*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

 zurück weiter  Kapiteldownload  Übersicht 


7             Ressourcen1

   7.1          Umwelt und Entwicklung im Zeitalter der Globalisierung

Rolle der Globalisierung

Schon immer haben Menschen durch die Nutzung der natürlichen Lebensgrundlagen auf die lokalen Ökosys­ teme eingewirkt. Aber erst in den letzten zwei Jahrhunderten führte die Industrialisierung verbunden mit einem steilen Bevölkerungsanstieg zu einer drastischen quantitativen und qualitativen Ausweitung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen und damit über lokale und regionale Umweltauswirkungen hinaus zu globalen Umweltproblemen.

Während sich globale Erwärmung, Zunahme der UV-Strahlung und Schadstoffbelastung auf alle Klimazonen auswirken, sind insbesondere die tropischen und subtropischen Gebiete schwerer von extremen Wetterereignissen durch den teilweise vom Menschen verursachten Klimawandel, durch Desertifikation und den Verlust der biologischen Vielfalt betroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass die tropischen und subtropischen Länder in ihrer Mehrzahl ökonomisch gesehen Entwicklungsländer sind, denen es an finanziellen und technischen Mitteln fehlt, Ausgleichs- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Die Folge ist häufig soziales Elend vor allem unter der armen Bevölkerung, da diese sich kaum vor Umweltschäden schützen kann. Globale Umweltpolitik erfüllt daher auch eine wichtige Funktion bei der Armutsbekämpfung.

Die Dynamik der Globalisierung wirkt sich in mehrfacher Hinsicht verstärkend und beschleunigend auf die Übernutzung der Umwelt aus:

–    Die weltweite Verallgemeinerung westlicher Konsummuster und der industriellen Produktionsweise führt zu einer Steigerung des Ressourcenverbrauches auf ein nicht nachhaltiges Niveau.

–    Die zunehmende Industrialisierung und Exportausrichtung der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion als Folge des globalen Warenaustausches führt zu einer Intensivierung der Landwirtschaft, zu einer unangepassten Bearbeitung der Böden und steigendem Verbrauch des Wassers mit den entsprechenden ökologischen Folgen.

–    Im Zuge der internationalen Arbeitsteilung haben sich viele Entwicklungsländer auf die Produktion und den Export mineralischer und agrarischer Produkte spezialisiert, was die erwähnte Belastung der tropischen und subtropischen Ökosysteme verstärkt.

–    Die Globalisierung ist durch eine überdurchschnittliche Zunahme des Verkehrs gekennzeichnet. So nimmt die verkehrsbedingte Umweltschädigung (Zerschneidung von Ökosystemen, Luftschadstoffe, CO2-Ausstöße, Landschaftsverbrauch etc.) überproportional zu. Das gilt ganz besonders für den Luftverkehr (s.Abbildung 7-13).

Andererseits gibt es auch positive Wirkungen:

–    Die Globalisierung beschleunigt den internationalen Transfer umweltfreundlicher Technologien.

–    Die Liberalisierung des internationalen Handels trägt zur Verbreitung relativ umweltschonender Produkte bei, sei es durch Importe oder dadurch, dass die Erschließung von Exportmöglichkeiten in Länder mit strengen Umweltschutzstandards für Produzenten in anderen Ländern einen Anreiz darstellt, höhere Umweltstandards, als die im eigenen Land vorgeschriebenen, zu realisieren.

–    Die Globalisierung beschleunigt die Verbreitung von Wissen, d. h. auch die Verfügbarkeit von Informationen über Ursachen und Folgen von Umweltschäden und Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung.

–    Internationale völkerrechtliche Vereinbarungen zum Umweltschutz haben Regierungen zur Erarbeitung von Umweltschutzgesetzen und zur Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen veranlasst, welche ohne Außenöffnung der Nationalstaaten nicht oder erheblich später erfolgt wären.

Auswirkung von Armut und Reichtum

Nachhaltige Entwicklung ist ein Optimierungsproblem, nicht ein Maximierungsproblem. „Armut ist der größte Verschmutzer“, diese Aussage wird Indira Gandhi zugeschrieben. Daran ist richtig, dass ein aus Armut getriebener Zwang zum Überleben den Menschen keine Wahl zwischen umweltfreundlichem oder umweltfeindlichem Verhalten lässt2. Die umweltfeindliche Seite des täglichen Kampfes um das Überleben der Familie kann nur durch ein Wirtschaftsmodell beseitigt werden, welches nachhaltiges Wachstum und die Sicherung eines Mindestmaßes an sozialer Sicherheit gleichzeitig gewährleistet.

Auf der anderen Seite ist der Reichtum, wie er in Indus­ trieländern vorherrscht, ebenfalls eine Gefahr für die Umwelt. Dieser Umstand kann vielleicht am anschaulichsten anhand des „Ökologischen Fußabdrucks“ illustriert werden. Der ökologische Fußabdruck misst den Gesamtflächenbedarf für den Ressourcenverbrauch pro Kopf. Bei    Indern liegt er bei 0,7 Hektar, bei Deutschen bei etwa 4Hektar, bei US-Amerikanern bei etwa 8 Hektar (Wackernagel u. a. 2002: 2f., Wackernagel und Rees 1997). Im Sinne der Fußabdrücke sind Deutschland und die USA überbevölkert, Indien (noch) nicht.

Rolle der Multinationalen Unternehmen

Einer besonderen Betrachtung bedarf die Frage nach den konkreten Umweltfolgen durch die Tätigkeit multinationaler Unternehmen, insbesondere in Entwicklungsländern. Die sozialen und ökologischen Produktionskosten sind ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Faktor bei Standortentscheidungen von transnational agierenden Unternehmen. Bei steigendem internationalen Kostenwettbewerb steigt auch der Anreiz, die Kostenvorteile niedriger Umweltstandards zu nutzen. Anderseits haben Unternehmen auch Vorteile, wenn sie die im Land des Stammsitzes gültigen Umweltvorschriften weltweit beachten. Das erleichtert die konzerninterne Kommunikation und schützt vor unliebsamer internationaler Kritik, die das Firmenimage langanhaltend beschädigen kann. Insbesondere für Anbieter ökologischer Produkte und Dienstleistungen sollte eine proaktive ökologische Haltung im Gastland selbstverständlich sein.

Ebenfalls differenziert zu betrachten ist die Frage des Technologietransfers. Multinationale Unternehmen arbeiten in der Regel mit moderner, häufig im Gastland nicht vorhandener Technologie und können auf diese Weise einen Beitrag zur Schonung der Umwelt leisten. Das heißt, sie tragen zu qualitativen Sprüngen zum Schutz der Ressourcen („Leap Frogging“) bei. Allerdings hängt dies vom konkreten Fall ab; wird etwa eine veraltete Technologie eingeführt, die eine lange Laufzeit hat, so können die Folgen im Einzelfall für die Umwelt negativ sein, auch wenn diese Technologie im Moment der Investition im Gastland noch nicht verfügbar war.

Ressourceneffizienz

Unabhängig vom Verhalten der internationalen Firmen ist die Verminderung des Pro-Kopf-Ressourcenverbrauchs eine der wichtigsten Strategien der nachhaltigen Entwicklung. Sie lässt sich prinzipiell auf zwei verschiedenen Wegen erreichen: dem der Effizienz und dem der „Suffizienz“, der Genügsamkeit. Letzterer Weg ist allerdings schwerlich „von oben“ zu verordnen und lässt sich bei der Mehrzahl der Menschen nur dann vermitteln, wenn die erste Strategie, die der Effizienz, im Wesentlichen ausgeschöpft ist.

Somit ergibt sich die Frage, wie groß die Effizienzpotenziale sind und auf welchem Wege sie am besten nutzbar gemacht werden können. Der Bericht stellt sich deshalb auch der Frage, wie sich die Gestaltung der Globalisierung positiv für größere Ressourceneffizienz einsetzen lässt.

Biologische Vielfalt

Die Globalisierung der Weltwirtschaft findet vor dem Hintergrund des Verlustes der Biologischen Vielfalt statt. Dabei geht es nicht nur um das sogenannte Artensterben, sondern auch um die genetische Vielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme (vgl. Kapitel 7.3). Täglich werden hauptsächlich in Folge von Abholzung, Verkehrs- und Siedlungsbau, Landwirtschaft, Degradation von Böden und Gewässer- sowie Luftverschmutzung etwa 50 bis 100Tier- oder Pflanzenarten ausgerottet. Abbildung 7-1 illustriert das Ausmaß der Vernichtung am Beispiel der Pflanzenarten in Europa. In Deutschland, Österreich, Tschechien, Slowakei, der Schweiz und den Benelux-Staaten liegt der Anteil der ausgestorbenen und gefährdeten Gefäßpflanzenarten zwischen 22 und 45 Prozent. „Die heutige Vielfalt der Biosphäre ist das Ergebnis von über drei Milliarden Jahren Evolution. ... [Die] Tier- und Pflanzenarten ... übernehmen nicht nur vielfältige Regelungsfunktionen innerhalb des Naturhaushaltes, als biologische Ressourcen liefern sie auch zahlreiche wirtschaftlich bedeutsame Produkte wie Nahrungsmittel, Medikamente und Rohstoffe“ (Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 304).

Waldschäden und Waldverluste

Auch die Beeinträchtigung der deutschen und europäischen Wälder ist weiterhin erheblich. In der Waldschadenserhebung von 2001 konnten in Deutschland lediglich auf 36 Prozent der Waldfläche keine Schäden festgestellt werden (1984: 44 Prozent). Der Flächenanteil der deutlichen Schäden war im Jahr 2000 mit 22 Prozent genauso groß wie 1984.3 Dabei hat sich eine Verschiebung zu ungunsten der Laubbäume ergeben (UBA 2001a: 291ff.). Weltweit ist der Waldbestand nur noch halb so groß wie vor 8000 Jahren (s. 7-2). Weniger als die Hälfte davon sind Urwälder. „Bis vor wenigen Jahrzehnten beschränkten sich die Waldverluste zum größten Teil auf Europa, Nordafrika, den Nahen Osten, die USA und China. In weiten Teilen dieser Länder war die ursprüngliche Walddecke am Anfang des Jahrhunderts weitgehend abgeholzt. In Europa und den USA nimmt die verbliebene Waldfläche dank Aufforstung wieder zu“. In den Tropen ging zwischen 1960 und 1990 ein Fünftel des ursprünglichen Regenwaldes verloren. Die Geschwindigkeit der Vernichtung hat sich Anfang der neunziger Jahre leicht verlangsamt. „Intakte Wälder stabilisieren das Klima, bieten Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten und schützen vor Erosion, Erdrutschen und Überschwemmungen. Gleichzeitig sind sie wichtige ökonomische Ressourcen.“ (Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 305)

Klimaänderung

Die globale Erwärmung scheint gravierendere Ausmaße anzunehmen, als man bisher vermutet hat. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)4 musste in    seinem dritten Sachstandsbericht den projizierten Anstieg der oberflächennahen Weltmitteltemperatur von 1990 bis 2100 von 1–3,5 °C auf 1,4–5,8°C deutlich nach oben korrigieren (s. Abbildung 7-3; GERMANWATCH 2001a: 5, 8, IPCC 2001a: 13). Bereits heute sind die Auswirkungen des globalen Klimawandels spürbar. Zu den Beispielen beobachteter Änderungen zählen „das Schrumpfen der Gletscher, das Auftauen des Permafrost, ... Verlängerung der Wachstumszeiten in Regionen mittlerer und hoher Breiten“ sowie die „Abnahme einiger Pflanzen- und Tierpopulationen“ (GERMANWATCH 2001a: 9, IPCC 2001b: 3). Die Wissenschaftler erwarten u. a. einen generellen Rückgang der Ernteerträge in den meisten tropischen und subtropischen Regionen sowie in den meis­ ten Regionen der mittleren Breitengrade, abnehmende Wasserverfügbarkeit für die Bevölkerung in vielen Regionen mit Wasserknappheit, eine Zunahme der wasserbürtigen Krankheiten sowie von Überschwemmungen durch starke Niederschläge und Anstieg des Meeresspiegels. Vorteilhafte Auswirkungen der Klimaänderung betreffen u.a. mögliche Erhöhungen der Ernteerträge in einigen Regionen in mittleren Breiten, mehr Wasser für die Bevölkerung in einigen Regionen, die jetzt unter Wasserknappheit leiden, verminderte Mortalität im Winter in kalten Zonen sowie verminderter Energiebedarf für die Raumwärme aufgrund höherer Wintertemperaturen (GERMANWATCH 2001a: 9f., IPCC 2001b: 5f.).

Die für das 21. Jahrhundert vorausgesagten Klimaänderungen haben das Potenzial, in Zukunft zu großräumigen und möglicherweise unumkehrbaren Veränderungen in Systemen der Erde zu führen, deren Auswirkungen kontinentale und globale Größenordnungen erreichen. Das IPCC weist auch auf die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt hin, denn natürliche Systeme können gegenüber der Klimaänderung wegen ihrer beschränkten Anpassungsfähigkeit besonders verwundbar sein. Selbst für Temperaturzunahmen, die geringer sind als einige wenige Grad, werden nach den Projektionen des IPCC mehr Menschen durch die Klimaänderung geschädigt als davon profitieren. Die erwarteten Wirkungen der Klimaänderung sind in Entwicklungsländern am größten (GERMANWATCH 2001a: 9ff., IPCC 2001b: 4ff.).

Ozonabbau

Der vom Menschen verursachte zusätzliche Treibhauseffekt hat auch Auswirkungen auf den Abbau der stra­ tosphärischen Ozonschicht, da er eine Abkühlung der    Stratosphäre bewirkt, die diesen Prozess noch verstärkt. Etwa 90 Prozent des gesamten atmosphärischen Ozons (O3) befinden sich in der Stratosphäre, d. h. in 10–40 Kilometern Höhe. Der Abbau von Ozon erfolgt sowohl durch Photolyse von Ozon als auch durch eine Reihe von chemischen Prozessen und ist hauptsächlich auf chlorhaltige Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), bromhaltige Halone, halogenierte Kohlenwasserstoffe (HKW) sowie auf Distickstoffoxid (N2O) zurückzuführen (Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ 1992: 14, 43). Diese Stoffe wurden seit Mitte des 20. Jahrhunderts in großen Mengen industriell hergestellt und als Kühlmittel oder als Treibgas eingesetzt.

In den letzten 20 Jahren ist die Ozonschicht weltweit dünner geworden, wobei die polaren Gebiete am stärksten betroffen sind. Die ausgedünnte Ozonschicht ist infolgedessen nicht mehr ausreichend in der Lage, die gefährliche UV-B-Strahlung abzuschirmen. Auch in Europa hat die Ozonkonzentration in der Stratosphäre abgenommen und die UV-Strahlung zugenommen (s. Abbildung 7-4). „Die Gefahren einer stärkeren UV-B-Strahlung sind vielfältig. Sie kann sich auf die Gesundheit von Mensch und Tier, auf Pflanzen und Mikroorganismen, auf Baustoffe und auf die Luftqualität auswirken. Erkrankungen wie grauer Star und Hautkrebs, genetische Schäden und die Schwächung des Immunsystems können durch eine erhöhte UV-Strahlung begünstigt werden“ (BMBF 2001: 22). Obwohl die internationale Staatengemeinschaft zügig auf dieses globale Problem reagiert hatte und bereits 1987 im Montrealer Protokoll beschloss, die Produktion und Freisetzung von Ozon zersetzenden Stoffen deutlich einzuschränken, erreichen ihre Konzentrationen in der Stratosphäre aufgrund ihrer Langlebigkeit erst jetzt den höchsten Wert. Es wird vermutet, dass die Ozonschicht erst Mitte des 21.Jahrhunderts wieder den Zustand von 1980 erreicht haben wird. Weitere Anstrengungen zur Einhaltung der Ausstiegsfristen und zur Eindämmung des FCKW-Schwarzhandels sind notwendig (Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ 1992: 14, BMBF 2001: 21ff.).

Wassermangel und Wasserverschmutzung

Die globale Wasserproblematik nimmt einen besonderen Stellenwert ein, da alle Lebensvorgänge an das Vorhandensein von Wasser gebunden sind. Wasserknappheit, aber auch ein Mangel an Wasserqualität wird für Hunderte Millionen Menschen – insbesondere in den ärmeren Bevölkerungsschichten – zu einer ständigen Bedrohung. Der weltweite Wasserverbrauch hat sich seit 1940 fast vervierfacht und die nutzbaren Wasservorräte verringert (BMBF 2001: 17). „Eingriffe in den Wasserhaushalt können das lokale und regionale Klima verändern, Böden schädigen, Grundwasserspiegel absenken und die biologische Vielfalt beeinträchtigen. Die Wasserentnahme aus Flüssen hat vielerorts ein solches Ausmaß erreicht, dass (zumindest teilweise) nur noch geringe Wassermengen bis ans Meer gelangen. ...    Beim Menschen führt die mangelhafte Versorgung mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser zu Gesundheitsschäden. Wasserknappheit gefährdet die Nahrungsmittelproduktion. Wassermangel verursacht schon heute Konkurrenzkämpfe zwischen verschiedenen Wassernutzern (Landwirtschaft, Industrie und Siedlungswirtschaft). In vielen Weltregionen gefährden Konflikte um den Zugang zu gemeinschaftlichen Wasserressourcen den Frieden“ (Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 301). „Nach einer Bestandsaufnahme der Vereinten Nationen über die weltweiten Süßwasserreserven lebt bereits heute ein Drittel der Weltbevölkerung in Ländern, die unter mäßigem bis hohem“ „Wasserstress“5 leiden, d. h. sie verbrauchen mehr als 20 Prozent ihrer verfügbaren Wasservorräte. „Im Jahr 2025 werden bereits zwei Drittel der Weltbevölkerung in diesen Ländern leben“ (s. Abbildung 7-5, Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 302). Davon betroffen sind v.a. Länder in ariden bis semi-ariden Regionen Afrikas und Asiens.

Neben dem Süßwasser sind auch die Weltmeere einer zunehmenden Belastung ausgesetzt, z. B. durch Überfischung, intensiv betriebene Aquakulturen und der Verunreinigung durch wassergefährdende Stoffe insbesondere in Küs­ ten­ nähe durch die Landwirtschaft, den Tourismus, durch Häfen sowie durch Industrie- und Kommunalabwässer.

Bodendegradation

Eng mit der Wasserproblematik – aber auch mit dem Waldverlust und der Klimaproblematik – verbunden ist der Prozess der Bodendegradation insbesondere in Trockengebieten (Desertifikation). Bereits 17 Prozent der weltweiten Landfläche (2 Milliarden Hektar) weisen deutliche Bodenschäden auf (Stiftung Entwicklung und Frieden 1999: 296). 300 Millionen Hektar Ackerland – das entspricht fast der Größe von Indien – sind so geschädigt, dass sie brachliegen (BMBF 2001: 12). Abbildung 7-6 zeigt die von Desertifikation bedrohten Gebiete im Jahr 1999.

Die Hauptursache der Bodendegradation ist eine unangepasste Landwirtschaft und Viehhaltung sowie eine Umwandlung von Wäldern in Ackerland, z. B. zu intensiv oder mit Monokulturen bewirtschaftete Böden, falsch dosierte Dünge- und Pflanzenschutzmittel oder Belastungen durch Wassermangel oder falsche Bewässerungstechniken (BMBF 2001: 11). „Nirgendwo ist die Krise so akut wie in den Trockengebieten, die sich über mehr als ein    Drittel der Landoberfläche der Erde erstrecken. ... Die Verödung von Land findet überall auf der Welt statt, wird allerdings nur dann als ‚Wüstenbildung’“ oder Desertifikation „definiert, wenn sie sich in Trockengebieten ereignet“ (UNCCD-Sekretariat 1995: 9). Zuerst entstehen einzelne Flecken verödeten Landes, die manchmal Tausende Kilometer von der nächsten Wüste entfernt sind. Nach und nach dehnen sich diese Flecken allerdings aus, wachsen zusammen und schaffen wüstenähnliche Räume. Die „Wüstenbildung hat eine Rolle bei der Entstehung von zehn der bewaffneten Konflikte gespielt, die derzeit in Trockengebieten ausgetragen werden. Sie trägt zu politischer Instabilität, Hunger“, Migration „und dem Zusammenbruch sozialer Gefüge in Problemzonen wie Somalia bei und führt dazu, dass gewaltige Summen an Geld für Katastrophen- und humanitärer Hilfe ausgegeben werden. Und sie verschlimmert sich anbahnende Umweltkrisen wie die globale Erwärmung und den Verlust der Biologischen Vielfalt“ (UNCCD-Sekretariat 1995: 10). Desertifikation und Dürren wirken sich insbesondere in den Entwicklungsländern häufig unmittelbar existenzgefährdend aus, da dort der überwiegend von der Landwirtschaft lebenden Bevölkerung die Grundlage zur Nahrungsproduktion verloren geht.

Mit der UN-Konvention zur Bekämpfung der Bodendegradation in Trockengebieten (United Nations Convention to Combat Desertification – UNCCD) verfügt die internationale Staatengemeinschaft über ein wichtiges Instrument gegen Landverödung.6 Da aber auch außerhalb von Trockengebieten Böden massiven Schädigungen ausgesetzt sind, wird bereits seit längerem eine internationale Bodenkonvention diskutiert. Deren Ziel ist der nachhaltige Umgang mit allen Arten von Böden durch möglichst viele Staaten der Welt (WBGU 1994: 301f.).

   Themenauswahl der Enquete-Kommission

Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, zunächst zwei besonders wichtige global wirksame Steuerungsfelder genauer zu analysieren:

1.   Institutionelle Stärkung globaler Umweltpolitik

2.   Nachhaltigkeitsstrategien unter besonderer Berücksichtigung von Subsistenzstrategien einerseits und Technologiepolitik und Technologietransfer (Effizienz und Konsistenzstrategien) andererseits.

Trotz eines gestiegenen Problemdrucks (s.o.) ist es der internationalen Staatengemeinschaft noch nicht gelungen, angemessen auf die globalen Umweltprobleme zu reagieren. Notwendig ist die Stärkung der globalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsinstitutionen und insbesondere die Aufwertung des heutigen Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zu einer Weltumweltorganisation (vgl. Kapitel 7.6).

In einem Industrieland wie Deutschland, dass einen nicht verallgemeinerbaren Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch auf­weist, liegt die Herausforderung darin, die Ressourceneffizienz deutlich zu erhöhen (vgl. Kapitel 7.7.2) und Voraussetzungen für nachhaltiges Verbraucherverhalten zu schaffen (vgl. Kapitel 7.7.1). Darüber hinaus sollte mittels Technologietransfer, der Capacity-Building einschließt, für geeignete Voraussetzungen in den Entwicklungsländern gesorgt werden.

Die Fülle der in Frage stehenden Sachbereiche macht eine Auswahl erforderlich. Die Enquete-Kommission beschränkt sich hier auf die Behandlung von natürlichen Ressourcen.7 Wegen ihrer Wichtigkeit und vor allem auch Modellhaftigkeit hat die Enquete-Kommission folgende Themen exemplarisch ausgewählt:

1.   Ernährung und Landwirtschaft

2.   Biologische Vielfalt

3.   Klimaschutz (beim Flugverkehr)

4.   Wasser

Diese Themen sowie der stratosphärische Ozonabbau sind vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung    Globale Umweltveränderungen (WBGU) als die drän­ gends­ ten globalen Umweltprobleme identifiziert worden. Das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (1985) und in der Folge das Montrealer Protokoll (1987) ist das prominenteste Beispiel für eine erfolgreiche Verabschiedung und Umsetzung eines völkerrechtlich verbindlichen globalen Umweltabkommens. Eine Behandlung der Ozonproblematik durch die Enquete-Kommission erscheint deshalb verzichtbar.

Hunger und Unterernährung ist eine zentrale Herausforderung der Weltgesellschaft. Sie steht im Mittelpunkt des Themenschwerpunktes „Ernährung und Landwirtschaft“. Die Enquete-Kommission hat sich nicht nur mit den entwicklungspolitischen Aufgaben, die sich aus der weltweit anwachsenden Bevölkerung, der Übernutzung der Böden sowie einer unzureichenden Land- und Ernährungswirtschaft ergeben, befasst (vgl. Kapitel 7.2), sondern auch die Zusammenhänge mit den Konsumgewohnheiten in den Industrieländern aufgezeigt und Anforderungen an eine nachhaltige Verbraucherschutz- und Landwirtschaftspolitik formuliert (vgl. auch Kapitel 7.7.1). Die Globalisierung der Wirtschaft hat den Welthandel so grundsätzlich verändert, dass eine angemessene und nachhaltige Anpassung der Rahmenbedingungen erforderlich ist.

Die Enquete-Kommission beobachtet auch in diesem Zusammenhang mit Sorge den Verlust der genetischen Vielfalt, das Aussterben von Arten und ganzen Lebensgemeinschaften sowie die Belastung und Verarmung von Ökosystemen und Landschaften. Die Erhaltung der Bio­ sphäre stellt ein mit dem Schutz der Erdatmosphäre vergleichbares Problem dar. Die von der Enquete-Kommission erarbeiteten Empfehlungen im Themenschwerpunkt „Biologische Vielfalt“ sollen einen Beitrag zur Sensibilisierung der Bürger und Bürgerinnen für dieses Thema leisten und Impulse für die nationale und internationale Diskussion und Umsetzung geben (vgl. Kapitel 7.3).

Der Klimaschutz ist unbestritten eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Zwei Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages haben sich bisher und ausschließlich mit dieser Problematik befasst.8 Gegenwärtig erarbeitet die Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung“ im Hinblick auf die veränderten Rahmenbedingungen eine nationale Strategie zum Umgang mit der eng mit der Klimafrage verbundenen Energiefrage. Ihr langfristiges Ziel ist die Etablierung eines nachhaltigen Energiesystems bis spätestens 2050. Vor dem Hintergrund der bereits intensiven Behandlung der Klimaproblematik durch die Bundesregierung (Kli    maschutzprogramm, IMA-CO2, Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeitsrat etc.) und angesichts der weit fortgeschrittenen Verhandlungen zur VN-Klimarahmenkonvention und der beschlossenen Ratifizierung des Kioto-Protokolls durch die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union, hat sich die Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“ nicht umfassend mit diesem Bereich befasst. Vielmehr greift sie den internationalen Flugverkehr auf, der hohe Wachstumsraten aufweist und dessen Emissionen bisher nicht vom Kioto-Protokoll erfasst sind (vgl. Kapitel 7.4).

Süßwasser ist ein global immer knapper werdendes Gut. Die Auseinandersetzungen um diese Ressource nehmen zu. Der internationale Abstimmungsbedarf wächst. Der notwendige Finanzbedarf übersteigt vielerorts die Möglichkeiten der Öffentlichen Hand. Liberalisierung und Privatisierung im Wasser- und Abwassersektor nehmen weltweit zu, sind aber zwischen Befürwortern und Gegnern stark umstritten. Die Enquete-Kommission hat versucht, – ausgehend von den vorliegenden Analysen (WBGU 1998, BMZ 1999, WCD 2000 etc.) – beim Thema „Wasser“ zeitgemäße Lösungsansätze im Hinblick auf die Süßwasserfrage zu entwickeln, die den Anforderungen einer globalisierten Welt standhalten (vgl. Kapitel 7.5). Ein drängendes Problem ist auch die Verschmutzung und Überfischung der Weltmeere. Da sich die Enquete-Kommission aus zeitlichen Gründen in dieser Legislaturperiode nicht eingehend mit der Thematik beschäftigen konnte, schlägt sie vor, das Thema zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufzugreifen. Verbesserungen in diesem Bereich können einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten.



1 Der vorliegende Berichtsteil „Ressourcen“ wurde großteils im Konsens verabschiedet. Minderheitenvoten zu einzelnen Abschnitten oder Handlungsempfehlungen dieses Berichtsteils liefern die Arbeitsgruppen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP in Kapitel 11.

zurück zum Text



2 Hier sind nicht die Indigenas gemeint, die seit vielen Jahrhunderten im Einklang mit dem Ökosystem Regenwald in und von ihm leben, sondern die verarmten, landlosen Bauern.

zurück zum Text



3 Beginn der Waldschadenserhebungen in Deutschland.

zurück zum Text



4 Das IPCC (Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaänderungen) wurde 1988 durch das United Nations Environment Programme und die World Meteorological Organisation gegründet. 2001 präsentierte es seinen dritten Sachstandsbericht. Das IPCC behandelt umfassend, interdisziplinär und unter Einbezug von Wissenschaftler/-innen aus allen Regionen der Erde die Klimaänderung als große Herausforderung dieses Jahrhunderts. Im Mai 2001 hat die Royal Society des Vereinigten Königreichs zusammen mit den führenden wissenschaftlichen Akademien aus 16 weiteren Ländern in einer gemeinsamen Stellungnahme zur Klimaänderung das IPCC als die beste wissenschaftliche Quelle von Expertise über die Klimaänderung bezeichnet.

zurück zum Text



5 Ein Flusseinzugsgebiet wird als unter hohem „Wasserstress“ stehend eingestuft, wenn 40 Prozent oder mehr des jährlichen Abflusses und erneuerbaren Grundwassers zur Nutzung entnommen werden.

zurück zum Text



6 Eine gute Übersicht über den Verhandlungsprozess der UN-Konvention zur Bekämpfung der Bodendegradation in Trockengebieten findet sich z. B. bei Pilardeaux (2000).

zurück zum Text



7 Ressourcen im weiteren Sinne umfassen z. B. auch Wissen, Rechtssicherheit, Arbeitskraft etc..

zurück zum Text



8 Die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ und die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ haben in der 12. bzw. 13. Legislaturperiode ihre Berichte an das Parlament vorgelegt (Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ 1989, 1990a, 1990b, 1990c; Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ 1992, 1994a, 1994b, 1995).

zurück zum Text



 zurück weiter  Top  Übersicht 


Volltextsuche

































































































































































Abbildung 7-1


























Abbildung 7-2








































Abbildung 7-3
































Abbildung 7-4
























Abbildung 7-5

































Abbildung 7-6