Grenzsicherung
Im Kampf gegen internationale Kriminalität will die EU ihre Außengrenzen noch strikter abriegeln
Der letzte Blechcontainer mit Grenzbeamten dürfte bald verschwinden. Die EU setzt auf virtuelle Überwachung. Nach den jüngsten Plänen der EU-Kommission erfassen die Mitgliedstaaten ab 2015 die Fingerabdrücke aller einreisenden Nicht-EU-Bürger. An europäischen Flughäfen sollen Einreisekontrollen per Scan der Augeniris zum Standard werden. In einem Ein- und Ausreiseregister will die Kommission die biometrischen Daten von Nicht-Europäern speichern. Läuft die Aufenthaltserlaubnis ab, bevor der Betroffene die EU wieder verlässt, schlägt das System Alarm. Mit Satelliten und unbemannten Flugzeugen will die Kommission zudem die Seegrenzen im Mittelmeer schärfer kontrollieren. Um illegale Einwanderer aus Afrika besser abzuwehren, soll auch die über ein rasant wachsendes Budget verfügende europäische Grenzschutzagentur Frontex aktiver werden. Neben den Seegrenzen der EU überwacht Frontex auch die Wege illegaler Einwanderer aus der Türkei und den Balkan-Staaten nach Griechenland, Slowenien oder Ungarn.
Gegen die Agentur regt sich Widerstand: Während die nationalen Sicherheitsbehörden sich unter der Leitung von Frontex vernetzen, ist die Agentur selbst der politischen Kontrolle weitgehend entzogen. Bundestagsabgeordnete quer durch alle Fraktionen beschuldigten Frontex, im Mittelmeer Boote mit Flüchtlingen nach Afrika zurückzudrängen ohne nach den Fluchtgründen zu fragen. Menschenrechtler kritisieren, aus Angst vor unerwünschten Einwanderern werde das Recht auf Asyl der Einwanderungskontrolle geopfert.
Und das ist nicht die einzige Angst: Als die osteuropäischen EU-Länder Ende 2007 dem Schengen-Gebiet beitraten, fürchteten die alten Mitgliedstaaten, von organisiertem Verbrechen und Einwanderern aus dem Osten überschwemmt zu werden. Bei den nun offenen Grenzen Deutschlands zu Polen und Tschechien hätten sich die Ängste vor illegalen Migranten nicht bewahrheitet, so das Bundesinnenministerium. Die Brennpunkte illegaler Immigration lägen vielmehr an den Grenzen zu Österreich, Frankreich, Belgien und den Niederlanden.
Stichfeste Statistiken zu erstellen ist schwierig. Wird an den Grenzen nicht mehr systematisch kontrolliert, fliegen auch illegal Einreisende und Schleuser seltener auf. Statt wie bisher an den Grenzübergängen zu kontrollieren, überprüft die Bundespolizei mit mobilen Teams stichpunktartig den Verkehr in den Grenzregionen. Diese Einsätze machen sie gemeinsam mit polnischen und tschechischen Kollegen. Dass die Erweiterung des europäischen Schengen-Raumes die Kriminalität in den Grenzregionen angeheizt hat, stimmt laut Statistik nicht. Die Zahl der Straftaten ist insgesamt gesunken, heißt es etwa in Brandenburg. Bestimmte Straftaten jedoch kommen jetzt häufiger vor, an erster Stelle Autodiebstähle. Die Polizeigewerkschaft hat das Öffnen der Ostgrenzen dennoch als zu früh kritisiert. Den Kollegen in den neuen Schengen-Staaten fehle noch die nötige Technik, um die organisierte Kriminalität aus angrenzenden Ländern bekämpfen zu können. Vorhandene Systeme zum Überprüfen von zur Fahndung ausgeschriebenen Personen oder Sachen seien bereits in den alten Schengen-Staaten überlastet.
Die Autorin arbeitet als freie Journalistin in Brüssel und Hamburg.