Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 13.03.2006
Johanna Metz

Ein Geschenk von der Ministerin

10 Jahre Ziviler Friedensdienst

Vor zehn Jahren war es eine kühne Idee: so genannte "Friedensfachkräfte" in Krisenregionen zu schicken, die verfeindeten Gruppen dabei helfen sollten, über ihre Konflikte zu reden und sie gemeinsam zu lösen. Unparteiisch und ohne jede Gewalt, einzig anhand von Begegnungen, Gesprächen und Seminaren sollte der "zivile Friedensdienst" eine Alternative zu militärischen Strategien bilden und die technische Entwicklungshilfe sinnvoll ergänzen. Was damals eine Vision verschiedener Friedensgruppen in Deutschland war, ist heute Realität: Am vergangenen Montag feierte das "Forum Ziviler Friedensdienst" (forumZFD) sein zehnjähriges Jubiläum. Es vereint nunmehr 40 Organisationen unter seinem Dach und schickt seit sechs Jahren eigene Friedensfachkräfte nach Südosteuropa und Israel/Palästina.

Eine von ihnen ist die 29-jährige Heike Kratt. Nach ihrem Politikstudium ging sie für das forumZFD nach Jerusalem. Seither bringt sie dort politische Jugendbewegungen zusammen. Vor allem Geduld habe sie dabei gelernt, sagt sie, "eine Eigenschaft, die ich vorher nicht besessen habe". Ihr persönlichstes Erfolgserlebnis: "Eine unserer palästinensischen Mitarbeiterinnen hatte es immer abgelehnt, mit einem Israeli an einem Tisch zu sitzen. Sie wollte das Projekt verlassen. Sie blieb und sagte, dass es ihr sehr viel gebracht habe."

Inzwischen arbeiten neben Kratt zehn weitere Friedensfachkräfte allein für das forumZFD. Ein großer Erfolg, vor allem wenn man weiß, wie schwierig es die Initiatoren in Deutschland zunächst hatten. Vorstandsmitglied und Mitbegründerin Helga Tempel erinnert sich gut: "Der Wind blies uns heftig ins Gesicht, sogar aus Teilen des Friedensbewegung. Viele hatten Angst vor Vereinnahmung oder warfen uns vor, viel zu klein anzusetzen." Auch die Bundesregierung wollte das Projekt nicht unterstützen, trotz fraktionsübergreifender Zustimmung im Bundestag. Als zu gefährlich galt ihr der Einsatz freiwilliger Amateure in Krisengebieten. Erst im April 1997 ging es voran: Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen förderte in einem Modellvorhaben den ersten Qualifizierungskurs des Vereins. Ein mehrmonatiges Training sollte die künftigen Friedensfachkräfte auf ihre Aufgabe vorbereiten. Was als Projekt begann, wurde schließlich zur festen Institution: Über 250 Absolventen haben sich in den Seminaren bislang als "Friedensfachkräfte" qualifiziert, 130 sind derzeit für die verschiedenen deutschen Trägerorganisationen im Einsatz. Für Tilman Evers, Politikprofessor an der Freien Universität Berlin und Vorsitzender des Forums Ziviler Friedensdienst, sind das natürlich immer noch zu wenig: "130 Leute könnten wir allein im Kosovo gebrauchen."

Freuen kann der Verein dennoch. Im Oktober 1998 wurde der Aufbau eines Zivilen Friedensdienstes im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen vereinbart, seit 1999 unterstützt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) den Verein. Gerade erst hat Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Budget kräftig von 2 Millionen Euro im Jahr 1999 auf nunmehr 14 Millionen Euro erhöht. Zum zehnten Geburtstag des Forums hatte sie aber noch ein weiteres Geschenk im Gepäck: Sie habe entschieden, verkündete sie unter tosendem Beifall, den Verein als Entsendeorganisation im Sinne des Entwick- lungshelfergsetzes anzuerkennen. Er könne so bald selbst Fachkräfte in die Krisengebiete entsenden und müsse dies nicht wie bisher im "Huckepack" mit anderen Organisationen tun. "Ich bin ganz sicher, dass das, was die Friedenshelfer leisten, mehr zum Frieden beiträgt, als die eine Billion Dollar Rüstungsausgaben, die die USA jährlich aufwenden", begründete sie ihre Entscheidung. Tilman Evers war überglücklich: "Damit ist der ZFD nicht mehr totzukriegen. Es bedeutet für uns eine ungeheure Aufwertung."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.