Datenmissbrauch
Bundestag greift Vorschläge von Datenschützern auf
Jetzt soll es ganz schnell gehen. Die gravierenden Fälle des Datenmissbrauches, die in den letzten Wochen bekannt geworden sind, haben hektische Betriebsamkeit unter den Politikern aller Fraktionen ausgelöst. Nach dem Skandal um eine CD mit umfangreichen Daten von rund 17.000 Bürgern, die Verbraucherschützern zugespielt worden war, musste Telekom-Chef René Obermann unlängst beschämt eingestehen, dass schon im Jahr 2006 rund 17 Millionen Kunden-Datensätze bei der Mobilfunktochter T-Mobile entwendet worden waren.
So war man sich bei dem von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) einberufenen Datenschutzgipfel Anfang September rasch einig, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht und Lücken im Datenschutzrecht rasch geschlossen werden sollen. Konkret haben sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (beide CSU), der Vorsitzende der Bundesinnenministerkonferenz, Jörg Schönbohm (CDU), und die Datenschutzbeauftragte von Bund und Ländern darauf verständigt, dass Adressdaten nur noch mit Einwilligung der Betroffenen - entsprechend dem sogenannten "Opt-in-Prinzip" - weitergegeben werden dürfen. Bisher müssen Verbraucher einem Transfer dieser Daten erst ausdrücklich widersprechen.
Dies jedoch entspricht einer Forderung, die Datenschützer schon lange erheben - so auch bei einer Anhörung des Innenausschusses im März 2007. Damals schon forderte der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der Gesetzgeber müsse das Prinzip der Einwilligung unterstützen. Die Einwilligung zur Weiterverarbeitung persönlicher Daten müsse eine aktive Handlung der Betroffenen voraussetzen, etwa indem eine derartige Frage mit Ja zu beantworten ist.
Auch der vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, geforderten Erhöhung des Bußgeldrahmens bei Gesetzesverstößen sowie einer Möglichkeit zur Abschöpfung rechtswidrig erlangter Gewinne will der Bundesinnenminister nun nachkommen. Ein generelles Verbot des Datenhandels - wie es die CSU forderte - wird es aber nicht geben. Sehr zur Freude von Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstages, aus dessen Sicht "kriminelle Machenschaften Einzelner nicht als Begründung dienen dürfen, die Balance zwischen dem notwendigen Schutz der Verbraucher und den berechtigten Interessen der Wirtschaft zu zerstören".
Die Opposition jedoch ist mit der von der Bundesregierung angedachten Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes nicht zufrieden. Gisela Piltz ( FDP) fordert eine Reform des Datenschutzrechtes. "Kundendaten brauchen größtmöglichen Schutz vor kriminellem Datenmissbrauch." Nicht erst, wenn die Daten schon entwendet wurden, müssten sie sichergestellt, sondern von vornherein sicher gespeichert werden, so Piltz.
Aus Sicht der Linksfraktion müssten angesichts der Skandale derzeitig geltende datenschutzrechtliche Gesetze und Verordnungen auf den Prüfstand. Dazu gehörten der elektronische Einkommenssteuernachweis (ELENA), der biometrischen Personalausweis, die Vorratsdatenspeicherung und auch das Bundesmelderegister.
Auf Grundlage der Überprüfungen müsse das Bundesdatenschutzgesetz gründlich modernisiert werden, sagt der Innenpolitiker Jan Korte. Das Bundesdatenschutzgesetz zu einem allgemeinen Datenschutzgesetzbuch weiter zu entwickeln, fordern Bündnis 90/ Die Grünen in einem Antrag ( 16/10216). In Zukunft müsse beim Datenschutz der Grundsatz "Meine Daten gehören mir" gelten.
Doch auch der Verbraucher ist gefordert. Denn am erfolgversprechendsten gegen Datenklau ist immer noch Datensparsamkeit. Das betont auch Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, der dazu aufruft, die "Laisser-faire-Haltung" bei der Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu beenden. Generell sollten Verbraucher auf Geschäfte verzichten, die ein Einverständnis zur Datenweitergabe voraussetzen. Zudem sollte man nur solchen Geschäftspartnern sensible Daten wie etwa die Kontoverbindung nennen, die man selbst kontaktiert hat. Die Devise müsse sein: "Wen ich nicht kenne, der kriegt keine Daten."
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.