11.1.7.2 Waren- und
Dienstleistungsmärkte
Vorbemerkungen
Die Arbeitsgruppe
„Waren- und Dienstleistungsmärkte“ hat mit Hilfe
sehr intensiver Beratungen, Diskussionen, externer Gutachten, und
Unternehmensbesuchen versucht, die wichtigsten Themen der
globalisierten Waren- und Dienstleistungsmärkte zu behandeln.
Dies ist nur ansatzweise gelungen, denn wie im Bericht bereits
erwähnt, bleibt eine Fülle wichtiger Sachthemen
unbearbeitet und sollte deshalb von einer neu einzusetzenden
Enquete-Kommission aufgegriffen werden.
Im Bestreben,
durch Kompromiss-Formulierungen einen Konsens in wichtigen Fragen
zu erzielen, sind aber bereits jetzt gute Ergebnisse erzielt und
viele ursprüngliche Meinungsunterschiede überwunden
worden. Die Handlungsempfehlungen der Arbeitsgruppe konnten weit
überwiegend von allen Mitgliedern gemeinsam verabschiedet
werden.
Das
Konsensstreben hat allerdings auch grundsätzliche
Meinungsunterschiede im Schlussbericht verdeckt. Immer wieder
stellte sich in den Diskussionen heraus, dass die Mehrheit die
Risiken einer Globalisierung in den Vordergrund stellt. Demzufolge
ist das Mehrheitsstreben eher und häufiger auf
Regulierungsbemühungen gerichtet. Die CDU/CSU-Gruppe sieht
auch die Gefahren und Herausforderungen, die eine globalisierte
Weltwirtschaft mit sich bringt und die einer Lösung
bedürfen. Die Wohlstandszuwächse, die sich für jene
Länder nachweisen lassen, die sich öffnen und aktiv an
der Globalisierung beteiligen, veranlassen die CDU/CSU-Gruppe
jedoch zu wesentlich optimistischeren Schlussfolgerungen. Insgesamt
überwiegen nach ihrer Meinung die Chancen der Globalisierung
deutlich ihre Risiken.
Das folgende
Minderheitsvotum der CDU/CSU-Gruppe konzentriert sich auf die
wichtigsten umstrittenen Themen der Arbeitsgruppe „Waren- und
Dienstleistungsmärkte“.
Bereits der
wirtschaftstheoretische und -historische Hintergrund der
Globalisierung war umstritten. Das führte u.a. zum
unkommentierten Gegenüberstellen der Meinungen im Exkurs am
Ende des Berichts. Dass es nicht gelang, die grundsätzlichen
Positionen weiter anzunähern, ist aus vielen Gründen
bedauerlich, vor allem deswegen, weil abseits des parteipolitischen
Streites eine weit überwiegende Mehrheit in Wissenschaft und
Gesellschaft der Meinung ist, dass ein freier Waren- und
Dienstleis tungsverkehr der Welt einen höheren Wohlstand
bringt und so die Armut in der Welt nachhaltig bekämpft werden
kann und empirisch bewiesen ist, dass die Länder, die sich
gegenüber der Globalisierung aktiv verhielten, sich dem
weltwirtschaftlichen Güterverkehr öffneten, einen
höheren Wohlstand erreichten als jene, die sich von ihm
abschotteten (z.B. WTO 2000c). Nicht nur Deutschland, sondern viele
Industrie-, Transformations- und Entwicklungsländer haben
bewiesen, dass die Befürchtungen der Mehrheit der Kommission
nicht richtig sind, wonach Länder vor der Globalisierung
geschützt werden müssten.
Zur
Handlungsempfehlung 3-33
Verankerung von Sozialstandards in das Regelwerk der WTO
Die CDU/CSU-Arbeitsgruppe lehnt diese
Empfehlung weiterhin ab. Bereits im Zwischenbericht der Kommission
hatte sie deutlich gemacht, dass eine Reihe gewichtiger Gründe
gegen diese unmittelbare Kopplung spricht. Daran hat sich nicht
geändert. Deshalb seien die Hauptargumente kurz
wiederholt:
– Zur Entwicklung
eines eigenen Wohlstands müssen die Entwicklungsländer am
Welthandel teilnehmen können. Aus Traditions-, Kultur- und
anderen Gründen, darunter schiere Armut, halten einige von
ihnen noch nicht die Kernarbeitsnormen ein. Ein Zwang, diese sofort
umsetzen zu müssen, um am WTO – System teilnehmen zu
können, würde ihre Exportchancen abrupt verringern und
ihre Eingliederung in die globale Handelswelt
behindern. Damit würde eine Verankerung der Standards
letztlich jenen schaden, die sich schützen sollen. Dies
betonen auch viele Entwicklungsländer selbst auf nahezu allen
internationalen Konferenzen.
Selbstverständlich muss es das Ziel
eines jeden Entwicklungslandes sein, die Normen einzuhalten, und in
diesem Sinne sollte auch auf sie eingewirkt werden. Die Indus
trieländer sollten sich jedoch nicht eines Druckmittels
bedienen, das die Weigerung, den Handel mit zu liberalisieren, zum
Gegenstand hat. Ein solcher Automatismus wäre
verhängnisvoll für viele Entwicklungsländer.
Die Wirtschaftsgeschichte hat gezeigt, dass
bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen weder durch internationale
Boykottvereinbarungen noch durch andere Handelssanktionen
durchgesetzt werden können. Das einzige Mittel ist eine
Erhöhung der Lebensstandards (OECD 1996b). Dazu ist
allerdings eine Beteiligung an der internationalen Arbeitsteilung
unerlässlich. Die WTO verfolgt das Ziel der Förderung
eines regelgebundenen Freihandels. Damit erleichtert sie mittelbar
über größere Verteilungsspielräume auch das
Erreichen sozialer Ziele. Wohlgemerkt: Dies ist aber nicht die
originäre Aufgabe der Handelspolitik, aber Handel hilft. Die
Beseitigung sozialer Verwerfungen dagegen ist Aufgabe vor allem
nationaler Politik. Hierfür kann vom Ausland (z.B. über
die ILO) ebenso Hilfe angeboten werden, die Handelspolitik als
Zwangspolitik ausgestaltet ist jedoch das falsche Instrument Viele
Entwicklungsländer weisen selbst darauf hin, dass eine bessere
ökonomische Entwicklung Voraussetzung und Hilfe für die
Lösung sozialer Probleme ist (ILO 2001a).
– Die Welthandelsorganisation (WTO) ist
eine Erfolgsgeschichte. Ihre Regeln bilden einen unentbehrlichen
ordnungspolitischen Rahmen für den Welthandel. Es muss aber
sehr sorgfältig darauf geachtet werden, dass die WTO-Regeln
nicht mit sachfremden politischen Zielen überfrachtet werden.
Als Garant für Sozialstandards wäre die
Welthandelsorganisation heute überfordert. Diese Politik
braucht ihre eigene Foren. Auch die ILO hat ihre erfolgreiche
Tradition und ist das geeignete Gremium für die Entwicklung
und Durchsetzung von Arbeits- und Sozialstandards.
Der deutschen
Bundesregierung ist zuzustimmen: „...nicht die WTO,
sondern die dafür ausgewiesenen internationalen Fachleute bei
der ILO (International Labourorganisation) (sollten) internationale
sozialpolitische Normen verhandeln“ (Deutscher Bundestag
2001). Selbstverständlich sollten die relevanten
Internationalen Organisationen eng zusammenarbeiten; gemeinsame
Ausschüsse beispielsweise von WTO und ILO können
Lösungen der Probleme vorbereiten.
Ebenso lassen
sich die in den Konventionen der ILO und in den
Menschenrechtsverträgen der VN enthaltenen
Durchsetzungsinstrumente noch wesentlich verbessern (z.B. Sautter
2001). Verpflichtungserklärungen gegenüber der
Staatengemeinschaft können beispielsweise dazu beitragen,
vertraglich anerkannte Sozialstandards zu verwirklichen. Sie
können wirksam durch unternehmerische Selbstverpflichtungen
– etwa Verhaltenskodizes – oder anerkannte
arbeitsrechtliche Gütesiegel unterstützt werden (ebenda).
Auch erhöhte Transparenz kann helfen, wie die
Veröffentlichung der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung von
Kernarbeitsnormen entsprechend der Empfehlung 3-32, der die
CDU/CSU-Gruppe nicht widerspricht. Nach hartnäckigem und
unkooperativen Verbleib auf der Negativliste können dann
– wie der Fall Burma zeigt – auch nach geltendem Recht
Sanktionsmaßnahmen ergriffen werden. Eine Verankerung von
Sozialstandards in das WTO-Regelwerk (Empfehlung 3-33) ist dazu
nicht erforderlich.
– Die Mehrheit der Entwicklungsländer
ist gegen jede Verschränkung von handelspolitischen
Vereinbarungen und Kernarbeitsnormen. Sie ist aber nicht per se
gegen Kernarbeitsnormen. Aus anderen Erfahrungen befürchten
sie aber auch hier, dass entsprechende Vorschläge der
Industrieländer letztlich nichts anderes sind als eine
versteckte protektionistische Maßnahme, die sie wei terhin vom Wettbewerb
ausschließen soll. Um im Bilde zu bleiben: viele
Entwicklungsländer sehen Exportchancen gerade in jenen
arbeitsintensiven Bereichen, in denen wegen noch niedriger
Produktivitäten die Standards eben noch nicht auf
“Nord“niveau sind. Dies ändert sich aber im Zuge
des Handels. Es muss auch bedacht werden, dass – auch wegen
Erfahrungen der Vergangenheit – die WTO in den Kreisen der
Entwicklungsländer als ein „ungeliebtes Organ“
gilt.
Mehr noch: Eine
Implementierung der Kernarbeitsnormen in das WTO-Regelwerk
würde zudem zunächst die falschen treffen. Denn gerade
die Entwicklungsländer, die sich weigern, die
Kernarbeitsnormen einzuhalten, sind meist diejenigen, die kaum
nennenswerte Exporte haben. Damit verliert das Hauptargument der
Mehrheit (die Sanktionsfähigkeit der WTO) aber seine
Bedeutung. Das Gegenteil ist der Fall: Über die
Handelsverluste der übrigen Länder würde sich deren
ökonomische Situation objektiv verschlechtern.
Um nicht missverstanden zu werden: die
CDU/CSU -Arbeitsgruppe ist keineswegs gegen Kernarbeitsnormen und
Sozialstandards. Sie unterstützt jede realistische Chance,
ihre Durchsetzung zu fördern. Die WTO kann eine beratende und
unterstützende Rolle spielen –höhere Transparenz,
gemeinsame Ausschüsse etc. sind denkbar-,
Handelsvereinbarungen und Kernarbeitsnormen sollten aber auf keinen
Fall direkt gekoppelt werden.
Zur
Thematik „Liberalisierung von Dienstleistungen durch
GATS“
In den letzten
Jahren ist im globalisierten Handel die Bedeutung der
Dienstleistungen stark gestiegen. Das ist zum einen ein Spiegelbild
nationaler Entwicklungen, zum anderen aber auch durch neue
Technologien (Internet etc.) sowie durch den Übergang von
früher standortabhängigen („gebundenen“)
Dienstleistungen zu „ungebundenen“ bedingt. Damit wuchs
auch die Bedeutung des internationalen Dienstleistungsabkommens
GATS. Auch der Verlauf der jüngsten Welthandelskonferenz in
Doha 2001 ist hierfür ein Beweis. Es entsteht der Eindruck,
als müssten nun auch bei den Dienstleistungen Widerstände
gegen den Freihandel überwunden werden, so wie das bei GATT
bzw. WTO für die Waren in den letzten Jahrzehnten der Fall
war. Die Widerstände gegen Marktöffnungen für
Dienstleistungen scheinen in vielen Ländern noch groß zu
sein, teilweise sogar in Ländern, die vom freien Zugang ihrer
Waren zum Weltmarkt besonders profitierten, wie Deutschland. Diesen
Eindruck muss man gewinnen, wenn man den Text, vor allem aber die
Empfehlungen der Mehrheit der Kommission zu diesem Thema, liest.
Dies ist wohl ein weiteres Zeichen dafür, dass die Mehrheit
der Kommission Risken der Globalisierung stärker betonen will
als die entsprechenden Chancen und wettbewerblichen Lösungen
generell skeptisch gegenüber steht.
Zur
Handlungsempfehlung 3-11
Erhaltung
der Flexibilität
Während der
erste Teil der Empfehlung dem Geist des GATS-Abkommens entspricht,
muss der letzte Teil abgelehnt werden. Die Mehrheit der Kommission
stellt sich hier übrigens gegen die Meinungen der EU und der
deutschen Bundesregierung, indem sie für so genannte
„safeguard measures“ eintritt. Diese Klauseln
sollen nach Meinung einiger WTO-Mitglieder die heimische Industrie
vor möglichen negativen Auswirkungen des internationalen
Dienstleistungshandels schützen. Da aber nach den GATS
Bestimmungen ohnehin jedes Land die Möglichkeit besitzt, je
nach Sektor festzulegen, welchem Liberalisierungsniveau dieser
unterworfen werden soll, sind solche Notfallklauseln nicht
nötig. Es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass
derartige Schutzklauseln missbräuchlich angewendet werden und
der Beliebigkeit Tür und Tor öffnen. Allzu leicht wird es
möglich sein, Verpflichtungen zurück zu nehmen, sofern
die damit verbundenen „Erwartungen“ nicht erfüllt
wurden.
Für die
international investierenden Dienstleister sind aber feste,
verlässliche Rahmenbedingungen vor Ort unabdingbar.
Unternehmen werden nicht investieren, wenn sie befürchten
müssen, dass die Grundlage der Investition verändert
wird. Derartige Schutzklauseln können deshalb auch kaum im
Interesse der Entwicklungsländer sein, für deren
Entwicklung ausländische Investitionen auch im
Dienstleistungsbereich wichtige Voraussetzung sind.
Wie auf jedes
andere internationale Abkommen muss auf GATS Verlass sein, zu
starke Flexibilität könnte Beliebigkeit bedeuten, und die
wiederum würde jeder Investitionsplanung die notwendige Basis
entziehen.
Zur
Handlungsempfehlung 3-13
Ausschluss von Bildung und weiteren Leistungen der
öffentlichen Daseinsvorsorge aus den GATS Verhandlungen
Zum
Verständnis des GATS ist es wichtig zu wissen, dass das
Abkommen die nationale Souveränität der Staaten anerkennt
und zulässt, dass diese das Erbringen von Dienstleistungen
nach eigenen Zielvorstellungen regulieren dürfen. Die Staaten
entscheiden auch, welche Dienstleis tungsart sie in das GATS
einbringen und welche nicht. Insoweit ist die Formulierung der
Empfehlung ungenau, denn man kann nichts herausnehmen, was nicht
vorher eingebracht worden ist – und von vornherein ist kein
Sektor im GATS enthalten.
Die wichtigere
Frage ist, ob Bildungsdienstleistungen generell und prophylaktisch
aus dem GATS herausgehalten werden sollen. Das GATS unterscheidet
fünf Kategorien der Dienstleistungen: vom vorschulischen
Bereich bis zur Erwachsenenbildung. Die EU hat fast
durchgängig bereits den Marktzugang für
Bildungsdienstleistungen gewährt, eine Rücknahme ist
einseitig nicht möglich. Deutschland und Europa können
daran kaum interessiert sein, wollen sie doch
Bildungsdienstleistungen möglichst auch exportieren und
über Importe die Auswahl an Bildungsangeboten
erhöhen.
Ein Schutz des
deutschen Marktes vor ausländischen Bildungsdienstleistungen
macht nur Sinn, wenn befürchtet werden müsste, dass
dadurch Nachteile für das Bildungswesen in Deutschland
entstünden oder dass ein hoheitlicher Auftrag verletzt
würde. Beides ist nicht zu sehen. Der Mehrheitswunsch nach einer Präzisierung der
Dienstleis tungen „die in hoheitlichem Auftrag
erbracht“ werden, ist dennoch sinnvoll. Allerdings ist die
Intention der Mehrheit damit folgende: Hier spielt der Erhalt
mögliche Subventionierungen der öffentlichen Hand eine
Rolle. Subventionierungen sind bei staatlich erbrachten
Dienstleistungen eher die Regel als die Ausnahme und können
durch die EU z.Zt. vom GATS ausgenommen werden. Auch hier schafft
die Mehrheit letztlich einen wettbewerblichen Ausnahmebereich, in
dessen Grenzen sich Ineffizienzen ausbreiten können und die
Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden.
Zur
Handlungsempfehlung 3-14
Keine
Unterschreitung der EU-Standards und Normen im Bereich der
Berufsqualifikationen, technischen Normen und der
Lizenzierungsverfahren
Da das GATS keine Normungsbehörde ist,
gehört die Festsetzung internationaler Standards nicht zu
ihren Aufgaben. Vielmehr erkennt das GATS den Mitgliedern das
souveräne Recht zur Regelung der Dienstleistungserbringung im
innerstaatlichen Bereich zu. Mit anderen Worten: GATS macht hier
keinerlei Vorschriften. Dennoch soll die Regelungsfreiheit
bestimmten Kriterien unterworfen werden, die erstens darauf
abzielen, Diskriminierungen unter Ausländern sowie In- und
Ausländern zu unterbinden und zweitens die Transparenz
fördern. Insbesondere dürfen Qualifikationsvorschriften
und -verfahren, die technischen Normen und die Vorschriften
über die Lizenzerteilung keine unnötigen Hemmnisse
für den Dienstleis tungs verkehr darstellen. Es
ist geplant, bestimmte Disziplinen zu erarbeiten, die z.B.
sicherstellen, dass die innerstaat lichen Vorschriften auf
objektiven und transparenten Kriterien beruhen. Die deutsche
Regierung bzw. die EU ist also nach wie vor frei, eigene Standards
zu setzen, sofern diese den Kriterien der Inländerbehandlung
und Transparenz genügen.
Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, ob für
internationale Abkommen tatsächlich die EU das Maß aller
Dinge sein sollte. Angesichts der Verschiedenartigkeit von
Ländern, Sitten, Bedürfnissen erscheint dies eher
zweifelhaft. Eine internationale Harmonisierung von
Berufsqualifikationen erscheint vor dem Hintergrund
unterschiedlicher weltweiter Anforderungen geradezu
überflüssig, kontraproduktiv und ohnehin nicht
durchführbar. Besser wären hier Abkommen zur
gegenseitigen Anerkennung von Bildungsabschlüssen
geeignet.
Die
vorgeschlagene Auswertung von Erfahrungen mit Harmonisierungen
erscheint zwar grundsätzlich sinnvoll. Offen bleibt, wer diese
sehr umfangreiche Arbeit verrichten soll und ob sie in Anbetracht
der obigen Argumente überhaupt sinnvoll ist. Eine neue
Bürokratie müsste ersonnen und mit einer Aufgabe betraut
werden, deren Sinn die CDU/CSU-Arbeitsgruppe grundsätzlich
bezweifelt.
Zur
Handlungsempfehlung 3-15
Einbeziehung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards
Die
Ablehnungsgründe dieser Handlungsempfehlung entsprechen jenen
der Handlungsempfehlung 3-33. Darüber hinaus ist es nicht
Aufgabe von GATS, Normen aufzustellen oder ihre Überwachung zu
gewährleisten, sondern Aufgabe des GATS ist es, über
bestehende nationale Normen Transparenz zu schaffen. Ziel jeder
neuen GATS-Runde sollte es sein, die Liberalisierung des
Dienstleis tungshandels weiter voran zu bringen. Diesem Ziel
laufen „zwingende“ Voraussetzungen zuwider. So sollten
auch die notwendigen und zu begrüßenden ILO Standards
nicht zur conditio sine qua non für
Handelsgespräche gemacht werden, weil andernfalls eventuell
notwendige und zeitlich begrenzbare Kompromisse unmöglich
werden
Zur
Handlungsempfehlung 3-16
Analyse
der Wechselwirkungen zwischen nationaler, europäischer und
multilateraler Regulierungsebene
Diese Empfehlung
konnte aus Zeitmangel nicht ausreichend diskutiert werden. Sie ist
unscharf formuliert und deshalb nicht zielführend. Sie ist
darüber hinaus keine unmittelbar mit GATS
zusammenhängende Empfehlung.
Die Mehrheit in
der Kommission ist der Auffassung, dass auf allen
Regulierungsebenen der Einfluss von „stakeholdern“,
Zivilgesellschaft und anderen außerparlamentarischen Gruppen
gestärkt werden müsse. Daraus erklärt sich wohl vor
allem ihr Widerstand gegen den Vorschlag, diese Empfehlung zu
streichen oder zu präzisieren. Dem Ziel der Mitsprache soll in
der folgenden Handlungsempfehlung zur „Einbeziehung aller
Beteiligten in die Beratungen“ auch Rechnung getragen
werden:
Zur
Handlungsempfehlung 3-17
Einbeziehung aller Beteiligten in die Beratungen
Die so
formulierte Empfehlung geht nach Meinung der CDU/CSU-Gruppe zu
weit. Bereits heute werden die angesprochenen Beteiligten über
den Stand der Verhandlungen informiert, vielleicht könnte dies
auch noch verbessert werden. Eine weitergehende Beteiligung ist
schon aus juristischen Gründen unmöglich, nach EU-Recht
bestehen Vorgaben und Beschränkungen, die die Handhabe der
Außenbeziehungen als vertraulich einstufen. Es bestehen
grundsätzliche Bedenken, Dokumente, die in Verhandlungen
verwendet werden, Dritten zugänglich zu machen. Die Gefahr,
dass die eigene Verhandlungsposition geschwächt wird, eigene
Forderungen evtl. zu teuer zu erkauft werden müssen, ist nicht
von der Hand zu weisen.
Bereits oben
wurde auf die Erfolgsgeschichte der WTO hingewiesen. Ihr
Sanktionsmechanismus bei Verstößen gegen das Statut hat
trotz vieler Anfeindungen das Prinzip des freien Welthandels stets
durchsetzen können. Die Kritik an der WTO, sie agiere
„zu ökonomisch“ und sei anderen als
wirtschaftlichen Zielen gegenüber nicht offen genug ist nicht
richtig. Schon der WTO Artikel XX, der sachgerechte Ausnahmen
durchaus vorsieht, beweist das Gegenteil.
Zur
Handlungsempfehlung 3-30
Erhöhte Kompatibilität der internationalen
Ordnungssysteme
Diese Empfehlung wurde erst sehr knapp vor
den Schlussbesprechungen der Kommission durch die Mehr heit in die Diskussion
eingeführt. Sie konnte nicht mehr ausreichend diskutiert
werden. Der erste Teil ist nahezu selbstverständlich. Die
CDU/CSU-Gruppe ist allerdings strikt gegen den zweiten Teil der
Empfehlung. Räumte man grundsätzlich
„multilateralen Abkommen bzw. internationalen Konventionen
zur Durchsetzung von Menschenrechten bzw. friedens-,
sozialpolitischen und Umweltzielen (...) Priorität“
gegenüber den WTO-Regeln ein, würde eine Hierarchie
zwischen den internationalen Abkommen aufgebaut, die das
Völkerrecht nicht kennt. Die WTO ist auch keine
Superbehörde, die Ziele aller möglichen multilateralen
Abkommen zu verfolgen und durchzusetzen hat, bloß weil sie
effizienter als andere internationale Organisationen arbeitet. Mit
anderen Worten: die WTO darf nicht mit handelsfremden Aufgaben
überfrachtet werden. Bei einer Umsetzung der
Mehrheitsempfehlung wäre zudem zu befürchten, dass solche
handelsfernen Ziele protektionistisch missbraucht werden
würden.
Zur Handlungsempfehlung 3-42
Berücksichtigung von
Verhaltenskodizes im öffentlichen Beschaffungswesen
Diese Handlungsempfehlung zielt zwar in die
richtige Richtung, geht aber viel zu weit. Die Bevorzugung von
Unternehmen, die freiwillige Verhaltenskodizes befolgen, durch das
Beschaffungswesen der öffentlichen Hand darf kein Blankoscheck
für ein Abweichen von den Vergaberichtlinien sein.
Die praktische Umsetzung einer solchen
Präferenzierung könnte zudem kontraproduktiv wirken. Im
Berichtsteil der Mehrheitsfraktionen wird einvernehmlich und
zutreffend darauf hingewiesen, dass Korruption insbesondere dort
auftritt, „wo öffentliche Amtsträger große
diskretionäre Handlungsspielräume bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge genießen“. Die ohnehin
schon bedenkliche Überfrachtung der Vergabe mit so genannten
vergabefremden Aspekten würde hier nicht unbeträchtlich
erweitert, mit dem möglichen Ergebnis, dass einem
korruptionsgeneigten Vergabe-Beamten der Zuschlag nicht an den
preislich und qualitativ günstigsten Bieter, sondern an seinen
Günstling noch leichter wird.
Schlussbemerkung
Die CDU/CSU Gruppe bedauert es sehr, dass
viele und wichtige Themen in der Arbeitsgruppe „Waren- und
Dienstleistungsmärkte“ nicht oder nicht ausreichend
diskutieret werden konnten. So ist es für eine Kommission, die
sich mit der Globalisierung befassen soll, eigentlich nicht
hinnehmbar, dass Themen wie Ausländische Direkt
investitionen, Transnationale Unternehmen oder E-business in
dieser Legislaturperiode weitgehend unbearbeitet blieben. Aber die
Zeit reichte dazu nicht aus.
Es mag dahin gestellt bleiben, ob die
Arbeitsgruppe ihre Themen richtig ausgewählt hat – wohl
wissend, dass nicht für alle Themenschwerpunkte hinreichend
Zeit zur Verfügung stehen würde. Es steht fest, dass vor
allem in der ersten Phase der Beratungen auch Zeit verloren wurde,
weil ideologische Standpunkte eine zu große Rolle spielten.
Aus Sicht der CDU/CSU-Gruppe ist oftmals zu lange über
Tatsachen, Missstände und Vermutungen diskutiert worden, die
mit Globalisierung evtl. zusammengebracht werden können, deren
Ursache aber nicht die Globalisierung ist.
Das gilt z.B.
auch für das über Korruption. Es versteht sich von
selbst, dass Korruption auf allen Ebenen und mit allen Mitteln
bekämpft werden muss. Dazu gab es auch keinerlei
Meinungsverschiedenheiten. Die Handlungsempfehlungen wurden
einstimmig verabschiedet. Es erscheint allerdings symptomatisch
für das Verhalten der Mehrheit, dass der folgende Absatz gegen
die Stimmen der CDU/CSU-Gruppe aus dem Berichtsentwurf gestrichen
wurde: „Vielfach wird der Vorwurf erhoben, die Globalisierung
sei Ursache für einen Anstieg der Korruption in den letzten
Jahren. Das sei mit der Liberalisierung und Privatisierung
verbunden. Tatsächlich lässt sich dieser Verdacht weder
theoretisch noch empirisch belegen. Korruption hat es schon lange
vor der Globalisierung gegeben. Wenn sie neuerdings ansteigt, so
ist dies kein Beweis für eine ursächlichen Zusammenhang
zur Globalisierung.“
Wenn es eine
eventuelle Weiterführung thematisch-ähnlicher Arbeiten
einer Enquete-Kommission geben sollte, so ist Sorge dafür zu
tragen, dass
– die Zusammenhänge zwischen
beobachteten Tatsachen, Entwicklungen und Trends auf den nationalen
und internationalen Märkten zur Globalisierung genau
analysiert werden,
– die wichtigen Themen, die – aus
welchen Gründen auch immer – in dieser Legislaturperiode
nicht behandelt wurden, in den Vordergrund neuer Beratungen
gerückt werden.
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