*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.1.1.2   Einseitigkeiten vermeiden

Eine Politik, die vor allem oder auch nur die Risiken eines unvermeidlichen Prozesses beschreibt, handelt unverantwortlich. Sie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie diesen geschichtlichen Prozess für ideologische und parteipolitische Zwecke instrumentalisiert.

Dass dieser schwere Vorwurf gerechtfertigt ist, kann man auch aus dem Folgenden ableiten. In den Aussagen des Mehrheitsberichtes werden immer wieder Probleme und Fehlentwicklungen in der Welt, die mit der Globalisierung nichts oder nur sehr gering zu tun haben, als Ergebnis der Globalisierung oder als Teil der Globalisierung beschrieben. Selbständige Ursachen, die vor oder zeitgleich mit der Globalisierung ihre Wirkungen entfalten, werden negiert. Andernfalls werden eindeutig positive Wirkungen der Globalisierung nicht erwähnt oder in Frage gestellt. Das mögen wenige Beispiele verdeutlichen. Die Armutsentwicklung in der Welt ist offenkundig und eindeutig ganz überwiegend ein Ergebnis der Bevölkerungsexplosion, gerade in den armen Ländern. Auch wenn man zu der Erkenntnis kommen kann, dass die Globalisierung nicht wirkungsvoll genug auf diese Entwicklung Einfluss nimmt, ist es grundfalsch, sie als Ursache oder Problemvergrößerer zu beschreiben.

Dies gilt auch für die Beschreibung der Lage der Frauen in der Welt. Die Mehrheit erweckt den Eindruck, als sei für die sicherlich zu beklagenden schlimmen und unerträglichen Zustände der Lage der Frauen in vielen Ländern und Kulturen der Welt ein Ergebnis der Globalisierung. Bei genauem Hinsehen ergibt sich, dass das Gegenteil der Fall ist. Im Rahmen der Globalisierung ist dieses Thema nicht nur weltweit bewusst geworden, sondern auch tendenziell lösbar geworden.

Befremdlich einseitig ist auch die These der Mehrheit, dass die Beschleunigung von Prozessen vor allem Gefahren in sich berge und die Langsamkeit zu bevorzugen sei. So sehr es zutrifft, dass in gewissen Bereichen langsame Veränderungen Vorteile vor schnellen Veränderungen bringen, darf doch nicht verkannt werden, dass in sehr vielen zentralen Bereichen es gerade die schnellen Veränderungen sind, die    erstrebenswert sind. Dies gilt z.B. für ein schnelles Reagieren in der Ökologie, für ein schnelles Reagieren in der Demokratie und bei den Menschenrechten, für ein schnelles Reagieren und Handeln in der Geschlechtergerechtigkeit. Auch und gerade diese Ziele, einschließlich der schnellen Implementierung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes, haben gerade und vor allem im Rahmen der Globalisierung Chancen weltweit zur Geltung gebracht zu werden.

Aber auch bei der Zuordnung von Verlierern und Gewinnern wird schädliche Einseitigkeit praktiziert, wenn z.B. erklärt wird, dass die Kapitaleigner die eigentlichen Gewinner seien. Fakt ist, neben aller dynamischen Entwicklung in diesem Bereich, dass die Liberalisierung der Kapitalmärkte den Wettbewerb um das Kapital und den Wettbewerb des Kapitals untereinander eindeutig enorm verschärft hat. Dieser erhöhte und gewollte Wettbewerb hat naturgemäß die Margen und Zinsspannen des Kapitals weltweit gesenkt. Auch mancher Kapitaleigner sehnt sich darum fälschlicherweise nach geschützten nationalen Märkten zurück. Vorurteile ersetzen eben keine Urteile.

Bei den konkreten Empfehlungen und Lösungsansätzen für die nationale und die internationale Politik, sind erhebliche aber nicht ganz überraschende Unterschiede festzumachen. Die parteipolitisch unterschiedlichen Antworten in der nationalen Politik sind in den auf die Weltpolitik verlängerten Ansätzen eindeutig wieder zu erkennen. So sind die bekannten Streitpunkte über die Bedeutung des staatlichen und des privaten Korridors über Rolle und Umfang der öffentlichen Güter, aber auch die Fragen von Freiheit oder Regulierung als alte Bekannte wieder zu entdecken. All zu oft war bei der Mehrheit erkennbar, dass sie die Aufgabenstellung der Globalisierung mit nationalen und mehr oder weniger sozialistischen planwirtschaftlichen Antworten lösen will. Dies wirkt vor der Größe der Herausforderung über weite Strecken provinziell.




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