BILANZ
Herta Däubler-Gmelin über die Erfolge des Menschenrechtsausschusses und die Frustrationen in der Menschenrechtspolitik
Frau Däubler-Gmelin, Sie sind seit nunmehr drei Jahren Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses. Worauf sind Sie besonders stolz?
Ich finde es gut, dass Menschenrechtspolitik immer mehr zum Querschnittsthema für alle Politikbereiche wird. Das ist zum großen Teil auf die Arbeit des Menschenrechtsausschusses in den letzten Jahren zurückzuführen. Wir haben uns zu einem ernsthaften Partner für die Menschenrechtsorganisationen der Zivilgesellschaft etabliert.Wir haben Erfolge, wenn es zum Beispiel um die Verhandlungsposition der Bundesrepublik bei der Individualbeschwerde für soziale Menschenrechte geht. Durch unsere Arbeit wird die Meinung der Menschenrechtsaktivisten deutlicher zur Kenntnis genommen. Positiv ist auch, dass alle Mitglieder bei ihren Reisen Gefängnisse und Lager besuchen. Das hilft den Menschen dort, die merken, dass sie nicht vergessen sind.
Haben Sie auch Fälle erlebt, bei denen der Einsatz des Ausschusses nicht half?
Enttäuschungen erleben wir täglich. Menschenrechtspolitik ist mühsam, weil sie eigentlich immer mit starken Interessen kollidiert. Da müssen dann Brücken gebaut und Lösungen gefunden werden. Das kann dauern. Nehmen Sie das Beispiel des gefahrlosen Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Schulen oder auch zum Schutz vor Ausbeutung, das ja auch Menschen zusteht, die ohne gültige Ausweispapiere bei uns leben. Hier gibt es noch viele Probleme - für die Betroffenen, so genannten Illegalen selbst und für Menschen, die ihnen helfen.
Warum könnten die Themen, die der Ausschuss behandelt, nicht auch auf der Tagesordnung anderer Ausschüsse, etwa des Auswärtigen Ausschusses oder, wie im Fall der eben genannten Illegalen, des Innenausschusses stehen?
Die Frage, welcher Ausschuss welche Themen behandelt, kann man sicherlich unterschiedlich beantworten. Die Einrichtung des Menschenrechtsausschusses war damals sehr sinnvoll, weil sich jetzt Leute immer um diese Fragen kümmern. Sie stehen als Partner für die vielen Organisationen der Zivilgesellschaft ebenso zur Verfügung wie für die Kollegen in Bundestag und für die Verantwortlichen in den verschiedenen Ministerien. Es hilft den Menschenrechten, wenn man es ernst damit meint.
Mit welchen Themen befassen Sie sich aktuell besonders?
Im Bereich der Innen- und der Europapolitik liegt ein Schwerpunkt beim Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern. Im Augenblick machen wir uns große Sorgen um die Menschen im Nord-Ost-Kongo und darüber, dass sie wenigstens die Hilfe zum Überleben erreicht. Die Flüchtlingslager im Darfur und im Tschad, aber auch die Arbeit des neuen Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen in Genf sind weitere Schwerpunkte. Derzeit bereiten wir uns auf die Feier des 6o. Geburtstags der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember vor. Dazu soll es eine große Debatte im Bundestag geben. Unser Ausschuss plant parallel zwei Anhörungen: über die Geltung der Grund- und Menschenrechte für Polizisten und Soldaten, die im Ausland eingesetzt werden, eine weitere über die Geltung der Menschenrechte für Transnationale Unternehmen und ihre Verantwortung.
Wie offen spricht der Ausschuss Menschenrechtsverletzungen hierzulande an?
Sehr offen. Wir laden uns die verantwortlichen Minister und Parlamentarischen Staatssekretäre ein und reden klar über die Probleme, wie etwa auch über die erwähnten "Illegalen" und ihre Rechte. Jetzt haben wir begonnen, die Berichte unter die Lupe zu nehmen, die die einzelnen Ministerien an die Menschenrechtsschutzorganisationen der Vereinten Nationen, des Europarates und auch der OSZE abgeben müssen.
Seit 2003 beteiligt sich der Ausschuss an der Aktion "Parlamentarier schützen Parlamentarier". Worum geht es dabei?
Ziel ist es, die Arbeit von Parlamentsabgeordneten und Menschenrechtsverteidigern und diese selbst zu schützen, wenn sie in Gefahr sind. Wir führen damit den Auftrag der Interparlamentarischen Union aus, die dieses Schutznetz aufgespannt hat.
Wie helfen Sie konkret?
Wir nehmen die Namen der Kollegen und die Art ihrer Gefährdung auf - meistens liegt der Grund dafür in Ihrem mutigem Eintreten für die Menschenrechte. Wir stellen diese Informationen allen Kolleginnen und Kollegen des Bundestages zur Verfügung und bitten sie, bei ihren Reisen nach den gefährdeten Parlamentariern zu fragen und sich um sie zu kümmern. Dann schreiben wir Briefe an die Verantwortlichen und bitten die Bundesregierung, die ihr zu Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen ebenfalls zu aktivieren. Das hilft in einigen Fällen. In anderen leider noch zu wenig.
2009 werden Sie nicht mehr kandidieren. Was wollen Sie als Vorsitzende in den nächsten Monaten noch erreichen?
Die Zusammenarbeit zwischen den Menschenrechtsaktivisten der nationalen Parlamente in den Mitgliedstaaten von Europäischer Union und Europarat muss noch viel besser werden. Daran will ich ebenso arbeiten, wie an den schon angesprochenen Fragen.
Die Fragen stellte Johanna Metz.