11.1.7.4 Globale Wissensgesellschaft
Zum Teil
„Hochschulen“
Vorbemerkungen
Die
Mehrheitsfraktion in der Enquete-Kommission hat an Ende der
Beratungen einen bis zu diesem Zeitpunkt gemeinsamen Bericht zum
Bereich „ Hochschulen und Globalisierung“
zurückgezogen. Die CDU/CSU-Arbeitsgruppe hält es für
erforderlich, diesen so bedeutsamen Bereich und die Empfehlungen
dem Deutschen Bundestag vorzulegen. Sie gibt deshalb folgendes
Minderheitenvotum ab.
Wissensübertragung- Wissensgenerierung
Die
Enquete-Kommission hat sich das deutsche Hochschulsystem als
Fallbeispiel für die Übertragung von Wissen im globalen
Wettbewerb ausgesucht, weil Hochschulen dem globalen Wettbewerb
besonders ausgesetzt sind.
Das Gutachten von
Dierkes und Merkens (2002) für die Enquete-Kommission
Globalisierung des Bundestages bildet die Grundlage der folgenden
Ausführungen.
Globalisierung, Wissenschaft und Hochschulen: eine
Einführung
Der jetzt, zu
Beginn des 21. Jahrhunderts, erreichte und wahrscheinlich
fortschreitende Stand der Globalisierung der Weltwirtschaft mag
einmalig sein, er mag vielleicht auch nur den Umfang
repräsentieren, der die damalige Welt bei der Wende vom 19.
zum 20. Jahrhundert charakterisierte; so oder so hat er
tiefgreifende Konsequenzen für die Wirtschaft aller Nationen
und Regionen: der Wettbewerb wird intensiviert, neue Wettbewerber
treten auf und brechen in Märkte ein, die bislang von wenigen
dominiert wurden. Wirtschaftsstandorte wie die Bundesrepublik
Deutschland müssen so zunehmend Anstrengungen unternehmen, um
ihre Marktführerschaft in einzelnen Märkten und ihre
generelle Exportfähigkeit zu erhalten.
Unterhalb dieser
Makrotrends ist festzustellen, dass neben einer großen
Steigerung bei den einfachen Dienstleis tungen, die in der
Regel weiterhin lokal und regional nachgefragt und angeboten
werden, der Markt an wissensintensiven Dienstleistungen –
global nachgefragt und angeboten – deutlich zunimmt.
Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass die für die
modernen Ausprägungen traditioneller Produkte und Techniken
erforderliche Wissensbasis ebenfalls deutlich zunimmt. Ob diese
Entwicklung nun als Wissensgesellschaft oder auch nicht bezeichnet
wird mag Anlass zu trefflichen Diskursen geben. Erheblich ist es
nicht. Erheblich ist, dass sowohl bei Dienstleis tungen als
auch bei Produkten mehr Technik, neuere Technik, neuere
Kombinationen von Technik und damit verknüpft, mehr und
besseres Wissen erforderlich ist. Unstrittig ist auch wohl, dass
durch die Vernetzung, Datenbanken und Datenaufbereitungsmethoden
immer mehr Informationen zur Verfügung stehen.
Wissensbasis vergrößern – Investitionen
erforderlich
Die Konsequenz
liegt auf der Hand: Nationen und Regionen, die in die Wissensbasis
ihrer Bevölkerung investieren, sind diejenigen, die in diesem
Rennen die Chance haben, auf der Gewinnerseite zu stehen. Die, die
es nicht tun, oder deren Bevölkerung nicht bereit ist zu
lernen und ständig neu zu lernen, dürften eher zu den
Verlierern zählen. Investitionen in das Humankapital sind
damit ein Schlüsselfaktor im gegenüber den letzten
Jahrzehnten intensiveren und globaleren Wettbewerb. Damit steht und
fällt die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit einer
Region und Nation mit der Leistungsfähigkeit ihrer
Bildungseinrichtungen auf allen Stufen und für alle Phasen des
Lebensprozesses. Wissen, Umgang mit Wissen, Schaffen von neuem
Wissen muss gelernt und immer wieder gelernt werden im Interesse
der Wettbewerbsfähigkeit, sieht man einmal von allem anderen,
nämlich den kulturellen, sozialen und politischen Aspekten des
Bildungsprozesses ab.
Die Frage nach
der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des
Wirtschaftsstandortes Bundesrepublik Deutschland lässt sich
daher zu einem großen Teil auf die Frage nach der
Wettbewerbsfähigkeit der Bildungsinstitutionen, der Prozesse
im Bildungswesen und die Bildungsinhalte zurückführen.
Angesichts der großen Bedeutung von Wissen macht es Sinn hier
exemplarisch die Hochschulen he rauszugreifen und zu fragen:
Inwieweit sind diese in der Lage, Jugendliche und Menschen jenseits
der Erstausbildung auf diesen Wettbewerb um Wissen vorzubereiten
und zu unterstützen.
Global
wettbewerbsfähige Hochschulen
Hochschulen sind
in diesem Zusammenhang auch noch von besonderem Interesse weil sie
selbst, mehr als andere Teile des Bildungssystems, einem
Globalisierungsdruck und verschärftem Wettbewerb ausgesetzt
sind. Während vorschulische Bildung, Grundschulen und das
Angebot der Sekundarstufe fast ausschließlich regional und
lokal angeboten werden und nur auf dieser Ebene einem Wettbewerb
– je nach Kulturraum – unterliegen, sind die
Nachfrager nach Hochschulausbildung, wenn Sprachbarrieren
unbedeutend werden und die finanziellen Mittel bereitstehen,
grundsätzlich mobil. Sie können und werden dies in
Zukunft immer mehr tun, sich weltweit die
leistungsfähigsten Hochschulen aussuchen, die sie am
besten auf den für die hochtalentierten und -motivierten
Studierenden immer mehr globaleren Arbeitsmarkt vorbereiten.
Global wettbewerbsfähige Hochschulen
haben darüber hinaus noch eine Fülle zusätzlicher
positiver Sekundär- und Tertiäreffekte. Sie binden
Studenten an den Kulturraum, in dem sie studiert haben, seine
Institutionen, Technologien und Verfahren und tragen somit
langfristig und nachhaltig zur weiteren Steigerung der
Wettbewerbsfähigkeit einer Region mit global
wettbewerbsfähigen Hochschulen bei.
Die Frage ist
also damit ganz einfach: Wo steht das deutsche Hochschulsystem in
dieser dualen Verantwortung, selbst global wettbewerbsfähig
und damit für Studierende und Forscher aus anderen Regionen
attraktiv zu sein und gleichzeitig die in diesem Land heute und vor
allem zu künftig Lebenden optimal auf den globalen
Wettbewerb vorzubereiten, der
zunehmend von der Qualität des Humankapitals
bestimmt wird.
Die
Sogwirkung der US-amerikanischen und englischen Hochschulen
Bei einer
Gesamtschau der faktischen und auch wahrgenommenen
Wettbewerbssituation im Bereich der Hochschulbildung gelten global
in erster Linie und mit großem Abstand die Vereinigten Staaten
als das „Mekka“ der Bildungswilligen und
Leistungsorientierten. Für Südostasien beginnt Australien
mehr und mehr eine ähnliche Rolle als regionales Zentrum
einzunehmen. Aus kontinentaleuropä ischer Sicht sind es
vor allem wiederum die Vereinigten Staaten und Großbritannien,
denen die höchste Attraktivität beigemessen wird. Eine
gewissen Wettbewerbsstärke ist noch in den skandinavischen
Ländern und in den Niederlanden festzustellen.
Attraktivität von ausländischen Hochschulen
Diese Daten
werden gestützt durch aktuelle Wanderungsbewegungen von
Jugendlichen aus den hochschulpolitisch weniger
wettbewerbsfähigen Regionen. Das lässt sich
eindrucksvoll, neben vielen anderen Statistiken, mit der Tatsache
illustrieren, dass 50 Prozent der PhD-Studenten in den Vereinigten
Staaten heute nicht Bürger dieses Landes sind. Diese
Attraktion wird vor allem von Natur-, Ingenieur-, und medizinischen
Wissenschaften ausgeübt. Sie wird, gerade am Bildungsstandort
Deutschland, reflektiert durch immer stärkere Anfragen von
Jugendlichen und ihren Eltern aus der oberen Mittelschlicht, dem
Bildungsbürgertum, im Hinblick auf die Bedingungen eines
Studiums vor allem in den Vereinigten Staaten, aber auch in
Großbritannien. Die generelle Veränderung, die sich hier
niederschlägt, ist in dreierlei Hinsicht zu sehen. Erstens
wird angenommen, dass die Chancen in zunehmend globalisierten
Arbeitsmärkten für die oberen, mächtigen und
interessanten Positionen noch mehr als zuvor von der Qualität
der Ausbildung abhängt, dass zweitens eine solche
Qualität am Hochschulstandort Deutschland nicht ge boten werden kann,
sondern hier ein Ausweichen in die faktisch besseren und höher
reputierlichen Top 20 bis 30US-amerikanischen Universitäten
erforderlich ist und dass letztlich – dies ist die
weitgehendste Veränderung – die Bereitschaft
wächst, ein volles Studium und nicht allein ein
Auslandssemester zu finanzieren, d.h. in Inves
titionskategorien zu denken, die sich gut und gerne auf über
100000bis 200000 Euro belaufen können.
Hochschulstandort Deutschland
für Ausländer wenig attraktiv
Die Zahl der Jugendlichen, die diesen Weg
einschlagen, und ihrer Familien, die in der Lage und bereit sind,
diese Finanzierungsmittel aufzubringen, ist immer noch, gemessen an
der Gesamtzahl der Studenten am Hochschulstandort Deutschland,
recht klein. Sie nimmt jedoch zu und dürfte bei einem weiteren
Auseinanderklaffen der Wettbewerbsfähigkeitsschere gerade
unter der Erbengeneration deutlich zunehmen. Bei der
augenblicklichen Situation muss diese Entwicklung als Indikator
dafür angesehen werden, dass gerade die bildungspolitisch
hochsensiblen und gutinformierten Bevölkerungskreise den
Hochschulstandort Deutschland als weniger attraktiv
einschätzen als die Top 20 bis 30 amerikanischen
Universitäten. Insofern kann diese Entwicklung als
Früh warnindikator für breitere Tendenzen gelten,
die, besonders wenn sie durch mangelnde finanzielle
Möglichkeiten beschnitten werden, sich in politischer
Unzufriedenheit mit dem deutschen Bildungssystem niederschlagen.
Generell ist natürlich zu sagen, dass jeder Jugendliche, der
an Spitzeneinrichtungen der Forschung und Wissenschaft im Aus
land Qualifikationen erwirbt, begrüßenswert ist, wenn er
oder sie zurückkehrt und damit nicht Teil des wachsenden Brain
Drains auf der Welt wird, und wenn auf der anderen Seite in
ähnlichem Umfang Studenten anderer Länder, insbesondere
der stark wissensbasierten Volkswirtschaften nach Deutschland
kommen würden und ihre Qualifikation hier erwerben. Diese Art
der Vermischung, Internationalisierung und Globalisierung der
Ausbildung ist nur wünschenswert. Die augenblickliche
Situation zeigt jedoch, dass sich bei dieser bildungspolitisch
kritischen und sensiblen Bevölkerungsschicht zunehmend eine
Schere herausbildet zwischen der Attraktivität des Studierens
in den Vereinigten Staaten oder auch in Großbritannien und der
zurückgehenden Attraktivität, ein Studium am
Hochschulstandort Deutschland zu beginnen.
Die Markenstärke
US-amerikanischer Spitzenuniversitäten als Zugfaktor für
den Hochschulstandort USA
Die besondere
Anziehungskraft US-amerikanischer Universitäten weltweit ist
im wesentlichen auf der faktischen Ebene auf eine jahrzehntelange
Hierarchisierung des Bildungssystems zurückzuführen, bei
der die leistungsfähigen Privat- wie Staatsuniversitäten
durch starke Finanzkraft (Endowment, Alumni Donations, andere
Unterstützung privater Personen und Organisationen,
Forschungsförderung) die kompetentesten Fakultät mit den
besten Studenten zusammengebracht haben. Strenge Selektion,
Leis tungsstreben und Kommunikation der
Leistungsfähigkeit der Institution durch eine entsprechende
Informationspolitik sind hier, neben intensiver Studenten- und
Ehemaligenbetreuung, die Schlüsselfaktoren. Die breite
öffentliche Diskussion verschiedener allgemeiner und
fachspezifischer Rankings der Universitäten macht, bei allen
methodischen Schwächen, dieses deutlich und verstärkt die
hier wirkende Faktoren noch einmal.
Die Reputation
der hervorragenden 20 bis 30 Universitäten bestimmt das Image
und die Attraktivität des Hochschulsystems der USA insgesamt.
Ein USA-Studium gilt generell als „besser“ und damit
– in den meisten Ländern – als
karriereförderlicher im Vergleich zu Abschlüssen
nationaler Universitäten. Obwohl sehr viel für den
objektiven Qualitätsvorsprung der Spitzenuniversitäten
und die Berechtigung ihrer hohen Attraktivität spricht, ist
dies im Hinblick auf den verbleibenden Großteil des
Hochschulsystems der USA eher fragwürdig.
Qualität der Hochschulen steigern – Schwerpunkte
herausstellen
Einige Faktoren
wie beispielsweise intensive Studentenbetreuung, Flexibilität,
Leistungsstreben oder die breite Akzeptanz von neuen, auf die
Kundeninteressen bezogenen Entwicklungen in den Curricula
müssen auch hier als weitgehend durchgängige
Wettbewerbsvorteile angesehen werden. Die Qualität der
Lehrenden und Forschenden bleibt jedoch, ebenso wie die
Qualität der Studenten, in der Regel hinter einer
durchschnittlichen Universität in Kontinentaleuropa
zurück. Aber auch für Bildung gilt, was auch vielen
Produkt- und Dienstleistungsmärkten zu beobachten ist: nicht
nur die Fakten zählen; die aus dem „Image“
resultierenden Wahrnehmungen sind ebenfalls sehr wichtig, und diese
werden, wenn keine Strategieänderungen des Hochschulstandorts
Deutschland auf der faktischen wie auch kommunikativen Ebene
erfolgen, noch lange für einen Wettbewerbsvorteil des
US-amerikanischen Bildungssystems sorgen. Dieses wird so auch noch
langfristig in der Lage sein, hervorragende und hochmotivierte
Jugendliche von überall aus der Welt an sich zu ziehen mit all
den damit verknüpften positiven Sekundär- und
Tertiärwirkungen. Das hier über die US-amerikanischen
Hochschulen Gesagte gilt mit gewissen Einschränkungen auch
für die Wettbewerbsfähigkeit des Hochschulsystems in
Großbritannien gegenüber den kontinentaleuropäischen
Konkurrenten, bei denen die kleinen Länder, vor allem
Skandinavien und Holland, eine Mittelstellung einnehmen
dürften.
Die
Globalisierungsstrategien US-amerikanischer Universitäten
Die große
Kompetenz führender US-amerikanischen Universitäten,
Institutionen hoher Bildungs-, Ausbildungs- und Forschungskompetenz
zu schaffen, wie auch deren exzeptionelle Leistungsfähigkeit
zu erhalten oder noch auszubauen, hat nicht nur zur großen
Aktivität bei hochmotivierten und begabten Jugendlichen
weltweit geführt; sie hat gleichzeitig in den letzten zwei
Jahrzehnten die strategische Option, auch physisch-räumlich
auf neue Kundengruppen zuzugehen, verstärkt. Der Ausbau von
Programmen und
Studiengängen bis hin zur Gründung von
Zweigniederlassungen in anderen Teilen der Welt ist die logische
Konsequenz einer solchen Strategie, die sich zunehmend als
systematisch verfolgtes Globalisierungskonzept einer Reihe von
hochreputierlichen Universitäten, aber auch einer nicht zu
vernachlässigenden Zahl von im qualitativen Sinne
„Billiganbietern“ geführt hat.
Die Entwicklung
zur Präsenz solcher Niederlassungen von als
leistungsfähig angesehenen und besonders kundenorientierten
Mitbewerbern in angestammten Marktterritorien wird Hochschulen auch
in Deutschland zunehmend unter Druck setzen, entweder
wettbewerbsfähiger zu werden, oder auch im Heimatmarkt in eine
„zweite Liga“ abzusteigen. Die nächsten Jahre
werden hier die entscheidenden sein. Sie werden auch bestimmen, ob
ein nicht unwichtiger Teil gerade der begabtesten Jugendlichen
Deutschlands nach curricularen Bestimmungen, basierend auf den
Grundsätzen US-amerikanischen Akkreditierungseinrichtungen,
studieren werden oder ob hier eine eigenständige
europäische Lösung als Wettbewerbsmodel gefunden
wird.
Ob die
finanzielle Unterstützung von Filialgründungen
US-amerikanischer Universitäten durch den deutschen
Steuerzahler – wie in Bremen im Fall der Rice University
geschehen – eine sinnvolle Strategie ist, die
Wettbewerbsfähigkeit des Bildungsstandorts Deutschland auf
Hochschulebene zu fördern, bleibt abzusehen. Es scheint a
priori als eher relativ fragwürdig.
Die
sinkende Attraktivität deutscher Hochschulen bei
ausländischen Studierenden, vor allem aus
wissenschaftsintensiven Volkswirtschaften
US-amerikanische
und zum Teil auch englische Universitäten nehmen damit den
Wettbewerbsrang ein, den die deutschen Hochschulen sehr lange, fast
bis zur Zeit des Nationalsozialismus, in vielen Disziplinen im
20sten Jahrhundert hatten, nämlich zum „Mekka“ der
Hochbegabten und Leistungsmotivierten Jugendlichen aller Welt zu
werden.
Diese
Verschiebung spiegelt sich in einer sinkenden Attraktivität
des Hochschulstandortes Bundesrepublik Deutschland wieder: Die Zahl
der ausländischen Studierenden, vor allem solcher aus
wissensintensiven Volkswirtschaften, ist in den letzten Jahren
zurückgegangen. Programme wie Sokrates und Erasmus konnten
hier nur geringe Kompensation bieten. Vor allem blieben sie auf
Europa beschränkt. Die Nachteile liegen auf der Hand: geringe
Vertrautheit zukünftiger ausländischer Eliten mit
Deutschland, seinen Institutionen und seiner Kultur. Weniger
„Botschafter“ deutscher Technologien und weniger
Rückkoppelung aus der Praxiserfahrung ehemaliger Studenten in
die deutsche Hochschul- und Forschungslandschaft. Damit ergibt sich
ein langfristig wirkendes weiteres Element einer Verringerung der
Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandortes Deutschland
und insbesondere seiner Hochschulen.
Der
Erfolg neuer Wettbewerber am Beispiel Australiens
Hochschulbildung als Exportgut ist einer der
am schnells ten wachsenden Industriezweige in Australien und
lag im Jahre 2001 an 14ter Stelle, als Dienstleistungsexport sogar
an dritter Stelle. Die hieraus resultierende Einnahmen betrugen
über A$ 4 Milliarden – eine Erhöhung von 19Prozent
im Vergleich zum Jahre 2000. Die Bildungs-Export-In dustrie
spielt damit eine wichtige Rolle in der rapide wachsenden
australischen Wirtschaft, die sich während der letzten zehn
Jahre immer mehr zu einer wissensbasierten Gesellschaft entwickelt
hat.
Dank des Columbo
Plans, bietet Australien schon seit den 50er und 60er Jahren
Stipendien für eine kleine Anzahl hervorragender Studenten aus
Asien und afrikanischen Ländern. Bis zum Jahre 1986, als
Studiengebühren in vollem Umfang für ausländische
Studenten eingeführt wurden, profitierten die australischen
Hochschulen und die australischer Wirtschaft in nur geringem
Maße von diesen Studenten. Seit 1986 ist jedoch eine
dramatische Änderung festzustellen. Im Herbst 2001 studierten
126807 Ausländer in Australien, mehr als 80 Prozent von ihnen
kamen aus Asien.
Die drastische
Änderung in der Einstellung zum Hochschulwesen – von der
des Empfängers von öffentlichen Geldern zu der eines
geschätzten Exportgutes – ist das Ergebnis der
Änderungen in den Hochschulfinanzierungsprogrammen in den
späten 80er Jahren. Diese zwangen die Hochschulen dazu,
zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des
öffentlichen Sektors zu suchen. Dies führte zu einem
erhöhten Interesse an ausländischen Studenten als externe
Einkommensquelle. Der enorme Zuwachs an ausländischen
Studenten seit Ende der 80er Jahre ist das Resultat einer
konzertierten Aktion, australische Universitäten für den
internationalen, in erster Linie südostasiatischen Markt
attraktiv zu machen.
Eine Vielzahl von
Nutzen zeigten sich durch diese neue Strategie. Von den A$ 4
Milliarden Einnahmen durch ausländische Studenten im Jahre
2001ist ungefähr die Hälfte auf reine
Studiengebühren zurückzuführen, die restlichen A$ 2
Milliarden wurden von den Studenten für Essen, Wohnen, Reisen,
Freizeit. Weitere A$ 1000 pro Student flossen durch Freunde oder
Familienmitglieder ins Land, die nach Australien zu Besuchszwecken
reisten.
Wettbewerbsvorteile durch
Qualität der Hochschulausbildung
Zusätzlich
zu dem wirtschaftlichen Gewinn profitiert das australische
Bildungs- und Ausbildungswesen sehr durch die ausländischen
Studenten. Die Öffnung der Hochschulen für internationale
Konkurrenz, „Best Practice“ und das Streben,
konkurrenzfähig zu bleiben, führten dazu, dass die
Qualität der Hochschulausbildung auf ein hohes Niveau
gestiegen ist. Die Förderung einer stärkeren
internationalen Dimension in Lehre, und Forschung kam auch den
australischen Studenten zugute – ein wichtiger langfristiger
Gewinn für die australische Wirtschaft. Die ausländischen
Studenten dienen als „Goodwill Ambassadors“ und werden
das australische Hochschulsystem ihren Kindern und Freunden
weiterempfehlen. Freundschaften und Beziehungen, die während
des Studienaufenthaltes in Australien zustande kamen, werden zu
hervorragenden Netzwerken ausgebaut, für zukünftige
Aktivitäten im Handel, Politik oder Technologie, eine wertvolle Komponente
im Transformationsprozess zu einer Wissensgesellschaft. Der Export
von Wissen ist sauber, „grün“, preisstabil, einer
der wenigen „Value-Added“ – Exportindustrien und
wächst kontinuierlich und schnell.
Hohe
staatliche Bildungsausgaben in Australien
Ein Großteil
des Wachstums in der Wissens-Export-Indus trie innerhalb der
letzten zehn Jahre ist auch auf ein hohes Maß staatlicher
Investitionen zurückzuführen. Australiens Ausgaben
für Bildung im Jahre 2001 lagen bei A$ 5,8 Milliarden. Dies
ist ein bedeutend höherer Anteil des Bruttoinlandsprodukt als
das der meisten Industrie ländern. Dadurch dass Bildung
als eine „Value-Added“- Industrie angesehen wird, und
nicht als ein „Kostgänger“ des Staates,
erhält das Hochschulwesen auch staatliche Investitionen im
selben Maße wie andere Exportindus trien wie Bergbau,
Landwirtschaft und Tourismus. Diese Investitionen werden
langfristige Vorteile für die gesamte Gesellschaft mit sich
bringen, nicht nur für die Bildungseinrichtungen.
Eine weitere
wichtige Form von staatlicher Investition in das Bildungssystem als
Wissensindustrie sind die großen Programme des
Auslandsmarketings für Hochschulen wie
– Repräsentation auf
Bildungsmessen
– Aktivitäten, die Australiens Zugang
zu internationalen Bildungs- und Ausbildungsmärkten
erhöht.
– Promotions, sponsoring und
Studienreisen
– Erhöhte Internetpräsenz und
Internetkioske in australischen Botschaften
– Austauschstudienprogramme
– Stipendien.
Das Hauptziel
sind die benachbarten asiatischen Länder (wegen ihrer
Nähe zu Australien) mit jährlich 680000Studenten, die ihr
Studium im Ausland absolvieren. Viele australische
Universitäten haben während der letzten vier Jahre
Filialen im Ausland eingerichtet, die eine australische,
englischsprachige Ausbildung mit niedrigeren Kosten für Reisen
und Unterbringung für mindestens einen Teil der
Ausbildungszeit zu ermöglichen. Von der Gesamtzahl Australiens
Studierenden im Jahre 2000 waren 35Prozent Off-campus
Studenten.
Australien hat
insgesamt schon seit mehr als zehn Jahren erkannt, dass Wissen,
lebenslanges Lernen, Innovation und Technologie die wichtigsten
Faktoren in unserer sich stark verändernden Gesellschaft sind
und diese Erkenntnis systematisch in die Positionierung seines
Hochschulsystems als führende Exportindustrie des
Dienstleistungssektors umgesetzt.
Die
Herausforderungen von morgen: Verknüpfung von E-Learning mit
Präsenzunterricht
Das Vordringen
von E-Learning, die systematische Verknüpfung von Internet
gestütztem Unterricht mit Präsenzveranstaltungen stellt
eine enorme Herausforderung an die Lehrfunktion der Hochschule dar.
Realistisch ist zwar davon auszugehen, dass die vielzitierte
„virtuelle Universität“ als alleiniges Lehrkonzept
nicht sinnvoll ist, dass aber Teile des heutigen
Präsenzunterrichts und Eigenstudiums der Studierenden sinnvoll
durch Internet gestützte Lehrformen ersetzt und verbessert
werden. Während die Vermittlung von „Tacit
Knowledge“ (Erfahrungswissen, Entwicklung von
Einfühlungsvermögen) noch lange in auf Praxis
ausgerichteten und gruppenbezogenen Formen des
Präsenzunterrichtes vonstatten gehen dürfte, ist zu
erwarten, dass große Teile des expliziten Wissens, das heute
noch die wesentlichen Anteile von Vorlesungen und Lehrbüchern
einnimmt, in Internet gestützte Lernformen übergehen
wird. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für die
Struktur unserer Hochschulen, die Art des Unterrichts, die
Qualifikationsanforderungen an die Lehrenden, die sich insgesamt
heute schon abzeichnen und als revolutionär bezeichnet werden
müssen.
E-Learning Konzepte an amerikanischen Universitäten
Diese
Veränderung bietet ungeheure Chancen auf den Gebiet der
Entwicklung von relevanten Lehrtechnologien und Lehrmaterialien.
Dieses Feld stellt einen neuen Markt für Universitäten
dar. Diejenigen Universitäten, die heute beginnen, diesen
Markt zu bedienen, werden nicht nur ein Wettbewerbsvorteil durch
erfahrenen Umgang mit ihnen haben, sondern auch starke Akteure im
globalen Markt der Lerninhalte der Zukunft sein. Diesen Markt zu
erschließen, ist schwierig und mit hohen Kosten verbunden. Die
Entscheidung von Stanford University, Princeton University und
Harvard University, gemeinsam E-Learning Konzepte zu entwickeln
illustriert dieses recht deutlich. Es wird daher in Deutschland,
wahrscheinlich sogar Europaweit, ähnliche Konsortien von
Universitäten, eingebunden in strategischen Allianzen mit
anderen Industrien wie Multimediafirmen oder Verlagen, erfordern.
Universitäten in Deutschland, und dies gilt überwiegend
auch für die anderen Länder der Europäischen Union,
werden die hierfür notwendigen Investitionen nicht aus eigener
Kraft tätigen können. Hier sind daher die Bundesregierung
und auch die Kommission der Europäischen Union gefordert,
gezielt die Entwicklung dieses Teils einer neudefinierten
Bildungsindustrie auf Hochschulebene zu unterstützen. Wenn
dies nicht bald geschieht, bleiben Chancen ungenutzt mit der
Konsequenz, dass die Wettbewerbsfähigkeit anderer Regionen auf
diesem globalen Markt der Bildungstechnologien und Bildungsinhalte
gestärkt wird.
Konsequenz der Status Quo-Diagnose: abnehmende Bedeutung der
deutschen Universitäten im globalen Wettbewerb und
Herausforderung durch die Notwendigkeit zunehmender Ausbildung
Zuerst werden im
Schulsystem die Wege zum Erwerb der Berechtigung zum
Hochschulstudium erweitert und optimiert werden müssen. Dazu
bedarf es entsprechende Maßnahmen sowohl im allgemeinbildenden
– Allgemeine Hochschulreife – als auch im
berufsbildenden Schulwesen Fachgebundene Hochschulreife. Die
Qualität des Schulsystems muss verbessert werden. Das deutsche
Schulsystem schneidet im internationalen Vergleich schlecht ab. Das
setzt eine entsprechende Forschung aber auch finanzielle Unterstützung voraus:
Beispielsweise muss das Angebot an Ganztagsschulen erweitert
werden. Nur auf diese Weise kann die Zahl der Studierwilligen dem
internationalen Standard angeglichen werden. Gleichzeitig muss die
Schulzeit bis zum Erwerb der Hochschulreife verkürzt werden.
Die im internationalen Vergleich zu langen Ausbildungszeiten
resultieren auch aus einer langen Schulzeit. Ebenso muss der
Prozentsatz eines Altersjahrgangs vergrößert werden, der
einen Hochschulabschluss erreicht. Bisher sickert ein großer
Anteil der Studienanfänger ohne Abschluss in das
Beschäftigungssystem ein, wie die Hochschulstatistiken
belegen. Studienabschlüsse, die nach kürzeren
Studienzeiten erreichbar sind, schaffen hier Abhilfe.
Neben den
Hochschulstudiengängen müssen in den Sektoren, in denen
die Nachfrage das Angebot an Studienplätzen übersteigt,
auch die Studienplätze an Fachhochschulen ausgebaut werden.
Auch in diesem Sektor nimmt Deutschland in der OECD-Statistik nur
einen Mittelplatz ein.
In den
technischen Disziplinen und in den Naturwissenschaften muss der
Schwerpunkt an den Hochschulen weniger auf die Schaffung neuer
Studienplätze gelegt werden. Es kommt vielmehr darauf an, die
vorhandenen Studienplätze auszulasten. Es ist jedenfalls eine
falsche Reaktion, wenn gegenwärtig in einzelnen
Bundesländern Studienplätze in diesem Bereich gestrichen
werden sollen, weil die Nachfrage zu gering ist. Angemessener ist
es, die Nachfrage durch geeignete Maßnahmen zu steigern. Es
gibt bisher zu geringe Überlegungen in die Richtung, wie man
durch geeignete Informationen die Wahl naturwissenschaftlicher und
technischer Studiengänge in geeigneter Weise beeinflussen
kann. Tage der offenen Tür reichen hier nicht aus.
Die Stärken,
Förderung der Graduierten und Postgraduierten, müssen
weiter ausgebaut werden. In diesem Bereich funktioniert die
Integration von Forschung und Lehre. Deshalb müssen die
bisherigen Formen der Förderung durch die DFG –
Sonderforschungsbereiche bis Graduiertenkollegs – beibehalten
und noch ausgebaut werden. In den Hochschulen müssen
ergänzend interdisziplinäre Zentren auf Zeit gebildet
werden. Dieses Maßnahmenbündel wird es erlauben, die
Wettbewerbsfähigkeit in diesem Sektor zu
vergrößern.
Die Investitionen
in das Humankapital müssen sowohl in den öffentlichen als
auch den privaten Haushalten erhöht werden. Es ist von
Interesse, dass es in Deutschland nur eine geringe Bereitschaft
gibt, unterdurchschnittliche Leistungen des öffentlichen
Bereichs aus dem privaten Bereich zu kompensieren, obwohl ein
gewisser Prozentsatz von Eltern die hohen Studiengebühren im
Ausland bereitwillig bezahlt. Es mangelt offensichtlich nicht an
der Bereitschaft für solche Unterstützungsleistungen.
Konsequenz aus der abnehmenden
Bedeutung der deutschen Universitäten
Stellt man die
anerkanntermaßen große Stärken den gleichzeitig
nicht zu vernachlässigen Schwächen gegenüber, so
lässt sich feststellen, dass die Hochschulen heute trotz hoher
Motivation und großem Engagements einzelner ihre Aufgaben an
vielen Stellen nicht mit der Qualität und Präzision
erfüllen können, die von ihnen erwartet werden
müssen, um den Wissenschaftsstandort Deutschland langfristig
wettbewerbsfähig zu halten. Eine weiterhin restriktive
Haushaltspolitik bei den traditionellen Hauptmittelgebern der
Hochschulen, den Bundesländern, eine bis jetzt ergebnislos
geführte Diskussion über die Einführung von
Studiengebühren sowie die Tatsache, dass viele der hier
aufgeführten Schwächen sich nicht allein auf mangelnde
finanzielle Ausstattung zurückführen lassen machen
deutlich, wie hoch der Reformbedarf angesichts der globalen
Wettbewerbslage im Bildungssys tem einerseits und den
Anforderungen durch den Wissensstandort Deutschland andererseits
ist. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass das
Größenwachstum vieler Universitäten in den letzten
25 Jahren – durch Neugründungen nur ungenügend
abgepuffert – zu einer vielbeklagten Schwerfälligkeit
bis Handlungsunfähigkeit der Entscheidungsgremien geführt
hat, die zunehmende Verrechtlichung vieler universitärer
Vorgänge weiter vo ranschreiten könnte und die
vorhandenen Wettbewerbsmöglichkeiten durch die
Bundesländer als politische Entscheidungsträger nur
unzulänglich ausgenutzt werden, kann daher bei
Unveränderlichkeit der Randbedingungen, Stärken und
Schwächen nur auf eine abnehmende Bedeutung der deutschen
Hochschulen im globalen Wettbewerb um Reputation, Forschungsmittel
und hochqualifizierte Studenten ausgegangen werden. Der deutlichen
Verschärfung des Wettbewerbsklimas auf dem Gebiet der
Hochschulausbildung durch amerikanische, australische aber auch
englische, skandinavische und holländische Hochschulen tritt
die deutsche Hochschullandschaft mit zu geringer Ausnutzung der
Stärken und zu hoher Belastung durch die Schwächen nicht
chancenlos aber chancengemindert gegenüber.
Das Leitbild für ein
wettbewerbsfähiges Hochschulsystem: Differenzierung, Leistung,
Eigenprofil und Kooperation
Eine Verbesserung dieser Situation erfordert
fundamentale Änderungen in der Struktur der Hochschulen selbst
und in den Beziehungen der Hochschulen zu dem sie politisch
tragenden Institutionen, die weit über die Modifikation der
Hochschulgesetze der letzten Jahre hinaus gehen und prinzipielle
Neuorientierungen ermöglichen. Ziel muss es sein, die
Hochschulen wieder in die Lage zu versetzen, im Rahmen eines
globalisierten Umfeldes, dem für die Gesellschaft der Zukunft
und ihre weitere Entwicklung notwendigen Aufgaben nachzukommen,
nämlich
– die zentrale
Einrichtung für Forschung und
– ein Ort
akademischer Lehre und Ausbildung zu sein,
– ein Forum für
die geistige Auseinandersetzung über Grundfragen der
gesellschaftlichen Entwicklung zu bilden, und
– Serviceleistungen
bereitzustellen
Die Gutachter sehen in einem Leitbild, das
durch die Metapher „differenziertes Effizienzszenario“
gekennzeichnet werden kann die größten Chancen, diese
internatio nale
Wettbewerbsfähigkeit wieder zu erreichen. Dieses Leitbild
umfasst insbesondere folgende Einzelziele:
– Die Entscheidungsautonomie und
-fähigkeit der Hoch schulen und damit auch die
Eigenverantwortung sind zu erhöhen. Den Hochschulen ist so die
Möglichkeit zu geben, auf die wechselnden Anforderungen ihrer
sozialen, politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und
ökologischen Umwelt flexibler als unter dem jetzigen
Regelungssystem zu reagieren.
– Die Orientierung auf Leistung in
Forschung und Lehre ist stärker zu institutionalisieren;
individuelle Motivation allein reicht als Antriebskraft für
akademische Wissenschaft und Lehre unter den heutigen Bedingungen
komplexer Verflechtung der Hochschulen mit der Gesellschaft bei
gleichzeitiger indifferenter Organisationsstruktur offenkundig
nicht aus.
– Die Steuerung durch staatliche Gremien
ist – jenseits der budgetären Prioritätensetzung
für den Bereich Wissenschaft und Forschung allgemein –
auf die Schaffung genereller Anreiz- und Feedbacksysteme und die
Evaluation der Aufgabenerfüllung durch die Hochschulen nach
leistungsbezogenen Kriterien zu beschränken und konzentrieren
und das Engagement in Detailentscheidungen zurückzunehmen.
Dieses Leitbild
ist nur dann zu erreichen, wenn die Hochschulen Deutschlands in
Zukunft einen hohen Grad an Autonomie, Wettbewerbs- und
Leistungsorientierung, Flexibilität in der
Aufgabenerfüllung sowie Spezialisierung und Kooperation in der
Aufgabendefinition erreichen können. Ebenso ist eine
entsprechende Internationalität oder Europäisierung
erforderlich.
Einzelempfehlungen
1. Deutschland kann nicht länger
auf Rang 21 von 25 OECD Ländern im Hinblick auf den
Prozentsatz eines Jahrgangs, der einen Hochschulabschluss erreicht,
liegen oder zu den führenden Nationen im Hinblick auf die
Quote von Studienabbrechern gehören. Wenn sich dies nicht
schnell und deutlich ändert, wird die Wettbewerbsposition der
Bundesrepublik, vor allem in den zunehmend wissensintensiven
Industrien, deutlich beeinträchtigt. Gefordert ist „mehr
und bessere Bildung für die Vielen“ die Erreichung
dieses Zieles erfordert, bereits Maßnahmen auf höheren
Stufen des Bildungssystems zu treffen. Es sind entsprechende
Voraussetzungen zu schaffen, damit die Zahl der Jugendlichen
zunimmt, die eine Hochschulreife erreichen. Dazu bieten sich in
Deutschland zwei Wege an, die sich auch in der Vergangenheit schon
bewährt haben.
– Ausbau des
Allgemeinbildenden Schulwesens, um mehr Jugendlichen die
Möglichkeit zu geben, die Allgemeine Hochschulreife zu
erwerben.
– Ausbau der Wege zur
fachgebundenen Hochschulreife, um die Praxis- und Berufsnähe
im Studium zu verbessern.
Neben dem Ausbau
dieser traditionellen Hauptwege zur Erlangung der Hochschulreife
gilt es aber auch, in Anlehnung an die Empfehlung des
Sachverständigenrates Bildung bei der
Hans-Böckler-Stiftung, die anderen Zugangswege zur
Hochschulbildung zu verstärken und hierfür auch zu
werben. Um die zu langen Ausbildungszeiten in Deutschland im
internationalen Vergleich zu reduzieren gilt es außerdem, die
Schulzeit bis zum Erwerb der Hochschulreife zu verkürzen.
2. Innerhalb des Hochschulsystems
muss die Zahl der Studienplätze insgesamt gesteigert werden.
Dabei wird es vor allem darauf ankommen, Studienangebote zu
entwickeln, die als berufsbezogene Abschlüsse modular angelegt
auf die „Vielen“ zugeschnitten sind. Gleichzeitig wird
eine Erweiterung des Angebots im Bereich der Fachhochschulen
erforderlich sein.
3. Die Investitionen in das
Bildungssystem allgemein und in den tertiären Bereich speziell
müssen erhöht werden, wenn Deutschland im internationalen
Wettbewerb bestehen will, weil es einen starken Zusammenhang
zwischen diesen Investitionen in das Humankapital und der
Wettbewerbsfähigkeit einer Region gibt.
4. Die Notwendigkeit stärker in
das Humankapital zu investieren gilt für die öffentlichen
und auch die privaten Haushalte. In Deutschland werden die privaten
Haushalte im internationalen Vergleich wenig durch das Studieren
der Kinder belastet. Bildungsinvestitionen haben offensichtlich in
Deutschland bei den Ausgaben privater Haushalte noch einen zu
geringen Stellenwert. Es wird erwartet, dass der Staat hier in fast
allen Sektoren – Ausnahmen sind der vorschulische und der
Weiterbildungsbereich – die entsprechenden finanziellen
Verpflichtungen übernimmt. Hier ist eine Umverteilung der
Lasten im Lebenszyklus erforderlich: Im vorschulischen Bereich
sollten keine Kosten anfallen, demgegenüber erscheint in
vielen Fällen eine finanzielle Belastung im tertiären
Bereich als gerechtfertigt. Dies fällt umso leichter je mehr
auch aus verteilungspolitischen Gründen auf Bildungskonten
Vouchersysteme und ähnliche Formen der Bildungsfinanzierung
wie vom Sachverständigenrat Bildung der
Hans-Böckler-Stiftung schon vorgeschlagen, zu
rückgegriffen wird.
5. Speziell bei den
Naturwissenschaften, insbesondere Physik und Chemie, sowie in der
Mathematik muss die Nachfrage nach Studienplätzen an das
Angebot angepasst werden. Es gibt in diesen Fächern nicht zu
wenige Studienplätze, sondern eine zu geringe Nachfrage. Das
setzt Maßnahmen voraus, die im Schulsystem ergriffen werden.
Die Motivation, diese Fächer zu studieren, muss verbessert
werden. Mit dem Schwerpunktprogramm BIQUA (Bildungsqualität
von Schule) der DFG werden erste, entsprechende Vorarbeiten
geleistet.
6. Neue Studienplätze
müssen bis zur Erreichung der Auslastung in den
Naturwissenschaften und den technischen Disziplinen speziell in den
Geistes- und Sozialwissenschaften eingerichtet werden. Das
minimiert auch die entsprechenden Kosten.
7. Die Einheit von Lehre und
Forschung kann nicht in allen Bereichen des Studiums beibehalten
werden. Im Erststudium werden große Teile der Lehre ohne eine
enge Verknüpfung mit der Forschung geleistet werden
müssen. Deshalb werden Professuren notwendig sein, die ihren
Schwerpunkt in der Lehre finden.
8. Die Qualitätsforderungen in
der Lehre müssen generell gesteigert werden. Erforderlich ist
hier eine entsprechend bessere Ausbildung für die Lehre durch
hochschuldidaktische Kurse sowie der sys temweite Ausbau von
Qualitätsbeurteilung durch Studierende und Peers.
9. Die Orientierung auf Leistung in
Forschung und Lehre ist stärker zu institutionalisieren;
individuelle Motivation allein reicht als Antriebskraft für
akademische Forschung und Lehre unter den heutigen Bedingungen
komplexer Verflechtung der Hochschulen mit der Gesellschaft bei
gleichzeitiger indifferenter Organisationsstruktur nicht aus.
10. Hochschulen benötigen ein
professionelles Management in der Leitung und eine entsprechende
Zuordnung von Verantwortung. Universitäre Gremien haben in
einem solchen System die Funktion der Aufsicht wahrzunehmen.
11. Es müssen über die entsprechenden
Organisationsstrukturen hinaus Anreizsysteme für die
Individuen geschaffen werden. Mit der Besoldungsreform für die
Hochschullehrer sind hier erste Schritte getan. Es ist in den
nächsten Jahren zu evaluieren, inwieweit der jetzt gegebene
Rahmen hierfür ausreicht.
12. Für Teile des Lehrangebots kann nicht
davon ausgegangen werden, dass sie längerfristiger angeboten
werden. Curricula müssen gerade an den Grenzen der Disziplinen
flexibel sein und die Lernfähigkeit des Hochschulsektors
reflektieren. Damit müssen hochqualifizierte Lehrende auf Zeit
gewonnen werden. Hierfür bedarf es entsprechender
Entgeltregelungen. Die starre Bindung an das Beamtenrecht bzw. den
BAT muss für das wissenschaftliche Personal aufgegeben werden.
Für mittelfristige Engagements attraktiver Lehrender
müssen entsprechende Handlungsspielräume eröffnet
werden. Die Qualitätsanforderungen in der Lehre müssen
generell gesteigert werden. Erforderlich ist hier eine entsprechend
bessere Ausbildung für die Lehre durch hochschuldidaktische
Kurse.
13. Höhere Anteile einer Alterskohorte, die
studieren, erfordern, dass die Zeiten für das Erststudium
verkürzt werden. Wenn gleichzeitig die Internationalisierung
der Studien gefördert werden soll, setzt das vor allem im
Erststudium eine konsequente Modularisierung voraus.
14. Universitäten müssen das Recht
haben, ihre Studierenden mit hochschulspezifischen Auswahlverfahren
(Probestudienzeit, Aufnahmeprüfungen) selbst
auszuwählen.
15. Die universitäre
Weiterbildung muss ausgebaut werden. In Deutschland wird im
internationalen Vergleich nicht, in Jahren bilanziert, zu lange
studiert; falsch ist die extreme Konzentration der Zeiten für
das Studium auf die Erstausbildung, also vor dem Übertritt in
das Beschäftigungssystem.
16. Die Stärken der deutschen Hochschulen
bei der Graduiertenförderung und der Förderung der
Postgraduierten müssen ausgebaut werden. In diesen Bereichen
müssen verstärkt Arbeits- bzw. Forschergruppen
eingerichtet werden. In den Hochschulen muss generell die Form der
Kooperation durch die Schaffung geeigneter Zentren auf Zeit
verbessert werden.
17. Hochschulen muss die Wahlfreiheit gelassen
werden, ob sie sich insgesamt oder in einzelnen Fachbereichen bzw.
Fakultäten mehr auf die Bildung der Vielen oder auf Angebote
für Eliten konzentrieren wollen. Sie müssen
eigenständige Leitbilder entwickeln und so verstärkt an
ihrer Profilbildung arbeiten. Dies setzt weitgehende Autonomie
voraus. Um diese Autonomie langfristig zu sichern müssen
Hochschulen Systeme zur Überprüfung einrichten, ob und
inwieweit sie die Ziele ihres Leitbildes erreichen.
18. Die Internationalisierung der
Studiengänge und Studienabschlüsse muss vorangetrieben
werden. Dies hat Konsequenzen sowohl für die inhaltliche
Orientierung der Studiengänge als auch für den Anteil der
Lehrveranstaltungen, die in der lingua franca der heutigen
Welt, Englisch, auf einem didaktisch international
wettbewerbsfähigen Niveau angeboten wer den. Hier liegt
eine besondere Herausforderung an den Wissenschaftsstandort
Deutschland im globalen Wettbewerb.
19. Die bestehenden Instrumente der
Europäisierung der Hochschulausbildung sind umfassen
auszubauen und beschleunigt voranzutreiben. Dies gilt, neben
gemeinsamen Studiengängen einiger europäischer
Universitäten und internationalen Abschlüssen, vor allem
für die Mobilitätsprogramme wie Sokrates-Erasmus, die
quantitativ und von der Ausstattung her deutlich erweitert werden
müssen. Dies gilt auch für eine umfassendere Anerkennung
von Studienleistungen durch Ausbau des Creditpoint- Systems. Die
guten Erfahrungen vieler Fachhochschulen in der
Europäisierung, vornehmlich wirtschaftswissenschaftlicher
Studiengänge sollten in andere Fachgebiete übernommen
werden. Entsprechende Modelvorhaben sind zu unterstützen. Die
Europäisierung erfordert darüber hinaus zusätzliche
innovative Ansätze, wie sie beispielsweise unter
Füh rung der Luxemburger Regierung in der Schaffung
eines Verbundsystems europäischer Reform uni
ver si täten unter dem Markennahme
„Campus Europae“ entwickelt werden. Hier sollen
Studierende an mindestens zwei Verbunduniversitäten in
unterschiedlichen europäischen Ländern studiert haben,
bevor sie ihren jeweiligen Abschluss erreichen (zu den Einzelheiten
siehe Schily, K. et al. Denkschrift der Initiative
„Europäische Stiftungsuniversitäten“ zweite
Auflage Witten 2000). Alle diese Maßnahmen dienen dazu, die
kulturelle Vielfalt Europas bewusst als Wettbewerbsvorteil zu nutzen und die Studierenden
Europas im weitmöglichsten Umfang auf das Arbeiten in globalen
Märkten und multikulturellen Umwelten vorzubereiten. Die
Kommission der Europäischen Union und die Bundesregierung sind
aufgerufen im Interesse des Wirtschaftsstandortes Europa und
Deutschland hier schnell und umfassend aktiv zu werden.
20. Begleitend zu diesen Maßnahmen muss das
Potenzial des Wissenschaftsstandortes Deutschland international
deutlicher gemacht werden. Hier ist auch die auswärtige
Kulturpolitik gefordert, entsprechende Marketing-Maßnahmen
nach dem Vorbild anderer Bildungsexportnationen auszubauen. Die
Stärkung des Standorts Deutschland durch Ausbau der relevanten
Programme des DAAD und der Alexander von Humboldt Stiftung sind
ebenfalls richtige und wichtige Maßnahmen. Sie müssen
ergänzt werden durch dezentrales Marketing der Hochschulen im
Ausland für ihre Dienstleistungen. Zum Start sind befristet
Projektmittel hierzu bereitzustellen.
21. Die Entscheidungsautonomie und
-fähigkeit der Hochschulen und damit auch die
Eigenverantwortung sind zu erhöhen. Den Hochschulen ist so die
Möglichkeit zu geben, auf die wechselnden Anforderungen ihrer
sozialen, politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und
ökologischen Umwelt flexibler als unter dem jetzigen
Regelsystem zu reagieren. Dabei können die Vorteile des
föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland genutzt
werden. Die Länder als Eigentümer der staatlichen
Hochschulen müssen diesen einen Wettbewerb von Talenten bei
den Forschern, Lehrenden und Studierenden ermöglichen, um so
die Gesamtleistungsfähigkeit des Hochschulsystems zu
steigern.
22. Die Steuerung durch staatliche Gremien ist
– jenseits der budgetären Prioritätensetzung
für den Bereich Wissenschaft und Forschung allgemein –
auf die Schaffung genereller Anreiz- und Feedbacksys teme und
die Evaluation der Aufgabenerfüllung durch die Hochschulen
nach leistungsbezogenen Kriterien zu beschränken und zu
konzentrieren und das Engagement in Detailentscheidungen
zurückzunehmen. Die Wissenschaftsverwaltungen müssen sich
so einerseits auf die Setzung von Rahmenbedingungen, die
grundlegenden Budgetentscheidungen, Entscheidungen über die
Förderung von Forschungsschwerpunkten sowie das Ausmaß
von Finanzierung von Lehre konzentrieren und sollen andererseits
langfristig die Forschungs- und Ausbildungsleistungen der
Hochschulen in Bezug auf Zielerreichung kontrollieren.
23. Die staatliche Förderung muss
zukünftig flexibler gehandhabt werden, indem einerseits
Projektförderung auf einen längerfristigen Zeitraum
eingerichtet wird, gleichzeitig aber zeitlich befristete Projekte
daraus gefördert werden.
24. Die Hochschulen
müssen Verbünde schaffen, die das große
intellektuelle und wirtschaftliche Potenzial des E-Learning
erschließen. Hierzu müssen auch Allianzen mit den
relevanten Softwareanbietern und Multimediaunternehmen geschaffen
werden. Die Kommission der Europäischen Union und die
Bundesregierung sind aufgerufen durch hohe Förderanstrengungen
den deutschen Hochschulen im Verbund mit Universitäten anderer
europäischer Länder den Einstieg in diesen großen
und schnell expandierenden Markt zu ermöglichen. Dies dient
nicht nur dem wirtschaftlichen Ziel der Wettbewerbsfähigkeit
auf diesem Gebiet, sondern hat auch hohe kultur- und
europapolitische Bedeutung.
Zum Kapitel
5.3.1 „Wissensverwertung durch Patentierung von
Wissen“
Vorbemerkung:
Die Mehrheit in
der Enquete-Kommission bezieht im Bericht und in den
Handlungsempfehlungen eine Position zu Patenten, die die
CDU/CSU-Arbeitsgruppe nicht mittragen kann. In diesem Punkt
unterstützt die CDU/CSU-Gruppe die Position der
Bundesregierung, die ihre Position vor der Enquete-Kommission
dargestellt hat. Auf diesem Text basieren die folgenden
Ausführungen (Vgl. hierzu Kommissionsdrucksache 14/12a,
Stellungnahme vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie zur öffentlichen Anhörung der
Enquete-Kommission „Von der Industrie zur
Wissensgesellschaft: Wirtschaft, Arbeitswelt und Recht,
Privatisierung und Patentierung von Wissen“ vom
08.10.2001)
Die
Patente im Rahmen der Globalisierung
Mit der zu
beobachtenden zunehmenden Internationalisierung von
unternehmerischen Aktivitäten, der Globalisierung von
Produktion und Märkten sowie der weltumspannenden
Kommunikation über Datennetze hat der Bedarf nach Schutz des
„vierten“ Produktionsfaktors Wissen stark zugenommen.
Dieser gestiegene Bedarf lässt sich an der z. T. dramatischen
Entwicklung bei den Anmeldungen von gewerblichen Schutzrechten wie
Patente und Marken bei nationalen, regionalen und internationalen
Patentämtern ablesen. Weltweit schnellte beispielsweise die
Anzahl der gesamten Patentanmeldungen zwischen 1991 und 1998 von
1,6 Mio. auf 5,8 Mio. hoch. Die wachsende Internationalisierung der
unternehmerischen Aktivitäten der Anmelder ist daran
abzulesen, dass in den Jahren 1997/98 eine nationale Anmeldung zu
durchschnittlich 8,1 Folgeanmeldungen in anderen Ländern
führte. Drei Jahre zuvor lag die Rate noch bei 3,3.
Bei Betrachtung
der reinen Anmeldezahlen ist jedoch zu berücksichtigen, dass
längst nicht alle angemeldeten Patente auch erteilt werden
(beim Europäischen Patentamt beläuft sich die
Erteilungsrate auf etwa ein Drittel). Zudem wird
erfahrungsgemäß nur ein Teil der erteilten Patente
wirtschaftlich verwertet, d. h. in Innovationen am Markt umgesetzt.
Insofern bedarf es für eine Bewertung der Auswirkungen von
Patenten sowohl auf die Innovationsdynamik einer Volkswirtschaft
wie auf das wirtschaftliche Wachstum insgesamt fundierter
empirischer Erhebungen, von denen es bislang zu wenige gibt.
Die Neigung kleinerer Unternehmen, zu patentieren,
ist geringer. Diese Unternehmen haben zum einen besondere Probleme,
die vom Patentsystem gebotenen Chancen zu ergreifen und die
gewährten Schutzrechte im globalen Wettbewerb durchzusetzen
und können sich oft die hohen Gebühren eines
internationalen Patentanmeldeverfahrens nicht leisten. Daher
müssen in Zukunft internationale Patentanmeldungen auch
für solche Unternehmen bezahlbar gestaltet werden.
Warum
gibt es Patente und andere Schutzrechte?
Der Patentschutz
gibt dem Erfinder das Recht der exklusiven Nutzung einer Erfindung
für eine bestimmte Zeit. Dabei dient der Patentschutz nicht
der Monopolisierung der Märkte und Schaffung von
Marktzugangsbarrieren. Patentschutz bedeutet nicht
Eigentumserlangung. Die Idee ist, dass das Schutzrecht dem Erfinder
oder Unternehmen die Möglichkeit verschafft, höhere
Profite als auf dem Wettbewerbsmarkt zu erzielen und sich auf diese
Weise die Erträge aus der Erfindung zu sichern. Patente sind
ein Anreiz für Investitionen in weitere Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten, die zur Generierung neuer
Innovationen führen.
Wofür werden Patente erteilt und wofür nicht?
Die
Mehrheitsfraktionen sprechen in ihrem Bericht mehrfach von der
„Patentierung von Wissen“ und zeigen damit, dass sie
sich mit den juristisch bestehenden Grundlagen nicht wirklich
auseinandergesetzt haben.
Nur technische
Erfindungen können patentiert werden. Wissen als solches ist
nicht patentierbar, sondern darf jederzeit frei benutzt werden Nach
Art. 52 EPÜ sind wissenschaftliche Theorien, mathematische
Modelle, Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche
Tätigkeiten bzw. die bloße Wiedergabe von Informationen
vom Patentschutz ausgeschlossen.
Erfindungen
stellen „geistiges Eigentum“ dar, das – wie alle
Eigentumsarten – durch das Grundgesetz geschützt ist.
Der Inhaber geistigen Eigentums hat wie beim Privateigentum
zunächst das Recht, frei darüber verfügen zu
können. Jedoch verpflichtet Eigentum den Inhaber zu
unschädlichem Verhalten gegenüber der Allgemeinheit.
Eigentum hat damit Grenzen. Patente sind nur ein „Eigentum
auf Zeit“. Dies bedeutet, dass die Allgemeinheit nicht von
ihrem positiven Nutzen ausgeschlossen werden darf. Patente bleiben
also der Öffentlichkeit zugänglich und können in
Fällen der Notwendigkeit dem Inhaber durch das Instrument der
Zwangslizenzierung entzogen werden.
Der
Patentanmelder muss das technische Wissen, das Gegenstand seines
Patentgesuchs ist, der Allgemeinheit bekannt geben. Der
„Tauschvertrag“ befördert vom Grundsatz her eine
aus gesamtwirtschaftlicher und wohlfahrtsökonomischer Sicht
gewünschte relativ zügige und breite Diffusion neuen
technischen Wissens, auf das für neue Innovationen aufgebaut
werden kann. Ineffiziente Ressourcenallokation bei Forschung und
Entwicklung soll damit vermieden werden. Damit dienen Patente dem
Technologietransfer, da durch die Offenlegung neue Technologien
öffentlich zugänglich werden.
Jedoch ist mit der Einführung eines
irgendwie gestalteten Schutzrechtssystems eine optimale Generierung
und Diffusion neuen technischen Wissens nicht automatisch
gewährleistet. Denn ein zu starker Patentschutz verhindert
eine breite Diffusion von Innovationen, ein zu schwacher
Patentschutz führt in der Tendenz dazu, dass – bei zwar
breiter Diffusion des Wissens – zu wenig neues Wissen
produziert wird. Wie die aktuellen Diskussionen zum Patentschutz
für bio- und gentechnische Erfindungen wie auch für
Software auf nationaler, europäischer und internationaler
Ebene zeigen, stellt sich für die Wirtschafts- und
Rechtspolitik deshalb immer wieder die Frage nach einem
gesamtwirtschaftlich „optimalen“ Patentregime, das ein
Gleichgewicht zwischen Anreiz für und der Diffusion von
Innovationen schafft. In einer globalisierten Welt werden
befriedigende Antworten letztlich nur im internationalen Konzert
gefunden werden können.
TRIPS-Abkommen
Durch die im
TRIPS-Übereinkommen niedergelegten Mindeststandards für
sämtliche geistige Eigentumsarten und spezifischen Regeln zu
deren Durchsetzung wird im multilateralen Rahmen ein substanzieller
Beitrag zur Eindämmung der Produkt- und Markenpiraterie
geleistet – nach Schätzungen ist hiervon ein Warenwert
von 120 bis 200 Milliarden US-Dollar betroffen. Das
Übereinkommen wird seitens der Bundesregierung und der
CDU/CSU-Arbeitsgruppe deshalb nach wie vor als wichtiges Regelwerk
zur Beseitigung von Marktzugangshemmnissen eingestuft.
Das
Übereinkommen ist für die Industrieländer bereits
seit 1996, für Entwicklungs- und Transformationsländer
aber erst seit 2000 in vollem Umfang verpflichtend. Darüber
hinaus können die LDC eine zusätzliche
Übergangsperiode von weiteren fünf Jahren (ggf. sogar bis
2016) in Anspruch nehmen. Die von der WTO durchgeführte
Implementierungs-Überprüfung zeigt, dass bei den
Entwicklungsländern die Bereitschaft zur Umsetzung der Regeln
besteht und dass auch bisher dem Schutzsystem geistigen Eigentums
sehr kritisch eingestellte Staaten dieses nicht mehr
grundsätzlich ablehnen. Besonders Schwellenländer
erkennen die positiven Anreizwirkungen dieses Systems für
Forschung und Innovation sowie als ein Mittel, um ausländische
Investitionen anzuziehen. Denn ein gesicherter rechtlicher Rahmen
wie ausreichende Möglichkeiten des Patentschutzes ist für
Investitionsvorhaben unerlässlich.
In vielen
Fällen bestehen jedoch noch technische Schwierigkeiten bei der
Umsetzung der Regeln. Die EU, aber auch andere Industriestaaten,
haben deshalb verstärkt technische Hilfe bei der Umsetzung
angeboten.
Patentierung von biotechnologischen
Erfindungen
Die
Biotechnologie hat ein breites Spektrum von Anwendungen in den
verschiedensten Bereichen wie Medizin, Umweltschutz, Landwirtschaft
und Nahrungsmittelproduktion. Sie beinhaltet ein großes
Potenzial für Fortschritte in den genannten Bereichen und kann
damit auch einen wichtigen Beitrag zu Wachstum und
Beschäftigung leisten. Vor allem in den Entwicklungsländern
dürfte sie künftig eine große Rolle im Hinblick auf
die Sicherung der Ernährungssituation spielen. Die
Möglichkeit zur Erlangung wirksamer Schutzrechte für
biotechnologische Erfindungen ist ein wichtiger Anreiz für
Investitionen in Forschung und Entwicklung und damit Motor für
Fortschritte in Bezug auf diese Zukunftstechnologie.
In der EU wurde
nach über zehnjähriger intensiver Diskussion mit der
Verabschiedung der Biopatentrichtlinie die Grundlage für eine
einheitliche Vorgehensweise beim Schutz geistigen Eigentums im
Bereich biotechnologischer Erfindungen in ganz Europa gelegt. Die
Bundesregierung hat dem Parlament einen Gesetzentwurf zur Umsetzung
der Richtlinie vorgelegt. Damit wird das nationale Patentrecht in
diesem Bereich verbessert und präzisiert.
Bei der
Ausarbeitung des Gesetzentwurfs spielten insbesondere die aus
ethischer Sicht notwendigen Grenzen der Patentierbarkeit von Genen
eine wichtige Rolle. Der Gesetzentwurf stellt klar, dass Gene als
solche ebenso wenig patentierbar sind wie z. B. der menschliche
Körper oder einzelne Körperteile. Ein isolierter oder ein
auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener
Bestandteil des menschlichen Körpers oder sonstiges auf diesem
Wege bereitgestelltes biologisches Material einschließlich der
(Teil-)Sequenz eines Gens können jedoch eine patentierbare
Erfindung darstellen, wenn ihre Funktion genau beschrieben ist und
alle weiteren Voraussetzungen für eine Patenterteilung
erfüllt sind, wie insbesondere die Neuheit und die konkrete
Beschreibung der gewerblichen Anwendbarkeit. Eine bloße
Entdeckung oder das Auffinden von Stoffen (Genen oder
Genabschnitten) reicht also nicht.
Die
Biopatentrichtlinie schließt Pflanzensorten und Tierrassen
ausdrücklich von der Patentierbarkeit aus. Patentschutz und
Sortenschutz sind zwei unterschiedliche gewerbliche Schutzrechte.
Mit dem Sortenschutz wird ein Gesamtgenom in seiner
Individualität geschützt, wohingegen das Patent –
auch in Bezug auf Pflanzen – eine Erfindung in Form von
generischen Ansprüchen schützt. Jedes Schutzrecht hat
also für seinen Bereich angemessene Voraussetzungen und
Schutzwirkungen, stehen jedoch nebeneinander. Mit der
Biopatentrichtlinie werden also keine Eigentumsrechte an der
belebten Natur gewährt.
Der vorliegende
Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde nach sorgfältiger
Abwägung aller relevanten Aspekte, insbesondere der ethischen
Fragen vom Kabinett verabschiedet. Er setzt klare Grenzen der
Patentierbarkeit. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist die
Umsetzung der Richtlinie eine wichtige Voraussetzung für die
Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Forschungsstandortes
Deutschland.
Die
EU-Biopatentrichtlinie verletzt nicht das TRIPS-Abkommen, da der
Patentierungsumfang der Richtlinie nicht über den des TRIPS-
Abkommens hinausgeht. Ausgenommen sind in beiden Fällen die
Patentierung auf Pflanzen und Tiere, wohingegen in beiden Abkommen
die Patentierung von Genen/Gensequenzen erlaubt ist. Insbesondere
das Diskriminierungsverbot des Art. 27 (1) TRIPS, wonach Patente
für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erhältlich
und Patentrechte ausübbar sein müssen, verbietet die
Einschränkung des Stoffschutzes auf bestimmten Gebieten, z. B.
bei humanen Genen. Daher muss die Richtlinie die Patentierung von
Genen ermöglichen, um nicht eine Diskriminierung der
Gentechnik im Vergleich zu anderen technischen Bereichen und damit
eine Verletzung des TRIPS-Abkommens herbeizuführen.
Kritische Stimmen
sehen eine Unvereinbarkeit des TRIPS- Abkommens mit dem Abkommen
über die biologische Vielfalt (CBD). Die CBD sieht jedoch
gerade ausdrücklich die verstärkte Nutzung der
biologischen Vielfalt für die Entwicklung der Menschen vor.
Die CBD legt die Grundlagen, wie die aus der Nutzung entstehenden
Gewinne ausgewogen und gerecht geteilt werden. Insbesondere
anerkennt die CBD ausdrücklich den gewerblichen Rechtsschutz
als Voraussetzung für Investitionen in die Nutzung der
biologischen Vielfalt sowie die Entstehung von Gewinnen für
den Vorteilsausgleich. Die CBD bedingt also geradezu eine
internationale Patentschutzregelung wie TRIPS. Forscher und
Industrie haben ein großes Interesse an Erhalt und Erforschung
der biologischen Vielfalt, da gerade sie eine wertvolle Ressource
für Innovationen und Produkte bietet.
Zugang zu
preiswerten Arzneimitteln im Zusammenhang mit lebensbedrohlichen
Krankheiten
Verschiedene
durch Pandemien stark betroffene Entwicklungsländer haben das
TRIPS- Abkommen und dessen Patentregime kritisiert, da sie dadurch
eine Beeinträchtigung der medizinischen Versorgung der
betroffenen Bevölkerung befürchten. Diskutiert werden in
diesem Zusammenhang insbesondere Reichweite und Ausnahmen des
Patentschutzes, die Voraussetzungen für Zwangslizenzen, sowie
die Zulässigkeit von Parallelimporten, also ob und inwieweit
einem Lizenznehmer das Recht zum Wiederverkauf in Drittstaaten
zusteht.
Deutschland und
die EU haben wiederholt erklärt, dass sie die Frage des
Zugangs zu preiswerten Medikamenten in vielen
Entwicklungsländern für ein ernstes Problem halten. Im
Rahmen der EU-„Strategie zur Armutsreduzierung“ wurde
mittlerweile ein Aktionsprogramm für eine beschleunigte Hilfe
bei AIDS, Malaria und Tuberkulose in den nächsten fünf
Jahren entwickelt und vorgestellt. Im Zuge der sich in
verschiedenen Foren geführten Diskussion hat sich die Einsicht
durchgesetzt, dass das TRIPS- Übereinkommen nicht die Ursache
der im Zusammenhang mit den Pandemien aufgetretenen Probleme ist,
sondern zu dessen Lösung beitragen kann.
Im Kern der
Lösungsbemühungen stehen allerdings die inzwischen im
internationalen Rahmen vereinbarte Einrichtung eines Finanzfonds in
Milliardenhöhe einerseits sowie andererseits freiwillige
Anstrengungen der Pharmaunternehmen, neue, wirksame und noch unter
Patentschutz stehende Medikamente kostenlos bzw. zu deutlich
reduzierten Preisen („Tiered Pricing“) in die
betroffenen Entwicklungsländer abzugeben. Zurzeit prüft
die EU-Kommission, wie durch Handelsregelungen verhindert werden
kann, dass derart verbilligt abgegebene Medikamente auf sonstigen
Drittmärkten angeboten werden und damit dem Hilfszweck zuwider
laufen. Hinsichtlich der in den TRIPS- Regelungen enthaltenen Möglichkeit
zur Verhängung von Zwangslizenzen (Art. 31 TRIPS) hat die EU
beschlossen, bei entsprechenden Rechtsfragen den Inte ressen
der Entwicklungsländer im Wege einer möglichst flexiblen
Interpretation des TRIPS-Abkommens weitestgehend Rechnung zu
tragen. Zzt. wird im Rahmen der post- Doha- Verhandlungen innerhalb
der WTO die Möglichkeit kontrovers diskutiert, sog.
grenzüberschreitende Zwangslizenzen zu ermöglichen.
Dieses würde bedeuten, dass Entwicklungsländer, die zur
ausreichenden Versorgung ihrer Bevölkerung eine Zwangslizenz
vergeben müssten, aber über keine ausreichenden
nationalen Produktionskapazitäten verfügen, die Lizenz an
einen Hersteller in einem Drittland vergeben könnten, um die
Versorgung sicherzustellen.
Im Gegensatz zu
den USA vertreten Deutschland und die EU die Ansicht, dass das
TRIPS-Abkommen in Bezug auf Parallelimporte neutral formuliert ist,
da es dem nationalen Gesetzgeber freistellt, sich für eine
nationale (für die EU regionale) oder weltweite
Erschöpfung für Patente bzw. Marken zu entscheiden. Die
Frage der Preisgestaltung ist in TRIPS nicht geregelt; dieses wird
ausschließlich der Disposition der Marktteilnehmer
überlassen. Art 8 TRIPS eröffnet jedoch den
Mitgliedsstaaten die Möglichkeit zu Eingriffen in die
Preisgestaltung für Pharmaprodukte, wenn dies mit dem Ziel des
Schutzes der öffentlichen Gesundheit begründet wird.
Zu
einzelnen Handlungsempfehlungen
Zur
Empfehlung 5-21 Revision des TRIPS-Abkommens und der
EU-Richtlinie
Die
CDU/CSU-Gruppe unterstützt die Ansicht der Bundesregierung,
wonach weder das TRIPS-Abkommen noch die EU-Biopatentrichtlinie
derzeit revisionsbedürftig sind. Die EU-Richtlinie ist
wortlautnah und zügig in deutsches Recht umzusetzen. Im Rahmen
des TRIPS-Abkommens sollen sich Deutschland und die EU dafür
einsetzen, dass eine Sicherstellung der ausreichenden Versorgung
mit preiswerten Medikamenten im Wege einer Selbstverpflichtung der
Hersteller und nicht mit einer Änderung des Abkommens
erfolgt.
Zur
Empfehlung 5-22 Demokratische Kontrolle des EPA
Das Patentamt
muss nach den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit arbeiten und sich
dabei an allgemein geltende Prüfungs- und
Verwaltungsrichtlinien halten. Es bestehen daher in diesem
Zusammenhang keine Handlungsnotwendigkeiten, da die hausinternen
Prüfungs- und Verwaltungsrichtlinien des EPA öffentlich
zugänglich und damit transparent sind.
Zur
Empfehlung 5-24 Ausschluss der Patentierung von Genen, Lebewesen,
Pflanzen und Regelungen zum Schutz der Biodiversität und der
Interessen der Entwicklungsländer
Lebewesen und
Pflanzen sind von der Patentierung sowohl durch das TRIPS-Abkommen
wie durch die EU-Biopatentrichtlinie ausgeschlossen.
Gemäß diesen beiden Abkommen ist sicherzustellen, dass
eine Patentierung von Genen/Gensequenzen gewährleistet ist.
Dies ist nötig, um eine Diskriminierung zu anderen Bereichen
der Technik zu vermeiden und so dem Diskriminierungsverbot in TRIPS
zu entsprechen.
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