Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 13.03.2006
Daniela Schröder

Das Geschäft mit der Ware Mensch

Initiative gegen Zwangsprostitution

Knapp drei Monate noch bis zum Anpfiff der Fussballweltmeisterschaft in Deutschland, doch das Europaparlament hat bereits den ersten Platzverweis erteilt. "Rote Karte - Schluss mit Zwangsprostitution" fordern Europa-Abgeordnete und rufen die EU-Mitgliedstaaten zu mehr Engagement im Kampf gegen das Verbrechen auf. Großveranstaltungen wie die WM seien dafür bekannt, dass die Zahl der Prostituierten am Ort steigt - und damit auch die Zahl der Frauen, die gezwungen werden, sich zu verkaufen. "Es geht hier nicht darum, normale Prostitution zu verbieten, es geht allein um den Kampf gegen Zwangsprostitution", betont die deutsche Parlamentarierin Hiltrud Breyer (Grüne) bei einer Veranstaltung im Europäischen Parlament am 8. März. "Frauenhandel ist eine gravierende Verletzung der Menschenrechte, die konsequenter bekämpft werden muss", fordert sie. "Und die EU muss diesem schmutzigen Geschäft endlich die rote Karte zeigen." Die Mitgliedsstaaten sollten schnellstens eine gemeinsame Politik auf die Beine stellen, um die Zahl der Opfer des Menschenhandels innerhalb der EU innerhalb der nächsten zehn Jahre zu halbieren, verlangen die EU-Abgeordneten. EU-Schätzungen zufolge werden rund 140.000 Frauen und Mädchen pro Jahr in die Mitgliedsstaaten geschmuggelt. Der Großteil von ihnen landet als Sexsklaven im Bordell oder auf dem Straßenstrich. "Menschenhandel zu sexuellen Zwecken zählt zu den sich am schnellsten ausbreitenden Straftaten im Rahmen des organisierten Verbrechens", sagt die österreichische Abgeordnete Christa Prets (SPE).

Das Geschäft mit der Ware Mensch ist mittlerweile oft lukrativer als der Handel mit Waffen oder Drogen, schreiben die Vereinten Nationen und schätzen den jährlichen Umsatz des Verbrechens auf elf Milliarden Euro. Angaben des Bundeskriminalamts zufolge bringt eine Frau ihrem Zuhälter pro Jahr zwischen 35.000 und 100.000 Euro Gewinn ein. "Der Kampf gegen den Menschenhandel muss nicht nur Präventionsmaßnahmen, sondern auch den Schutz der Opfer umfassen", so Breyer. Dazu zähle etwa ein gesicherter Aufenthaltsstatus plus medizinische, juristische und finanzielle Unterstützung. Die in Deutschland noch nicht umgesetzte EU-Richtlinie zum Opferschutz sieht vor, dass Opfer von Menschenhändlern eine mindestens sechs Monate gültige Aufenthaltserlaubnis erhalten, sofern sie bei den ermittelnden Behörden aussagen.

Doch den Fahndern sind weitgehend die Hände gebunden, denn die Opfer trauen sich aus Angst vor einer Abschiebung nicht zur Polizei zu gehen. Das erklärt auch die Zahl von gerade einmal 972 Frauen, die 2004 in Deutschland offiziell als Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution erfasst wurden. Der Deutsche Frauenrat fordert, das Bleiberecht vom Aussagezwang zu trennen und Frauen mehrere Monate Zeit zu gewähren, um über eine Zusammenarbeit mit den Ermittlern nachdenken zu können.

Ein entscheidendes Element im Kampf gegen die Zwangsprostitution sei die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, sagt Breyer. Die Europa-Abgeordneten wollen Deutschland auffordern, eine mehrsprachige Telefon-Hotline einzurichten, an die sich betroffene Frauen wenden können. Zudem sollen sich alle EU-Staaten an einer europaweiten Aufklärungskampagne beteiligen. Alle betonen, dass es ihnen nicht darum gehe, Fußballfans ins schlechte Licht zu rücken, sondern die WM als Aufhänger zu nutzen, um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen.

Das ist auch die Linie des Deutschen Frauenrats, der die Initiative auf die Beine gestellt hat. Nach anfänglichem Zögern sitzt nun auch der Deutsche Fußballbund (DFB) mit im Boot; Präsident Theo Zwanziger hat jetzt sogar die Schirmherrschaft übernommen. Im April wollen sich jetzt auch die EU-Justizminister mit dem Thema Zwangsprostitution beschäftigen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.