11.1.1.2 Einseitigkeiten vermeiden
Eine Politik, die
vor allem oder auch nur die Risiken eines unvermeidlichen Prozesses
beschreibt, handelt unverantwortlich. Sie muss sich den Vorwurf
gefallen lassen, dass sie diesen geschichtlichen Prozess für
ideologische und parteipolitische Zwecke instrumentalisiert.
Dass dieser
schwere Vorwurf gerechtfertigt ist, kann man auch aus dem Folgenden
ableiten. In den Aussagen des Mehrheitsberichtes werden immer
wieder Probleme und Fehlentwicklungen in der Welt, die mit der
Globalisierung nichts oder nur sehr gering zu tun haben, als
Ergebnis der Globalisierung oder als Teil der Globalisierung
beschrieben. Selbständige Ursachen, die vor oder zeitgleich
mit der Globalisierung ihre Wirkungen entfalten, werden negiert.
Andernfalls werden eindeutig positive Wirkungen der Globalisierung
nicht erwähnt oder in Frage gestellt. Das mögen wenige
Beispiele verdeutlichen. Die Armutsentwicklung in der Welt ist
offenkundig und eindeutig ganz überwiegend ein Ergebnis der
Bevölkerungsexplosion, gerade in den armen Ländern. Auch
wenn man zu der Erkenntnis kommen kann, dass die Globalisierung
nicht wirkungsvoll genug auf diese Entwicklung Einfluss nimmt, ist
es grundfalsch, sie als Ursache oder Problemvergrößerer
zu beschreiben.
Dies gilt auch
für die Beschreibung der Lage der Frauen in der Welt. Die
Mehrheit erweckt den Eindruck, als sei für die sicherlich zu
beklagenden schlimmen und unerträglichen Zustände der
Lage der Frauen in vielen Ländern und Kulturen der Welt ein
Ergebnis der Globalisierung. Bei genauem Hinsehen ergibt sich, dass
das Gegenteil der Fall ist. Im Rahmen der Globalisierung ist dieses
Thema nicht nur weltweit bewusst geworden, sondern auch tendenziell
lösbar geworden.
Befremdlich
einseitig ist auch die These der Mehrheit, dass die Beschleunigung
von Prozessen vor allem Gefahren in sich berge und die Langsamkeit
zu bevorzugen sei. So sehr es zutrifft, dass in gewissen Bereichen
langsame Veränderungen Vorteile vor schnellen
Veränderungen bringen, darf doch nicht verkannt werden, dass
in sehr vielen zentralen Bereichen es gerade die schnellen
Veränderungen sind, die erstrebenswert sind. Dies gilt z.B. für ein
schnelles Reagieren in der Ökologie, für ein schnelles
Reagieren in der Demokratie und bei den Menschenrechten, für
ein schnelles Reagieren und Handeln in der
Geschlechtergerechtigkeit. Auch und gerade diese Ziele,
einschließlich der schnellen Implementierung des
Nachhaltigkeitsgrundsatzes, haben gerade und vor allem im Rahmen
der Globalisierung Chancen weltweit zur Geltung gebracht zu
werden.
Aber auch bei der
Zuordnung von Verlierern und Gewinnern wird schädliche
Einseitigkeit praktiziert, wenn z.B. erklärt wird, dass die
Kapitaleigner die eigentlichen Gewinner seien. Fakt ist, neben
aller dynamischen Entwicklung in diesem Bereich, dass die
Liberalisierung der Kapitalmärkte den Wettbewerb um das
Kapital und den Wettbewerb des Kapitals untereinander eindeutig
enorm verschärft hat. Dieser erhöhte und gewollte
Wettbewerb hat naturgemäß die Margen und Zinsspannen des
Kapitals weltweit gesenkt. Auch mancher Kapitaleigner sehnt sich
darum fälschlicherweise nach geschützten nationalen
Märkten zurück. Vorurteile ersetzen eben keine
Urteile.
Bei den konkreten
Empfehlungen und Lösungsansätzen für die nationale
und die internationale Politik, sind erhebliche aber nicht ganz
überraschende Unterschiede festzumachen. Die parteipolitisch
unterschiedlichen Antworten in der nationalen Politik sind in den
auf die Weltpolitik verlängerten Ansätzen eindeutig
wieder zu erkennen. So sind die bekannten Streitpunkte über
die Bedeutung des staatlichen und des privaten Korridors über
Rolle und Umfang der öffentlichen Güter, aber auch die
Fragen von Freiheit oder Regulierung als alte Bekannte wieder zu
entdecken. All zu oft war bei der Mehrheit erkennbar, dass sie die
Aufgabenstellung der Globalisierung mit nationalen und mehr oder
weniger sozialistischen planwirtschaftlichen Antworten lösen
will. Dies wirkt vor der Größe der Herausforderung
über weite Strecken provinziell.
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