Wirtschaftskrise
Die Linke fordert eine Staatsgarantie für die Sozialversicherungen. Die anderen Fraktionen sind dagegen
Zahlen muss immer der "kleine Mann": Während der Staat einigen Banken und einigen Industrieunternehmen mit Steuergeldern in Milliardenhöhe aus der oft selbstverschuldeten Patsche hift, muss der Rentner und versicherungspflichtige Arbeitnehmer um seine finanzielle Zukunft fürchten. So sieht dies jedenfalls die Linksfraktion im Deutschen Bundestag und hat deshalb einen Antrag mit dem Titel "Staatsgarantie für die Sozialversicherungen - Schutzschirm für den Menschen" ( 16/12857) vorgelegt, der am 18. Juni erstmals im Bundestag beraten und an die Ausschüsse überwiesen wurde.
Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, die Kürzungen der sozialen Leistung für die nächsten vier Jahre verbindlich auszuschließen und für die aufgrund der Wirtschaftskrise entstehenden Defizite der Sozialversicherungen mit einer Staatsgarantie zu bürgen. Sie begründet ihren Antrag damit, dass die Bundesregierung bereit sei, bis zu 480 Milliarden Euro für marode Banken zu zahlen und damit die Renditen zumeist vermögender Anleger zu sichern. Einen wirksamen Schutzschirm für Menschen habe sie dagegen nicht gespannt.
Die Konjunkturpakete, die sie verabschiedet habe, seien zu klein, um die Talfahrt der Wirtschaft und den Verlust von Arbeitsplätzen zu stoppen. Auf die Sozialversicherungen würden deshalb Beitragsausfälle in mehrstelliger Milliardenhöhe zurollen, was erheblichen Druck auf die Leistungen ausüben werde. Spätestens nach der Bundestagswahl, so die Voraussage der Linksfraktion, würden deshalb massive Kürzungen drohen.
Es wäre jedoch zutiefst sozial ungerecht, wenn die Rentnerinnen und Rentner, Beschäftigten und Arbeitslosen für die Folgen der Krise zahlen müssten, die nach Rendite gierende Manager und Banker sowie deregulierungswütige Politikerinnen und Politiker zu verantworten hätten, heißt es weiter. Kürzungen der Sozialleistungen wären außerdem Gift für die Kaufkraft und würden die gegenwärtige Krise in der Binnenwirtschaft noch verschärfen. Kürzungen der Sozialleistungen müssten daher auch für die Zeit nach der Bundestagswahl verbindlich ausgeschlossen werden. Die Bundesregierung müsse für die sozialen Sicherungssyteme bürgen und durch eine Staatsgarantie einen wirksamen Schutzschirm für die Menschen spannen, fordert die Linksfraktion.
In der Plenardebatte betonte der Initiator des Antrags, Klaus Ernst, dass die Konjunkturprogramme der Regierung bisher mindestens 25 Milliarden Euro gekostet hätten. Zudem würden bis Ende 2010 in der Arbeitslosen- und in der Krankenversicherung die Fehlbeträge auf 50 Milliarden Euro ansteigen. Gleichzeitig werde ein Schutzschirm über die Banken mit einem Volumen von insgesamt 480 Milliarden gespannt.
Ernst sagte voraus, dass in den kommenden Monaten die Arbeitslosigkeit "stark" ansteigen werde. "Wir werden erleben, dass die Sozialversicherungen in Schwierigkeiten kommen", meinte er. Durch steigende Arbeitslosigkeit würden die Einnahmen wegbrechen, andererseits würden deshalb auch die Ausgaben steigen. Auch die Rentner müssten sich darauf einstellen, dass in den kommenden Jahren ihre Renten nicht mehr steigen würden. So müssten schließlich Menschen, die mit der Krise überhaupt nichts zu tun hätten, die Zeche zahlen, betonte Ernst.
Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, hielt den Antrag der Linksfraktion für "populistisch und brandgefährlich". Unter dem Begriff "Schutzschirm" werde jede Reformfähigkeit des Systems abgelehnt. Dies sei ein "Frontalangriff" auf den Generationenvertrag. "Wir brauchen eine Debatte um die Zukunftsfähigkeit des Systems und keine Scheindiskussionen", sagte er. Die Linksfraktion treibe ein "übles Spiel mit der Angst". Kampeter wies darauf hin, dass Reformen nicht gleichzeitig einen Abbau von sozialen Leistungen bedeuteten. Notwendig seien eine Qualitätsverbesserung in der Verwaltung und ein Qualitätsvergleich. "Mit einem Schirm wird kein Problem gelöst", betonte Kampeter.
Heinrich Kolb (FDP) warf der Linksfraktion vor, dass sie einerseits große Forderungen stelle, andererseits aber nicht über die Finanzierung nachdenke. "Wer ist denn der Staat, an denen sie den Antrag richten", fragte er die Antragsteller. Wenn es eine Leistungsgarantie gebe, müsse es auf der anderen Seite auch eine Einkommensgarantie geben. Dies zeige schon, dass der Antrag nicht durchdacht sei. Kolb warf der Linksfraktion vor, sie lasse die Generationengerechtigkeit außer Acht.
Für die SPD-Fraktion betonte Waltraud Lehn, dass die Bundesregierung nicht "maroden Banken" unter die Arme gegriffen habe. "Wir haben dafür gesorgt, dass Geld für Investitionen fließt", betonte sie. Außerdem würden in diesem Jahr die Renten steigen und nicht fallen. Das alles zeige, dass die Bundesrepublik ein funktionierender Sozialstaat sei. Sie wies darauf hin, dass von 100 Euro Steuereinnahmen rund 70 Euro für soziale Leistungen ausgegeben würden. "Einen Schutzschirm gibt es längst und der ist uns 70 Prozent der Steuereinnahmen wert", sagte sie.
Birgitt Bender (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass die Rentenbeiträge von allen Arbeitnehmern bezahlt würden. Darüber hinaus werde ein Drittel der Rente über Steuern finanziert. Auch sie forderte die Linksfraktion auf, darzulegen, wie der Schutzschirm für Sozialleistungen finanziert werden solle.
Die Abgeordnete räumte ein, dass es Reformbedarf im Gesundheitswesen gebe. "Politik braucht Konzepte und keine Versprechungen", sagte sie.