7.5.3.3 Privatisierung und
Liberalisierung in Deutschland
Durch
Privatisierung und Unternehmenskonzentrationen wandelt sich
gegenwärtig in Deutschland die Wasserversorgung auch ohne die
Verwirklichung der in den letzten Jahren intensiv diskutierten
Marktöffnung. Gründe für diese Entwicklung sind die
zunehmende Infragestellung der Erbringung von Leistungen der
Daseinsvorsorge durch öffentliche Unternehmen, die knappen
Kassen der Kommunen und die Bildung großer
Multi-Utility-Unternehmen102. Es wird erwartet, dass der Kostendruck
in der Wasserversorgung in den kommenden Jahren weiter zunimmt (UBA
2001b: 211).
In Deutschland
ist die jederzeit und allerorts gesicherte Versorgung der
Bevölkerung mit hygienisch einwandfreiem Wasser traditionell
eine Kernaufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit
der Kommunen. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben, d. h. den Betrieb
der Trinkwasserversorgung haben dabei schon derzeit etliche
Kommunen privaten oder teilprivatisierten Unternehmen anvertraut.
Die deutsche Wasserwirtschaft ist aber immer noch gekennzeichnet
durch eine deutliche Dominanz von Unternehmen in öffentlicher
Hand und eine stark dezentralisierte Struktur. In diesen Strukturen
garantiert die deutsche Wasserwirtschaft seit Jahrzehnten eine
flächendeckend hohe Versorgungssicherheit und eine hohe
Trinkwasserqualität, die jedem internationalen Vergleich
– auch im Hinblick auf das Preisniveau –
standhält.
Die
Marktsituation der deutschen Wasserwirtschaft ist geprägt
durch ein besonderes Verhältnis von wettbewerblichen und
versorgungssichernden Elementen. Wettbewerb im Markt bleibt
für den Betrieb der natürlichen Monopole
eingeschränkt. In allen übrigen Sektoren der
Wasserindus trie herrscht dagegen offener Wettbewerb.
Von einer
weiteren Öffnung des Marktes in Richtung auf eine Konkurrenz
um Versorgungsgebiete sind erhebliche Folgen für die
Trinkwasserqualität und damit für den Gesundheitsschutz,
den Schutz der Ressource Wasser, die Versorgungssicherheit und das
verfassungsrechtlich verankerte kommunale Selbstverwaltungsrecht zu
erwarten (vgl. Deutscher Bundestag 2001: i). Es gibt genügend
Hinweise, dass eine weitere Öffnung des Wassermarktes ein
Experiment mit ungewissen Folgen im Hinblick sowohl auf Umwelt- und
Gesundheitsschutz als auch die Preisentwicklung wäre und zu
einem Mehraufwand an Bürokratie führen kann.
Internationale Vergleiche werfen begründete Zweifel auf, ob
über eine Marktliberalisierung eine Senkung des Preisniveaus
erreicht und die Herausbildung einer neuen Monopolstruktur, bei der
wenige private Anbieter die vielen kommunalen Unternehmen
ablösen, verhindert werden kann.
Ziel einer
nachhaltigen Wasserwirtschaft muss es sein, die Wasserressourcen
qualitativ so zu erhalten, dass der Aufbereitungsaufwand dauerhaft
so gering wie möglich gehalten wird. Möglichkeiten, die
Ressourcenqualität zu erhalten bzw. zu verbessern, können
die Ausweisung von Wasserschutzgebieten, Kooperationen mit der
Landwirtschaft oder gezielte Altlastensanierungen sein, wobei sich
diese Maßnahmen bzw. „Investitionen“ im
Allgemeinen erst langfristig lohnen, und so dem Ziel einer
kurzfristigen Ertragssteigerung entgegenstehen können.
Vor diesem
Hintergrund spricht sich die Enquete-Kommission gegen eine
grundlegende Neuordnung der Strukturen der deutschen
Wasserwirtschaft durch die Streichung des kartellrechtlichen
Ausnahmetatbestandes nach §103 GWB (alte Fassung) und eine
Liberalisierung des deutschen Wassermarktes aus.103 Gleichwohl ist sie der Auf fassung, dass es
Modernisierungsbedarf in der Wasserwirtschaft gibt. Es gibt
bedeutende Potenziale, mehr Effizienz im Sinne einer optimalen
betriebswirtschaftlichen Bereitstellung bester Wasserqualität
zu erlangen. Diese Potenziale gilt es in einer gemeinsamen
Anstrengung von Bund, Ländern, Gemeinden und Wasserwirtschaft
auszuschöpfen, ohne bewährte Strukturen
grundsätzlich in Frage zu stellen (s. BT-Drucksache 14/7177:
1ff.).
102 Der Begriff „Multi-Utility“-Unternehmen
bezeichnet die Anbietung einer Vielzahl von Dienstleistungen (z. B.
Wasser, Abwasser, Fernwärme, Gas, Telekommunikation,
Datenübermittlung, Gebäudemanagement) durch ein
Unternehmen.
103 Die Enquete-Kommission schließt sich in dieser
Frage den Beschlüssen der Umwelt- und Innenministerkonferenzen
der Bundesländer, der kommunalen Spitzenverbände und der
Verbandsvertreter der deutschen Wasserwirtschaft an. Diese
reagierten auf das vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie in Auftrag gegebene Gutachten „Optionen, Chancen
und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung“ (BMWi 2001c).
Auch das Umweltbundesamt äußert in seinem Gutachten
„Liberalisierung der deutschen Wasserversorgung“ vom
November 2000 erhebliche Bedenken (UBA 2000).
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