NEUE GESETZE
Der Bundestag hat 2008 mehr als 150 Regelwerke verabschiedet, die 2009 in Kraft treten
"Die Demokratie lebt vom Kompromiss. Wer keine Kompromisse machen kann, ist für die Demokratie nicht zu gebrauchen", so der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt. Im Jahr 2008 hat es im Deutschen Bundestag viele dieser Kompromisse gegeben: Insgesamt verabschiedete das Parlament 154 Gesetze, wovon die Mehrzahl von der Regierung eingebracht wurde. Hier eine Auswahl der wichtigsten Änderungen im Neuen Jahr:
Hinter dem Kinderförderungsgesetz, KiföG, steckt der lange angekündigte Ausbau der Kinderbetreuung. Bis zum Jahr 2013 soll für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Platz in einem Kindergarten oder bei einer Tagesmutter vorhanden sein. Von August 2013 an soll jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten oder in einer Tagespflege haben. Wer sein Kind zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr nicht außer Haus betreuen lassen möchte oder kann, soll dementsprechend Anspruch auf ein Betreuungsgeld haben.
Das Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen, das Familienleistungsgesetz, (FamLeistG) beinhaltet die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages, die Einführung eines Schulgeldes für Kinder von Hartz IV-Empfängern und erweiterte Möglichkeiten, Haushaltshilfen von der Steuer abzusetzen. Das Kindergeld wird für das erste und zweite Kind um je 10 Euro, für das dritte und vierte Kind um 16 Euro angehoben. Der Kinderfreibetrag wird um 192 Euro auf 3.840 Euro erhöht. Zudem sollen Familien bis zu 20 Prozent der Ausgaben für sogenannte haushaltsnahe Dienstleistungen, etwa Tagesmütter oder Haushaltshilfen, absetzen können.
Das Familienbuch aus Papier ist passé: Das Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts sieht vor, dass das elektronische Personenstandsregister die bisherigen Personenstandsbücher ablöst. Das Gesetz ersetzt sie durch Eheregister, Lebenspartnerschaftsregister, Geburtenregister und Sterberegister. Erfasst werden zukünftig Daten zu Geburt, Eheschließung, Begründung einer Lebenspartnerschaft und Tod sowie damit in Verbindung stehende familien- und namensrechtliche Tatsachen. Nicht mehr gespeichert wird der Beruf. So sollen rund 46 Millionen Euro pro Jahr gespart werden.
Die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld wird von 12 auf 18 Monate verlängert. Die neue Verordnung tritt zum 1. Januar 2009 in Kraft und gilt für alle Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2009 entsteht. Mit dieser Maßnahme sollen Massenentlassungen in Unternehmen verhindert werden, die aufgrund der Wirtschaftskrise massive Auftragseinbrüche zu überstehen haben.
Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung sinkt zum 1. Januar von 3,3 Prozent auf 3,0 Prozent. Zusätzlich wird der Beitragssatz vorübergehend, vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2010, durch Rechtsverordnung auf 2,8 Prozent gesenkt. Die Bundesregierung begründete diesen Schritt mit den hohen Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit und der deutlich gesunkenen Arbeitslosenzahl.
Am 1. Januar tritt das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente in Kraft. Ziel der Bundesregierung ist es, die Arbeitsmarktpolitik effektiver zu gestalten. Deshalb werden von den bisher 52 Instrumenten zur Vermittlung und Eingliederung Arbeitloser in den Arbeitsmarkt 27 abgeschafft. Dazu gehört auch das Instrument der "sonstigen weiteren Leistungen" im Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II), mit dem bisher über die Grundsicherung hinaus individuell angepasste Leistungen zur Eingliederung finanziert wurden. Ein weiteres neues, zentrales Instrument ist das sogenannte Vermittlungsbudget für jeden einzelnen Arbeitlosen.
Mit dem Gesetz werden die Befugnisse des Bundeskriminalamtes (BKA) zur Terrorismusbekämpfung erheblich ausgeweitet (siehe Seite 1). Zu den neuen, präventiven Befugnissen zählen neben der sogenannten Online-Durchsuchung privater Computer auch die Rasterfahndung und die Überwachung von Wohnräumen und Telekommunikation.
Zur Sicherung der Fachkräftebasis hat die Bundesregierung ein Aktionsprogramm beschlossen, mit dem die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte erleichtert werden soll. Dazu gehört unter anderem: Der Arbeitsmarktzugang wird für alle Akademiker aus den neuen EU-Mitgliedstaaten durch den Verzicht auf die Prüfung des Vermittlungsvorrangs inländischer Arbeitnehmer erleichtert. Für deren Familienangehörige und für Familienangehörige drittstaatsangehöriger Akademiker wird ebenfalls auf diese Prüfung verzichtet. Jungen geduldeten Ausländern, die sich länger als ein Jahr in Deutschland aufhalten, wird der uneingeschränkte Zugang zu jeder betrieblichen Ausbildung eröffnet.
Ab 1. Januar 2009 startet der Gesundheitsfonds. Darin fließen alle Beiträge von Arbeitnehmern, Arbeitgebern, Rentnerinnen und Rentnern, Selbständigen sowie allen sonstigen Beitragszahlern ein. Zusammen mit dem Bundeszuschuss, der von 2009 an jährlich um 1,5 Milliarden Euro ansteigen soll, werden die Beiträge an die Krankenkassen verteilt. Dabei wird auch der jeweilige Versorgungsbedarf der Krankenkasse berücksichtigt: Mit Einführung des sogenannten morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (lat. morbidus = krank) gibt es künftig mehr Geld für Versicherte mit schwerwiegenden und chronischen Krankheiten und entsprechend hohem Versorgungsbedarf als für gesunde Versicherte. Außerdem müssen alle gesetzlich Krankenversicherten ab 1. Januar 2009 einen einheitlichen Kassenbeitrag von 15,5 Prozent zahlen.
In der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es sie schon seit dem 1. April 2007: die Versicherungspflicht für alle. Von Januar 2009 an gilt das auch für die privat Krankenversicherten. Damit haben in Deutschland alle Bürgerinnen und Bürger nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, eine Krankenversicherung abzuschließen, wenn sie im Krankheitsfall keinen anderweitigen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten haben. Das gilt künftig auch für die Pflegeversicherung.
Im neuen Jahr wird durch die Vergütungsreform für Ärzte zudem die Budgetierung abgeschafft. Bisher wurden die Leistungen der Ärzte mit Punkten bewertet. Jetzt sollen die Leistungen mit festen Preisen einer Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Damit wird eine langjährige Forderung der Ärzte erfüllt. Für die Krankenkassen bedeutet dies, dass sie im Jahr 2009 voraussichtlich 2,75 Milliarden Euro mehr Honorar für Ärzte bereitstellen müssen.
Ab 1. Januar 2009 müssen alle privaten Krankenversicherungen einen Basistarif anbieten. In diesem Tarif dürfen Versicherte nicht abgewiesen werden. Auch dürfen keine Zuschläge wegen erhöhter gesundheitlicher Risiken erhoben oder Leistungsausschlüsse vereinbart werden. Die Leistungen im Basistarif müssen zudem in Umfang, Art und Höhe mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergleichbar sein. Die Versicherungsprämie darf den jeweiligen GKV-Höchstbeitrag nicht überschreiten.
Die Koalition hatte in letzter Minute im Finanzausschuss noch einige Änderungen an dem Gesetzentwurf durchgesetzt. So wird die Abzugsmöglichkeit von Schulgeld bei der Steuer verbessert. Schuldgeld kann nun bis zu einem Höchstbetrag von 5.000 Euro steuerlich geltend gemacht werden. Eine weitere Änderung betrifft den Vorsteuerabzug bei Dienstfahrzeugen, der bei gemischter Nutzung entfallen sollte. Diese Vorschrift wurde aus dem Gesetz herausgenommen. Davon verspricht man sich eine Stabilisierung des Neuwagenverkaufs. Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzes ist die Einführung des optionalen Faktorverfahrens beim Lohnsteuerabzug für Ehegatten. Mit dem Faktorverfahren soll sichergestellt werden, dass der geringer verdienende Ehegatte steuerlich nicht mehr so hoch belastet wird wie in der Steuerklasse V.
Unmittelbar nach der Verabschiedung der Erbschaftssteuerreform am 27. November durch den Bundestag hat die CSU bereits Änderungen an dem Gesetz verlangt. "Unser Ziel bleibt die Regionalisierung der Erbschaftssteuer, damit die Länder autonom und eigenständig über die Erbschaftssteuer entscheiden können", sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in München. Dies werde auch in den Koalitionsvertrag einer bürgerlichen Bundesregierung hineingeschrieben.
Das Gesetz lässt das selbst bewohnte Haus steuerfrei, wenn es an den Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner vererbt wird und der Erbe noch mindestens zehn Jahre darin wohnt. Bei Kindern wird das steuerfreie Erben auf Häuser oder Wohnungen beschränkt, die weniger als 200 Quadratmeter Wohnfläche haben. Für ererbte Betriebe wird keine Erbschaftsteuer fällig, wenn sie vom Erben eine bestimmte Zeit weiter geführt werden.
Ab 1. Januar 2009 gilt ein neues Verfahren zur Besteuerung von Zinsen und anderen Kapitaleinkünften. Private Kapitalerträge werden einheitlich mit einem Satz von 25 Prozent besteuert. Hinzu kommen noch der Solidaritätszuschlag (5,5 Prozent der Einkommensteuer) und gegebenenfalls die Kirchensteuer (Sätze nach Bundesländern unterschiedlich).
Mit der Abgeltungssteuer sind sämtliche Steuerverpflichtungen aus Kapitalerträgen abgegolten. Anleger und Sparer können sich alternativ aber auch mit ihrem individuellen Steuersatz besteuern lassen.
Zum 1. Januar tritt der Haushalt 2009 in Kraft. Danach dürfen die Ausgaben des Bundes 290 Milliarden Euro nicht übersteigen. Das sind 2,4 Prozent mehr als in diesem Jahr. Investiert werden sollen 27,2 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme beträgt 18,5 Milliarden Euro. Die Oppositionsfraktionen halten diese Zahlen jetzt schon für Makulatur, da sie wegen der Wirtschaftskrise mit sinkenden Steuereinnahmen und höheren Sozialausgaben rechnen.
Die Lkw-Maut steigt zum 1. Januar 2009 durchschnittlich von 13,5 Cent auf 16,3 Cent je Kilometer. Drastischer erhöhen sich allerdings die Mautsätze für viele drei oder vier Jahre alte Fahrzeuge mit höheren Abgaswerten.
Die Mehreinnahmen von 1 Milliarde Euro will der Bund fast ausschließlich in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Diese Investitionen sollen im Jahr 2009 insgesamt rund 5 Milliarden Euro betragen.
Ab Anfang 2009 sollen Handwerksbetriebe, vor allem im Baubereich, ihre Zahlungsansprüche gegenüber ihren Auftraggebern leichter als bisher durchsetzen können. Das ist das Ziel des sogenannten Forderungssicherungsgesetzes. Es sieht unter anderem vor, dass ein Unternehmen bereits dann eine Teilsumme vom Bauherrn einfordern kann, wenn dieser einen Gegenwert erhalten hat - also beispielsweise schon bevor das komplette Gebäude fertiggestellt ist. Der sogenannte Druckzuschlag - die Summe, die Bauherren bei Mängeln einbehalten durften, um auf ihre zügige Beseitigung hinzuwirken - soll in Zukunft nur das Doppelte der zu erwartenden Kosten der Mängelbeseitigung betragen. Bisher war es das Dreifache.
Schnellere Entscheidungen und eine bessere Berücksichtigung des Kindeswohls: Diese Hoffnungen sind mit der Reform familiengerichtlicher Verfahren verbunden. Beispielsweise sollen Streitigkeiten zwischen den Eltern über das Umgangsrecht schneller bearbeitet werden, damit sich das Kind nicht von einem Elternteil entfremdet. Einvernehmliche Lösungen zwischen den Eltern sollen gefördert werden. Das "Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit" tritt am 1. September 2009 in Kraft.
Grenzüberschreitende Forderungen innerhalb der Europäischen Union sollen ab Anfang 2009 ebenfalls leichter geltend gemacht werden können. Das sieht das "Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung" vor. Wenn beispielsweise das Auto einer deutschen Familie während des Spanien-Urlaubs von einem spanischen Auto beschädigt wird und der spanische Fahrer die Begleichung der Reparaturkosten verweigert, kann die deutsche Familie die Summe jetzt einfacher vor Gericht einfordern. Dafür steht ein Standard-Formular bereit, außerdem findet die Verhandlung in den meisten Fällen schriftlich statt, um den Parteien Reisekosten zu ersparen. Das vereinfachte Verfahren gilt bis zur Forderungshöhe von 2.000 Euro.