*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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10.1.2     Probleme, auf die Global Governance eine Antwort geben will

Ein Ausgangspunkt der Überlegungen zu Global Governance ist, dass aufgrund der gestiegenen Interdependenz zwischen Staaten – verursacht durch die zunehmend grenzüberschreitenden Auswirkungen v.a. wirtschaftlichen Han­ delns – viele Probleme nicht mehr im nationalstaatlichen Alleingang gelöst werden können. So können sowohl Verursacher als auch Betroffene von problematischen grenzüberschreitenden Effekten in einem anderen Staat angesiedelt sein, wie etwa im Falle der Verschmutzung eines grenzüberschreitenden Flusses oder von regionalen Wirtschaftskrisen. Ebenso kann ein Staat allein bestimmte öffentliche Güter nicht ausreichend zur Verfügung stellen (etwa im Falle der Armutsbekämpfung, wenn ihm dazu die Ressourcen fehlen) bzw. diese nicht effektiv vor Übernutzung und Zerstörung schützen (etwa im Falle des Schutzes der Ozonschicht). Zu den international zu schützenden globalen öffentlichen Gütern („Global public goods“)8 zählen nach einer Studie von UNDP (Kaul u.a. 1999) nicht nur das globale Klima oder die biologische Vielfalt (vgl. Kapitel 7),auch Frieden, die Vermeidung von Wirtschaftskrisen, ökonomische, soziale und finanzielle Stabilität (vgl. Kapitel 2,3 und 4) sowie die verschiedenen Aspekte menschlicher Sicherheit („Human security“, vgl. u.a. 6.2.3) gehören dazu. Ebenso existieren auch „Public bads“, wie sie etwa die aus der gestiegenen ungleichen Einkommensentwicklung resultierende Armut, die weltweit ungleiche Verteilung des Zugangs zu Wissen, die Einschränkung staatlicher Souveränität oder Schranken für die Ausübung von Bürgerrechten darstellen. Der Schutz öffentlicher „Goods“ wird durch solche „Bads“ unter Umständen bedroht. Insbesondere bestimmte „externe Kosten“ privatwirtschaftlicher Tätigkeiten, beispielsweise soziale und ökologische Schäden, können dem Schutz öffentlicher Güter entgegenwirken. Diese Probleme können einerseits durch Globalisierungsprozesse bzw. die in ihrer Folge gewachsene Interdependenz verschärft werden, wenn nicht entsprechende politische Gegenmaßnahmen getroffen werden (s. Kasten 10-2).Globalisierungsprozesse befördern zumeist das Wachstum privater Güter, gefährden aber unter Umständen gleichzeitig den Schutz globaler öffentlicher Güter – insofern kann zwischen beidem ein nur schwer aufzulösendes Spannungsverhältnis bestehen. Die Globalisierung kann andererseits aber auch Positives mit Blick auf diese Probleme und ihre Lösung leisten, z.B. durch besseren Zugang zu Wissen und Technologie, Herausbildung gut informierter und emanzipierter gesellschaftlicher Gruppen oder Ressourcenein­ sparung durch Effizienzgewinne. Ergebnis erfolgreicher Global Governance sollte sein, dass diese Chancen so weit wie möglich von allen Menschen genutzt werden können.

In der Kontroverse über diese Herausforderungen wurde darauf hingewiesen, dass der Begriff der „globalen Probleme“ eine recht große Zahl unterschiedlicher Tatbestände erfasse. Die dahinter stehenden unterschiedlichen Ursachen sowie oft grundverschiedenen Handlungsinte-ressen und -optionen müssten jedoch auseinandergehalten werden, um ein realistischeres Bild der heutigen Lage zu zeichnen. Auch nach dieser Einschätzung ist Global Governance in verschiedener Hinsicht erforderlich und hilfreich: in Form allgemein akzeptierter Verhaltensregeln für die Lösung regionaler Probleme (z.B. Verursacherprinzip, Gewaltverzicht), als Hilfe des begünstigten für den benachteiligten Teil der Welt und als gemeinsame Anstrengung zur Überwindung der wirklich gemeinsamen Probleme. So besteht Übereinstimmung darüber, dass ein Staat allein die genannten Probleme nicht befriedigend lösen kann, sondern dazu die Kooperation mehrerer oder gar aller betroffenen Staaten notwendig ist. Bei dem Bestreben, politisch weltumspannend zu handeln, darf nicht übersehen werden, dass nicht automatisch so etwas wie ein gemeinsames Interesse „der Menschheit“ bzw. der Staatenwelt an einer Lösungsfindung vorausgesetzt werden kann. Auch gilt eine gleichmäßige Wechselseitigkeit der „Interdependenz“ nur für bestimmte Sachverhalte und Staatengruppen, oft existieren klare Hierarchieverhältnisse und einseitige Abhängigkeiten. So sind die OECD-Länder viel besser ausgestattet als die Entwicklungs- und Schwellenländer, um mögliche problematische Auswirkungen der Globalisierung abzuwehren. Ausgehend von einer solchen Situation globaler Chancenungleichheit ist es daher notwendig, eine globale Verantwortungsethik zu entwickeln und aus einer daraus abgeleiteten Verantwortung heraus zu handeln. Die unterschiedlichen Folgen der Globalisierung, begründet durch die große Ungleichheit zwischen den Industrieländern und vielen weltwirtschaftlich abgekoppelten Entwicklungsländern, sollten berücksichtigt werden. Die Schaffung einer globalen Struktur- und Ordnungspolitik muss es gerade den schwächeren Mitgliedern der internationalen Staatenfamilie, also in erster Linie den Entwicklungsländern, ermöglichen, an der Globalisierung mit den gleichen Chancen und Rechten wie die wirtschaftlich potenteren Länder partizipieren zu können. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die    Frage, ob und wieweit bereits bestehende globale Institutionen, wie z.B. der IWF und die WTO, tatsächlich zur Lösung globaler Probleme beigetragen haben oder ob sie – wie vor allem von Seiten einer größeren Zahl von Entwicklungsländern, von vielen Gruppierungen der Zivilgesellschaften aber auch von internationalen Organisationen wie der UNCTAD vorgebracht wird – diese Probleme nicht nur nicht gelöst, sondern sogar verschärft haben. Auch innergesellschaftliche Probleme und die Rolle gesellschaftlicher Gruppen (wie etwa die inkompetenter oder korrupter Eliten) müssen dabei in die Analyse von Auswirkungen der Globalisierung auf bestimmte Länder mit einbezogen werden.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass es sowohl gemeinsame – wie auch divergierende – Interessen an einer erfolgreichen Lösung bestimmter Probleme, etwa der Flüchtlingsproblematik oder der Probleme durch die Existenz von Massenvernichtungswaffen, als auch eine moralische Verantwortung dazu gibt. Beides motiviert heute – wie auch schon vor dem Globalisierungsschub der 90er Jahre – die Überlegungen zur Schaffung und Gestaltung einer Global Governance.



8 Öffentliche Güter sind Güter, bei denen sich zum einen das Ausschlussprinzip nicht anwenden lässt und zum anderen die Nichtrivalität im Konsum überwiegt. Ihr Nutzen kommt allen zugute, wenn es an ihnen mangelt, erleiden viele Schaden. Die Globalität öffentlicher Güter bestimmt sich vor allem durch die Reichweite ihres Nutzens.

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Kasten 10-2