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5. Mai 2010

Die Enquete-Kommissionen: parlamentsinterne Politikberatung

Enquete-Kommissionen sollen als Beratergremien für den Bundestag Informationen über die Auswirkung von technischen, ökonomischen, ökologischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen sammeln und auswerten, um dem Parlament künftige Regelungs- und Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Empfehlungen für politische Entscheidungen zu geben.

Wenn der Bundestag eine Enquete-Kommission einsetzt, dann geht es stets um Zukunftsfragen: Ob Themen wie Gentechnologie, demografischer Wandel oder wie jetzt aktuell "Internet und digitale Gesellschaft" - mit den aus Abgeordneten und externen Sachverständigen bestehenden Gremien will das Parlament abseits des politischen Tagesgeschäfts Lösungsansätze für komplexe technische, ökonomische oder gesellschaftliche Probleme finden. Gerade in Zeiten großen Reformbedarfs sind so die Enquete-Kommissionen - quasi als parlamentsinterne Politikberatung - zu einem wichtigen Instrument der Entscheidungsvorbereitung für den Bundestag geworden.

Am 4. März 2010 entschied der Bundestag einstimmig, eine Enquete-Kommission zum Thema "Internet und digitale Gesellschaft" einzurichten. Bis zum Sommer 2012 sollen 17 Abgeordnete und 17 Sachverständige dem Parlament ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorlegen. Damit hat die 25. Enquete-Kommission in der Geschichte des Bundestages (nicht eingerechnet alle erneut eingesetzten Kommissionen zum gleichen Thema) ihre Arbeit aufgenommen. Doch worin besteht diese eigentlich genau? Was ist die Aufgabe dieses parlamentarischen Gremiums?

Empfehlungen für politische Entscheidungen

Enquete-Kommissionen sollen als Beratergremien für den Bundestag Informationen über die Auswirkung von technischen, ökonomischen, ökologischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen sammeln und auswerten, um dem Parlament künftige Regelungs- und Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und Empfehlungen für politische Entscheidungen zu geben.

Natürlich können die Kommissionen keine Handlungsrezepte ausstellen, doch der Bericht, der zum Ende der oft jahrelangen Arbeit des Gremiums steht, geht über eine bloße Faktensammlung und Problemanalyse weit hinaus. Die Ergebnisse der Kommission werden in ihrem Schlussbericht in Empfehlungen an das Parlament konkretisiert und begründet.

Externer Sachverstand

Was die temporär eingesetzten Enquete-Kommissionen so besonders macht, ist der Umstand, dass hier - anders als in den ständigen Ausschüssen des Bundestages - der Sachverstand direkt ins Parlament integriert ist.

Die Meinung von Experten aus Wissenschaft und Forschung wird hier nicht nur bei speziellen Anhörungen eingeholt, die externen Sachverständigen sind selbst Mitglieder der Enquete-Kommission. Gemeinsam und gleichberechtigt sollen sie mit den Abgeordneten das ihnen übertragene Thema bearbeiten.

Stärkung des Bundestags

Die erste Enquete-Kommission setzte das Parlament 1969 zum Thema "Auswärtige Kulturpolitik" ein. Sie sollte Empfehlungen für eine bessere Repräsentation der Bundesrepublik im Ausland erarbeiten. Dass der Bundestag 20 Jahre ohne Enquete-Kommissionen auskommen musste, liegt daran, dass seine Geschäftsordnung bis 1969 die Einsetzung eines solchen Beratergremiums gar nicht vorsah.

Erst im Rahmen der "Kleinen Parlamentsreform" beschloss der Bundestag am 18. Juni 1969, das Institut der Enquete-Kommission unter Paragraf 56 in seine Geschäftsordnung aufzunehmen. Ziel war es, das Parlament mit Sachverstand zu stärken und so einen Ausgleich zu schaffen zu den Möglichkeiten der Regierung, sich wissenschaftlich beraten zu lassen.

Minderheit kann Einsetzung beantragen

Seither ist es üblich, Probleme und Themen, die gründlicher und ohne Zeitdruck behandelt werden sollen, einer Enquete-Kommission zur Beratung zu übergeben. Ob Gentechnik, Globalisierung oder die Aufarbeitung der SED-Diktatur in der DDR - an den Themen der insgesamt 25 unterschiedlichen Enquete-Kommissionen lassen sich so die wichtigsten Entwicklungen und Probleme in Technologie, Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft der letzten vier Jahrzehnte nachvollziehen.

Am Anfang der Arbeit einer jeden Enquete-Kommission steht immer ein Auftrag des Parlaments. Bereits ein Viertel seiner Mitglieder kann einen Antrag auf Einsetzung des Gremiums stellen. Ein Beschluss des Bundestages ist zwar notwendig, doch die Mehrheit kann dieses Recht der Minderheit nicht kippen. In der Praxis erfolgen Abstimmungen über Enquete-Kommissionen jedoch mit großer Zustimmung und oft sogar einstimmig - wie zuletzt im März bei der Entscheidung über die Internet-Enquete.

Mitglieder werden entsandt, nicht gewählt

Die Mitglieder der Kommission werden nicht vom Bundestag gewählt, sondern von den einzelnen Fraktionen entsandt. Dies hat vor allem den Vorteil, dass die Fraktionen im Laufe der Kommissionsarbeit ohne große Umstände ihre Vertreter im Gremium wechseln können. Nach der Geschäftsordnung entsendet jede Fraktion mindestens einen Vertreter, es können aber auch mehrere sein. Die Kommission soll aber insgesamt nicht mehr als neun Mitglieder umfassen.

Allerdings ist auch eine größere Mitgliederanzahl erlaubt, wenn der Bundestag zustimmt. Eine Regel, von der in der Praxis oft Gebrauch gemacht wird: Der aktuellen Kommission gehören beispielsweise 34 Mitglieder an. Grundsätzlich lehnt sich die Zusammensetzung des Gremiums an das Stärkeverhältnis der Fraktionen im Plenum an. Den Vorsitzenden stellt stets die stärkste Fraktion. Gibt es in einer Wahlperiode eine zweite Enquete-Kommission, übernimmt ein Mitglied der zweitstärksten Fraktion deren Leitung. Entsprechend dieses Stärkeverhältnisses werden auch die externen Sachverständigen ernannt. Meist beruft eine Fraktion ebenso viele Experten wie sie Vertreter in die Kommission schickt.

Anhörungen, Tagungen, nichtöffentliche Sitzungen

Als Experten werden in der Regel Wissenschaftler ernannt, die auf ihrem Fachgebiet ausgewiesene Fachleute sind. Da es den Enquete-Kommissionen aber um eine möglichst breite Informationsgewinnung geht, lassen sie sich zusätzlich von Institutionen, Verbänden, Forschungseinrichtungen und sogar internationalen Organisationen unterstützen. Das Gremium hat außerdem die Möglichkeit, Berichte von einzelnen Fachabteilungen in Ministerien anzufordern oder gezielt Gutachten von Wissenschaftlern in Auftrag zu geben. Natürlich kann es auch auf die Expertise des bundestagseigenen wissenschaftlichen Dienstes zurückgreifen.

Regelmäßig laden Enquete-Kommissionen zu Anhörungen ein. Und nicht selten nehmen die parlamentarischen Mitglieder des Gremiums auch an Tagungen und Konferenzen teil, um möglichst viele Informationen zu einem Thema zu sammeln. Was auf diese Weise an Daten zusammengetragen wird, wird in nichtöffentlichen Sitzungen beraten. Zwar kann die Enquete-Kommission auch beschließen, die Öffentlichkeit zuzulassen, doch geschieht dies eher selten. Eine Ausnahme sind die Anhörungen von Sachverständigen oder Interessenvertretern: Diese finden regelmäßig öffentlich statt und werden auf www.bundestag.de übertragen. Auch Dokumente lassen sich hier finden.

Öffentliche Diskussion und wissenschaftliche Beachtung

In den vergangenen Jahren wurde die Arbeit der Enquete-Kommissionen, ihre Zwischen- sowie Schlussberichte, von Medien und Öffentlichkeit mit Interesse verfolgt: Gerade die Ergebnisse der Kommissionen, die sich mit den Themen Kernkraft oder Aids beschäftigt hatten, konnten die öffentliche Debatte maßgeblich bereichern. Aber auch in der Wissenschaft finden die Berichte von Enquete-Kommissionen Beachtung. Mit den darin zusammengetragenen Informationen und Analysen stimulieren sie sogar nicht selten neue Forschungen.

Wichtiger jedoch: Gerade in Zeiten großen Reformbedarfs haben sich die Enquete-Kommissionen - quasi als parlamentsinterne Politikberatung - als wichtiges Instrument der Entscheidungsvorbereitung für den Bundestag erwiesen.




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Ausdruck aus dem Internet-Angebot des Deutschen Bundestages

www.bundestag.de/internetenquete/Hintergrund_Enquete/index.jsp

Stand: 05.05.2010