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Ressourcen1
7.1 Umwelt
und Entwicklung im Zeitalter der Globalisierung
Rolle der Globalisierung
Schon immer haben Menschen durch die Nutzung
der natürlichen Lebensgrundlagen auf die lokalen
Ökosys teme eingewirkt. Aber erst in den letzten zwei
Jahrhunderten führte die Industrialisierung verbunden mit
einem steilen Bevölkerungsanstieg zu einer drastischen
quantitativen und qualitativen Ausweitung des Verbrauchs
natürlicher Ressourcen und damit über lokale und
regionale Umweltauswirkungen hinaus zu globalen
Umweltproblemen.
Während sich globale Erwärmung,
Zunahme der UV-Strahlung und Schadstoffbelastung auf alle
Klimazonen auswirken, sind insbesondere die tropischen und
subtropischen Gebiete schwerer von extremen Wetterereignissen durch
den teilweise vom Menschen verursachten Klimawandel, durch
Desertifikation und den Verlust der biologischen Vielfalt
betroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass die tropischen und
subtropischen Länder in ihrer Mehrzahl ökonomisch gesehen
Entwicklungsländer sind, denen es an finanziellen und
technischen Mitteln fehlt, Ausgleichs- und Abhilfemaßnahmen zu
ergreifen. Die Folge ist häufig soziales Elend vor allem unter
der armen Bevölkerung, da diese sich kaum vor
Umweltschäden schützen kann. Globale Umweltpolitik
erfüllt daher auch eine wichtige Funktion bei der
Armutsbekämpfung.
Die Dynamik der Globalisierung wirkt sich in
mehrfacher Hinsicht verstärkend und beschleunigend auf die
Übernutzung der Umwelt aus:
– Die weltweite
Verallgemeinerung westlicher Konsummuster und der industriellen
Produktionsweise führt zu einer Steigerung des
Ressourcenverbrauches auf ein nicht nachhaltiges Niveau.
– Die zunehmende
Industrialisierung und Exportausrichtung der weltweiten
landwirtschaftlichen Produktion als Folge des globalen
Warenaustausches führt zu einer Intensivierung der
Landwirtschaft, zu einer unangepassten Bearbeitung der Böden
und steigendem Verbrauch des Wassers mit den entsprechenden
ökologischen Folgen.
– Im Zuge der
internationalen Arbeitsteilung haben sich viele
Entwicklungsländer auf die Produktion und den Export
mineralischer und agrarischer Produkte spezialisiert, was die
erwähnte Belastung der tropischen und subtropischen
Ökosysteme verstärkt.
– Die Globalisierung ist durch eine
überdurchschnittliche Zunahme des Verkehrs gekennzeichnet. So
nimmt die verkehrsbedingte Umweltschädigung (Zerschneidung von
Ökosystemen, Luftschadstoffe,
CO2-Ausstöße, Landschaftsverbrauch etc.)
überproportional zu. Das gilt ganz besonders für den
Luftverkehr (s.Abbildung 7-13).
Andererseits gibt
es auch positive Wirkungen:
– Die Globalisierung beschleunigt den
internationalen Transfer umweltfreundlicher Technologien.
– Die Liberalisierung des internationalen
Handels trägt zur Verbreitung relativ umweltschonender
Produkte bei, sei es durch Importe oder dadurch, dass die
Erschließung von Exportmöglichkeiten in Länder mit
strengen Umweltschutzstandards für Produzenten in anderen
Ländern einen Anreiz darstellt, höhere Umweltstandards,
als die im eigenen Land vorgeschriebenen, zu realisieren.
– Die Globalisierung beschleunigt die
Verbreitung von Wissen, d. h. auch die Verfügbarkeit von
Informationen über Ursachen und Folgen von Umweltschäden
und Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung.
– Internationale völkerrechtliche
Vereinbarungen zum Umweltschutz haben Regierungen zur Erarbeitung
von Umweltschutzgesetzen und zur Umsetzung von
Umweltschutzmaßnahmen veranlasst, welche ohne
Außenöffnung der Nationalstaaten nicht oder erheblich
später erfolgt wären.
Auswirkung von Armut und Reichtum
Nachhaltige
Entwicklung ist ein Optimierungsproblem, nicht ein
Maximierungsproblem. „Armut ist der größte
Verschmutzer“, diese Aussage wird Indira Gandhi
zugeschrieben. Daran ist richtig, dass ein aus Armut getriebener
Zwang zum Überleben den Menschen keine Wahl zwischen
umweltfreundlichem oder umweltfeindlichem Verhalten
lässt2. Die
umweltfeindliche Seite des täglichen Kampfes um das
Überleben der Familie kann nur durch ein Wirtschaftsmodell
beseitigt werden, welches nachhaltiges Wachstum und die Sicherung
eines Mindestmaßes an sozialer Sicherheit gleichzeitig
gewährleistet.
Auf der anderen
Seite ist der Reichtum, wie er in Indus trieländern
vorherrscht, ebenfalls eine Gefahr für die Umwelt. Dieser
Umstand kann vielleicht am anschaulichsten anhand des
„Ökologischen Fußabdrucks“ illustriert
werden. Der ökologische Fußabdruck misst den
Gesamtflächenbedarf für den Ressourcenverbrauch pro Kopf.
Bei Indern liegt er bei 0,7
Hektar, bei Deutschen bei etwa 4Hektar, bei US-Amerikanern bei etwa
8 Hektar (Wackernagel u. a. 2002: 2f., Wackernagel und Rees 1997).
Im Sinne der Fußabdrücke sind Deutschland und die USA
überbevölkert, Indien (noch) nicht.
Rolle der Multinationalen
Unternehmen
Einer besonderen
Betrachtung bedarf die Frage nach den konkreten Umweltfolgen durch
die Tätigkeit multinationaler Unternehmen, insbesondere in
Entwicklungsländern. Die sozialen und ökologischen
Produktionskosten sind ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige
Faktor bei Standortentscheidungen von transnational agierenden
Unternehmen. Bei steigendem internationalen Kostenwettbewerb steigt
auch der Anreiz, die Kostenvorteile niedriger Umweltstandards zu
nutzen. Anderseits haben Unternehmen auch Vorteile, wenn sie die im
Land des Stammsitzes gültigen Umweltvorschriften weltweit
beachten. Das erleichtert die konzerninterne Kommunikation und
schützt vor unliebsamer internationaler Kritik, die das
Firmenimage langanhaltend beschädigen kann. Insbesondere
für Anbieter ökologischer Produkte und Dienstleistungen
sollte eine proaktive ökologische Haltung im Gastland
selbstverständlich sein.
Ebenfalls
differenziert zu betrachten ist die Frage des Technologietransfers.
Multinationale Unternehmen arbeiten in der Regel mit moderner,
häufig im Gastland nicht vorhandener Technologie und
können auf diese Weise einen Beitrag zur Schonung der Umwelt
leisten. Das heißt, sie tragen zu qualitativen Sprüngen
zum Schutz der Ressourcen („Leap Frogging“) bei.
Allerdings hängt dies vom konkreten Fall ab; wird etwa eine
veraltete Technologie eingeführt, die eine lange Laufzeit hat,
so können die Folgen im Einzelfall für die Umwelt negativ
sein, auch wenn diese Technologie im Moment der Investition im
Gastland noch nicht verfügbar war.
Ressourceneffizienz
Unabhängig
vom Verhalten der internationalen Firmen ist die Verminderung des
Pro-Kopf-Ressourcenverbrauchs eine der wichtigsten Strategien der
nachhaltigen Entwicklung. Sie lässt sich prinzipiell auf zwei
verschiedenen Wegen erreichen: dem der Effizienz und dem der
„Suffizienz“, der Genügsamkeit. Letzterer Weg ist
allerdings schwerlich „von oben“ zu verordnen und
lässt sich bei der Mehrzahl der Menschen nur dann vermitteln,
wenn die erste Strategie, die der Effizienz, im Wesentlichen
ausgeschöpft ist.
Somit ergibt sich
die Frage, wie groß die Effizienzpotenziale sind und auf
welchem Wege sie am besten nutzbar gemacht werden können. Der
Bericht stellt sich deshalb auch der Frage, wie sich die Gestaltung
der Globalisierung positiv für größere
Ressourceneffizienz einsetzen lässt.
Biologische Vielfalt
Die
Globalisierung der Weltwirtschaft findet vor dem Hintergrund des
Verlustes der Biologischen Vielfalt statt. Dabei geht es nicht nur
um das sogenannte Artensterben, sondern auch um die genetische
Vielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme (vgl. Kapitel 7.3). Täglich werden hauptsächlich
in Folge von Abholzung, Verkehrs- und Siedlungsbau, Landwirtschaft,
Degradation von Böden und Gewässer- sowie
Luftverschmutzung etwa 50 bis 100Tier- oder Pflanzenarten
ausgerottet.
Abbildung 7-1 illustriert das Ausmaß der Vernichtung am
Beispiel der Pflanzenarten in Europa. In Deutschland,
Österreich, Tschechien, Slowakei, der Schweiz und den
Benelux-Staaten liegt der Anteil der ausgestorbenen und
gefährdeten Gefäßpflanzenarten zwischen 22 und 45
Prozent. „Die heutige Vielfalt der Biosphäre ist das
Ergebnis von über drei Milliarden Jahren Evolution. ... [Die]
Tier- und Pflanzenarten ... übernehmen nicht nur
vielfältige Regelungsfunktionen innerhalb des Naturhaushaltes,
als biologische Ressourcen liefern sie auch zahlreiche
wirtschaftlich bedeutsame Produkte wie Nahrungsmittel, Medikamente
und Rohstoffe“ (Stiftung Entwicklung und Frieden 1999:
304).
Waldschäden und Waldverluste
Auch die
Beeinträchtigung der deutschen und europäischen
Wälder ist weiterhin erheblich. In der Waldschadenserhebung
von 2001 konnten in Deutschland lediglich auf 36 Prozent der
Waldfläche keine Schäden festgestellt werden (1984: 44
Prozent). Der Flächenanteil der deutlichen Schäden war im
Jahr 2000 mit 22 Prozent genauso groß wie 1984.3 Dabei hat sich eine Verschiebung zu
ungunsten der Laubbäume ergeben (UBA 2001a: 291ff.). Weltweit
ist der Waldbestand nur noch halb so groß wie vor 8000 Jahren
(s. 7-2). Weniger als die Hälfte davon sind Urwälder.
„Bis vor wenigen Jahrzehnten beschränkten sich die
Waldverluste zum größten Teil auf Europa, Nordafrika, den
Nahen Osten, die USA und China. In weiten Teilen dieser Länder
war die ursprüngliche Walddecke am Anfang des Jahrhunderts
weitgehend abgeholzt. In Europa und den USA nimmt die verbliebene
Waldfläche dank Aufforstung wieder zu“. In den Tropen
ging zwischen 1960 und 1990 ein Fünftel des
ursprünglichen Regenwaldes verloren. Die Geschwindigkeit der
Vernichtung hat sich Anfang der neunziger Jahre leicht verlangsamt.
„Intakte Wälder stabilisieren das Klima, bieten
Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten und
schützen vor Erosion, Erdrutschen und Überschwemmungen.
Gleichzeitig sind sie wichtige ökonomische Ressourcen.“
(Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 305)
Klimaänderung
Die globale
Erwärmung scheint gravierendere Ausmaße anzunehmen, als
man bisher vermutet hat. Das Intergovernmental Panel on Climate
Change (IPCC)4 musste in
seinem dritten Sachstandsbericht den projizierten Anstieg der
oberflächennahen Weltmitteltemperatur von 1990 bis 2100 von
1–3,5 °C auf 1,4–5,8°C deutlich nach oben
korrigieren (s.
Abbildung 7-3; GERMANWATCH 2001a: 5, 8, IPCC 2001a: 13).
Bereits heute sind die Auswirkungen des globalen Klimawandels
spürbar. Zu den Beispielen beobachteter Änderungen
zählen „das Schrumpfen der Gletscher, das Auftauen des
Permafrost, ... Verlängerung der Wachstumszeiten in Regionen
mittlerer und hoher Breiten“ sowie die „Abnahme einiger
Pflanzen- und Tierpopulationen“ (GERMANWATCH 2001a: 9, IPCC
2001b: 3). Die Wissenschaftler erwarten u. a. einen generellen
Rückgang der Ernteerträge in den meisten tropischen und
subtropischen Regionen sowie in den meis ten Regionen der
mittleren Breitengrade, abnehmende Wasserverfügbarkeit
für die Bevölkerung in vielen Regionen mit
Wasserknappheit, eine Zunahme der wasserbürtigen Krankheiten
sowie von Überschwemmungen durch starke Niederschläge und
Anstieg des Meeresspiegels. Vorteilhafte Auswirkungen der
Klimaänderung betreffen u.a. mögliche Erhöhungen der
Ernteerträge in einigen Regionen in mittleren Breiten, mehr
Wasser für die Bevölkerung in einigen Regionen, die jetzt
unter Wasserknappheit leiden, verminderte Mortalität im Winter
in kalten Zonen sowie verminderter Energiebedarf für die
Raumwärme aufgrund höherer Wintertemperaturen
(GERMANWATCH 2001a: 9f., IPCC 2001b: 5f.).
Die für das
21. Jahrhundert vorausgesagten Klimaänderungen haben das
Potenzial, in Zukunft zu großräumigen und
möglicherweise unumkehrbaren Veränderungen in Systemen
der Erde zu führen, deren Auswirkungen kontinentale und
globale Größenordnungen erreichen. Das IPCC weist auch
auf die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hin, denn
natürliche Systeme können gegenüber der
Klimaänderung wegen ihrer beschränkten
Anpassungsfähigkeit besonders verwundbar sein. Selbst für
Temperaturzunahmen, die geringer sind als einige wenige Grad,
werden nach den Projektionen des IPCC mehr Menschen durch die
Klimaänderung geschädigt als davon profitieren. Die
erwarteten Wirkungen der Klimaänderung sind in
Entwicklungsländern am größten (GERMANWATCH 2001a:
9ff., IPCC 2001b: 4ff.).
Ozonabbau
Der vom Menschen verursachte zusätzliche
Treibhauseffekt hat auch Auswirkungen auf den Abbau der stra
tosphärischen Ozonschicht, da er eine Abkühlung der
Stratosphäre bewirkt, die diesen Prozess noch verstärkt.
Etwa 90 Prozent des gesamten atmosphärischen Ozons
(O3) befinden sich in der Stratosphäre, d. h. in
10–40 Kilometern Höhe. Der Abbau von Ozon erfolgt sowohl
durch Photolyse von Ozon als auch durch eine Reihe von chemischen
Prozessen und ist hauptsächlich auf chlorhaltige
Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), bromhaltige Halone,
halogenierte Kohlenwasserstoffe (HKW) sowie auf Distickstoffoxid
(N2O) zurückzuführen (Enquete-Kommission
„Schutz der Erdatmosphäre“ 1992: 14, 43). Diese
Stoffe wurden seit Mitte des 20. Jahrhunderts in großen Mengen
industriell hergestellt und als Kühlmittel oder als Treibgas
eingesetzt.
In den letzten 20 Jahren ist die Ozonschicht
weltweit dünner geworden, wobei die polaren Gebiete am
stärksten betroffen sind. Die ausgedünnte Ozonschicht ist
infolgedessen nicht mehr ausreichend in der Lage, die
gefährliche UV-B-Strahlung abzuschirmen. Auch in Europa hat
die Ozonkonzentration in der Stratosphäre abgenommen und die
UV-Strahlung zugenommen (s.
Abbildung 7-4). „Die Gefahren einer stärkeren
UV-B-Strahlung sind vielfältig. Sie kann sich auf die
Gesundheit von Mensch und Tier, auf Pflanzen und Mikroorganismen,
auf Baustoffe und auf die Luftqualität auswirken. Erkrankungen
wie grauer Star und Hautkrebs, genetische Schäden und die
Schwächung des Immunsystems können durch eine
erhöhte UV-Strahlung begünstigt werden“ (BMBF 2001:
22). Obwohl die internationale Staatengemeinschaft zügig auf
dieses globale Problem reagiert hatte und bereits 1987 im
Montrealer Protokoll beschloss, die Produktion und Freisetzung von
Ozon zersetzenden Stoffen deutlich einzuschränken, erreichen
ihre Konzentrationen in der Stratosphäre aufgrund ihrer
Langlebigkeit erst jetzt den höchsten Wert. Es wird vermutet,
dass die Ozonschicht erst Mitte des 21.Jahrhunderts wieder den
Zustand von 1980 erreicht haben wird. Weitere Anstrengungen zur
Einhaltung der Ausstiegsfristen und zur Eindämmung des
FCKW-Schwarzhandels sind notwendig (Enquete-Kommission
„Schutz der Erdatmosphäre“ 1992: 14, BMBF 2001:
21ff.).
Wassermangel und
Wasserverschmutzung
Die globale
Wasserproblematik nimmt einen besonderen Stellenwert ein, da alle
Lebensvorgänge an das Vorhandensein von Wasser gebunden sind.
Wasserknappheit, aber auch ein Mangel an Wasserqualität wird
für Hunderte Millionen Menschen – insbesondere in den
ärmeren Bevölkerungsschichten – zu einer
ständigen Bedrohung. Der weltweite Wasserverbrauch hat sich
seit 1940 fast vervierfacht und die nutzbaren Wasservorräte
verringert (BMBF 2001: 17). „Eingriffe in den Wasserhaushalt
können das lokale und regionale Klima verändern,
Böden schädigen, Grundwasserspiegel absenken und die
biologische Vielfalt beeinträchtigen. Die Wasserentnahme aus
Flüssen hat vielerorts ein solches Ausmaß erreicht, dass
(zumindest teilweise) nur noch geringe Wassermengen bis ans Meer
gelangen. ...
Beim Menschen führt die mangelhafte Versorgung mit hygienisch
einwandfreiem Trinkwasser zu Gesundheitsschäden.
Wasserknappheit gefährdet die Nahrungsmittelproduktion.
Wassermangel verursacht schon heute Konkurrenzkämpfe zwischen
verschiedenen Wassernutzern (Landwirtschaft, Industrie und
Siedlungswirtschaft). In vielen Weltregionen gefährden
Konflikte um den Zugang zu gemeinschaftlichen Wasserressourcen den
Frieden“ (Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 301).
„Nach einer Bestandsaufnahme der Vereinten Nationen über
die weltweiten Süßwasserreserven lebt bereits heute ein
Drittel der Weltbevölkerung in Ländern, die unter
mäßigem bis hohem“
„Wasserstress“5
leiden, d. h. sie verbrauchen mehr als 20 Prozent ihrer
verfügbaren Wasservorräte. „Im Jahr 2025 werden
bereits zwei Drittel der Weltbevölkerung in diesen
Ländern leben“ (s.
Abbildung 7-5, Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 302).
Davon betroffen sind v.a. Länder in ariden bis semi-ariden
Regionen Afrikas und Asiens.
Neben dem Süßwasser sind auch die
Weltmeere einer zunehmenden Belastung ausgesetzt, z. B. durch
Überfischung, intensiv betriebene Aquakulturen und der
Verunreinigung durch wassergefährdende Stoffe insbesondere in
Küs ten nähe durch die Landwirtschaft, den
Tourismus, durch Häfen sowie durch Industrie- und
Kommunalabwässer.
Bodendegradation
Eng mit der Wasserproblematik – aber
auch mit dem Waldverlust und der Klimaproblematik – verbunden
ist der Prozess der Bodendegradation insbesondere in
Trockengebieten (Desertifikation). Bereits 17 Prozent der
weltweiten Landfläche (2 Milliarden Hektar) weisen deutliche
Bodenschäden auf (Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 296).
300 Millionen Hektar Ackerland – das entspricht fast der
Größe von Indien – sind so geschädigt, dass
sie brachliegen (BMBF 2001: 12).
Abbildung 7-6 zeigt die von Desertifikation bedrohten Gebiete
im Jahr 1999.
Die Hauptursache der Bodendegradation ist
eine unangepasste Landwirtschaft und Viehhaltung sowie eine
Umwandlung von Wäldern in Ackerland, z. B. zu intensiv oder
mit Monokulturen bewirtschaftete Böden, falsch dosierte
Dünge- und Pflanzenschutzmittel oder Belastungen durch
Wassermangel oder falsche Bewässerungstechniken (BMBF 2001:
11). „Nirgendwo ist die Krise so akut wie in den
Trockengebieten, die sich über mehr als ein Drittel
der Landoberfläche der Erde erstrecken. ... Die Verödung
von Land findet überall auf der Welt statt, wird allerdings
nur dann als ‚Wüstenbildung’“ oder
Desertifikation „definiert, wenn sie sich in Trockengebieten
ereignet“ (UNCCD-Sekretariat 1995: 9). Zuerst entstehen
einzelne Flecken verödeten Landes, die manchmal Tausende
Kilometer von der nächsten Wüste entfernt sind. Nach und
nach dehnen sich diese Flecken allerdings aus, wachsen zusammen und
schaffen wüstenähnliche Räume. Die
„Wüstenbildung hat eine Rolle bei der Entstehung von
zehn der bewaffneten Konflikte gespielt, die derzeit in
Trockengebieten ausgetragen werden. Sie trägt zu politischer
Instabilität, Hunger“, Migration „und dem
Zusammenbruch sozialer Gefüge in Problemzonen wie Somalia bei
und führt dazu, dass gewaltige Summen an Geld für
Katastrophen- und humanitärer Hilfe ausgegeben werden. Und sie
verschlimmert sich anbahnende Umweltkrisen wie die globale
Erwärmung und den Verlust der Biologischen Vielfalt“
(UNCCD-Sekretariat 1995: 10). Desertifikation und Dürren
wirken sich insbesondere in den Entwicklungsländern
häufig unmittelbar existenzgefährdend aus, da dort der
überwiegend von der Landwirtschaft lebenden Bevölkerung
die Grundlage zur Nahrungsproduktion verloren geht.
Mit der UN-Konvention zur Bekämpfung der
Bodendegradation in Trockengebieten (United Nations Convention to
Combat Desertification – UNCCD) verfügt die
internationale Staatengemeinschaft über ein wichtiges
Instrument gegen Landverödung.6 Da aber auch außerhalb von
Trockengebieten Böden massiven Schädigungen ausgesetzt
sind, wird bereits seit längerem eine internationale
Bodenkonvention diskutiert. Deren Ziel ist der nachhaltige Umgang
mit allen Arten von Böden durch möglichst viele Staaten
der Welt (WBGU 1994: 301f.).
Themenauswahl der
Enquete-Kommission
Vor diesem
Hintergrund bietet es sich an, zunächst zwei besonders
wichtige global wirksame Steuerungsfelder genauer zu
analysieren:
1.
Institutionelle Stärkung globaler Umweltpolitik
2.
Nachhaltigkeitsstrategien unter besonderer Berücksichtigung
von Subsistenzstrategien einerseits und Technologiepolitik und
Technologietransfer (Effizienz und Konsistenzstrategien)
andererseits.
Trotz eines
gestiegenen Problemdrucks (s.o.) ist es der internationalen
Staatengemeinschaft noch nicht gelungen, angemessen auf die
globalen Umweltprobleme zu reagieren. Notwendig ist die
Stärkung der globalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsinstitutionen
und insbesondere die Aufwertung des heutigen Umweltprogramms der
Vereinten Nationen (UNEP) zu einer Weltumweltorganisation (vgl.
Kapitel 7.6).
In einem
Industrieland wie Deutschland, dass einen nicht verallgemeinerbaren
Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch aufweist, liegt die
Herausforderung darin, die Ressourceneffizienz deutlich zu
erhöhen (vgl. Kapitel 7.7.2) und
Voraussetzungen für nachhaltiges Verbraucherverhalten zu
schaffen (vgl. Kapitel 7.7.1). Darüber
hinaus sollte mittels Technologietransfer, der Capacity-Building
einschließt, für geeignete Voraussetzungen in den
Entwicklungsländern gesorgt werden.
Die Fülle der in Frage stehenden
Sachbereiche macht eine Auswahl erforderlich. Die
Enquete-Kommission beschränkt sich hier auf die Behandlung von
natürlichen Ressourcen.7 Wegen ihrer Wichtigkeit und vor allem auch
Modellhaftigkeit hat die Enquete-Kommission folgende Themen
exemplarisch ausgewählt:
1. Ernährung und
Landwirtschaft
2. Biologische Vielfalt
3. Klimaschutz (beim
Flugverkehr)
4. Wasser
Diese Themen sowie der stratosphärische
Ozonabbau sind vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung
Globale
Umweltveränderungen (WBGU) als die drän gends
ten globalen Umweltprobleme identifiziert worden. Das Wiener
Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (1985) und in der
Folge das Montrealer Protokoll (1987) ist das prominenteste
Beispiel für eine erfolgreiche Verabschiedung und Umsetzung
eines völkerrechtlich verbindlichen globalen Umweltabkommens.
Eine Behandlung der Ozonproblematik durch die Enquete-Kommission
erscheint deshalb verzichtbar.
Hunger und Unterernährung ist eine
zentrale Herausforderung der Weltgesellschaft. Sie steht im
Mittelpunkt des Themenschwerpunktes „Ernährung und
Landwirtschaft“. Die Enquete-Kommission hat sich nicht nur
mit den entwicklungspolitischen Aufgaben, die sich aus der weltweit
anwachsenden Bevölkerung, der Übernutzung der Böden
sowie einer unzureichenden Land- und Ernährungswirtschaft
ergeben, befasst (vgl. Kapitel 7.2), sondern
auch die Zusammenhänge mit den Konsumgewohnheiten in den
Industrieländern aufgezeigt und Anforderungen an eine
nachhaltige Verbraucherschutz- und Landwirtschaftspolitik
formuliert (vgl. auch Kapitel 7.7.1). Die
Globalisierung der Wirtschaft hat den Welthandel so
grundsätzlich verändert, dass eine angemessene und
nachhaltige Anpassung der Rahmenbedingungen erforderlich ist.
Die
Enquete-Kommission beobachtet auch in diesem Zusammenhang mit Sorge
den Verlust der genetischen Vielfalt, das Aussterben von Arten und
ganzen Lebensgemeinschaften sowie die Belastung und Verarmung von
Ökosystemen und Landschaften. Die Erhaltung der Bio
sphäre stellt ein mit dem Schutz der Erdatmosphäre
vergleichbares Problem dar. Die von der Enquete-Kommission
erarbeiteten Empfehlungen im Themenschwerpunkt „Biologische
Vielfalt“ sollen einen Beitrag zur Sensibilisierung der
Bürger und Bürgerinnen für dieses Thema leisten und
Impulse für die nationale und internationale Diskussion und
Umsetzung geben (vgl. Kapitel 7.3).
Der Klimaschutz
ist unbestritten eine der größten Herausforderungen der
Menschheit. Zwei Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages haben
sich bisher und ausschließlich mit dieser Problematik
befasst.8 Gegenwärtig
erarbeitet die Enquete-Kommission „Nachhaltige
Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und
Liberalisierung“ im Hinblick auf die veränderten
Rahmenbedingungen eine nationale Strategie zum Umgang mit der eng
mit der Klimafrage verbundenen Energiefrage. Ihr langfristiges Ziel
ist die Etablierung eines nachhaltigen Energiesystems bis
spätestens 2050. Vor dem Hintergrund der bereits intensiven
Behandlung der Klimaproblematik durch die Bundesregierung (Kli
maschutzprogramm,
IMA-CO2, Staatssekretärsausschuss für
Nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeitsrat etc.) und angesichts
der weit fortgeschrittenen Verhandlungen zur
VN-Klimarahmenkonvention und der beschlossenen Ratifizierung des
Kioto-Protokolls durch die Bundesrepublik Deutschland und die
Europäische Union, hat sich die Enquete-Kommission
„Globalisierung der Weltwirtschaft“ nicht umfassend mit
diesem Bereich befasst. Vielmehr greift sie den internationalen
Flugverkehr auf, der hohe Wachstumsraten aufweist und dessen
Emissionen bisher nicht vom Kioto-Protokoll erfasst sind (vgl.
Kapitel 7.4).
Süßwasser ist ein global immer
knapper werdendes Gut. Die Auseinandersetzungen um diese Ressource
nehmen zu. Der internationale Abstimmungsbedarf wächst. Der
notwendige Finanzbedarf übersteigt vielerorts die
Möglichkeiten der Öffentlichen Hand. Liberalisierung und
Privatisierung im Wasser- und Abwassersektor nehmen weltweit zu,
sind aber zwischen Befürwortern und Gegnern stark umstritten.
Die Enquete-Kommission hat versucht, – ausgehend von den
vorliegenden Analysen (WBGU 1998, BMZ 1999, WCD 2000 etc.) –
beim Thema „Wasser“ zeitgemäße
Lösungsansätze im Hinblick auf die
Süßwasserfrage zu entwickeln, die den Anforderungen einer
globalisierten Welt standhalten (vgl. Kapitel
7.5). Ein drängendes Problem ist auch die Verschmutzung
und Überfischung der Weltmeere. Da sich die Enquete-Kommission
aus zeitlichen Gründen in dieser Legislaturperiode nicht
eingehend mit der Thematik beschäftigen konnte, schlägt
sie vor, das Thema zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal
aufzugreifen. Verbesserungen in diesem Bereich können einen
wichtigen Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten.
1 Der vorliegende Berichtsteil „Ressourcen“
wurde großteils im Konsens verabschiedet. Minderheitenvoten zu
einzelnen Abschnitten oder Handlungsempfehlungen dieses
Berichtsteils liefern die Arbeitsgruppen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP in Kapitel 11.
2 Hier sind nicht die Indigenas gemeint, die seit vielen
Jahrhunderten im Einklang mit dem Ökosystem Regenwald in und
von ihm leben, sondern die verarmten, landlosen Bauern.
3 Beginn der Waldschadenserhebungen in
Deutschland.
4 Das IPCC (Zwischenstaatlicher Ausschuss über
Klimaänderungen) wurde 1988 durch das United Nations
Environment Programme und die World Meteorological Organisation
gegründet. 2001 präsentierte es seinen dritten
Sachstandsbericht. Das IPCC behandelt umfassend,
interdisziplinär und unter Einbezug von Wissenschaftler/-innen
aus allen Regionen der Erde die Klimaänderung als große
Herausforderung dieses Jahrhunderts. Im Mai 2001 hat die Royal
Society des Vereinigten Königreichs zusammen mit den
führenden wissenschaftlichen Akademien aus 16 weiteren
Ländern in einer gemeinsamen Stellungnahme zur
Klimaänderung das IPCC als die beste wissenschaftliche Quelle
von Expertise über die Klimaänderung bezeichnet.
5 Ein Flusseinzugsgebiet wird als unter hohem
„Wasserstress“ stehend eingestuft, wenn 40 Prozent oder
mehr des jährlichen Abflusses und erneuerbaren Grundwassers
zur Nutzung entnommen werden.
6 Eine gute Übersicht über den
Verhandlungsprozess der UN-Konvention zur Bekämpfung der
Bodendegradation in Trockengebieten findet sich z. B. bei
Pilardeaux (2000).
7 Ressourcen im weiteren Sinne umfassen z. B. auch
Wissen, Rechtssicherheit, Arbeitskraft etc..
8 Die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der
Erdatmosphäre“ und die Enquete-Kommission „Schutz
der Erdatmosphäre“ haben in der 12. bzw. 13.
Legislaturperiode ihre Berichte an das Parlament vorgelegt
(Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der
Erdatmosphäre“ 1989, 1990a, 1990b, 1990c;
Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“
1992, 1994a, 1994b, 1995).
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