KONJUNKTUR
Das neue Maßnahmenpaket der Bundesregierung missfällt der Opposition
Der Schutzschirm für die Banken ist gespannt, weitere Maßnahmen für die Wirtschaft sollen folgen. "Nur so können wir verhindern", rief Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) während der Bundestagsdebatte am 4. November, "dass die Finanzkrise zu einer Krise der realen Wirtschaft wird." Genau zwei Tage später war die Wirtschaftskrise da - ausgerufen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, der für alle Industriestaaten ein Schrumpfen der Wirtschaft um 0,3 Prozent im nächsten Jahr voraussagt.
Deutschland kommt nach den Schätzungen des IWF mit minus 0,8 Prozent noch schlechter weg als der Durchschnitt der Industriestaaten. Das Weltwirtschaftswachstum wird mit nur noch 2,2 Prozent angegeben. Bei Werten unter drei Prozent spricht der IWF von Rezession.
Um die Pferde wieder zum Saufen zu bringen, wie der frühere Wirtschaftsminister Karl Schiller einmal sagte, hat die Bundesregierung nach dem 500-Milliarden-Euro-Programm für die Banken ein 15 Punkte-Programm beschlossen. Ziel sei es, Investitionen in einer Größenordnung von 50 Milliarden Euro auszulösen, erläuterte Finanzminister Peer Steinbrück. (SPD). Das Paket sei kein Konjunkturprogramm alten Stils mit breit gestreuten Steuergeldern, sondern es handele sich um punktgenaue Hilfen.
"In unseren Augen ist es in diesen konjunkturell schwierigen Zeiten das wichtigste Ziel, einen Schutzschirm für Arbeitsplätze zu spannen", erklärte Steinbrück. Zur Stärkung der Autoindustrie sollen Käufer von Neuwagen mit der Schadstoffklasse Euro-IV für ein Jahr von der Steuer befreit werden. Käufer von Neuwagen der Schadstoffklassen Euro-V oder Euro-VI müssen sogar zwei Jahre lang keine Steuern bezahlen. Dieser Teil des Wirtschaftspakets war im Bundestag besonders umstritten. Glos lobte den Plan als symbolischen Akt, "der zeigt, wie wichtig für uns die Automobilindustrie ist, von der jeder sechste Arbeitsplatz in Deutschland abhängt". Jedes neue Auto stoße weniger Schadstoffe aus als die "alten Stinker", sagte der Wirtschaftsminister.
Die Grünen konnten an dem Steuererlass keinen Gefallen finden: "Erklären Sie den Menschen, warum für einen Geländeschlitten eine Steuervergünstigung von 1.800 Euro vorgesehen ist, für ein kleines Auto aber nur 130 Euro. Das ist doch Unsinn", empörte sich Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn in der Debatte. Auch in der SPD-Fraktion gibt es Widerstand gegen die Steuerbefreiung. Viele Abgeordnete seien für eine "Abwrackprämie" für ältere Autos, sagte Fraktionsvize Ulrich Kelber, der die Steuerbefreiung in der "Frankfurter Rundschau" als "ökologisch kontraproduktiv und sozial höchst ungerecht" bezeichnete.
Befürworter der Abwrackprämie heben den Umweltschutzgedanken hervor. Eine Neuwagenförderung führe vielleicht zu mehr Absatz, könne aber nicht verhindern, dass die "alten Stinker" in Entwicklungsländer verschifft und dort fahren würden. Die anderen Maßnahmen der Bundesregierung sind weniger umstritten. So sollen Handwerkerkosten bis zu 6.000 Euro (bisher 3.000) von der Steuer abgesetzt werden können. Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Wärmedämmung von Gebäuden und zur Verbesserung kommunaler Infrastruktur werden ausgeweitet. Die Abschreibungsmöglichkeiten für Firmen werden in den Jahren 2009 und 2010 verbessert. Außerdem kann die KfW zinsverbilligte Kredite für Unternehmen bereitstellen, die von den Banken möglicherweise kein Geld mehr bekommen. Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes wird von zwölf auf 18 Monate erhöht. Damit soll verhindert werden, dass Firmen bei vorübergehendem Auftragsmangel Mitarbeiter entlassen müssen.
Außerdem werden für den Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen in den kommenden zwei Jahren 2 Milliarden Euro bereitgestellt. Die Wirtschaft begrüßte das Verkehrsinvestitionsprogramm: "In der Infrastruktur ist das Geld langfristig gut angelegt. Jede dort investierte Milliarde schafft 20.000 Arbeitsplätz", erklärte der Vorsitzende des Präsidiums des Deutschen Verkehrsforums, Klaus-Peter Müller. Von der Opposition im Bundestag kam dagegen Kritik. "Der Schutzschirm für die Banken ist riesig, der Schirm für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kaum zu sehen", kritisierte der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine. FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle sprach von einer Aneinanderreihung von Einzelmaßnahmen. Ein Konzept sei nicht erkennbar. "Wichtig wären Schritte, die die Nettoeinkommen der Bürger erhöhen", forderte der Liberale.
Kritik kam aber auch aus der Union. Das Programm greife allein schon vom Volumen her "deutlich zu kurz", stellte der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, fest. Der Wirtschaft seien in den letzten Jahren immer mehr finanzielle Lasten aufgebürdet worden, "die jetzt in der Krise als Konjunkturbremse wirken", erläuterte Schlarmann im "Rheinischen Merkur".
Parallel zur Debatte über das Hilfsprogramm häuften sich die schlechten Nachrichten. ThyssenKrupp Stahl muss die Produktion drosseln, der Autohersteller BMW im Werk Leipzig ebenfalls. Dort wird 400 Leiharbeitern gekündigt. Die Aufträge für die deutsche Industrie brachen im September um acht Prozent ein. Nur eine kleine Branche erwartet einen Aufschwung. Die Insolvenzverwalter rechnen mit einer Pleitewelle.