Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 13.03.2006
Helmut Lölhöffel

Johannes Gersters Briefe aus Jerusalem

Als Johannes Gerster eines Tages in Jerusalem einen Auffahrunfall verursachte, besichtigte der Vordermann, ein Israeli, den Sachschaden und murmelte: "In Israel gibt es wichtigere Dinge zu lösen als darüber ein Wort zu verlieren." Stieg wieder ein und fuhr mit seinem Kratzer weiter. Dieses Randerlebnis machte nicht nur Gerster nachdenklich und ließ ihn fragen, ob so etwas bei uns in Deutschland möglich wäre.

Neun Jahre lang war Gerster Beauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel. Über diese Zeit berichtet der langjährige CDU-Abgeordnete im rheinland-pfälzischen Landtag und im Bundestag in 33 Briefen, die er in seine Heimat, nach Mainz, schrieb. Der fast 65-Jährige gibt Einblicke in seine Arbeit, die in mühseliger Vermittlung von Kontakten zwischen Israelis und Palästinensern und in der nicht minder heiklen deutsch-israelischen Verständigung bestand. Israels Botschafter in Berlin, Shimon Stein, nannte den nun Zurückgekehrten einen jener "Unerschütterlichen", die trotz vermeintlicher Aussichtslosigkeit nie aufgegeben haben, das scheinbar Unmögliche zu schaffen.

Seine Briefe lassen erkennen, wie leidenschaftlich er sich für seine Vision, einen Frieden im Nahen Osten, eingesetzt hat. Er bildete Lehrer und Journalisten aus Israel und Palästina fort, richtete eine israelisch-palästinensische Wirtschaftsgruppe ein und versammelte jüdische, christliche und muslimische Religionsführer zu Trialogen gegen Gewalt. Bei der Vielzahl hochrangiger deutscher politischer Gäste, die er nach Israel einlud und betreute, entsteht manchmal der Eindruck, Gerster habe eine Art deutscher Nebenbotschaft in Jerusalem betrieben.

In seinen Briefen, in denen es von heiteren, aber auch nachdenklichen Anekdoten wimmelt, versucht er Verständnis zu wecken für Denkweisen und Motive der scheinbar unversöhnbaren Völker. Nebenbei entsteht ein lebendiges Bild über normales und manchmal komisches Alltagsleben inmitten von Hass, Terror und Splitterbomben, die einen Frieden in weite Ferne rücken lassen.

 

Johannes Gerster: Meine Briefe aus Jerusalem. Vorwort von Asher Ben-Natan. Leinpfad Verlag, Ingelheim 2006; 160 S., 12,- Euro


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