Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2013
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) hat für eine grundlegende Neuordnung des Bankenwesens geworben. Bei der ersten Lesung von drei Gesetzentwürfen der Bundesregierung, mit denen unter anderem ein "Trennbankensystem" eingeführt werden soll, sagte Schäuble am Freitag, 15. März 2013, im Bundestag, man gehe einen weiteren Schritt auf dem Weg, "unser Finanz- und Bankensystem insgesamt krisenfester und stabiler zu machen".
Eine Krise in den Finanzmärkten sei eine Krise für die Wirtschaft insgesamt, "und deswegen sind funktionierende Finanzmärkte Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge wie eine funktionierende Energieversorgung". Mit dem sogenannten Trennbankensystem sollen die Geldinstitute verpflichtet werden, besonders riskante Geschäftsbereiche rechtlich zu verselbstständigen.
Schäuble sagte, notwendig seien zwar internationale Regulierungen. Er warnte jedoch zugleich: "Wenn der Langsamste das Tempo bestimmt, passiert gar nichts." Deshalb müsse die Bundesregierung auch mal nationaler Vorreiter sein, wie zum Beispiel beim Verbot der Leerverkäufe, bei dem die EU nachgezogen habe.
Derzeit gehe Deutschland auch bei der Regulierung des Hochfrequenzhandels voran – nicht um die europäische Regulierung zu ersetzen, sondern um sie voranzubringen. "Genau dieser Philosophie folgt dieser Gesetzentwurf", sagte der Minister.
Dagegen warf der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Joachim Poß Schäuble und der Koalition vor, viel zu spät auf die seit mehreren Jahren dauernde Krise zu reagieren: "Ihre Bilanz ist alles andere als überzeugend", sagte Poß, der der Koalition attestierte, noch schnell das Thema Banken besetzen zu wollen, "damit es Ihnen nicht im Wahlkampf auf die Füße fällt." Wäre Schäuble tatsächlich an einer Lösung interessiert, "die Bankenmacht und deren Erpressungspotenzial dringend und wirksam einzuschränken, hätten Sie schon viel eher reagiert".
Zum Inhalt des Entwurfs sagte Poß: "Mit ihrem Gesetz werden wir es nicht schaffen, die Einlagen der Kunden und Sparer vor Verlusten aus spekulativen und riskanten Verlusten zu schützen." Das Risiko bleibe hoch, dass große Banken in der Krise weiter dem Steuerzahler auf der Tasche liegen können, "und das wollen wir verhindern".
Björn Sänger (FDP) entgegnete Poß, die Koalition habe eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, wie die Regulierung von Ratingagenturen, Verbot der Leerverkäufe, Regulierung des "grauen Marktes" und des Fondsmarktes, des Derivatehandels und der Kreditverbriefungen. Und jedes Mal habe die SPD geklagt, das gehe "alles irgendwie viel zu schnell, und man müsse sich mehr Zeit nehmen".
Auch der CDU/CSU-Finanzexperte Klaus-Peter Flosbach sagte, keine Regierung habe so viel reguliert, nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der europäischen Ebene.
Die Untätigkeit der Verantwortlichen sei "skandalös", klagte Sahra Wagenknecht (Die Linke). Für die Banker habe sich doch im Ernst gar nichts verändert. Alle Regulierungsvorhaben seien von der Lobby aufgeweicht worden: "Die Wahrheit ist leider: Kein Finanzmarkt, kein Produkt und kein Akteur ist heute wesentlich wirksamer reguliert und beaufsichtigt als 2008. Und das ist ein Armutszeugnis für die Politik und ein erschreckender Ausweis Ihrer Abhängigkeit und Steuerbarkeit durch die Lobby der Banker und Finanzjongleure."
Gebraucht werde eine Politik, die den Mut aufbringe, den Zockern endlich das Handwerk zu legen.
Was die Regierung vorlege, bleibe inhaltlich hinter den Vorschlägen der Liikanen-Gruppe auf europäischer Ebene zurück, sagte Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen). Gleichzeitig tue die Regierung so, als sei sie Motor einer besseren europäischen Regulierung.
"Das ist doch absurd", kritisierte Schick, der außerdem verlangte, dass die Verantwortung für Sanierungspläne von Banken bei den Banken liegen müsse. Sanierungen und Abwicklungen müssten ohne Steuergeld erfolgen.
Drei Gesetzentwürfe wurden an die Ausschüsse überwiesen, darunter der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (17/12601). Er sieht vor, dass Banken in Zukunft Vorkehrungen für ihre eigene Abwicklung treffen müssen. Außerdem werden systemrelevante Geldhäuser verpflichtet, den spekulativen Handel in rechtlich selbstständige Einheiten auszulagern.
Vorgeschrieben werden soll das Trennbankensystem für Institute, deren Handelsaktivitäten mehr als 20 Prozent der gesamten Bilanzsumme ausmachen und größer sind als 100 Milliarden Euro. Zudem sollen die Strafen für Banker bei Verletzung von wesentlichen Risikomanagementpflichten verschärft werden. So drohen künftig bei Missmanagement bis zu fünf Jahre Haft.
Ein weiterer Gesetzentwurf sieht die Zusammenführung der bisher im Kreditwesengesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz enthaltenen Regelungen zur Beaufsichtigung von Finanzunternehmen eines Finanzkonglomerats vor (17/12602).
Mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/89/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 zur Änderung der Richtlinien 98/97/EG, 2002/87/EG, 2006/48EG und 2009/138/EG hinsichtlich der zusätzlichen Beaufsichtigung der Finanzunternehmen eines Finanzkonglomerats soll eine verschärfte Beaufsichtigung von Gruppen von Unternehmen aus verschiedenen Finanzmarktsektoren zum Beispiel aus dem Bankensektor und dem Versicherungssektor erreicht werden. Die Aufsichtsbehörde soll ermächtigt werden, Stresstests auf Konglomeratsebene verlangen zu können.
Beim dritten Komplex handelt es sich um den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz). Damit sollen multinationale Konzerne dazu animiert werden, die Altersvorsorgevermögen für ihre Mitarbeiter stärker in Deutschland verwalten zu lassen. Außerdem sieht der Gesetzentwurf (17/12603) Regelungen zur Einschränkung von steuerlichen Gestaltungsspielräumen und Missbrauchsmöglichkeiten im Investmentsteuerrecht vor.
Beschlossen wurde ein Antrag von CDU/CSU und FDP mit dem Titel "Finanzstabilität sichern: Regulierung systemrelevanter Finanzinstitute und des internationalen Schattenbanksystems" (17/12686), in dem die Koalitionsfraktionen noch einmal die Notwendigkeit einer Regulierung systemrelevanter Finanzinstitute betonen. Außerdem sollen die Risiken des "Schattenbankensystems" erfasst und begrenzt werden.
Ein Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte: Erpressungspotenzial verringern – Geschäfts- und Investmentbanking trennen" (17/12687) wurde zur weiteren Beratung an den federführenden Finanzausschuss überwiesen. In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, das Verbot des Eigenhandels und anderer riskanter Geschäfte auf alle Banken zu erstrecken, die Handelsgeschäfte in nennenswertem Umfang ausführen.
Die im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Schwellenwerte und Größengrenzen sind nach Ansicht der beiden Fraktionen "zu hoch und erfassen nur eine Handvoll großer Banken. Aber: Warum sollen mittelgroße Banken weiterhin mit den Einlagen der Kunden hochriskante Geschäfte auf eigene Rechnung eingehen, wenn man es den ganz großen Banken aus gutem Grund verbietet?" (hle/15.03.2013)