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Frauen verdienen im Schnitt 23 Prozent weniger als Männer. Das hat das Statistische Bundesamt aus Anlass des Equal Pay Day im März dieses Jahres bekannt gegeben. Die Gründe dafür sind laut Bundesregierung vor allem: das Fehlen von Frauen in bestimmten Berufen, Branchen und gehobenen Positionen, familienbedingte Unterbrechungen und die Tatsache, dass Lohnverhandlungen nicht dazu haben beitragen können, dass typische Frauentätigkeiten besser bewertet werden. Die SPD-Fraktion möchte dem nun abhelfen und hat einen Entwurf für ein Entgeltgleichheitsgesetz (17/9781) vorgelegt, den der Bundestag am Donnerstag, 14. Juni 2012, in erster Lesung diskutiert hat. Zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit müsse der Gesetzgeber den strukturellen Defiziten des geltenden Rechts abhelfen, fordern die SPD-Abgeordneten. Es müsse ein Rahmen geschaffen werden für die Prüfung und Beseitigung von Entgeltdiskriminierung.
Die Gewerkschaften und Verantwortlichen in den Betrieben müssten verpflichtet werden, die Unterschiede in Löhnen und Gehältern abzuschaffen, begründete Andrea Nahles (SPD) den Vorstoß ihrer Fraktion. Die Bundesregierung habe zwar das Problem erkannt, jedoch gebe es keine konkreten Lösungen. "Eine schlechtere Interessenvertretung für Frauen in dieser Frage hat es noch nicht gegeben in Deutschland", kritisierte Nahles.
Massive Kritik gab es auch für das Betreuungsgeld: Einer der Gründe für die Lohnunterschiede sei die familienbedingte Erwerbsunterbrechung, betonte die SPD-Generalsekretärin. Mit dem Betreuungsgeld werde aber gerade dafür ein Förderprogramm aufgelegt. Dies werde weitere Lohndiskriminierung zu Folge haben, warnte sie.
Die CDU/CSU-Fraktion lehnte eine gesetzliche Regelung zur Entgeltgleichheit ab. "Die Bemühungen schießen über das Ziel hinaus", konstatierte Nadine Schön. Die Rechtslage sei schon heute eindeutig, ergänzte ihr Fraktionskollege Dr. Matthias Zimmer.Die Gleichbehandlung von Frauen und Männern sei im Grundgesetz geregelt, im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und in weiteren europäischen Regelungen.
Natürlich gebe es ein geschlechterbedingtes Lohngefälle, betonte Dr. Zimmer. Jedoch könne die Antwort nicht vereinfacht "mehr Staat" heißen. Der vorliegende Gesetzentwurf bedeute mehr Verwaltung und mehr Kosten. Gut an der Vorlage sei lediglich die Stärkung der Individualrechte. So könne die Auskunft darüber, welche Kriterien bei der Entgeltfindung herangezogen worden seien, den Druck auf die Betriebe erhöhen.
Jörg von Polheim (FDP)schloss sich den Unionskollegen an. "Nicht alles muss Vater Staat regeln", betonte er. Der Gesetzentwurf sei ordnungspolitisch verfehlt, die unternehmerische Handlungsfreiheit müsse erhalten bleiben.
Zudem werde die Tarifautonomie angegriffen, fand Nicole Bracht-Bendt, frauenpolitische Sprecherin der Liberalen.Diese sei jedoch ein wichtiger Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft. Zudem käme mit dem Gesetz ein "Bürokratiemonster auf die Unternehmen zu". Als wesentlichen Schritt zur Lohngleichheit nannte Bracht-Bendt die Offenlegung von Gehältern. Zudem müssten Frauen darin bestärkt werden, ihre Rechte selbstbewusster zu vertreten.
Die Fraktion Die Linke begrüßte zwar den Gesetzentwurf, wertete ihn jedoch als nicht ausreichend. So werde das Verbandsklagerecht für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes faktisch aufgegeben, kritisierte Cornelia Möhring. Stattdessen müssten die Betroffenen in mühsamen Einzelklagen vorgehen.
Die Entgeltungleichheit sei ein viel zu ernstes Thema, um nur nett zu bitten, konstatierte Möhring. Als Beispiel nannte sie das Gehalt einer Ärztin, die in 40 Jahren rund 441.000 Euro weniger verdiene als ihr männlicher Kollege. Bei einer Köchin seien es rund 100.000 Euro. "Das ist Lohnraub", rief Möhring. Die 23 Prozent gehörten auf die "Müllhalde der Geschichte".
Das Problem sei seit Jahren bekannt, ebenso die Ursachen dafür, dennoch "müssen wir immer wieder bei Adam und Eva beginnen", kritisierte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen), Sprecherin für Arbeitnehmerrechte. Die Bundesregierung habe das Problem in seiner Reichweite nicht erkannt. Es gehe auch um den gesellschaftlichen Wert von Arbeit und Frauen, "also auch um Wertschätzung".
Entgeltungleichheit sei nicht nur ein "Nischenproblem der klassischen Frauenberufe", betonte Müller-Gemmeke. Tatsächlich verdiene eine studierte Bauingenieurin zwar mehr als eine Erzieherin, aber immer noch weniger als ihr männlicher Kollege. Bei Physikerinnen liege der Unterschied bei 24 Prozent, bei Grafikerinnen bei 33 Prozent und bei Gebäudereinigerinnen bei 26 Prozent. Mittlerweile müsse klar sein, dass freiwillige Regelung zu nichts führten, betonte sie. Gesetzliche Regelungen seien dringend notwendig. (tyh)