13. Dezember 2010
© picture-alliance / Frank
May
Medienkompetenz wird immer wichtiger, um am politischen und
sozialen Leben teilnehmen zu können. In dieser
Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen
Anhörung der Enquete-Kommission „Internet und digitale
Gesellschaft“ am Montagnachmittag geladenen Experten einig.
Um zu einem selbstbestimmten Umgang mit den neuen Medien
befähigt zu werden müssten daher Kinder und Jugendliche,
aber auch Eltern und Lehrer intensiv und frühzeitig geschult
werden.
Erste Medienerfahrung in der Familie
In den
Familien würden die zentralen ersten Erfahrungen mit Medien
gemacht und die Grundlagen für die künftige Mediennutzung
geschaffen, sagte Mechthild Appelhoff, von der Landesmedienanstalt
Nordrhein-Westfalen. Neben den Eltern müssten aber auch
Pädagogen in der Schule und der Vorschule geschult werden.
„Hier gibt es zentrale Defizite“, sagte Appelhoff. Die
Herausforderung der nächsten Jahre bestehe darin, die
große Zahl der Multiplikatoren, „die selber nicht in
der digitalen Welt groß geworden sind und sich vielfach
selbst nicht kompetent fühlen zu qualifizieren“.
"Jugendliche sind oft einen Schritt
voraus"
Es gebe dabei „größere
Leerstellen zu füllen“ sagte auch Kathrin Demmler,
Direktorin beim Institut für Medienpädagogik
München. „Diskussion und Reflexion“ müsse ein
Leitbild der pädagogischen Maßnahmen seien, sagte sie
und verwies darauf, dass gerade bei den neueren Medien die
Jugendlichen den Pädagogen oft „einen Schritt voraus
sind“. Sinnvoll seien etwa „Werkstattformen“ in
denen beide Seiten ihr Wissen einbringen könnten.
Lehrer müssten als „Navigator und Katalysator“
wirken und dürften nicht belehrend wirken, forderte
Jürgen Ertelt, Projektkoordinator bei Jugend online, der
Fachstelle für Internationale Jugendarbeit. Seiner Ansicht
nach dürfe das Internet nicht mehr als „virtuelle Welt
im Vergleich zur realen Welt“ gesehen werden. Vielmehr
müsse es als erweiterter Lebensraum verstanden werden, in dem
Bildung stattfinden könne. Dazu sollten Online-Treffpunkte der
Jugendlichen als Ort von Beratung und Jugendarbeit verstanden
werden. Nur so könne ein „Streetwork in
Digitalien“ angegangen werden.
"Zielgruppenorientierte Reflexionsanreize“
schaffen
Harald Gapski vom Grimme-Institut
Gesellschaft für Medien, Bildung und Kultur warnte davor,
Medienkompetenz mit Medienqualifikation gleichzusetzen.
Medienkompetenz bedeute, kreative Problemlösungen bei offenen
Handlungssituationen zu finden und gehe über
„abfragbares Bedienungs- und Handhabungswissen“ hinaus.
Auch Gapski befürwortete die Schaffung
„zielgruppenorientierter Reflexionsanreize“, so dass
die Jugendlichen aus sich selbst eine Medienkompetenz aufbauen
könnten.
Die Kompetenz der Jugendlichen und Erwachsenen zu stärken
müsse dem Weg der Regulierungen und Verbote vorgezogen werden,
forderte Professor Gerd Gigerenzer, Direktor beim
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Eine neue
Generation, die wisse wie es zur Sucht nach neuen Technologien
komme und eine kritische Beurteilung von Informationsquellen
gelernt habe, biete eine bessere Chance für den Umgang mit
neuen, heute noch unbekannten Technologien, sagte er.
"Digitale Medien spielen noch zu geringe
Rolle"
Digitale Medien würden in Deutschland im Bildungswesen noch
eine zu geringe Rolle spielen, bemängelte Hannes Schwaderer
von der Initiative D21, die sich für eine Partnerschaft von
Politik und Wirtschaft in der Informationsgesellschaft engagiert.
So müsste längst der PC als gewöhnliches
Arbeitsmittel für das Lernen im 21. Jahrhundert anerkannt
werden, sagte er. Viele andere „ressourcenarme“
Länder hätten flächendeckende Programme begonnen,
die jedem Schüler einen eigenen PC als „Lernwerkzeug in
geschützten Räumen“ an die Hand geben würden.
In Deutschland seien hingegen weniger als ein Prozent der
Schüler in einer „Notebook-Klasse“. 17 Prozent der
deutschen Schüler hätten noch nie einen PC im Unterricht
genutzt. „Dieser Missstand muss beseitigt werden“,
forderte Schwaderer.
Auch Philippe Gröschel, Mitbegründer des sozialen
Netzwerkes „Schüler VZ“ verwies auf die hohe
volkswirtschaftliche Bedeutung des richtigen Umgangs mit Medien.
Deutschland als „Forschungs- und Innovationsland“
müsse gewährleisten, dass alle Bürger mit neuen
Medien und IKT-Technologien umgehen könnten, da diese in
nahezu jedem Berufsfeld wichtig seien.