Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Datenhandbuch > 6. Parlament und Regierung > 6.14 Vertrauensfrage des Bundeskanzlers
Stand: 31.3.2010
Mittwoch 7. Nov. 2001 |
Bundeskanzler Schröder übermittelt dem Deutschen Bundestag den Antrag der Bundesregierung: „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte“ bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen“ (Drucksache 14/7296). Die PDS-Fraktion legt einen Entschließungsantrag zu dem Antrag des Bundeskanzlers über die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus vor (Drucksache 14/7333). Darin fordert sie u .a. den Eintritt des Deutschen Bundestages für ein „sofortiges Ende des Krieges in Afghanistan“. |
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Donnerstag 8. Nov. 2001 |
Der Deutsche Bundestag behandelt in seiner 198. Plenarsitzung den Antrag der Bundesregierung für einen „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte …“ (Drucksache 14/7296) in dem Zusatztagesordnungspunkt 2. Nach einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Schröder kommt es zu einer Aussprache von einer Stunde. Nach der Aussprache wird der Antrag an den Auswärtigen Ausschuss (federführend), den Rechtsausschuss, Verteidigungsausschuss, Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung des Bundestages an den Haushaltsausschuss überwiesen. | |||||
Freitag 9. Nov. 2001 |
Der Fraktionssprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Rezzo Schlauch, teilt dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion Peter Struck mit, dass es bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Stimmen gegen den Antrag der Bundesregierung für einen „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte“ geben wird. | |||||
Sonntag 11. Nov. 2001 |
Die acht Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Annelie Buntenbach, Steffi Lemke, Christian Simmert, Monika Knoche, Irmingard Schewe-Gerigk, Hans-Christian Ströbele, Sylvia Voß und Winfried Hermann haben in einem „Positionspapier“ ihre Gründe für die Ablehnung des Antrags auf Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan erläutert. | |||||
Montag 12. Nov. 2001 |
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ gibt es in der SPD vier Abgeordnete, die sich auf eine Ablehnung des Antrags der Bundesregierung festgelegt haben. Dem Vernehmen nach sind es Gudrun Roos, Uwe Jens, Konrad Gilges und Konrad Kunick. In beiden Fraktionen der Regierungskoalition gibt es außerdem eine Reihe von Parlamentariern, die sich nicht festgelegt haben. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye teilt vor der Bundespressekonferenz mit, dass Bundeskanzler Schröder nach dem derzeitigen Stand nicht die Absicht habe, die Vertrauensfrage zu stellen. Die Bemühungen gingen weiter dahin, eine eigene Mehrheit für die Koalition sicherzustellen. Der Parteirat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfiehlt der Fraktion, dem Einsatz unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. Die Parteivorsitzende Claudia Roth erklärt gegenüber Journalisten: „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie in dem Mandat Präzisierungen und Klarstellungen vornimmt, die uns dieses Mandat akzeptabel erscheinen lassen“. Die Präzisierungen seien mit 12 : 2 Stimmen Beschluss des Parteirats und Bedingung für eine Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung auf Bereitstellung von bis zu 3900 Soldaten. Dazu gehöre, dass die Bundeswehr-Soldaten ausschließlich gegen die Organisation des Moslem-Extremisten Osama bin Laden, El Kaida, und deren Unterstützer eingesetzt würden. Deutsche Elitesoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) sollten bei der Ergreifung möglicher Täter nur „quasi polizeilich-militärische Aufgaben“ übernehmen. Die Klarstellungen sollen als Protokollnotiz zum Antrag erfolgen. |
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Dienstag 13. Nov. 2001 |
Die FDP-Fraktion legt den Antrag „Präventive außenpolitische Konzepte gegen den Terrorismus“ vor (Drucksache 14/7445). Der Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Repnik, teilt mit, dass die Union gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan stimmen werde, wenn Bundeskanzler Schröder die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbindet. Bundeskanzler Schröder richtet an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ein Schreiben, worin er ankündigt, die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Das Schreiben lautet:
Der SPD-Fraktionsvorsitzende, Peter Struck, teilt daraufhin der Presse mit, Bundeskanzler Schröder werde am Freitag die Vertrauensfrage mit der Abstimmung über die Bereitstellung von 3900 Soldaten verknüpfen. Die SPD signalisiere geschlossene Zustimmung. Um 16.40 Uhr spricht Bundeskanzler Schröder in der Sitzung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, um beim Koalitionspartner für den Antrag auf Einsatz bewaffneter deutscher Soldaten in Afghanistan zu werben und der Fraktion mitzuteilen, dass er den Antrag auf Vertrauensfrage stellen werde. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Struck teilt mit, dass wesentlicher Auslöser für die Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder das angekündigte Votum von acht Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei, gegen den Antrag für einen Einsatz bewaffneter deutscher Soldaten zu stimmen. Die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD treffen zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen und einigen sich auf einen ergänzenden Antrag zu dem Antrag der Bundesregierung auf einen bewaffneten Einsatz von deutschen Soldaten (der Antrag wird als Drucksache am 16. November vorgelegt), der „Widerständlern“ die Zustimmung erleichtern soll. Am Nachmittag nimmt Bundeskanzler Schröder an der Sitzung der FDP-Fraktion teil. Bei dem Gespräch geht es nach Angaben des Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, um die politische Lösung in Afghanistan nach dem Ende des Taliban-Regimes. Gerhardt teilt mit, dass die Liberalen geschlossen für einen Bundeswehreinsatz im Afghanistan-Krieg seien. Wenn der Bundeskanzler jedoch die Vertrauensfrage mit dem Regierungsantrag verbinde, werde die FDP mit Nein stimmen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, erklärt, dass die Union dem Bundeswehr-Einsatz eigentlich zustimmen wollte, kündigt aber in der Vertrauensfrage das Nein der Fraktion an. Fraktionssprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Schlauch, erklärt, dass durch die Verknüpfung des Antrags der Bundesregierung mit der Vertrauensfrage sich eine neue Situation ergeben habe. Die Fraktionsspitze bemühe sich weiterhin, sowohl durch den Entschließungsantrag wie durch eine Präzisierung des Bundeswehrmandats „bestimmten Bedenken entgegenzukommen“. |
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Mittwoch 14. Nov. 2001 |
Der Auswärtige Ausschuss legt zum Antrag der Bundesregierung (Drucksache 14/7296) seine Beschlussempfehlung und seinen Bericht (Drucksache 14/7447) vor. Darin heißt es u. a.:
Im Auswärtigen Ausschuss wird mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der PDS dem Antrag der Bundesregierung (Drucksache 14/7296) zugestimmt. Der Haushaltsausschuss legt zum Antrag der Bundesregierung (Drucksache 14/7296) gemäß § 96 der Geschäftsordnung seine Beschlussempfehlung (Drucksache 14/7480) vor. Darin heißt es u. a.:
Der Vorsitzende der PDS-Fraktion, Roland Claus, fordert die Regierung auf, ihren Beschluss zur Bereitstellung deutscher Soldaten für den Anti-Terror-Krieg zu überarbeiten. Der Beschluss spiegele den Verlauf der Ereignisse in Afghanistan – die Verdrängung der Taliban aus wichtigen Städten – nicht mehr wider. Die PDS werde am Freitag bei der verknüpften Abstimmung mit Nein stimmen. Die FDP-Fraktion legt einen eigenen Entschließungsantrag zur Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten für den Anti-Terror-Einsatz vor (Drucksache 14/7503). |
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Donnerstag 15. Nov. 2001 |
Der Auswärtige Ausschuss legt Beschlussempfehlung und Bericht zum Entschließungsantrag der PDS-Fraktion (Drucksache 14/7333) vor (Drucksache 14/7493). Es wird die Ablehnung des Entschließungsantrags vorgeschlagen. Der Beschluss wurde mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der PDS gefasst. Gegen Mittag wird die „Protokollerklärung zum Antrag der Bundesregierung auf Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte vom 7. November 2001“ veröffentlicht. Die SPD-Abgeordnete Christa Lörcher, die zuvor ihr Nein zum Antrag der Bundesregierung erklärt hat, übermittelt am Nachmittag dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Struck ihr Austrittsgesuch aus der SPD und ist mit Wirkung vom 15. November 2001 fraktionslos. |
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Freitag 16. Nov. 2001 |
Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen zur Beratung des Antrags der Bundesregierung (Drucksachen 14/7296 und 14/7447) einen Entschließungsantrag vor (Drucksache 14/7513). In einer Probeabstimmung zum Antrag der Bundesregierung in der Fraktionsversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmen die Abgeordneten Ströbele, Buntenbach, Hermann und Simmert mit Nein. In der Probeabstimmung in der SPD-Fraktion stimmen alle Abgeordneten mit Ja. Die CDU/CSU-Fraktion legt einen eigenen Entschließungsantrag zur Bereitstellung von Bundeswehrsoldaten für den Anti-Terror-Einsatz vor. In der 202. Sitzung (TOP 3) berät der Deutsche Bundestag die Beschlussempfehlung und den Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 14/7447) zum Antrag der Bundesregierung „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen“ (Drucksache 14/7296). Ebenfalls liegt der Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 14/7480) vor. Die Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7447 wird in Verbindung mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 Abs. 1 GG auf Drucksache 14/7440 beraten. Die Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7447 wird in Verbindung mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 Abs. 1 GG auf Drucksache 14/7440 in namentlicher Abstimmung angenommen. Für die Annahme der Beschlussempfehlung reicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Mehrheit). Für die Annahme des Antrags des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 Abs. 1 GG ist die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erforderlich (mindestens 334 Stimmen). Das Ergebnis im Einzelnen: |
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Abgegebene Stimmen | 662 | |||||
Nicht abgegebene Stimmen | 4 | |||||
Ja-Stimmen | 336 | |||||
Nein-Stimmen | 326 | |||||
Enthaltungen | 0 | |||||
Ungültige | 0 | |||||
Die Stimmen teilen sich auf wie folgt: | ||||||
Fraktion | Ja | Nein | nicht abgegeben |
Fraktionsstärke | ||
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SPD | 293 | – | – | 293 | ||
CDU/CSU | – | 242 | 3 | 245 | ||
B 90/DIE GRÜNEN | 43 | 4 | – | 47 | ||
FDP | – | 43 | – | 43 | ||
PDS | – | 36 | 1 | 37 | ||
fraktionslos | – | 1 | – | 1 | ||
Der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 14/7513) wird mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der anderen Fraktionen angenommen. Die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU (Drucksache 14/7512) und der FDP (Drucksache 14/7503) werden abgelehnt. Die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache 14/7493), den Entschließungsantrag der PDS (Drucksache 14/7333) abzulehnen, wird gegen die Stimmen der PDS-Fraktion angenommen. |
2 Vgl. Michael F. Feldkamp, Chronik der Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder im November 2001, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 33. Jg. (2002), H. 1, S. 5 – 9; Christian Simmert und Volker Engels, Die Lobby regiert das Land, Berlin 2002, S. 177 – 246; Christoph Schönberger, Parlamentarische Autonomie unter Kanzlervorbehalt? In: Juristenzeitung, 57. Jg. (2002), H. 5, S. 211 – 219.