*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.1.7.2   Waren- und Dienstleistungsmärkte

Vorbemerkungen

Die Arbeitsgruppe „Waren- und Dienstleistungsmärkte“ hat mit Hilfe sehr intensiver Beratungen, Diskussionen, externer Gutachten, und Unternehmensbesuchen versucht, die wichtigsten Themen der globalisierten Waren- und Dienstleistungsmärkte zu behandeln. Dies ist nur ansatzweise gelungen, denn wie im Bericht bereits erwähnt, bleibt eine Fülle wichtiger Sachthemen unbearbeitet und sollte deshalb von einer neu einzusetzenden Enquete-Kommission aufgegriffen werden.

Im Bestreben, durch Kompromiss-Formulierungen einen Konsens in wichtigen Fragen zu erzielen, sind aber bereits jetzt gute Ergebnisse erzielt und viele ursprüngliche Meinungsunterschiede überwunden worden. Die Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe konnten weit überwiegend von allen Mitgliedern gemeinsam verabschiedet werden.

Das Konsensstreben hat allerdings auch grundsätzliche Meinungsunterschiede im Schlussbericht verdeckt. Immer wieder stellte sich in den Diskussionen heraus, dass die Mehrheit die Risiken einer Globalisierung in den Vordergrund stellt. Demzufolge ist das Mehrheitsstreben eher und häufiger auf Regulierungsbemühungen gerichtet. Die CDU/CSU-Gruppe sieht auch die Gefahren und Herausforderungen, die eine globalisierte Weltwirtschaft mit sich bringt und die einer Lösung bedürfen. Die Wohlstandszuwächse, die sich für jene Länder nachweisen lassen, die sich öffnen und aktiv an der Globalisierung beteiligen, veranlassen die CDU/CSU-Gruppe jedoch zu wesentlich optimistischeren Schlussfolgerungen. Insgesamt überwiegen nach ihrer Meinung die Chancen der Globalisierung deutlich ihre Risiken.

Das folgende Minderheitsvotum der CDU/CSU-Gruppe konzentriert sich auf die wichtigsten umstrittenen Themen der Arbeitsgruppe „Waren- und Dienstleistungsmärkte“.

   Bereits der wirtschaftstheoretische und -historische Hintergrund der Globalisierung war umstritten. Das führte u.a. zum unkommentierten Gegenüberstellen der Meinungen im Exkurs am Ende des Berichts. Dass es nicht gelang, die grundsätzlichen Positionen weiter anzunähern, ist aus vielen Gründen bedauerlich, vor allem deswegen, weil abseits des parteipolitischen Streites eine weit überwiegende Mehrheit in Wissenschaft und Gesellschaft der Meinung ist, dass ein freier Waren- und Dienstleis­ tungsverkehr der Welt einen höheren Wohlstand bringt und so die Armut in der Welt nachhaltig bekämpft werden kann und empirisch bewiesen ist, dass die Länder, die sich gegenüber der Globalisierung aktiv verhielten, sich dem weltwirtschaftlichen Güterverkehr öffneten, einen höheren Wohlstand erreichten als jene, die sich von ihm abschotteten (z.B. WTO 2000c). Nicht nur Deutschland, sondern viele Industrie-, Transformations- und Entwicklungsländer haben bewiesen, dass die Befürchtungen der Mehrheit der Kommission nicht richtig sind, wonach Länder vor der Globalisierung geschützt werden müssten.

Zur Handlungsempfehlung 3-33

Verankerung von Sozialstandards in das Regelwerk der WTO

Die CDU/CSU-Arbeitsgruppe lehnt diese Empfehlung weiterhin ab. Bereits im Zwischenbericht der Kommission hatte sie deutlich gemacht, dass eine Reihe gewichtiger Gründe gegen diese unmittelbare Kopplung spricht. Daran hat sich nicht geändert. Deshalb seien die Hauptargumente kurz wiederholt:

–    Zur Entwicklung eines eigenen Wohlstands müssen die Entwicklungsländer am Welthandel teilnehmen können. Aus Traditions-, Kultur- und anderen Gründen, darunter schiere Armut, halten einige von ihnen noch nicht die Kernarbeitsnormen ein. Ein Zwang, diese sofort umsetzen zu müssen, um am WTO – System teilnehmen zu können, würde ihre Exportchancen abrupt verringern und ihre Eingliederung in die globale Handelswelt behindern. Damit würde eine Verankerung der Standards letztlich jenen schaden, die sich schützen sollen. Dies betonen auch viele Entwicklungsländer selbst auf nahezu allen internationalen Konferenzen.

Selbstverständlich muss es das Ziel eines jeden Entwicklungslandes sein, die Normen einzuhalten, und in diesem Sinne sollte auch auf sie eingewirkt werden. Die Indus­ trieländer sollten sich jedoch nicht eines Druckmittels bedienen, das die Weigerung, den Handel mit zu liberalisieren, zum Gegenstand hat. Ein solcher Automatismus wäre verhängnisvoll für viele Entwicklungsländer.

Die Wirtschaftsgeschichte hat gezeigt, dass bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen weder durch internationale Boykottvereinbarungen noch durch andere Handelssanktionen durchgesetzt werden können. Das einzige Mittel ist eine Erhöhung der Lebensstandards (OECD 1996b). Dazu ist allerdings eine Beteiligung an der internationalen Arbeitsteilung unerlässlich. Die WTO verfolgt das Ziel der Förderung eines regelgebundenen Freihandels. Damit erleichtert sie mittelbar über größere Verteilungsspielräume auch das Erreichen sozialer Ziele. Wohlgemerkt: Dies ist aber nicht die originäre Aufgabe der Handelspolitik, aber Handel hilft. Die Beseitigung sozialer Verwerfungen dagegen ist Aufgabe vor allem nationaler Politik. Hierfür kann vom Ausland (z.B. über die ILO) ebenso Hilfe angeboten werden, die Handelspolitik als Zwangspolitik ausgestaltet ist jedoch das falsche Instrument Viele Entwicklungsländer weisen selbst darauf hin, dass eine bessere ökonomische Entwicklung Voraussetzung und Hilfe für die Lösung sozialer Probleme ist (ILO 2001a).

–    Die Welthandelsorganisation (WTO) ist eine Erfolgsgeschichte. Ihre Regeln bilden einen unentbehrlichen ordnungspolitischen Rahmen für den Welthandel. Es muss aber sehr sorgfältig darauf geachtet werden, dass die WTO-Regeln nicht mit sachfremden politischen Zielen überfrachtet werden. Als Garant für Sozialstandards wäre die Welthandelsorganisation heute überfordert. Diese Politik braucht ihre eigene Foren. Auch die ILO hat ihre erfolgreiche Tradition und ist das geeignete Gremium für die Entwicklung und Durchsetzung von Arbeits- und Sozialstandards.

Der deutschen Bundesregierung ist zuzustimmen: „...nicht die WTO, sondern die dafür ausgewiesenen internationalen Fachleute bei der ILO (International Labourorganisation) (sollten) internationale sozialpolitische Normen verhandeln“ (Deutscher Bundestag 2001). Selbstverständlich sollten die relevanten Internationalen Organisationen eng zusammenarbeiten; gemeinsame Ausschüsse beispielsweise von WTO und ILO können Lösungen der Probleme vorbereiten.

Ebenso lassen sich die in den Konventionen der ILO und in den Menschenrechtsverträgen der VN enthaltenen Durchsetzungsinstrumente noch wesentlich verbessern (z.B. Sautter 2001). Verpflichtungserklärungen gegenüber der Staatengemeinschaft können beispielsweise dazu beitragen, vertraglich anerkannte Sozialstandards zu verwirklichen. Sie können wirksam durch unternehmerische Selbstverpflichtungen – etwa Verhaltenskodizes – oder anerkannte arbeitsrechtliche Gütesiegel unterstützt werden (ebenda). Auch erhöhte Transparenz kann helfen, wie die Veröffentlichung der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung von Kernarbeitsnormen entsprechend der Empfehlung 3-32, der die CDU/CSU-Gruppe nicht widerspricht. Nach hartnäckigem und unkooperativen Verbleib auf der Negativliste können dann – wie der Fall Burma zeigt – auch nach geltendem Recht Sanktionsmaßnahmen ergriffen werden. Eine Verankerung von Sozialstandards in das WTO-Regelwerk (Empfehlung 3-33) ist dazu nicht erforderlich.

–    Die Mehrheit der Entwicklungsländer ist gegen jede Verschränkung von handelspolitischen Vereinbarungen und Kernarbeitsnormen. Sie ist aber nicht per se gegen Kernarbeitsnormen. Aus anderen Erfahrungen befürchten sie aber auch hier, dass entsprechende Vorschläge der Industrieländer letztlich nichts anderes sind als eine versteckte protektionistische Maßnahme, die sie wei    terhin vom Wettbewerb ausschließen soll. Um im Bilde zu bleiben: viele Entwicklungsländer sehen Exportchancen gerade in jenen arbeitsintensiven Bereichen, in denen wegen noch niedriger Produktivitäten die Standards eben noch nicht auf “Nord“niveau sind. Dies ändert sich aber im Zuge des Handels. Es muss auch bedacht werden, dass – auch wegen Erfahrungen der Vergangenheit – die WTO in den Kreisen der Entwicklungsländer als ein „ungeliebtes Organ“ gilt.

Mehr noch: Eine Implementierung der Kernarbeitsnormen in das WTO-Regelwerk würde zudem zunächst die falschen treffen. Denn gerade die Entwicklungsländer, die sich weigern, die Kernarbeitsnormen einzuhalten, sind meist diejenigen, die kaum nennenswerte Exporte haben. Damit verliert das Hauptargument der Mehrheit (die Sanktionsfähigkeit der WTO) aber seine Bedeutung. Das Gegenteil ist der Fall: Über die Handelsverluste der übrigen Länder würde sich deren ökonomische Situation objektiv verschlechtern.

Um nicht missverstanden zu werden: die CDU/CSU -Arbeitsgruppe ist keineswegs gegen Kernarbeitsnormen und Sozialstandards. Sie unterstützt jede realistische Chance, ihre Durchsetzung zu fördern. Die WTO kann eine beratende und unterstützende Rolle spielen –höhere Transparenz, gemeinsame Ausschüsse etc. sind denkbar-, Handelsvereinbarungen und Kernarbeitsnormen sollten aber auf keinen Fall direkt gekoppelt werden.

Zur Thematik „Liberalisierung von Dienstleistungen durch GATS“

In den letzten Jahren ist im globalisierten Handel die Bedeutung der Dienstleistungen stark gestiegen. Das ist zum einen ein Spiegelbild nationaler Entwicklungen, zum anderen aber auch durch neue Technologien (Internet etc.) sowie durch den Übergang von früher standortabhängigen („gebundenen“) Dienstleistungen zu „ungebundenen“ bedingt. Damit wuchs auch die Bedeutung des internationalen Dienstleistungsabkommens GATS. Auch der Verlauf der jüngsten Welthandelskonferenz in Doha 2001 ist hierfür ein Beweis. Es entsteht der Eindruck, als müssten nun auch bei den Dienstleistungen Widerstände gegen den Freihandel überwunden werden, so wie das bei GATT bzw. WTO für die Waren in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Die Widerstände gegen Marktöffnungen für Dienstleistungen scheinen in vielen Ländern noch groß zu sein, teilweise sogar in Ländern, die vom freien Zugang ihrer Waren zum Weltmarkt besonders profitierten, wie Deutschland. Diesen Eindruck muss man gewinnen, wenn man den Text, vor allem aber die Empfehlungen der Mehrheit der Kommission zu diesem Thema, liest. Dies ist wohl ein weiteres Zeichen dafür, dass die Mehrheit der Kommission Risken der Globalisierung stärker betonen will als die entsprechenden Chancen und wettbewerblichen Lösungen generell skeptisch gegenüber steht.

Zur Handlungsempfehlung 3-11

Erhaltung der Flexibilität

Während der erste Teil der Empfehlung dem Geist des GATS-Abkommens entspricht, muss der letzte Teil abgelehnt werden. Die Mehrheit der Kommission stellt sich hier übrigens gegen die Meinungen der EU und der deutschen Bundesregierung, indem sie für so genannte „safeguard measures“ eintritt. Diese Klauseln sollen nach Meinung einiger WTO-Mitglieder die heimische Industrie vor möglichen negativen Auswirkungen des internationalen Dienstleistungshandels schützen. Da aber nach den GATS Bestimmungen ohnehin jedes Land die Möglichkeit besitzt, je nach Sektor festzulegen, welchem Liberalisierungsniveau dieser unterworfen werden soll, sind solche Notfallklauseln nicht nötig. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass derartige Schutzklauseln missbräuchlich angewendet werden und der Beliebigkeit Tür und Tor öffnen. Allzu leicht wird es möglich sein, Verpflichtungen zurück zu nehmen, sofern die damit verbundenen „Erwartungen“ nicht erfüllt wurden.

Für die international investierenden Dienstleister sind aber feste, verlässliche Rahmenbedingungen vor Ort unabdingbar. Unternehmen werden nicht investieren, wenn sie befürchten müssen, dass die Grundlage der Investition verändert wird. Derartige Schutzklauseln können deshalb auch kaum im Interesse der Entwicklungsländer sein, für deren Entwicklung ausländische Investitionen auch im Dienstleistungsbereich wichtige Voraussetzung sind.

Wie auf jedes andere internationale Abkommen muss auf GATS Verlass sein, zu starke Flexibilität könnte Beliebigkeit bedeuten, und die wiederum würde jeder Investitionsplanung die notwendige Basis entziehen.

Zur Handlungsempfehlung 3-13

Ausschluss von Bildung und weiteren Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge aus den GATS Verhandlungen

Zum Verständnis des GATS ist es wichtig zu wissen, dass das Abkommen die nationale Souveränität der Staaten anerkennt und zulässt, dass diese das Erbringen von Dienstleistungen nach eigenen Zielvorstellungen regulieren dürfen. Die Staaten entscheiden auch, welche Dienstleis­ tungsart sie in das GATS einbringen und welche nicht. Insoweit ist die Formulierung der Empfehlung ungenau, denn man kann nichts herausnehmen, was nicht vorher eingebracht worden ist – und von vornherein ist kein Sektor im GATS enthalten.

Die wichtigere Frage ist, ob Bildungsdienstleistungen generell und prophylaktisch aus dem GATS herausgehalten werden sollen. Das GATS unterscheidet fünf Kategorien der Dienstleistungen: vom vorschulischen Bereich bis zur Erwachsenenbildung. Die EU hat fast durchgängig bereits den Marktzugang für Bildungsdienstleistungen gewährt, eine Rücknahme ist einseitig nicht möglich. Deutschland und Europa können daran kaum interessiert sein, wollen sie doch Bildungsdienstleistungen möglichst auch exportieren und über Importe die Auswahl an Bildungsangeboten erhöhen.

Ein Schutz des deutschen Marktes vor ausländischen Bildungsdienstleistungen macht nur Sinn, wenn befürchtet werden müsste, dass dadurch Nachteile für das Bildungswesen in Deutschland entstünden oder dass ein hoheitlicher Auftrag verletzt würde. Beides ist nicht zu sehen. Der    Mehrheitswunsch nach einer Präzisierung der Dienstleis­ tungen „die in hoheitlichem Auftrag erbracht“ werden, ist dennoch sinnvoll. Allerdings ist die Intention der Mehrheit damit folgende: Hier spielt der Erhalt mögliche Subventionierungen der öffentlichen Hand eine Rolle. Subventionierungen sind bei staatlich erbrachten Dienstleistungen eher die Regel als die Ausnahme und können durch die EU z.Zt. vom GATS ausgenommen werden. Auch hier schafft die Mehrheit letztlich einen wettbewerblichen Ausnahmebereich, in dessen Grenzen sich Ineffizienzen ausbreiten können und die Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Zur Handlungsempfehlung 3-14

Keine Unterschreitung der EU-Standards und Normen im Bereich der Berufsqualifikationen, technischen Normen und der Lizenzierungsverfahren

Da das GATS keine Normungsbehörde ist, gehört die Festsetzung internationaler Standards nicht zu ihren Aufgaben. Vielmehr erkennt das GATS den Mitgliedern das souveräne Recht zur Regelung der Dienstleistungserbringung im innerstaatlichen Bereich zu. Mit anderen Worten: GATS macht hier keinerlei Vorschriften. Dennoch soll die Regelungsfreiheit bestimmten Kriterien unterworfen werden, die erstens darauf abzielen, Diskriminierungen unter Ausländern sowie In- und Ausländern zu unterbinden und zweitens die Transparenz fördern. Insbesondere dürfen Qualifikationsvorschriften und -verfahren, die technischen Normen und die Vorschriften über die Lizenzerteilung keine unnötigen Hemmnisse für den Dienstleis­ tungs­ verkehr darstellen. Es ist geplant, bestimmte Disziplinen zu erarbeiten, die z.B. sicherstellen, dass die innerstaat­ lichen Vorschriften auf objektiven und transparenten Kriterien beruhen. Die deutsche Regierung bzw. die EU ist also nach wie vor frei, eigene Standards zu setzen, sofern diese den Kriterien der Inländerbehandlung und Transparenz genügen.

Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob für internationale Abkommen tatsächlich die EU das Maß aller Dinge sein sollte. Angesichts der Verschiedenartigkeit von Ländern, Sitten, Bedürfnissen erscheint dies eher zweifelhaft. Eine internationale Harmonisierung von Berufsqualifikationen erscheint vor dem Hintergrund unterschiedlicher weltweiter Anforderungen geradezu überflüssig, kontraproduktiv und ohnehin nicht durchführbar. Besser wären hier Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Bildungsabschlüssen geeignet.

Die vorgeschlagene Auswertung von Erfahrungen mit Harmonisierungen erscheint zwar grundsätzlich sinnvoll. Offen bleibt, wer diese sehr umfangreiche Arbeit verrichten soll und ob sie in Anbetracht der obigen Argumente überhaupt sinnvoll ist. Eine neue Bürokratie müsste ersonnen und mit einer Aufgabe betraut werden, deren Sinn die CDU/CSU-Arbeitsgruppe grundsätzlich bezweifelt.

Zur Handlungsempfehlung 3-15

Einbeziehung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards

Die Ablehnungsgründe dieser Handlungsempfehlung entsprechen jenen der Handlungsempfehlung 3-33. Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe von GATS, Normen aufzustellen oder ihre Überwachung zu gewährleisten, sondern Aufgabe des GATS ist es, über bestehende nationale Normen Transparenz zu schaffen. Ziel jeder neuen GATS-Runde sollte es sein, die Liberalisierung des Dienstleis­ tungshandels weiter voran zu bringen. Diesem Ziel laufen „zwingende“ Voraussetzungen zuwider. So sollten auch die notwendigen und zu begrüßenden ILO Standards nicht zur conditio sine qua non für Handelsgespräche gemacht werden, weil andernfalls eventuell notwendige und zeitlich begrenzbare Kompromisse unmöglich werden

Zur Handlungsempfehlung 3-16

Analyse der Wechselwirkungen zwischen nationaler, europäischer und multilateraler Regulierungsebene

Diese Empfehlung konnte aus Zeitmangel nicht ausreichend diskutiert werden. Sie ist unscharf formuliert und deshalb nicht zielführend. Sie ist darüber hinaus keine unmittelbar mit GATS zusammenhängende Empfehlung.

Die Mehrheit in der Kommission ist der Auffassung, dass auf allen Regulierungsebenen der Einfluss von „stakeholdern“, Zivilgesellschaft und anderen außerparlamentarischen Gruppen gestärkt werden müsse. Daraus erklärt sich wohl vor allem ihr Widerstand gegen den Vorschlag, diese Empfehlung zu streichen oder zu präzisieren. Dem Ziel der Mitsprache soll in der folgenden Handlungsempfehlung zur „Einbeziehung aller Beteiligten in die Beratungen“ auch Rechnung getragen werden:

Zur Handlungsempfehlung 3-17

Einbeziehung aller Beteiligten in die Beratungen

Die so formulierte Empfehlung geht nach Meinung der CDU/CSU-Gruppe zu weit. Bereits heute werden die angesprochenen Beteiligten über den Stand der Verhandlungen informiert, vielleicht könnte dies auch noch verbessert werden. Eine weitergehende Beteiligung ist schon aus juristischen Gründen unmöglich, nach EU-Recht bestehen Vorgaben und Beschränkungen, die die Handhabe der Außenbeziehungen als vertraulich einstufen. Es bestehen grundsätzliche Bedenken, Dokumente, die in Verhandlungen verwendet werden, Dritten zugänglich zu machen. Die Gefahr, dass die eigene Verhandlungsposition geschwächt wird, eigene Forderungen evtl. zu teuer zu erkauft werden müssen, ist nicht von der Hand zu weisen.

Bereits oben wurde auf die Erfolgsgeschichte der WTO hingewiesen. Ihr Sanktionsmechanismus bei Verstößen gegen das Statut hat trotz vieler Anfeindungen das Prinzip des freien Welthandels stets durchsetzen können. Die Kritik an der WTO, sie agiere „zu ökonomisch“ und sei anderen als wirtschaftlichen Zielen gegenüber nicht offen genug ist nicht richtig. Schon der WTO Artikel XX, der sachgerechte Ausnahmen durchaus vorsieht, beweist das Gegenteil.

Zur Handlungsempfehlung 3-30

Erhöhte Kompatibilität der internationalen Ordnungssysteme

Diese Empfehlung wurde erst sehr knapp vor den Schlussbesprechungen der Kommission durch die Mehr    heit in die Diskussion eingeführt. Sie konnte nicht mehr ausreichend diskutiert werden. Der erste Teil ist nahezu selbstverständlich. Die CDU/CSU-Gruppe ist allerdings strikt gegen den zweiten Teil der Empfehlung. Räumte man grundsätzlich „multilateralen Abkommen bzw. internationalen Konventionen zur Durchsetzung von Menschenrechten bzw. friedens-, sozialpolitischen und Umweltzielen (...) Priorität“ gegenüber den WTO-Regeln ein, würde eine Hierarchie zwischen den internationalen Abkommen aufgebaut, die das Völkerrecht nicht kennt. Die WTO ist auch keine Superbehörde, die Ziele aller möglichen multilateralen Abkommen zu verfolgen und durchzusetzen hat, bloß weil sie effizienter als andere internationale Organisationen arbeitet. Mit anderen Worten: die WTO darf nicht mit handelsfremden Aufgaben überfrachtet werden. Bei einer Umsetzung der Mehrheitsempfehlung wäre zudem zu befürchten, dass solche handelsfernen Ziele protektionistisch missbraucht werden würden.

Zur Handlungsempfehlung 3-42

Berücksichtigung von Verhaltenskodizes im öffentlichen Beschaffungswesen

Diese Handlungsempfehlung zielt zwar in die richtige Richtung, geht aber viel zu weit. Die Bevorzugung von Unternehmen, die freiwillige Verhaltenskodizes befolgen, durch das Beschaffungswesen der öffentlichen Hand darf kein Blankoscheck für ein Abweichen von den Vergaberichtlinien sein.

Die praktische Umsetzung einer solchen Präferenzierung könnte zudem kontraproduktiv wirken. Im Berichtsteil der Mehrheitsfraktionen wird einvernehmlich und zutreffend darauf hingewiesen, dass Korruption insbesondere dort auftritt, „wo öffentliche Amtsträger große diskretionäre Handlungsspielräume bei der Vergabe öffentlicher Aufträge genießen“. Die ohnehin schon bedenkliche Überfrachtung der Vergabe mit so genannten vergabefremden Aspekten würde hier nicht unbeträchtlich erweitert, mit dem möglichen Ergebnis, dass einem korruptionsgeneigten Vergabe-Beamten der Zuschlag nicht an den preislich und qualitativ günstigsten Bieter, sondern an seinen Günstling noch leichter wird.

Schlussbemerkung

Die CDU/CSU Gruppe bedauert es sehr, dass viele und wichtige Themen in der Arbeitsgruppe „Waren- und Dienstleistungsmärkte“ nicht oder nicht ausreichend diskutieret werden konnten. So ist es für eine Kommission, die sich mit der Globalisierung befassen soll, eigentlich nicht hinnehmbar, dass Themen wie Ausländische Direkt­ investitionen, Transnationale Unternehmen oder E-business in dieser Legislaturperiode weitgehend unbearbeitet blieben. Aber die Zeit reichte dazu nicht aus.

Es mag dahin gestellt bleiben, ob die Arbeitsgruppe ihre Themen richtig ausgewählt hat – wohl wissend, dass nicht für alle Themenschwerpunkte hinreichend Zeit zur Verfügung stehen würde. Es steht fest, dass vor allem in der ersten Phase der Beratungen auch Zeit verloren wurde, weil ideologische Standpunkte eine zu große Rolle spielten. Aus Sicht der CDU/CSU-Gruppe ist oftmals zu lange über Tatsachen, Missstände und Vermutungen diskutiert worden, die mit Globalisierung evtl. zusammengebracht werden können, deren Ursache aber nicht die Globalisierung ist.

Das gilt z.B. auch für das über Korruption. Es versteht sich von selbst, dass Korruption auf allen Ebenen und mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Dazu gab es auch keinerlei Meinungsverschiedenheiten. Die Handlungsempfehlungen wurden einstimmig verabschiedet. Es erscheint allerdings symptomatisch für das Verhalten der Mehrheit, dass der folgende Absatz gegen die Stimmen der CDU/CSU-Gruppe aus dem Berichtsentwurf gestrichen wurde: „Vielfach wird der Vorwurf erhoben, die Globalisierung sei Ursache für einen Anstieg der Korruption in den letzten Jahren. Das sei mit der Liberalisierung und Privatisierung verbunden. Tatsächlich lässt sich dieser Verdacht weder theoretisch noch empirisch belegen. Korruption hat es schon lange vor der Globalisierung gegeben. Wenn sie neuerdings ansteigt, so ist dies kein Beweis für eine ursächlichen Zusammenhang zur Globalisierung.“

Wenn es eine eventuelle Weiterführung thematisch-ähnlicher Arbeiten einer Enquete-Kommission geben sollte, so ist Sorge dafür zu tragen, dass

–    die Zusammenhänge zwischen beobachteten Tatsachen, Entwicklungen und Trends auf den nationalen und internationalen Märkten zur Globalisierung genau analysiert werden,

–    die wichtigen Themen, die – aus welchen Gründen auch immer – in dieser Legislaturperiode nicht behandelt wurden, in den Vordergrund neuer Beratungen gerückt werden.




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