29. November 2010
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Ein weiterentwickeltes Urheberrecht muss die Interessen der
Urheber, aber auch der Verwerter und der Endnutzer im Blick haben.
In dieser Forderung waren sich die Experten bei einer
öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission "Internet
und digitale Gesellschaft“ am Montag, 29. November 2010,
weitgehend einig. Gleichzeitig sprachen sie sich für eine
Vereinfachung der Regelungen aus. In das digitale Urheberrecht
seien viele analoge Konzepte übernommen worden, sagte der
Medienrechtler Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer von der
Universität Köln. Was jedoch in der analogen Welt
"einigermaßen gut“ funktioniert habe, funktioniere in
der digitalen Welt schlecht, weil die Inhalte hier leicht und
schnell verfügbar seien.
"Einige Korrekturen nötig"
Die Frage, ob das Urheberrecht auch heute noch als Rechtsinstrument
taugt, könne bejaht werden, sagte Prof. Dr. Thomas Dreier vom
Karlsruher Institut für Technologie. Gleichwohl seien "einige
Korrekturen nötig“. Dabei müsse der Urheber zwar im
Zentrum stehen. Gleichzeitig müssten aber auch die Rechte der
"Verleger und Produzenten, der Wettbewerber und der
Endnutzer“ beachtet werden. Es dürfe dabei nicht um ein
"möglichst umfängliches
Ausschließlichkeitsrecht“ gehen, da man sich sonst "zu
Tode schützt“, sagte Dreier.
Die Kreativindustrie versuche immer wieder attraktivere legale
Angebote zu machen, habe aber trotzdem enorm mit der Piraterie zu
kämpfen, sagte Ronald Schild, Geschäftsführer der
MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH. Der
benötigte Rechtsrahmen, um dagegen anzugehen, sei mit dem
Urheberrecht zwar vorhanden, doch werde er "nicht gelebt“. Es
müsse daher mit Warnhinweisen gearbeitet werden, ohne dass der
Nutzer kriminalisiert werde.
"Schöpferische Zentralfigur in den
Mittelpunkt"
Der Rechtsanwalt Wolfgang Schimmel forderte, das Urheberrecht
dürfe nicht "prohibitiv“ wirken und die Verbreitung von
Informations- und Kulturgütern verhindern. Solange man die
schöpferische Zentralfigur in den Mittelpunkt stelle,
würden auch keine unnötigen Blockaden entstehen, da das
zentrale Interesse der Künstler sei, ein Publikum zu
erreichen.
Die Gruppen der Nutzer und der Urheber würden immer mehr
konvergieren, machte Matthias Spielkamp, Projektleiter von
i.Rights.info deutlich. Die Digitalisierung ermögliche es,
dass Nutzer "Werke nicht mehr einfach nur zur Kenntnis nehmen,
sondern für ihr eigenes Schaffen verwenden“. Insofern
kämen beide Gruppen "in Kontakt und in Konflikt mit dem
Urheberrecht“.
"Legitimationskrise des Urheberrechts"
Spielkamp kritisierte, dass die Regelungen zum einen sehr komplex
seien. Zum anderen schwinde die Anerkennung für etliche dieser
Regelungen. Dies lege einen anderen Umgang mit dem Urheberrecht
nahe, sagte Spielkamp.
Der Medienrechtler Prof. Dr. Gerald Spindler von der
Universität Göttingen sprach von einer
"Legitimationskrise“ des Urheberrechts. Die Schranken des
Urheberrechts würden von denjenigen, die Internetinhalte
nutzen, "überhaupt nicht mehr verstanden“, was zu einer
völlig anderen Situation als vor 30 oder 40 Jahren
führe.
"Gleichklang zwischen Urheber, Verwerter und
Nutzer"
Auch Spindler sprach sich für einen "Gleichklang zwischen
Urheber, Verwerter und Nutzer" aus. Am sinnvollsten seien
dafür möglichst einfach strukturierte Rechte. "Damit
würde sich ein Großteil der Probleme erledigen“,
prognostizierte Spindler.
Im derzeitigen Urheberrecht enthaltene überlange Schutzfristen
und eine Exklusivität der Rechtenutzung hätten zu
"Quasi-Monopolen“ beigetragen und damit zu einem
Marktversagen geführt, sagte Professor Peter Tschmuck von der
Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Dies
lasse sich an den "riesigen Beständen“ von Werken
ablesen, deren Nutzung für die großen Konzerne
wirtschaftlich uninteressant sei, kleineren Betrieben aber verwehrt
bleibe. "So geht Kulturgut verloren“, sagte Tschmuck und
forderte ein Urheberrecht, welches "die Wahlfreiheit der Nutzung
durch andere“ festschreibt. (hau)