4.4.1
Exkurs: Hilfen für die potenziellen Globalisierungsverlierer
durch Subvention gering qualifizierter Arbeit29
Zu den entscheidenden Aufgaben, die
sich die Politik zu stellen hat, gehört es, die Verlierer auf
dem internationalisierten Arbeitsmarkt, die es im weltweiten
Wettbewerb ohne Zweifel geben wird, nicht einfach ihrem Schicksal
zu überlassen, sondern ihnen Hilfen zukommen zu lassen. Diese
Kompensation muss so weit irgend möglich in Form von
aktivierender Förderung, nicht in passiver Alimentierung
bestehen.
Zu den Globalisierungsverlierern
werden, wie ausgeführt, in erster Linie Personen mit geringer
Berufsqualifikation gehören. Dass für diese
Personengruppe nicht genug einfache Arbeitplätze im
Privatsektor, vor allem im Dienstleis tungsbereich,
entstehen, wird nach einer Auffassung durch eine für das
deutsche Modell typische Konstellation aus hohem (maßgeblich
durch das Produktivitätsniveau der Indus trie
bestimmten) Lohnniveau, starren Tarifverträgen,
verhältnismäßig hohen Sozialtransfers bei
Arbeitslosigkeit und hoher Abgabenbelas tung auf dem Faktor
Arbeit verhindert. Die Hauptargumente dieser Meinung
sind:
– Die
Arbeitsplätze Geringqualifizierter sind dadurch bedroht, dass
ihre Arbeitsproduktivität nicht ausreicht, um Löhne zu
erwirtschaften, die dem durch die hochproduktive Industrie
geprägten Lohnniveau entsprechen.
– Da das Tarifsystem
niedrige Löhne nicht zulässt, werden entsprechende
Arbeitsplätze nicht angeboten.
– Hohe
Sozialversicherungsbeiträge auf Arbeitslöhne erhöhen
die Lohnkosten beträchtlich und verschärfen das
Problem.
– Ferner besteht
für Geringqualifizierte kein oder nur ein geringer Anreiz,
eine Beschäftigung anzunehmen, weil die erzielbaren
Nettoeinkommen durch die hohen Sozialversicherungsbeiträge
geschmälert werden und weil das Niveau der Transferleistungen
bei Arbeitslosigkeit verhältnismäßig hoch ist.
– Zudem
verschärfen die Modalitäten der Einkommensanrechnung bei
Arbeitslosen- und Sozialhilfe das Problem, weil diese Leistungen
grundsätzlich in dem Umfang entfallen, in dem Erwerbseinkommen
erzielt wird. Das ergibt in dem in Frage kommenden Lohnbereich im
Ergebnis einen anreizfeindlichen Quasi-Grenzsteuersatz von nahezu
100 Prozent („Sozialhilfefalle“).
Dieser Meinung
zufolge verhindern also Tarifsystem und Sozialtransfers in diesem
Segment des Arbeitsmarktes die marktgerechte Lohnbildung und
verursachen „Mindestlohn-Arbeitslosigkeit“. Auf diese
Weise wird das Entstehen eines Sektors einfacher Dienst
leistungen behindert, der Ersatz für wegfallende indus
trielle Arbeitsplätze schaffen könnte. Die
ungünstigen Rahmenbedingungen für personenbezogene
Dienstleis tungen behindern auch die Steigerung der
Frauenerwerbstätigkeit, und zwar auf
doppelte Weise: Zum einen könnten in diesem Sektor speziell
für Frauen Arbeitsplätze entstehen; zum anderen erschwert
der Mangel an preiswerten personen- und haushaltsbezogenen
Dienstleistungen die bessere Vereinbarkeit von Familie und
Beruf.
Ausgehend von dieser
Diagnose kommt es nach weit verbreiteter Meinung darauf an, diese
institutionelle Konstellation aufzubrechen, um die Voraussetzungen
für einen expandierenden Markt für Dienstleistungen zu
schaffen. Man erhofft sich davon das Entstehen niedrigproduktiver
Arbeitsplätze, vor allem im Bereich einfacher Dienstleis
tungen, in denen auch solche Personen eine Erwerbsmöglichkeit
finden können, die auf Grund des auch globalisierungsbedingten
Strukturwandels keine andere Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Ein
durchaus wichtiger Neben effekt ist, dass der bereits
vorhandene, jedoch weitgehend illegale Markt für einfache
Arbeiten legalisiert werden könnte.
Hierzu gibt es zahlreiche
theoretische und auch in praktischer Erprobung befindliche Modelle,
die unter Namen wie z. B. „Kombilohn“ oder
„Lohnsubvention“ gehandelt werden. Dabei sind der
Differenzierung bei der Ausgestaltung im Einzelnen (z.B.
Lohnsubvention für die Arbeitgeber oder Einkommenssubvention
für die Arbeitnehmer, Eingrenzung des berechtigten
Personenkreises, Befristung, Einkommensanrechnung usw.) nahezu
keine Grenzen gesetzt.
Die Details und zahlreichen
technischen Schwierigkeiten der diversen Modelle sind hier nicht zu
diskutieren. Von prinzipieller Bedeutung ist hingegen die
Unterscheidung zwischen zwei Grundmodellen:
– Grundmodell 1:
spezielle und begrenzte Arbeitsmarktprogramme, die eher auf
Problemgruppen des Arbeitsmarktes zugeschnitten sind und lediglich
den Übergang aus der Arbeitslosigkeit in die
Beschäftigung durch zeitlich befristete Subvention
unterstützen sollen. Einige dieser Konzepte werden im Rahmen
eines Modellprogrammes der Bundesregierung gefördert, wobei
das so genannte „Mainzer Modell“ nunmehr bundesweit
ausgedehnt wird.
– Grundmodell 2:
dauerhafte Umgestaltung der Sozialversicherungspflicht mit dem
Ziel, die Arbeitseinkommen und die Lohnkosten im unteren Bereich
generell zu entlasten; im Gegensatz zu den speziellen
Arbeitsmarktprogrammen kämen dann diese Entlastungen allen
Beschäftigten – einschließlich der bereits
bestehenden Beschäftigungsverhältnisse – der
betreffenden Einkommensklasse ohne zeitliche Begrenzung zugute und
nicht nur Arbeitslosen, die eine Beschäftigung aufnehmen.
Die Politik muss somit entscheiden,
nach welchem dieser beiden Grundmodelle gegebenenfalls die
Subventionierung niedrigproduktiver Arbeitsplätze ausgestaltet
werden soll. Dabei sind folgende Aspekte von
Bedeutung:
– Im Prinzip ist die
öffentliche Subventionierung niedrigproduktiver
Arbeitsplätze keine offensive und inves tive, sondern
eher eine defensive und kompensatorische Antwort auf die Probleme
des Strukturwandels. Eine offensive und wirklich am Problem
ansetzende Antwort können demgegenüber nur Bildungs- und
Qualifizierungspolitik sowie eine generell wachstumsfördernde
Politik geben. Die Niedriglohnsubvention wäre insofern nur die
zweitbeste Lösung.
– Bei den Arbeitsplätzen im privaten
Dienstleistungssektor, welche
die wegfallenden industriellen Arbeitsplätze ersetzen sollen,
muss es sich keinesfalls um einfache und schlecht bezahlte Dienste
handeln. Dies ist ein voreiliger Schluss aus einer
industriefixierten Sichtweise, die lohnintensive
Dienstleistung automatisch mit geringer Produktivität
gleichsetzt. Erwünscht sind vielmehr moderne,
hochqualifizierte, hochproduktive und gut bezahlte
Dienstleistungen.
– Auch weil Deutschland auf lange Sicht aus
demografischen Gründen eher unter einem Mangel an
qualifizierten Arbeitskräften zu leiden haben wird, ist es
unverzichtbar, das Qualifikationspotenzial der einheimischen
Bevölkerung voll auszuschöpfen. Die dauerhafte und
systematische Etablierung eines Niedriglohn- und
Niedrigproduktivitätssektors wäre demnach strategisch
kontraproduktiv. Sie könnte später sogar zusätzliche
Zuwanderung gering qualifizierter Arbeitskräfte (besonders im
Hinblick auf die EU-Ost-Erweiterung) fördern. Damit würde
die Wirkung wenigstens zum Teil verpuffen, wenn nicht gar das
Problem noch vergrößert würde.
– Auch die Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter
ist zum Teil Folge des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts auf
dem Arbeitsmarkt, weil einfache Arbeitsplätze von
Höherqualifizierten besetzt und Bewerber ohne
Berufsqualifikation verdrängt werden (Dostal 2001). Die
Förderung von niedrigproduktiven Arbeitsplätzen wird
demnach nur dann wirklich erfolgreich sein können, wenn die
Wirtschaft insgesamt wächst und das generelle
Arbeitsplatzdefizit abgebaut wird; andernfalls würde sich am
Verdrängungseffekt nichts ändern.
– Es ist fraglich, ob öffentlich
geförderte Niedriglohnarbeitsplätze für die
Problemgruppe des Arbeitsmarktes, nämlich die
Langzeitarbeitslosen und/oder unqualifizierten Arbeitslosen, immer
das adäquate oder jedenfalls allein ausreichende
Eingliederungselement sind. Denn einerseits verfügen immerhin
60 Prozent der Langzeitarbeitslosen über eine formale
Berufsqualifikation, so dass für sie ein Einfacharbeitsplatz
eigentlich nicht die richtige Antwort sein kann. Andererseits
dürfte bei einem großen Teil der eigentlichen
Problemgruppe, nämlich der Langzeitarbeitslosen ohne
Berufsqualifikation, der finanzielle Anreiz durch Kombilöhne
oder ähnliche Modelle zur Wiedereingliederung in das
Arbeitsleben nicht ausreichen. Hier bedarf es vielmehr
umfassenderer nicht zuletzt individueller Hilfsangebote.
– An der Theorie der
„Sozialhilfefalle“, welche Langzeitarbeitslosigkeit
und/oder Arbeitslosigkeit Geringqualifizierter aus fehlenden
finanziellen Anreizen zu erklären versucht, sind Zweifel
angebracht. Empirische Studien belegen vielmehr, dass die
Erwerbsmotivation von Arbeitslosen wie von Berufstätigen
keineswegs ausschließlich von Einkommensgesichtspunkten
bestimmt wird und durch die vereinfachten Konstrukte der
traditionellen Mikroökonomie nicht voll erfasst wird (vgl.
Bäcker und Hanesch 1998: 357-363 mit weiteren
Literaturangaben, Bäcker 2000, Vobruba 2002).
– Starke Bedenken werden auch dagegen vorgetragen, das
Lohnniveau sei zu hoch und das Tarifsystem zu inflexibel. Bereits
die Vielzahl der unterschiedlichen Tarifverträge in den
Branchen und Regionen sorgt für eine bedeutende strukturelle
Differenzierung und Flexibilität. Aber auch jedes einzelne
Tarifwerk für eine bestimmte Branche und Region ist in sich
differenziert und flexibel und zwar hauptsächlich bei der
Höhe des Arbeitsentgelts und bei der Verteilung der
Arbeitszeit. Die zur Zeit etwa 7.500 in Deutschland geltenden
Tarifverträge über die Höhe des Arbeitsentgelts
enthalten fast ausnahmslos auch Lohn- und Gehaltsgruppen für
gering qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit
einfachen Tätigkeiten und entsprechend niedriger
Vergütung.
– Es ist zudem fraglich, ob sich in Deutschland
eine den USA vergleichbare Nachfrage nach einfachen
Dienstleistungen entwickeln kann. Solche Erwartungen
vernachlässigen möglicherweise das andersartige
kulturelle Umfeld in Deutschland, das durch kurze Arbeitszeiten und
reichliche Freizeit, hohe Bewertung von Eigenarbeit,
verhältnismäßig geringe Einkommensunterschiede und
geringe Nachfrage nach persönlicher Bedienung gekennzeichnet
ist.
– Die praktischen Erfahrungen, die bisher mit den
zahlreichen in Erprobung befindlichen Modellen gemacht wurden, sind
nicht besonders ermutigend. Hochrechnungen der verschiedenen
Experimente auf das ganze Bundesgebiet lassen einen
Förderzugang von allenfalls einigen 10000 Fällen
jährlich erwarten (Kaltenborn 2001). Die Ursachen für die
eher ernüchternden Zwischenergebnisse der Modellversuche
könnten zum einen in verbesserungsbedürftigen
Förderkonditionen liegen, zum anderen darin, dass die
Niedriglohnsubventionen nicht genügend mit dem sonstigen
Instrumentarium der Arbeitsförderung koordiniert sind und
vielfach diesen gegenüber nicht attraktiv genug sind.
– Auf gar keinen Fall ist die Zahl der
Förderungsfälle mit dem Beschäftigungseffekt
gleichzusetzen, weil ein allerdings vorerst nicht bezifferbarer
Teil der Förderung wahrscheinlich durch Mitnahmeeffekte
– wenn Arbeitsplätzen gefördert werden, die auch
ohne Förderung bestanden haben oder entstanden wären
– durch Verdrängungseffekte – wenn nicht
geförderte durch geförderte Beschäftigung ersetzt
wird – oder durch Subventionsabschöpfung – wenn
der Arbeitgeber eine an sich für den Arbeitnehmer bestimmte
Subvention zur Lohnsenkung nutzt – verbraucht werden wird,
ohne zusätzliche Beschäftigung
auszulösen.30
– Mitnahme- und
Verdrängungseffekte hängen von der Ausgestaltung ab und
können am ehesten im Rahmen des Grundmodells 1 vermieden
werden, und zwar:
– wenn nur
die zusätzliche Aufnahme der Beschäftigung aus der
Arbeitslosigkeit heraus, aber nicht die bestehende
Beschäftigung oder der Wechsel von einem
Beschäftigungsverhältnis in ein anderes gefördert
wird,
– wenn die
Förderung eng befristet und keinesfalls zeitlich unbegrenzt
geleistet wird,
– wenn die
Förderung auf spezielle Problemgruppen des Arbeitsmarktes
beschränkt und an besondere Voraussetzungen der Personen der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geknüpft wird, was dann
allerdings wieder die Breitenwirkung der Förderung
einschränkt,
– wenn nicht
der niedrige Monatslohn, sondern nur der niedrige Stundenlohn die
Subvention auslöst, weil sonst nicht allein die gering
qualifizierte Arbeit, sondern auch die Teilung qualifizierter
Arbeitsplätze gefördert wird und
– wenn im
Übrigen die Lohngrenzen für die Förderung
verhältnismäßig niedrig sind und vermieden wird,
dass der Bereich qualifizierter Teilzeitarbeit in die Subvention
einbezogen wird.
– Besonders massive
Mitnahme- und Verdrängungseffekte sind hingegen im Grundmodell
2 zu erwarten und geradezu systemnotwendig, wenn nicht nur die
zusätzliche Arbeitsaufnahme durch Arbeitslose zeitlich
befris tet subventioniert wird, sondern in der ganzen Breite
sämtliche bereits bestehenden niedrig entlohnten
Arbeitsverhältnisse unbefristet bezuschusst bzw. von
Sozialversicherungsbeiträgen entlastet werden. Zwar
können auch zusätzliche Arbeitsplätze entstehen; das
ändert aber nichts daran, dass die Subvention oder
Beitragsentlastung auch für solche Arbeitsplätze gezahlt
werden muss, die auch ohne diese Förderung bestanden haben
oder entstanden wären. Dem entsprechend hoch wären dann
die fiskalischen Aufwendungen solcher Modelle, die
möglicherweise überhaupt nicht in einem vertretbaren
Verhältnis zum erreichten Beschäftigungseffekt
stehen.
– Wenn beim
Grundmodell 2 eine dauerhafte Entlastung Geringverdienender von
Sozialversicherungsbeiträgen angestrebt wird, dann können
Komplikationen nur vermieden werden, wenn die Beitragspflicht
dieses Personenkreises unberührt bleibt und die
Beitragszahlung lediglich aus
Steuermitteln subventioniert wird. Soll jedoch das Beitragssystem
selbst zu Gunsten von Versicherten mit niedrigem Arbeitslohn
geändert werden (z.B. durch Untergrenzen für die
Versicherungspflicht oder durch Freibeträge beim
beitragspflichtigen Arbeitslohn), so kann es wegen des
Zusammenhangs von Beiträgen und Leistungsansprüchen zu
Problemen kommen, z.B. durch Versicherungslücken oder durch
Störung des Äquivalenzprinzips.
Insgesamt können die Vorschläge zur
Subvention gering qualifizierter Arbeit folgendermaßen
bewertet werden:
1. Die Bezuschussung oder
Beitragsentlastung von Niedriglöhnen für Arbeitslose,
welche eine Beschäftigung aufnehmen, kann grundsätzlich
ein sinnvolles arbeitsmarktpolitisches Instrument sein.
2. Voraussetzung dafür ist,
Mitnahme- und Verdrängungseffekte (z.B. durch Befristung
für den einzelnen Leistungsfall, enger Zuschnitt auf
Problemgruppen des Arbeitsmarktes und relativ niedrige
Fördergrenzen) so weit wie möglich ausgeschlossen
werden.
3. Diese Bedingungen können
am ehesten im Grundmodell 1 erfüllt werden, d.h. bei der
befristeten Förderung der Arbeitsaufnahme von Arbeitslosen.
Dies kann dazu beitragen, dass der in den letzten Jahrzehnten
entstandene Sockel an struktureller Arbeitslosigkeit abgebaut
wird.
4. Die Förderung der
Arbeitsaufnahme von Arbeitslosen wird aber eine spürbare
Arbeitsmarktwirkung nicht isoliert für sich allein entfalten
können, sondern nur im Zusammenhang mit einer allgemeinen
Wachstums- und Beschäftigungsdynamik.
5. Umstritten ist der Wert des
Grundmodells 2. Es sind Zweifel angebracht, ob die dauerhafte
Einrichtung eines öffentlich subventionierten oder indirekt
durch Umgestaltung der Sozialversicherungspflicht geförderten
Niedriglohnsektors eine für die deutsche Gesellschaft
sinnvolle Entwicklungsperspektive und die langfristig richtige
Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung sein kann.
6. Gegen einen dauerhaft
geförderten Niedriglohnsektor nach dem Grundmodell 2 spricht,
dass dies eine bloß passive Anpassungsstrategie wäre und
dass eine aktive Strategie vorzuziehen wäre, die auf Bildungs-
und Qualifizierungspolitik
sowie auf eine stärker wachs tums
orientierte Makropolitik setzt; so lange das gesamtwirtschaftliche
Arbeitsplatzdefizit besteht, ist ergänzend eine flexible und
langfristig reversible Arbeitszeitverkürzung notwendig.
7. Auch die künftige
demografische Entwicklung und die Gefahr eines dadurch bedingten
Mangels an gut qualifizierten Arbeitskräften spricht dagegen,
langfristig und systematisch einen Niedriglohnsektor zu
subventionieren.
8. In Abwägung dieser
Gesichtspunkte empfiehlt sich die Förderung eines
Niedriglohnsektors nur als Maßnahme zur Förderung der
Arbeitsaufnahme von besonderen Problemgruppen des Arbeitsmarktes
und mit strengen Vorkehrungen gegen Mitnahme- und
Verdrängungseffekte (Grundmodell 1). Dies sollte zeitlich
befristet sein und nur so lange praktiziert werden, bis das
gesamtwirtschaftliche Arbeitsplatzdefizit abgebaut ist.
9. Unabhängig von
beschäftigungspolitischen Erwägungen bleiben
Steuerentlastungen für Haushalte mit niedrigem Einkommen aus
verteilungspolitischen Gründen sinnvoll, um dem Grundsatz der
Besteuerung nach Leistungsfähigkeit besser Rechnung zu tragen,
als dies heute der Fall ist. Das gleiche gilt auch für
Beitragsentlastungen in der Sozialversicherung.
29 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum
von der CDU/CSU-Fraktion in Kapitel
11.1.7.3.
30 Einen hohen Mitnahmeeffekt errechnet z. B. das
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für den
Fall, dass die Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeiträge
schrittweise degressiv bis zu einem Monatslohn in Höhe des
2,5fachen der Geringfügigkeitsgrenze (nach heutigem Stand
812,50 Euro) subventioniert werden. Nach den Verhältnissen des
Jahres 1997 wären dann rund 1,36 Millionen
Beschäftigungsverhältnisse gefördert worden, aber
praktisch keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen
worden; lediglich rund 50 000 bis 70 000 geringfügig
Beschäftigte würden ihre Arbeitszeit ausweiten (Bender,
Rudolph und Walwei 1999: 1-5).
|