Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 13.03.2006
K. Rüdiger Durth

Neuer Landtag wird gebaut

Brandenburg: Parlament soll mehr als 100 Millionen Euro kosten

Während die Brandenburger daran gehen, nach anderthalb Jahrzehnten zum Teil heftiger Kontroversen in Potsdam ein neues Parlament zu bauen, kommen ausgerechnet aus Berlin massive Bedenken. So hat der Präsident des Abgeordnetenhauses, Walter Momper, dem Präsidenten des Landtags von Brandenburg, Gunter Fritsch (beide SPD), einen Brief geschrieben, den man in Potsdam lieber nicht geöffnet hätte. Denn der neue brandenburgische Landtag, der 2010 fertig sein soll, wird so ausgelegt, dass er auch nach einer Fusion Brandenburgs und Berlins für das neue Land Berlin-Brandenburg groß genug ist.

Doch Momper stellt nun wieder in Frage, worauf man sich bereits 1995 vor der ersten, dann aber 1996 gescheiterten Volksabstimmung geeinigt hatte: Das neue Bundesland wird seinen Parlaments- und Regierungssitz in Potsdam haben. Nun verweist Momper darauf, dass das Berliner Abgeordnetenhaus auch für das neue Parlament mit schätzungsweise 150 Abgeordneten groß genug sei. Gewissermaßen als Fußnote merkt er an, dass für die Festlegung des Parlamentssitzes ein Staatsvertrag notwendig sei.

Erinnerungen an 1989/90 werden wach. Damals war Walter Momper Regierender Bürgermeister von Berlin und forderte nach dem Fall der Mauer ein Privileg nach dem anderen für Berlin, was den Ministerpräsidenten der anderen Bundesländer bitter aufstieg. Offensichtlich startet Momper einen ähnlichen Versuch mit Blick auf Brandenburg, wobei er nur zu gut weiß, wie viele Vorbehalte es in der Mark gegen eine Fusion mit Berlin gibt. Für Günter Baaske, den Fraktionschef der SPD im brandenburgischen Landtag, sinken die Chancen für eine Fusion, wenn sich Berlin nicht an die Abmachungen aus dem Jahr 1995 hält. Ähnlich argumentiert die brandenburgische CDU.

Auf dem Grundriss des Stadtschlosses

Momper hingegen findet Zuspruch bei den Berliner Parteien, unter anderem bei dem CDU-Herausforderer des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), Friedbert Pflüger. Dabei muss man bedenken, dass in der Bundeshauptstadt längst der Kampf um das künftige Abgeordnetenhaus entbrannt ist, das am 17. September gewählt wird. Offen ist übrigens, wann es zu einer neuen Volksabstimmung über eine Fusion kommen wird, die ursprünglich für das laufende Jahre vorgesehen war. In Berlin denkt man an das Jahr 2009. Dann könnte man die Abstimmung auf den gleichen Tag der Wahl des neuen Bundestages legen. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) will sich aber noch nicht auf einen Termin festlegen.

Momperbrief hin, Momperbrief her: Inzwischen haben sich Sozial- und Christdemokraten sowie die PDS auf einen Neubau des Landtages geeinigt, der auf dem Grundriss des ehemaligen Potsdamer Stadtschlosses gegenüber der Nikolaikirche errichtet werden soll. Die geschätzten Baukosten belaufen sich auf 83,5 Millionen Euro. Dazu kommen noch sieben Millionen Euro für eine Tiefgarage, acht Millionen Euro für den Grunderwerb und wahrscheinlich 30 Millionen Euro für die notwendigen Änderungen der Verkehrsführung im Zentrum der Landeshauptstadt. Noch in diesem Frühjahr soll ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden, sodass man 2008 mit dem Bau beginnen kann.

Bislang sind die 88 brandenburgischen Landtagsabgeordneten im Gebäude der ehemaligen SED-Bezirksleitung auf dem Brauhausberg untergebracht. Da dieses teilweise baufällige Gebäude aber längst nicht mehr den Anforderungen eines Parlaments entspricht, wäre eine sehr teure Sanierung notwendig geworden. Außerdem erhofft man sich durch den Verkauf des Brauhausberges einen zweistelligen Millionenbetrag, der die Kosten für den Neubau auf dem Alten Markt drastisch senkt.

Der Landtag hatte im Mai vergangenen Jahres Finanzminister Rainer Speer (SPD) mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, für die Speer das hessische Architekturbüro Waechter und Waechter gewann, das auch den neuen Plenarsaal des Wiesbadener Landtages entworfen hat. Die Frage lautete: Bietet ein Gebäude auf dem Grundriss der 1960 von der damaligen SED-Regierung gesprengten Ruine des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Stadtschlosses genug Raum für 150 Abgeordnete (für Brandenburg und Berlin), der auf einen Raumbedarf von 14.000 Quadratmetern taxiert wurde? Dabei hatte man einkalkuliert, den Innenhof zu überdachen.

Zur Überraschung der Brandenburger lieferte das Architekturbüro Waechter und Waechter nicht nur eine theoretische Machbarkeitsstudie ab, sondern einen Rohentwurf auf dem Grundriss des ehemaligen Stadtschlosses. Danach werden die ehemaligen Kopfbauten des Schlosses, die der Nikolaikirche zugewandt waren, originalgetreu wieder aufgebaut. Die Seitenflügel und die Südseite werden auf der Außenkante des ehemaligen Schlosses als moderne drei- bis fünfstöckige Bürobauten errichtet. Gleichzeitig kann bei einer solchen Bauweise der Innenhof freigehalten werden, braucht also nicht überdacht zu werden. Ursprünglich hatte man daran gedacht, den mit einer Glaskuppel überdachten Innenhof als Plenarsaal zu nutzen.

Der Plan der hessischen Architekten überzeugt die großen Fraktionen von SPD, CDU und PDS. Allerdings bereiten Finanzminister Rainer Speer die Baukosten großes Kopfzerbrechen. Möglicher Ausweg: Man sucht einen privaten Investor, der den neuen Landtag errichtet und unterhält. Das Land wiederum mietet von diesem das Gebäude auf 30 Jahre. Und was ist, wenn es zu keiner Fusion zwischen Berlin und Brandenburg kommt? Dann könnten zusätzlich Landesbehörden in dem Komplex untergebracht werden...

Das Landtagspräsidium hält die vorgelegten Entwürfe "für eine geeignete Grundlage der weiteren Planungen". Insbesondere begrüßte das Präsidium, "dass Funktionalität und Raumbedarf eines modernen Parlamentsgebäudes nicht im Widerspruch zu einem Landtagsneubau in den äußeren Um- und Aufrissen des ursprünglichen historischen Gebäudes am Standort Alter Markt stehen".


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.