Politisch zeigten sich die 80er-Jahre als bewegtes Jahrzehnt: Helmut Schmidt wurde durch Helmut Kohl abgelöst; die Sorge um Umwelt und Frieden ließ die Grünen erstarken und in den Bundestag einziehen. Dann, 1989, der grandiose Höhe- und Schlusspunkt dieses Jahrzehnts: Die Berliner Mauer fiel. Die Wiedervereinigung stand vor der Tür.
Nach den rezessionsgeplagten Siebzigern brach in den 80er-Jahren eine Phase an, in der es zwar bergauf ging, aber viel Vertrautes zurückgelassen wurde. Vor allem veränderte sich das Arbeitsleben. Ganze Branchen wie Stahl, Kohle und Werften wurden abgehängt. Erstmals gab es mehr Angestellte als Arbeiter. Mit modernen Computern und Faxgeräten begann der Siegeszug der Kommunikationsgesellschaft.
Mit dem konstruktiven Misstrauensvotum – Kanzlersturz und Kanzlerwahl in einem – nahm am 1. Oktober 1982 eine neue „Ära” ihren Anfang: Helmut Kohl wurde Bundeskanzler. Anfangs noch als „Provinzler” verspottet, wurde Kohl später zur historischen Persönlichkeit: Als mit 16 Amtsjahren am längsten regierender Kanzler und, vor allem, als Kanzler der Einheit.
Auch im Deutschen Bundestag gab es eine Zäsur: Das jahrzehntelange „Drei-Fraktionen-Parlament” aus Union, SPD und FDP fand sein Ende. Mit der Bundestagswahl vom 6. März 1983 zogen die Grünen – bislang eine außerparlamentarische Protestbewegung – in das Parlament ein. Für einige altgediente Parlamentarier fast ein Kulturschock. Denn von nun an wurde im Bundestag nicht nur geredet, sondern die Gesinnung auch optisch vorgezeigt – mit Strickpullovern, langen Bärten oder, wie beim Einzug der neuen Fraktion in den Plenarsaal, mit Blumentöpfen auf den Tischen. Später stellte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth fest: „Die Grünen veränderten das Parlament, aber das Parlament veränderte auch die Grünen.”
Rückenwind hatten die Grünen durch zwei Entwicklungen erhalten: Einmal durch die Friedensbewegung, die sich mit machtvollen Demonstrationen gegen die im Nato-Doppelbeschluss vorgesehene Stationierung neuer Mittel- streckenraketen in Europa wandte. Auch im Bundestag kam es über den Doppelbeschluss, der von Helmut Schmidt mit initiiert worden war und über den er schließlich mangels Unterstützung seiner eigenen Partei selbst stürzte, zu heftigen und kontroversen Diskussionen. Am 22. November 1983 fällte der Bundestag die Entscheidung zugunsten der Stationierung.
Zum anderen profitierten die Grünen von einem neu erwachten Umweltbewusstsein, hier hießen die Stichworte saurer Regen, Waldsterben, Ausbau der Atomkraft, später der Super-GAU der Tschernobyl-Katastrophe in der Ukraine. Wo immer der Raubbau oder die Gefährdung der Natur zu beklagen schien, ob beim Ausbau des Frankfurter Flughafens oder bei der Brandrodung der Urwälder am Amazonas – die Grünen erhoben ihre Stimme oder waren mit spektakulären Aktionen zur Stelle. Zu parlamentarischen Symbolfiguren der neuen grünen Kraft wurden Petra Kelly, die gerne einen mit Blumen besetzten Stahlhelm trug, und – auf der Seite der sogenannten „Realos” – Joschka Fischer, der später zum Vizekanzler und Außenminister aufsteigen sollte. Aus der Tschernobyl-Katastrophe zogen im Übrigen auch Bundesregierung und Bundestag Konsequenzen: 1986 wurden ein neues Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie ein entsprechender Fachausschuss des Bundestages geschaffen.
Innenpolitisch im Vordergrund stand der Abbau der Arbeitslosigkeit, die mit 2,4 Millionen Arbeitslosen gerade ihren ersten Rekord verzeichnete. Eine geplante Volkszählung brachte viele Menschen in Wallung, der Zustrom von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen führte zu sozialen Spannungen. Auswüchsen des Protests der unruhigen Jugend versuchte die Politik mit einer Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts und einem Vermummungsverbot beizukommen.
Alles wurde aber überlagert durch die rasante Abwärtsentwicklung im anderen Teil Deutschlands, der DDR. Trotz Milliardenzahlungen aus der Bundesrepublik, für die sich sogar der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß stark gemacht hatte, wies die Leistungsbilanz der DDR immer größere Defizite auf, die Produktionsanlagen veralteten, die Produkte genügten nicht den Weltmarktbedingungen, Städte und Umwelt verrotteten. Fast irreal erschien da der offizielle Besuch Erich Honeckers am 7. September 1987 in Bonn, wo er mit militärischen Ehren empfangen wurde. Zwei Jahre später waren er und sein Staat am Ende.
1989 wurde das Jahr der Entscheidung. Während es in Polen bereits die erste nichtkommunistische Regierung gab und Ungarn seine Grenzen geöffnet hatte, weigerte sich die DDR-Führung gegen jede Art von Reformen. Selbst als Gorbatschow während der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR Reformen mit den Worten anmahnte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”, blieb die SED stur. Die Folge war eine enorme Fluchtbewegung, vor allem über Ungarn.
Am 8. November 1989 dann die Sensation: Nach der Erklärung von SED-Politbüromitglied Günter Schabowski über neue Reiseerleichterungen stürmten Zigtausende in Berlin zur Mauer. Stunden später war sie geöffnet, freudetrunken tanzten Deutsche auf dem Bollwerk, das 28 Jahre die Menschen aus West und Ost brutal getrennt hatte [» Zum Artikel]. Im Bonner Wasserwerk, dem Ausweichquartier des Bundestages, erhoben sich zu später Stunde die Abgeordneten von ihren Sitzen und stimmten die Nationalhymne an: „Einigkeit und Recht und Freiheit”. Und in Berlin sagte Willy Brandt ein paar Tage später: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.”
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Chronik „50er-Jahre bis zur Gegenwart” »
Text Dr. Sönke Petersen
Erschienen am 12. Juni 2009