BKA
Ein Ex-Insider kritisiert die Behörde für die Stabilisierung von Unrechtsregimen
Dieter Schenk bringt sein Thema schnurstracks auf den Punkt: Er präsentiert dem Deutschen Bundestag einen Entschließungsantrag: Das Parlament soll dem Bundeskriminalamt (BKA) auferlegen, die Einhaltung der Menschenrechte in einem Partnerland zur Voraussetzung für die Kooperation mit den dortigen Sicherheitsbehörden zu machen. Zudem soll die parlamentarische Kontrolle von Auslandseinsätzen deutscher Beamter intensiviert werden. So könnte die Volksvertretung aus Sicht des Autors das Übel aus der Welt schaffen, mit dem er sich ausführlich auseinandersetzt: nämlich mit der von ihm ausgemachten Hilfe der deutschen Polizei und Geheimdienste für Folterregime rund um den Globus.
Schenk dürfte mit seiner Anklage das BKA tüchtig ärgern: Er kennt den Laden von innen, zeitweise war er bei der Behörde als Kriminaldirektor tätig und viel im Ausland unterwegs. Flott ist der Text nicht zu lesen, es handelt sich um eine materialreiche, meist trockene Analyse der vielfältig verschachtelten Verflechtung der internationalen Systeme von Polizei und teils auch Geheimdiensten. Gewiss, Sachbücher sind keine lockeren Erzählstorys - wer allerdings ein größeres Publikum erreichen will, sollte die Lektüre auch dem Nichtfachmann leichter machen.
Dieser Einwand mindert indes nicht den inhaltlichen Gewinn des Buches. Einem denkbaren Missverständnis tritt Schenk klar entgegen: "Das Bundeskriminalamt billigt nicht die Folter und beteiligt sich nicht daran." Aber das BKA mache sich "mitschuldig, wenn es kritik- und distanzlos mit einer Folterpolizei zusammenarbeitet". Der Verfasser spricht von einer "stillen Komplizenschaft" mit jenen meist mehr oder weniger diktatorischen Ländern, in denen die - oft korrupten - Machthaber Polizei und Geheimdienste gegen politische Gegner einsetzen, diese auch misshandeln oder gar foltern lassen und sonstige Menschenrechtsverletzungen zu verantworten haben. Mit über 100 derartigen Staaten kooperiere das BKA. Das Buch benennt viele neuralgische Länder konkret, sei es China, Ägypten, der Sudan, Indonesien, Peru, Usbekistan, die Türkei, Russland, Kolumbien, Jemen, Azerbaidschan, oder Äthiopien.
Schenk spricht von "Etikettenschwindel", wenn nach offizieller Diktion die millionenschwere Ausbildungs- und Ausrüstungshilfe für die Polizei in neuralgischen Staaten deren Weg hin zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördern soll: In Wahrheit würden durch diese Unterstützung wie auch durch die Arbeit von über 60 BKA-Verbindungsbeamten Unrechtsregime stabilisiert. Das BKA sei nur daran interessiert, den Einsatz gegen Terrorismus, Rauschgift und illegale Migration durch Informationsbeschaffung effizienter zu gestalten und blende dabei bedenkliche politische Aspekte aus. Einmal floss viel Geld nach Indonesien, um dort angeblich den - kaum vorhandenen - Drogenhandel in den Griff zu bekommen: Schenk mutmaßt, dass die Indonesier die deutsche Unterstützung auch für die Bekämpfung von Demonstranten und aufständischen Regionen nutzten. Das Buch schildert eine Reihe ähnlich problematischer Beispiele, deren anschaulichere Darstellung der Lektüre im Übrigen gut getan hätte.
Der Autor verurteilt die Tätigkeit der Verbindungsleute keineswegs in Bausch und Bogen, lehnt auch deutsche Polizeihilfe nicht generell ab. Freilich müsse das BKA die Zusammenarbeit dann einschränken oder einstellen, wenn in den Gastländern Machthaber und Sicherheitsbehörden in Menschenrechtsverletzungen verstrickt seien. Außerdem fordert Schenk drastisch: "Folterregime raus aus Interpol" - der damit verbundene Schaden beim Vorgehen gegen Kriminalität und Terrorismus sei "gemessen an der präventiven Wirkung des Kampfes gegen Regierungsverbrechen gering".
Schenk hat ein parteiisches Buch geschrieben, doch er argumentiert durchaus differenziert, seine Kritik zu widerlegen, dürfte nicht einfach sein.
BKA. Polizeihilfe für Folterregime.
Dietz Verlag, Bonn 2008; 400 S., 28 ¤