Was das Grundgesetz vorsieht
Spielregeln der Zusammenarbeit
Bundestag - Bundesregierung - Bundesrat. Das Grundgesetz gibt jedem dieser drei Verfassungsorgane zwar eine eigenständige Gestaltungsfreiheit. Aber das geschieht in sehr engen Grenzen und ist im Prinzip nur darauf gerichtet, als Organ funktionieren zu können. In der praktischen Arbeit für den Bürger ist eine tiefe Verschränkung, eine intensive Zusammenarbeit zwischen den drei Akteuren vorgeschrieben. Deshalb bildet das Miteinander von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat den roten Faden durch das gesamte Grundgesetz.
Die Mitglieder des Bundestages, die aus allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl hervorgehen, sind zwar nach Artikel 38 des Grundgesetzes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen, bleiben aber in der Erfüllung ihrer Aufgaben selten unter sich. Artikel 43 schreibt vor, dass Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung zu allen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse Zutritt haben müssen. Das gilt auch für Personen, die von Bundesrat oder Bundesregierung mit der Vertretung beauftragt werden. Außerdem müssen sie jederzeit von den Parlamentariern gehört werden. Diese Festsetzung ist nicht nur als Kann-Bestimmung zu verstehen. Wenn der Bundestag darauf besteht, wird die Teilnahme (1) von Regierungsmitgliedern an Sitzungen sogar Pflicht. Denn sowohl das Plenum des Bundestages als auch jeder seiner Ausschüsse kann die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen.
Die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten des Bundesrates folgen der Aufgabe der Bundesländer, bei der Ausführung von Bundesgesetzen entscheidend mitzuwirken. Wie viele Mitglieder jedes einzelne Bundesland in den Bundesrat entsenden kann, hängt von der Einwohnerzahl ab. Je Land können alle Stimmen (2) jedoch nur einheitlich abgegeben werden. Und auch hier findet sich eine Vorschrift zur Verschränkung: Regierungsmitglieder können an allen Sitzungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse teilnehmen - und wenn der Bundesrat oder einer seiner Ausschüsse dies verlangt, muss das betreffende Mitglied der Bundesregierung anwesend sein. Ebenfalls müssen der Bundesrat und seine Ausschüsse jederzeit Regierungsmitglieder zu Wort kommen lassen. Und damit die Ländervertreter stets im Bilde sind, welche Angelegenheiten bei der Bundesregierung gerade auf der Tagesordnung stehen, schreibt die Verfassung vor, dass die Regierung den Bundesrat „über die Führung der Geschäfte auf dem Laufenden zu halten“ hat (Artikel 53).
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Die Regierungsbank im Bundestag. | ||||||||||
Wie wichtig das Zusammenwirken der drei Organe für die Existenz der Republik ist, kommt im folgenden Artikel 53a zum Ausdruck, der Vorkehrungen für den Verteidigungsfall trifft. Für diesen Zweck bilden Bundestag und Bundesrat einen Gemeinsamen Ausschuss, der zu zwei Dritteln aus Abgeordneten des Bundestages (und zwar im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen) und zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates (aus jedem Bundesland eines) besteht. Dieses gemeinsame Gremium nimmt im Verteidigungsfall die Rechte von Bundestag und Bundesrat wahr, wenn es diesen wegen der äußeren Bedingungen nicht möglich ist, ordnungsgemäß zusammenzutreten. Das Notparlament beschließt dann in dieser Zeit an Stelle von Bundestag und Bundesrat die Gesetze. Allerdings kann es keinerlei Verfassungsänderungen vornehmen. Die Bundesregierung hat das Notparlament auch außerhalb von Kriegszeiten über ihre Planungen für den Verteidigungsfall zu informieren.
Die Bundesregierung ist ohne den Bundestag nicht denkbar. Wie sehr das Parlament für die Regierungsfähigkeit Deutschlands Verantwortung trägt, zeigt sich in den Bestimmungen des Grundgesetzes über die Wahl des Bundeskanzlers. Dafür muss sich in geheimer Wahl eine Mehrheit der Abgeordneten zusammenfinden. Scheitert dies, hat auch der Bundestag insgesamt versagt und kann vom Bundespräsidenten (3) aufgelöst werden. Auch im weiteren Verlauf bleibt das Parlament in der Pflicht, für stabile Verhältnisse zu sorgen. Der Bundeskanzler kann zwar durch ein Misstrauensvotum des Bundestages gestürzt werden, doch nur, wenn zugleich die Mehrheit der Mitglieder für einen Nachfolger in geheimer Wahl zu Stande gekommen ist. Hat ein amtierender Regierungschef nicht mehr das Vertrauen der Parlamentsmehrheit, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers ebenfalls den Bundestag auflösen - Neuwahlen sollen dann umgehend zu neuen stabilen Verhältnissen führen. Klarer können die Wechselbeziehungen kaum ausgedrückt werden: Die Bundesregierung ist vom Bundestag abhängig, und wenn die Regierung keinen Rückhalt im Parlament findet, ist auch der Bundestag gescheitert.
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Schaubild: Bundesregierung und Bundesrat im Parlament. |
Wie erfolgt nun die Abgrenzung zwischen den Organen? Was hat der Bundestag zu regeln, was bleibt bei den Bundesländern? Kann die Bundesregierung auch ohne Bundestag Vorschriften erlassen? Prinzipiell folgt der Staatsaufbau dem Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, die Angelegenheiten sollen möglichst „nah am Bürger“ geregelt werden. Nur wenn es besser ist, etwa im Interesse der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, generelle Regelungen auf der nächsthöheren Ebene zu erlassen, kommt die Gemeinde, das Land oder der Bund (oder auch die Europäische Union) ins Spiel. Getreu diesem Prinzip haben die Länder grundsätzlich das Recht der Gesetzgebung (Artikel 70) - es sei denn, die Verfassung weist diese Aufgabe ausdrücklich dem Bund zu.
Die Abgrenzung wird auf drei verschiedene Arten vorgenommen. Der Bund kann die ausschließliche, die konkurrierende oder die Rahmengesetzgebungsfunktion haben. Da immer mehr Verordnungen der Europäischen Union in die Zuständigkeitsbereiche von Bundestag und Bundesländern hineinreichen, ist in Artikel 23 festgelegt worden, dass die Bundesregierung den Bundestag und den Bundesrat in der Europapolitik zu beteiligen und deren Positionen in den Verhandlungen mit den anderen EU-Staaten und den EU-Institutionen zu berücksichtigen hat.
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Die Bundesratsbank im Bundestag. | ||||||||||
Zuständigkeit der Länder
Gesetzesvorlagen können sowohl von der Bundesregierung als
auch vom Bundesrat oder auch aus der Mitte des Bundestages selbst
eingebracht werden. Je nachdem, wie weit die Bundesgesetze die
Zuständigkeiten der Länder berühren, richtet sich
das Maß ihrer Mitwirkungs-
rechte. Da viele Bundesaufgaben zwar vom Bund geregelt und
beaufsichtigt, von den Verwaltungen der Länder aber umgesetzt
werden, sind die Länder in solchen Fällen zuständig,
in denen gewöhnlich eine Zuständigkeit des Bundes zu
vermuten wäre.
Mehr als jedes zweites Gesetz ist daher ein Zustimmungsgesetz (4). Das heißt, es kann erst in Kraft treten, wenn die Mehrheit des Bundesrates ausdrücklich zugestimmt hat. Alle übrigen Gesetzesvorhaben des Bundes müssen ebenfalls durch den Bundesrat. Diese Einspruchsgesetze (5) können von der Länderkammer zunächst einmal aufgehalten werden. Erhebt die Mehrheit des Bundesrates gegen ein solches Gesetz Einspruch, so kann der Bundestag diese Hürde mit der Mehrheit seiner Mitglieder wieder beseitigen. Kommt der Einspruch mit zwei Dritteln der Stimmen der Bundesratsmitglieder zu Stande, ist das Überstimmen durch den Bundestag wesentlich schwieriger; denn dann braucht auch er eine Zwei-Drittel-Mehrheit für dieses Gesetz (Artikel 77).
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Der
Vermittlungsausschuss im Gebäude des Bundesrates. |
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Zwischengeschaltet hat die Verfassung ein aus Mitgliedern des
Bundestages und des Bundesrates bestehendes Gremium. In diesem
Vermittlungsausschuss (6) werden die
Gesetzesvorlagen noch einmal gemeinsam beraten und nach
Möglichkeit Änderungen gefunden, die für beide
Seiten akzeptabel sind. Der Bundesrat kann stets verlangen, dass
dieser Vermittlungsausschuss einberufen wird. Bei
zustimmungspflichtigen Gesetze sind auch Bundestag und
Bundes-
regierung befugt, die Einschaltung zu verlangen. Über
Änderungsvorschläge muss danach erst wieder der Bundestag
abstimmen, bevor der Bundesrat erneut beteiligt wird.
Bestimmte Details können Bundes- und Landesregierungen auch selbstständig durch Rechtsverordnungen regeln, ohne den Bundestag jedes Mal einschalten zu müssen. Je nach Materie haben sich Bundesregierung und Bundesrat aber gegenseitig zu beteiligen. Und: Jede Rechtsverordnung braucht als Quelle ein Bundesgesetz, wodurch klar ist, wozu der Bundestag die Regierungen im Einzelnen ermächtigt hat (Artikel 80). So zieht sich die Pflicht zur permanenten Zusammenarbeit durch die gesamte Verfassung.
Formen der Gesetzgebung
Zur ausschließlichen Gesetzgebung gehören zum Beispiel die auswärtigen Angelegenheiten und die Verteidigung, das Währungswesen und der Luftverkehr, die Telekommunikation und eine ganze Reihe weiterer Aufgaben (Artikel 71 und 73). Auf diesen Feldern können die Länder eigene Gesetze nur verabschieden, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt worden sind. | ||
Zur konkurrierenden Gesetzgebung gehören unter anderem das bürgerliche Recht und das Versammlungsrecht, das Aufenthaltsrecht für Ausländer und die öffentliche Fürsorge, das Wirtschaftsrecht und die Abfallbeseitigung, das Arbeitsrecht und der Straßenverkehr (Artikel 72 und 74). Auf diesen Feldern können die Länder gesetzgeberisch nur tätig werden, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht selbst Gebrauch gemacht hat. | ||
Bei der Rahmengesetzgebung geht es unter anderem um die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens, um das Melde- und Ausweiswesen oder den Naturschutz. Hier kann der Bund Vorschriften vorgeben, innerhalb deren Rahmen die Länder dann binnen angemessener Frist eigene Gesetze zu erlassen haben (Artikel 75). |