GRÖNLAND
Mehr Unabhängigkeit, neue Regierung. Die Insel im Norden steht vor einem Umbruch
Grönland ist derzeit gleich doppelt in Bewegung: Zum einen löst die linke Oppositionspartei Inuit Ataqatigiit (IA) nach den Parlamentswahlen vom 2. Juni die jahrzehntelang regierenden Sozialdemokraten an der Macht ab. Sie konnte ihren Stimmenanteil auf knapp 44 Prozent verdoppeln und stellt mit Parteichef Kuupik Kleist den künftigen Regierungschef. Zum anderen geht die Insel in diesen Tagen den vorletzten Schritt in Richtung Unabhängigkeit von Dänemark.
Grönland, die größte Insel der Erde, ist selten im Fokus der internationalen Öffentlichkeit. Dieser riesige von Schnee und Eis dominierte Fleck Erde nahe am Nordpol, geografisch dichter an Amerika als an Europa, wird kaum wahrgenommen - am ehesten, wenn mal wieder die Rede ist von abschmelzenden Gletschern oder vom Robbenfang der Inuit. Dabei sind politisches und wirtschaftliches Leben auf Grönland derzeit lebendig und von internationaler Bedeutung wie selten. Es hat einen historischen Regierungswechsel gegeben und das Land, das noch eine autonome Region unter dänischer Herrschaft ist, kappt allmählich die Bande zum Mutterland. Am 21. Juni 2009, dem Nationalfeiertag, trat Grönland über in den Status der so genannten "selvstyre" (Selbststeuerung) - der letzten Phase vor der kompletten Unabhängigkeit.
"Zunächst einmal heißt das vor allem, dass wir als Volk anerkannt werden", sagt der Sozialdemokrat Lars-Emil Johansen, der Grönland im dänischen Parlament vertritt. "Das hat politische, juristische und psychologische Bedeutung. Wir sind dann nicht einfach mehr eine regionale dänische Gruppierung wie etwa die Bornholmer." Im dänischen Parlament hat nur die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF) gegen die zunehmende Unabhängigkeit Grönlands gestimmt. Sie will teilhaben am Ressourcenreichtum der Insel.
Im Jahr 1721 errichtete der Missionar Hans Egede die erste dänische Kolonie auf Grönland. Erst kurz nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Insel den Koloniestatus aufgeben. Seit 1979 betreibt Grönland weitgehend unabhängig von Dänemark Innenpolitik, ausgenommen sind unter anderem das Rechtswesen und die Verwaltung der Rohstoffe. Beide Bereiche kann das Land seit dem 21. Juni übernehmen. Allerdings muss es für die Kosten selber aufkommen. Bisher zahlte das Mutterland Dänemark.
Politiker und Bewohner der nur 56.000 Einwohner zählenden Insel hoffen, dass nun ihre Bodenschätze die Selbständigkeit finanzieren können. Noch steht Dänemark für die Hälfte des Staatsbudgets ein. Die Subventionen, die derzeit etwa 400 Millionen Euro betragen, werden mit zunehmenden Rohstoffeinnahmen vermindert bis sie ganz auslaufen.
Der Rohstoffsektor verursacht relativ geringe Verwaltungskosten. Von 2010 an entscheidet die grönländische Regierung alleine, wer im Lande Minen bauen und nach Öl suchen darf. "Die Zahl der vergebenen Lizenzen steigt schon jetzt, und wir erwarten einen weiteren Schub. Nicht zuletzt, weil die Lizenzvergabe in Zukunft unbürokratischer verlaufen wird", sagt Jørn Skov Nielsen, Chef der grönländischen Rohstoffbehörde.
Bisher bringt vor allem der Export von Fisch sowie der Tourismus Einnahmen, das Rohstoffgeschäft dürfte für Grönland aber erheblich lukrativer sein. Laut US Geological Service könnten rund 25 Prozent der weltweiten Ölreserven zu Grönland gehören. Der Großteil davon wird im Nordosten vor der Küste vermutet, wo arktische Bedingungen die Suche und Förderung erschweren. Doch die Aussichten sind besser als erhofft. "Das Eis in dieser Region ist mit 1,80 Meter erheblich dünner als erwartet", so Nielsen. Schon in zehn Jahren könnte im Nordosten und Nordwesten des Landes das erste Öl gefördert werden, wenn entsprechende Lizenzen bald vergeben werden. Firmen wie Exxon, Chevron Texaco und Statoil haben bei Nielsen schon ihr Interesse angemeldet.
Grönland verfügt aber auch über erhebliche Vorkommen an Gold, die unter anderem zur Stahlhärtung benutzten Stoffe Olivin und Molybdän, Diamanten, Zink und andere Metalle. Zwei Minen sind bereits eröffnet. Der Klimawandel kommt Grönland dabei sogar zugute. "Der Boden ist in weiten Teilen des Landes nun erheblich kürzer gefroren als früher, die Ausbeutung also einfacher", so Nielsen. Grönland wurde über Jahrzehnte von der sozialdemokratischen Siumut regiert. Filz ist verbreitet und hat dazu geführt, dass nicht immer die Qualifiziertesten auf den wichtigsten Posten sitzen. "Das Land ist zudem ein kleines mit einer relativ schlecht ausgebildeten Bevölkerung", warnt die dänische Grönlandexpertin Marianne Krogh Andersen. "Das sind nicht die besten Voraussetzungen, um mit internationalen Multis, die Scharen von Topanwälten beschäftigen, zu verhandeln."
Während das Ausland sich für Grönland vor allem wegen der Rohstoffe interessiert, dominierten vor allem innenpolitische Probleme und Themen den Wahlkampf - die hohe Arbeitslosenquote, der schlechte Bildungsstand weiter Teile der Bevölkerung sowie der verbreitete Alkoholismus. Wie sehr die internationale Bedeutung Grönlands in den kommenden Jahren zunehmen könnte, zeigt sich daran, dass Russland und die USA eine große Schar an Diplomaten damit beschäftigen, die Insel zu beobachten und gute Beziehungen zu ihr zu unterhalten. Dass die meisten anderen Länder und die Medien Grönland bisher kaum auf dem Schirm haben, dürfte sich bald ändern.