und Abel eine friedliche Gesellschaft gewesen. Deutschland habe mehr verdient als eine "Halbtagsregierung", die jetzt im Vorwahlkampf ein Jahr lang diese Republik lähme.
Auch der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, war davon überzeugt, dass die Regierung 2011 keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen werde. Die Forderungen nach milliardenschweren Steuerentlastungen lehnte er als "völlig unseriös" ab. Kuhn warf der Regierung vor, dass es in Deutschland kein Atommüllendlager gebe, die Energieeffizienz von Elektrogeräten nicht vorangetrieben worden sei und es im Bereich der Bildung erhebliche Defizite gebe.
Für Gregor Gysi, den Vorsitzenden der Linksfraktion, ist die soziale Kluft in den vergangenen drei Jahren noch größer geworden. Die Armut habe sich vergrößert und der Reichtum sei maßlos geworden. Während die Einkommen bei den Geringverdienern in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent gesunken seien, seien sie bei den Spitzenverdienern um vier Prozent gestiegen. "Dagegen unternehmen Sie gar nichts", warf er der Regierung vor. Der Abbau der Arbeitslosigkeit sei durch den Aufbau von prekären Arbeitsverhältnissen zustande gekommen.