ARGENTINIEN
Bei der Parlamentswahl am 28. Juni droht den Peronisten eine Niederlage
Die Provinz Buenos Aires ist in den Tagen vor den argentinischen Parlamentswahlen am 28. Juni hart umkämpftes Terrain: Die dicht bewohnten Vororte rund um die Hauptstadt sind wahlentscheidend, stellen sie doch allein 70 der 257 Sitze der Abgeordnetenkammer. Argentinien ist eine Präsidialdemokratie, alle zwei Jahre werden die Hälfte der Abgeordneten der Kammer und ein Drittel der Senatoren gewählt. In diesem Jahr gelten die Wahlen zur Legislative als Stimmungsbarometer, wie es zur Halbzeit um die Regierung von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner bestellt ist. Die Zustimmung der Argentinier zu ihr hat seit ihrem Amtsantritt 2007 nachgelassen. Um den drohenden Verlust der absoluten Mehrheit zu vermeiden, stellt sich in der wichtigsten Provinz ein sehr prominenter Kandidat zur Wahl: Néstor Kirchner, Ex-Präsident und Ehemann von Cristina Kirchner.
Kirchner tritt für das Wahlbündnis "Frente para la Victoria" (FPV) an, in dem seine peronistische Partei PJ den Ton angibt. Doch ein Sieg ist keinesfalls sicher, die Prognosen erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Francisco de Narváez, einem ehemaligen Parteigenossen, der sich in der Partei Union-Pro mit dem Bürgermeister der Hauptstadt verbündet hat. De Narvaéz gehört zu einer ganzen Reihe von Abgeordneten und Senatoren vom rechten Flügel der PJ, die sich von der Politik der Kirchners, dem "Kirchernismo", losgesagt haben und sich nun gegen die Regierung stellen. Dritte Kraft ist das Wahlbündnis "Acuerdo Civico y Social" (ACyS) der Oppositionsführerin Elisa Carrió.
Im Blickpunkt steht noch eine andere Provinz: In Santa Fé kandidiert der ehemalige Gouverneur Carlos Reutemann, vor seiner politischen Karriere Formel-1-Pilot, als Senator für die peronistische PJ. Reutemann hat die PJ Santa Fés aus dem Kirchnerschen Wahlbündnis FPV gelöst und sich damit ebenfalls gegen das mächtigste Paar des Landes positioniert. Sollte er deutlich gewinnen und Nestor Kirchner verlieren, gilt er als möglicher Konkurrent für Nestor Kirchner um das Amt des Parteivorsitzenden und als Präsidentschaftskandidat für die Wahlen 2011.
Der Grund für den drohenden Verlust der absoluten Mehrheit liegt vor allem im Konflikt der Regierung mit der mächtigen Landwirtschaft: Angesichts steigender Preise auf dem Weltmarkt wollte die Präsidentin 2008 eine Erhöhung der Exportsteuern auf Soja und Sojaprodukte durchsetzen. Die Agrarproduzenten protestierten mit Verkaufsstreiks und Straßenblockaden. Als das Gesetz im Parlament zur Abstimmung stand, fiel der eigene Vizepräsident der Präsidentin nach einem Patt im Parlament in den Rücken und ließ das Projekt scheitern. Umstritten ist auch die Enteignung der privaten Rentenkassen, die die Regierung im Oktober 2008 beschloss. Kritiker fürchten, dass die 29 Milliarden Dollar aus den Fonds und der jährliche Kapitalzufluss von 4 Milliarden Dollar zur Tilgung der Zinsen der Staatschulden genutzt werden sollen.
Im personalisierten Wahlkampf verschwinden Programme und Parteien hinter den Kandidaten - und die ziehen alle Register: Homestories in bunten Blättern, Auftritte in Comedy-Sendungen und im Fußballstadion. Dass Nacha Guevara, eine Schauspielerin, für Kirchners FPV auf dem dritten Listenplatz antritt, verwundert am Rio de la Plata niemanden. Für Empörung sorgte dagegen die Kandidatur von Luis Patti, einem ehemaligen Polizisten, der in Untersuchungshaft sitzt. Er wird beschuldigt, während der Militärdiktatur entführt, gefoltert und getötet zu haben. Er führte in der Provinz Buenos Aires eine ultrarechte Liste an und betrieb den Wahlkampf aus der Gefängniszelle. Erst am 18. Juni hat die oberste Wahlbehörde Pattis Kanidatur verboten.