Deutscher Bundestag
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15. Wahlperiode
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   167. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 18. März 2005

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Interfraktionell ist vereinbart worden, zusammen mit Tagesordnungspunkt 22 folgenden Zusatztagesordnungspunkt zu beraten:

Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes

– Drucksache 15/3424 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

   Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (14. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Nachhaltiges Wachstum in Ostdeutschland sichern

– zu dem Antrag der Abgeordneten Arnold Vaatz, Werner Kuhn (Zingst), Ulrich Adam, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Ostdeutschland eine Zukunft geben

– zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), Dr. Karlheinz Guttmacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Ostdeutschland als Speerspitze des Wandels – Leitlinien eines Gesamtkonzepts für die neuen Länder

– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Arnold Vaatz, Werner Kuhn (Zingst), Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2004

– zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2004

– Drucksachen 15/3201, 15/3047, 15/3202, 15/4163, 15/3796, 15/4706 –

Berichterstattung:Abgeordnete Siegfried SchefflerWerner Kuhn (Zingst) Peter Hettlich

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Wolfgang Thierse, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wolfgang Thierse (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Beginn dieser Debatte haben wir Anlass zu erinnern. Heute vor 15 Jahren, am 18. März 1990, machten die Bürgerinnen und Bürger der DDR eine ganz neue Erfahrung: Zum ersten Mal war ihre Stimme, war ihr Kreuz auf einem Wahlschein etwas wert. Gewählt wurde die 10. und zugleich letzte Volkskammer und das war endlich eine, die diesen verpflichtenden Namen verdiente.

   Die Mehrzahl der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger erlebte den Wahlsonntag nicht nur als ein historisch, sondern auch als ein biografisch bedeutsames Ereignis. Nach knapp sechs Jahrzehnten und zwei Diktaturen konnten sie endlich in einem demokratischen Verfahren auf die politische Gestaltung ihres Landes und auf seine Zukunft Einfluss nehmen. Wofür sich die endlich mündig gewordenen Bürgerinnen und Bürger an diesem Tag entschieden, ist bekannt: für die parlamentarische Demokratie und für die deutsche Einheit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

   Dieser 18. März war kein Geschenk, keine himmlische Fügung, sondern ein hart errungenes Ereignis der friedlichen Revolution vom Herbst 1989. Was Wählengehen im Alltag der Diktatur bedeutete, war noch nicht vergessen. Nur wenige Monate zuvor, am 7. Mai 1989, hatte die letzte von der SED inszenierte Scheinwahl stattgefunden – eine Scheinwahl im doppelten Sinne des Wortes: Die Wähler falteten ihren Wahlschein und steckten ihn in die Urne. Das war schon alles. Wirklich zu entscheiden hatten sie nichts. Was zählte, war allein der äußere Anschein eines Wahlverfahrens. Wer es wagte, eine Wahlkabine aufzusuchen, wurde misstrauisch beäugt; er machte sich verdächtig, unlautere Absichten zu hegen, aus der Reihe zu tanzen, provozieren zu wollen. Ein absurdes Verfahren.

   Doch die Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 verdienen es, dass wir an sie erinnern, denn etwas Wesentliches war dabei anders als sonst. Am Abend dieses Tages gingen überall im Lande viele von jenen, die das Zettelfalten satt hatten, in die Wahllokale, beobachteten die Auszählung und notierten die Ergebnisse. Danach trafen sie sich zum gemeinsamen Nachrechnen, die Berliner beispielsweise in der Elisabethkirche in Mitte. Sie addierten die Einzelergebnisse und verglichen ihre Zahlen mit dem offiziellen Ergebnis. Was kam heraus? Schon in einem einzigen Berliner Stimmbezirk war die Zahl der Nichtwähler und der Menschen, die mit Nein gestimmt hatten, weitaus größer, als das offizielle Endergebnis für die ganze Stadt behauptete. Im offiziellen Wahlergebnis waren aus Nichtwählern Wähler geworden und aus Neinstimmen Jastimmen. Was ohnehin viele geahnt hatten, wurde nun zwar nicht amtlich, aber es sprach sich schnell herum: Das von Egon Krenz verkündete Wahlergebnis – 98,89 Prozent Zustimmung – war gefälscht und für diese Fälschung gab es Augenzeugen, gab es Beweise.

   Zivilcourage verjährt nicht. Wir haben allen Grund, jenen mutigen Frauen und Männern aus Bürgerrechts- und Kirchenkreisen unseren Respekt zu bekunden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

   Sie haben dazu beigetragen, die von der DDR in Anspruch genommene Legitimität zu untergraben. Sie haben die Verdorbenheit der Diktatur anschaulich gemacht und nicht wenige Menschen zum Nachdenken und Umdenken angeregt. Diese und weitere Aktionen der Bürgerbewegung trugen im Vorfeld der friedlichen Revolution dazu bei, dass der 18. März 1990 möglich wurde, jener Tag, an dem die Forderungen der Demonstranten vom Herbst 1989 ihre demokratische Legitimation erhielten.

   Die Wahl vom 18. März markiert einen wichtigen Wendepunkt. Sie beendete die revolutionäre Phase und eröffnete die parlamentarische. Aus Basisgruppen und Bewegungen waren Parteien geworden. Aus einfachen Bürgerinnen und Bürgern, die eben noch Erstwähler waren – sie durften erstmals ein demokratisches Parlament wählen –, wurden Abgeordnete, Staatssekretäre, Minister. Nicht wenige sind noch heute in der Politik, auch hier im Deutschen Bundestag. Ich begrüße auf der Tribüne Sie und euch, liebe Kolleginnen und Kollegen der Volkskammer, besonders herzlich.

(Beifall im ganzen Hause)

   Die 10. Volkskammer war im besten Sinne des Wortes eine Schule der Demokratie und zugleich ein Arbeitsparlament. Es ging bis an die Grenzen der individuellen Belastbarkeit. Wir Abgeordneten praktizierten gewissermaßen aus dem Stand heraus, doch außerordentlich motiviert die Spielregeln und Verfahrensweisen der Demokratie und sahen uns zugleich einer Fülle von Problemen gegenüber. Ein funktionsfähiges parlamentarisches Regierungssystem musste in Gang gesetzt werden, um den neuen Staat handlungsfähig zu machen. Die Politik musste Legitimität und Kalkulierbarkeit in einem Land gewinnen, dessen Wirtschaft zusammenbrach, dessen Versorgung kaum noch gewährleistet werden konnte, dessen Bevölkerung mit Abwanderung drohte.

   Der Souverän hatte dem Parlament einen klaren Auftrag erteilt: die Herstellung der deutschen Einheit. Auch wenn manche Legendenerzähler heute anderes behaupten: An politischen Experimenten war der Souverän nicht sonderlich interessiert. Die Frage war nur, auf welchem Weg dieser Wählerauftrag zu erfüllen war, nach Art. 23 oder nach Art. 146 des Grundgesetzes. Die ausgehandelte Formel lautete dann: zügiger Beitritt, aber zuvor Verhandlungen. Dies war dann auch in der Tat der einzig realistische Weg einer schnellen Überwindung der deutschen Teilung im Angesicht des immer weiter voranschreitenden Zusammenbruchs der DDR und des damit einhergehenden Verlustes an politischer Gestaltungsmöglichkeit. Unsere Verhandlungsposition war nicht immer die beste. Doch es bleibt ein Verdienst der 10. Volkskammer und der Regierung unter Ministerpräsident de Maizière, darauf beharrt zu haben, dass vor der Vereinigung außenpolitische und vertragliche Regelungen erreicht werden müssen, dass die Bodenreform und der redliche Erwerb von Eigentum Bestand haben müssen.

   Nur sechs Monate hatte die Volkskammer Zeit, die staatliche Einheit in Selbstbestimmung und in Anerkennung unserer historischen Verantwortung zu vollenden. Der Regelungsbedarf war gewaltig. Ich erinnere nur an einige der wichtigsten Arbeitsfelder: Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, Rechtsangleichung, Stasi-Unterlagen-Gesetz. Der Beitrittsbeschluss erging erst nach Abschluss des Einigungsvertrages und der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen. Wir wollten einvernehmlich mit den Siegermächten und Nachbarn in die Einheit gehen. Ich bin bis heute außerordentlich dankbar dafür, dass uns dies gemeinsam gelungen ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

   Natürlich, es hat Fehler, Versäumnisse, Überforderung gegeben. Wie sollte es auch anders sein? Es gab kein Lehrbuch, in dem beschrieben wird, wie ein demokratisches Parlament sich selbst überflüssig macht, sich selbst und zugleich seinen Staat abschafft, und das auch noch zu akzeptablen Bedingungen.

   Was in der 10. Volkskammer erreicht wurde, war ohne Vorbild. Es konnte nur gelingen, weil wir Unterstützung erhielten: aus den alten Bundesländern, von der Bundesregierung, von den Schwesterparteien und -fraktionen des 11. Deutschen Bundestages. Auch daran sei heute erinnert. Auch dafür sage ich als einer, der damals mit dabei war, herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

   Trotz der Kürze ihres Mandats hat die frei gewählte Volkskammer des Jahres 1990 ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus geschrieben.

Sie war eben mehr als nur ein Übergangsparlament, mehr als ein Lückenfüller zwischen Diktatur und Demokratie. Ihr ist es gelungen, in das vereinte Deutschland eine auf die friedliche Revolution der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger begründete Demokratie mit eingebracht zu haben. Das ist eine große, eine historische Leistung und ich wünschte mir, dass sie in der Öffentlichkeit mehr als bisher wahrgenommen und gewürdigt wird.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, so viel Erinnerung, so viel Würdigung musste heute sein.

   Nun zum Heute: Vor einigen Tagen las ich eine kurze Agenturmeldung, die es in sich hatte. Nach einer Untersuchung der TU Dresden – es wurden 1 835 Menschen in Deutschland befragt – vertrauen nur rund 4 Prozent der Deutschen den Parteien und 11 Prozent dem Bundestag. Dagegen glauben 44 Prozent der Befragten dem Bundesverfassungsgericht, 40 Prozent der Polizei und 31 Prozent der Justiz. Auch Medien wie Zeitungen mit 14 Prozent und Fernsehen mit 15 Prozent lagen noch vor Parlament, Regierung und Parteien. Professor Patzelt resümiert: „Wer Parteien wenig vertraut, hat auch wenig Zutrauen zum Parlament.“

   Das ist ein dramatischer Vertrauensverlust gegenüber der Demokratie und ihren Institutionen und Akteuren, und das 15 Jahre nach dem wunderbaren demokratischen Aufbruch im Osten Deutschlands, 15 Jahre nach dem Glück der Wiedervereinigung. Dafür gibt es gewiss sehr verschiedene Gründe: ohne Zweifel Fehler und Fehlverhalten von Politikern, die Härte des wirtschaftlichen, des sozialen, des gesellschaftlichen Wandels in Deutschland seit 1989 – eines Wandels, bei dem es nicht nur Sieger gibt –, die Größe der Probleme und die Langsamkeit, mit der wir sie zu lösen imstande sind, die Wahrnehmung einer zunehmenden Diskrepanz zwischen dem Tempo und der Reichweite ökonomischer Prozesse und Entscheidungen einerseits und der Langsamkeit und Begrenztheit demokratischer politischer Prozesse und Entscheidungen andererseits.

   Zahlreiche Studien belegen zudem, dass das Vertrauen in die Demokratie und die Zufriedenheit mit ihr in Ostdeutschland noch geringer und labiler sind als im Westen Deutschlands. Für eine nicht geringe Zahl von Menschen bedeuteten die Vereinigung, der Gewinn der Demokratie und die Einführung der sozialen Marktwirtschaft, den Arbeitsplatz zu verlieren, lange Jahre arbeitslos zu bleiben und schließlich die Zukunft zu fürchten. Die Demokratie, das Ende der DDR, bedeutet für diese Menschen rückblickend nicht Chance, sondern Risiko und letztendlich Verlust einer sicher geglaubten Existenz.

   Diese existenzielle Erfahrung prägt auch junge Leute – vor allem in ländlichen Regionen Ostdeutschlands –, die unsicher sind und nicht wissen, wie ihre Zukunft aussehen wird. Es ist eben besorgniserregend, dass offenbar immer mehr Menschen Politikern und demokratischen Institutionen nicht mehr zutrauen, die Probleme zu lösen, egal ob im Bund, im Land oder in der Kommune.

   Mitarbeiter von Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, berichten, dass sich mancherorts regelrecht eine parlaments- und politikfeindliche Stimmung ausbreitet. Dort werde es für Kommunalpolitiker zunehmend schwerer, die Werte der Demokratie zu verteidigen und offen für sie zu streiten. Das ist ein brisantes Stimmungsbild, das selbstverständlich nicht auf den gesamten Osten Deutschlands zutrifft. Aber es sind Entwicklungen in einzelnen Regionen, die wir ernst nehmen und auf die wir gesellschaftliche Antworten finden müssen. Ich plädiere sehr dafür, neben allen notwendigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen, die getan werden müssen, auch die politische Bildung, das Werben und Überzeugen für die freiheitliche und pluralistische Demokratie deutlich zu verstärken.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Neben allen Anstrengungen, die wir unternehmen, um Perspektiven für den Osten zu entwickeln, und allem notwendigen Streit unter den Demokraten darüber gehört der elementare Streit für unsere Demokratie dazu.

   Lassen Sie mich zum Schluss Klaus von Dohnanyi zitieren. Er sagte gestern in einem Interview, die Verdrossenheit in Deutschland sei wohl auch deshalb so groß, weil vergessen werde, welche Leistungen Deutschland seit der Wiedervereinigung vollbracht habe.

Er formuliert das mit drastischen Zahlen: So sei die Zahl der Erwerbstätigen seit 1989 in Großbritannien um knapp 2 Millionen gestiegen, in Frankreich um rund 3 Millionen, in Deutschland dagegen habe der Zuwachs an Erwerbstätigen rund 10 Millionen betragen. Klaus von Dohnanyi wörtlich:

Da ist natürlich die frühere DDR dazugekommen. Dort gab es ja für eine Marktwirtschaft kaum konkurrenzfähige Arbeitsplätze.

Er sagt weiter, auch die öffentliche Verschuldung könne sich im Vergleich mit anderen Ländern sehen lassen. Deutschland halte sich auf dem Niveau der USA, Frankreichs und Österreichs, weit unterhalb des Verschuldungsniveaus Italiens.

Und dabei haben wir zugleich mit mehr als 1 Billion Euro Ostdeutschland aufgebaut.

Er hat Recht. Neben vielen Problemen im Osten Deutschlands gibt es auch genügend Erfolgsgeschichten Ost: von der erneuerten Infrastruktur über die Autoindustrie bis zu den Universitäten und Hochschulen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir treten nicht dem Paradies bei, aber auch nicht der Hölle.

Das habe ich vor 15 Jahren in einer Volkskammerdebatte gesagt. Ich glaube, ich habe Recht behalten.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Professor Dr. Georg Milbradt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident (Sachsen):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst Ihnen, Herr Thierse, danken für diesen Rückblick auf den 18. März 1990 und das, was seitdem geschehen ist. Ich freue mich auch, dass die Volkskammerpräsidentin aus diesen Tagen, Frau Bergmann-Pohl, auf der Tribüne bei uns ist.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

   Bei den Volkskammerwahlen hat sich die Mehrheit der Ostdeutschen für die Wiedervereinigung entschieden. Sie haben sich entschieden, ihre Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen, und sie haben diese Chance genutzt. Nach 15 Jahren kann man über Ostdeutschland sagen: Wir sind gut, aber wir müssen noch besser werden.

    Ostdeutschland ist in den vergangenen 15 Jahren weiter vorangekommen, als es die Pessimisten wahrhaben wollen. Leider beherrschen die Pessimisten die Schlagzeilen. Die Rede ist von einem ostdeutschen Mezzogiorno, von verblühenden Landschaften oder von dem Milliardengrab Ost. Die Pessimisten, so meine ich, haben Unrecht. Die Lage in den ostdeutschen Bundesländern ist zwar schwierig, aber wir haben in Ostdeutschland in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten trotz aller Hemmnisse viel erreicht. Insbesondere dort, wo der Staat direkt Verantwortung trägt, wo er direkt verantwortlich ist – zum Beispiel bei Umwelt, Gesundheit, Infrastruktur oder Bildung –, ist der Anpassungsprozess erfolgreich abgeschlossen oder zumindest auf einem guten Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

   Die großen Unterschiede bestehen in der Privatwirtschaft, in der Wirtschaftskraft, in der Wirtschaftsleistung pro Kopf der Bevölkerung oder pro Erwerbstätigem. Aber auch hier muss angemerkt werden: Die Wirtschaftskraft hat sich in Ostdeutschland in diesen 15 Jahren verdoppelt und – das möchte ich hinzufügen – ein ostdeutsches Bundesland, Sachsen, wächst seit zwei Jahren stärker als alle anderen Bundesländer, die westdeutschen Bundesländer also inbegriffen. Zum Beispiel bietet Dresden heute – was nicht bekannt ist – mehr Arbeitsplätze pro tausend Einwohner als Bonn. Es sind, anders als die erwähnten Schlagzeilen behaupten, Arbeitsplätze entstanden. Ein Beispiel: Dresden und Freiberg haben sich zum Zentrum der europäischen Halbleiterindustrie entwickelt. Jeder fünfte weltweit produzierte Mikrochip kommt aus Dresden. Es gibt um unsere Landeshauptstadt herum 11 000 Menschen, die in diesem Bereich Arbeit haben, in ganz Sachsen 20 000. Es gibt in Ostdeutschland an vielen Stellen solche Erfolgsgeschichten. Wir sollten sie nicht in bester deutscher Manier schlechtreden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Stattdessen sollten wir herausstellen, dass wir in Ostdeutschland das Beste aus den Fähigkeiten der Menschen gemacht haben – natürlich mit großzügiger Unterstützung aus Westdeutschland, für die wir dankbar sind.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Wir könnten und wir müssen aber noch besser sein. Deutschland muss wieder wachsen und wir brauchen mehr Arbeitsplätze.

   Nun sagen manche, wir würden jedes Jahr 4 Prozent des Bruttosozialprodukts für den Aufbau Ost aufwenden, was uns beim Wirtschaftswachstum herunterziehe und die internationalen Vergleiche beeinträchtige. Das stimmt. Der Aufbau Ost ist aber nicht die Ursache der deutschen Wachstumsschwäche. Vielmehr leidet auch der Aufbau Ost unter den strukturellen Defiziten, die für das schwache Wachstum in ganz Deutschland verantwortlich sind und die auch schon 1989, 1990 bestanden haben.

   Wenn wir heute über eine Perspektive für Ostdeutschland reden, dann müssen wir vor allem über eine Perspektive für Deutschland insgesamt reden. Ich meine, Ostdeutschland kann eine solche gesamtdeutsche Perspektive bieten; denn wir haben 15 Jahre lang sehr intensiv erfahren müssen, was am westdeutschen Modell funktioniert und was nicht funktioniert. Wir haben erfahren, wie schwach die Kräfte unserer Wirtschaft sind, weil wir den Marktkräften misstrauen und an bestimmte Regelungen sowie insbesondere an den Vater Staat glauben. Dieses Misstrauen in das System ist Teil des Systems, das wir 1990 übernommen haben.

   In den nächsten Jahren kommt erschwerend hinzu, dass die Aufbauhilfe der Europäischen Union und aus dem Solidarpakt deutlich abnehmen wird. Mit einer Politik des „Weiter so!“ werden wir dann in große Schwierigkeiten geraten. Wir müssen sowohl in Ostdeutschland als auch in Gesamtdeutschland dynamischer und attraktiver werden, um einen Ausgleich für das fehlende Geld zu erzielen. Anders ausgedrückt: Wir müssen unsere Strategie zum Aufbau Ost verbessern. Mit derselben Strategie wie in den letzten 15 Jahren werden wir den Rest des Weges nicht schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Vorschläge dazu liegen schon lange auf dem Tisch. Ich selbst habe vor fast genau einem Jahr das Strategiepapier „Zukunft Ost – Chance für Deutschland“ vorgelegt. Die Regierungskommission unter Klaus von Dohnanyi hat sich ganz ähnlich geäußert. Passiert ist aber wenig. Im Gegenteil: Die gesamtdeutsche Politik ist zur Tagesordnung zurückgekehrt, auf der die Probleme Ostdeutschlands schon seit Jahren nur noch ganz am Schluss unter „Sonstiges“ vorkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eine derartige Haltung können wir uns nicht länger leisten.

    Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Sachsen hat frühzeitig darauf hingewiesen, welche Gefahren die Dienstleistungsfreiheit im Zuge der Osterweiterung der EU mit sich bringt. Wir haben klar gesehen, dass bei uns viele Arbeitsplätze gefährdet sind, weil die Lohnkosten in Polen und Tschechien 80 Prozent niedriger sind als in Sachsen. Es war von Anfang an klar, was passieren würde. Ich habe deshalb Lohnkostenzuschüsse vorgeschlagen, um die Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor konkurrenzfähig zu halten; denn die Alternative war und ist, dass die Beschäftigten in diesem Bereich arbeitslos werden oder bleiben.

    Man mag ja über diesen Vorschlag streiten, man kann aber nicht bestreiten, dass man etwas tun muss. Ich meine, die ökonomischen Wirkungen der Osterweiterung der EU auf Ostdeutschland und insbesondere die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte sind systematisch unterschätzt worden.Die vereinbarten Übergangsregelungen waren von Anfang an unzureichend.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Nun verlieren Fleischer nicht nur in Sachsen, sondern auch anderswo in Deutschland ihre Arbeit. Erst jetzt sind die Auswirkungen der Dienstleistungsfreiheit politisch ein Thema, und das eigentlich auch nur, weil auch Westdeutschland betroffen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)

   Die Menschen in Ostdeutschland erwarten von der Politik mehr. Sie wollen arbeiten und muten sich eine Menge zu, um Arbeit zu finden. Ich höre das immer wieder zum Beispiel von den Bürgern in meinem Wahlkreis Kamenz. Bei vielen klingelt der Wecker Montag um 4 Uhr, weil sie vier, fünf oder sechs Stunden mit dem Auto nach Bayern oder Baden-Württemberg zur Arbeit fahren müssen. Nach Hause kommen sie in der Regel erst am späten Freitagabend. Die Menschen muten sich und ihren Familien etwas zu, weil sie arbeiten wollen und weil sie den Sinn ihres Lebens nicht darin sehen, in der berühmten sozialen Hängematte zu liegen.

Doch mehr als 5 Millionen Menschen nützt selbst diese Flexibilität nichts. Für sie müssen wir etwas tun.

   Deswegen sage ich: Arbeit muss absolute Vorfahrt haben, wie es der Bundespräsident am Dienstag gesagt hat. Wir müssen den Menschen wieder bessere Chancen geben, Arbeit zu finden.

(Siegfried Scheffler (SPD): Das sagen wir alle!)

Die Maßnahmen sind bekannt. Ich will sie nicht wiederholen und auch den Streit nicht wieder neu entfachen. Aber eines ist ganz klar: Deutsche Luxusgesetze, die auf jede EU-Richtlinie noch draufsatteln, darf es nicht mehr geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich meine jetzt kein bestimmtes Gesetz,

(Lachen bei der SPD)

sondern ich meine die Summe der Gesetze.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Klar ist, dass nicht alles auf einmal verwirklicht werden kann. Deswegen schlage ich vor, dass die Reformen, die in Westdeutschland nicht durchsetzbar sind, zumindest in Ostdeutschland ausprobiert werden. Das wird es den unternehmerischen, erfinderischen und tüchtigen Menschen in Ostdeutschland zunächst erlauben, ihre Kräfte und Ideen auszuprobieren. Dann können wir schauen, was passiert, wenn man neue Wege beschreitet. Dann kann der Westen auch vom Osten lernen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Solche Öffnungs- und Experimentierklauseln sind eigentlich nichts Neues. Es gab bisher schon eine ganze Reihe solcher Sonderregelungen. Die bekannteste hört auf den etwas sperrigen Namen Bundesverkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kröning? – Nein.

Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident (Sachsen):

Dieses Gesetz hat es beispielsweise ermöglicht, den Flughafen Leipzig innerhalb von nur vier Jahren zu einem internationalen Flughafen auszubauen. In Stuttgart und München hat ein solches Projekt über 25 Jahre gedauert. Das war auch die Voraussetzung dafür, dass DHL sein neues europäisches Frachtkreuz am Flughafen Leipzig ansiedelt und 10 000 Arbeitsplätze schafft.

   Ein Gesetz, das so etwas möglich macht, meine Damen und Herren von den Grünen, darf nicht einfach auslaufen, wie es dieses Jahr geschehen soll.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vielmehr müssen wir es bis mindestens 2019 verlängern und am besten – ich habe nichts dagegen – auch auf Westdeutschland ausdehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Siegfried Scheffler (SPD): Machen wir doch auch!)

Deswegen freue ich mich über die Ankündigung des Bundeskanzlers, bis zum Sommer ein Planungsvereinfachungsgesetz vorzulegen. Das geht in die richtige Richtung. Aber im letzten Herbst sind Sie genau diesen Weg nicht mitgegangen. Sie haben unsere Anträge abgelehnt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Siegfried Scheffler (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

– Wir in Ostdeutschland haben immer verlangt, dieses Gesetz bis 2019 zu verlängern, aber es ist im Bundestag aufgrund der Grünen nur um ein Jahr verlängert worden. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, ich freue mich darüber, dass wir in diesem Punkt mittlerweile einer Meinung sind. Wir brauchen in ganz Deutschland viel mehr solcher Katalysatoren, die die bisher schwerfälligen Prozesse deutlich beschleunigen. Ich möchte sie in Ostdeutschland gerne ausprobieren, so wie wir es im Verkehrsbereich getan haben. Westdeutschland kann dann von unseren Erfahrungen profitieren, die bei diesem Gesetz offensichtlich so gut sind, dass der Bundeskanzler dieses Gesetz sogar auf die Stromleitungen anwenden will. Das könnte nach der friedlichen Revolution im Herbst 1989 Ostdeutschlands zweiter Beitrag zur deutschen Einheit sein: der erfolgreiche Umbau eines an seine Grenzen geratenen Wirtschafts- und Sozialsystems.

   In der politischen Auseinandersetzung wird gern der Eindruck erweckt, Deutschland sei ein zum Zwerg geschrumpfter Riese. Das ist falsch. Deutschland ist ein gefesselter Gulliver, dem man nur die Fesseln abnehmen muss. Wir Ostdeutschen wollen zeigen, dass Deutschland ein hervorragender Standort mit einem gewaltigen Potenzial ist. Wir alle wollen jene widerlegen, die Deutschland schlechtreden.

Denn das, was für Ostdeutschland gilt, gilt auch für Deutschland. Wir sind gut, gar keine Frage. Wir können besser sein und wir müssen besser sein.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Peter Hettlich, Bündnis 90/Die Grünen.

Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor 15 Jahren fanden die ersten und zugleich einzigen freien und geheimen Wahlen zur Volkskammer statt. Dieser Jahrestag ist Anlass, an die außerordentliche Leistung der 400 Abgeordneten zu erinnern, die in den darauf folgenden Monaten eine schier unmögliche Aufgabe zu bewältigen hatten. Ich weiß nicht genau, wie viele Gesetze, Verordnungen und Drucksachen in dieser kurzen Zeit erarbeitet wurden, aber ich weiß, dass dieses Parlament und seine Abgeordneten ihre Aufgaben sehr ernst genommen haben und sie oftmals an den Rand der physischen und psychischen Erschöpfung gegangen sind.

   Diese kurze, aber umso intensivere parlamentarische Phase endete mit dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990. Für einige endete damit auch ihre politische Karriere. Einige hatten sich den Parlamentarismus sicher anders vorgestellt. Einige von ihnen sind noch heute Mitglieder der Landesparlamente oder des Bundestages. Ich möchte mich bei diesen Kollegen und bei den Gästen stellvertretend für ihre 400 Kollegen des Jahres 1990 ausdrücklich für ihre hervorragende Arbeit bedanken. Sie haben in diesen wenigen Monaten ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte geschrieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Die seither vergangenen 15 Jahre wecken je nach persönlicher Biografie unterschiedliche Empfindungen und Gefühle. Es waren 15 Jahre voller erfüllter und gescheiterter Hoffnungen, es waren 15 Jahre voller Irrungen und Wirrungen. Wir sollten ehrlich sein: Keiner hatte damals eine Vorstellung davon, was auf uns zukommen würde, keiner hatte die Patentlösungen für die Probleme in der Schublade.

   Daran hat sich bis heute nichts geändert und daran wird sich auch nichts ändern. Der Aufbau Ost ist ein mühseliger und noch lange andauernder Prozess, in dem viele komplizierte Vorgänge parallel und zum Teil über Kreuz ablaufen. Für derartige Probleme gab und gibt es keine schnellen Lösungen, sondern nur eine Vielzahl von möglichen Lösungswegen, die einer permanenten kritischen Überprüfung unterliegen und je nach Erfolg fortgeführt oder auch verworfen werden müssen. Deshalb widerspreche ich Ihnen, Herr Ministerpräsident Milbradt, energisch: Es ist einfach zu billig,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wenn Sie glauben, dass Sie mit Ihrer Ablehnung zum Beispiel des ADG oder des Verkehrswegeplanungsbescheunigungsgesetzes die Probleme von Ostdeutschland auf einfache Art und Weise lösen könnten. Das nehme ich Ihnen nicht ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   So gesehen bleibt das Bild heute zwiespältig. Einerseits ist in den vergangenen 15 Jahren unglaublich viel erreicht worden, andererseits ist es uns nicht gelungen, die Hoffnungen von vielen Bürgern zu erfüllen. Es ist uns immer noch nicht gelungen, die Mauer in den Köpfen restlos zu beseitigen. Nach wie vor besteht für mich das drängendste Problem weiter fort: die hohe Arbeitslosigkeit. Für mich bleibt daher das Ziel, die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland anzustreben, absolut vorrangig. Dies können wir nur durch die Schaffung einer sich selbst tragenden und nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und durch die energische Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erreichen. Das muss weiterhin unser gemeinsames vordringliches Ziel bleiben. Dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   An dieser Stelle möchte ich deutlich machen – insofern muss ich meine früheren Aussagen teilweise korrigieren –: Ich kann Ihnen heute nicht versprechen, ob wir dieses Ziel bereits in den kommenden 15 Jahren erreichen werden. Wir stehen vor sehr harten und anstrengenden Jahren, die unsere ganze Kraft auf allen Ebenen fordern werden. Ich kann daher nur versprechen, dass ich meine Kraft dafür einsetzen werde, damit dieses Ziel möglichst schnell erreicht wird.

   Wir werden in den kommenden Jahren weiterhin auf die gesamtdeutsche Solidarität angewiesen sein. Der Solidarpakt II ist der Beweis dafür, dass es sich hierbei nicht um eine bloße Worthülse handelt.

(Beifall des Abg. Volker Kröning (SPD))

Wir werden sicherstellen, dass die zugesagten Mittel in Höhe von 156 Milliarden Euro in den kommenden 15 Jahren fließen werden. Dies betrifft sowohl die Korb-I- als auch die Korb-II-Mittel. Aber – das sei hier deutlich gesagt – ich erwarte auch, dass die Länder die Mittel entsprechend den gesetzlichen Vereinbarungen verwenden

(Klaus Brähmig (CDU/CSU): Das macht doch Sachsen!)

und die Debatten über Fehlverwendungen der Vergangenheit angehören werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Das ist unser Teil des Solidarvertrages. Das ist unsere Verpflichtung. Wir müssen in den nächsten Jahren den Beweis erbringen, dass wir Solidarität nicht als Einbahnstraße verstehen. Es geht mir nicht darum, die ostdeutschen Ministerpräsidenten anzuprangern. Einige zusätzliche Belastungen für die Länder wie zum Beispiel die Sonderrenten waren nicht vorhersehbar. Andere Probleme sind hausgemacht. Wir müssen kritisch erkennen, dass die strukturellen Haushaltsdefizite eine große, vielleicht sogar die größte Gefahr für den Aufbau Ost darstellen. Angesichts der degressiven Ausgestaltung des Korbes I des Solidarpakts, die ab den Jahren 2008/2009 beginnt, muss es uns in den kommenden vier bis fünf Jahren gelingen, die Länderhaushalte nachhaltig zu konsolidieren. Wie schwer das ist, können wir an den offensichtlich gescheiterten Bemühungen des Saarlandes und Bremens sehen. Daher meine ich, dass die Haushaltssanierung keine Frage des Wollens, sondern des Müssens ist.

   Mir ist bewusst, dass dies schwerwiegende Entscheidungen nach sich zieht und auch in Zukunft noch nach sich ziehen wird. Wir haben aber keine Alternative. Daher sage ich Ihnen auch an dieser Stelle unsere Unterstützung auf diesem schwierigen Weg zu.

   Der demographische Wandel läuft in Ostdeutschland schneller und dramatischer ab, als wir es uns vor 15 Jahren haben vorstellen können. Neben den niedrigen Geburtenraten ist es der negative Wanderungssaldo, der mich beunruhigt. Es geht dabei nicht so sehr um die quantitative als um die qualitative Dimension. Vor allem gut ausgebildete junge Menschen haben in den vergangenen 15 Jahren die ostdeutschen Bundesländer verlassen. Die Abwanderung hat für uns nicht nur zur Folge, dass wir Steuerzahler und Konsumenten verlieren, sondern wir verlieren auch gerade die Generation, auf der wir eigentlich die Zukunft Ostdeutschlands aufbauen wollten. Es sind unter anderem die Unternehmer und Unternehmerinnen von morgen, die uns heute verlassen. Man möchte beinahe sagen, dieser Braindrain in Ost-West-Richtung ist quasi unsere Gegenleistung für die West-Ost-Transferleistungen. Die westdeutschen Bundesländer werden jedenfalls noch auf Jahre hin davon profitieren.

   Wir müssen alles daran setzen, diesen Trend umzukehren. Angesichts einer Unternehmenslücke von rund 100 000 in Ostdeutschland liegt es auf der Hand, zum Beispiel hier konkret anzusetzen. Es gibt gut ausgebildete Menschen und eine hervorragende Forschungslandschaft in Ostdeutschland; wir produzieren viele innovative Geschäftsideen und Erfindungen. Dennoch gelingt es uns nicht, diese guten Voraussetzungen in ausreichendem Maße in erfolgreiche Unternehmungen umzusetzen und innovative Produkte zur Marktreife zu bringen.

   Der „Global Entrepreneurship Monitor 2004“ spricht von einem schlechten Gründerklima in Deutschland trotz eines hervorragenden Angebots an Förderprogrammen für Unternehmensgründungen. Zum einen liegt das an einem ungewöhnlich stark ausgeprägten Pessimismus, zum anderen an fehlenden unternehmerischen Kenntnissen und Grundfähigkeiten. Es ist zwar richtig, dass nicht jeder zum Unternehmer geboren ist, aber wir können es uns auch nicht erlauben, diejenigen gehen zu lassen, die über Unternehmereigenschaften verfügen. Ich begrüße ausdrücklich, dass es positive Bestrebungen seitens der Länder gibt, hier mit entsprechenden Ergänzungsstudiengängen und Coachingprogrammen anzusetzen. Aber auch wir sollten unsere Anstrengungen verstärken; denn in der Schaffung neuer Unternehmen liegt mit ein Schlüssel zur Zukunft Ostdeutschlands.

   In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals für ein Herzensanliegen meinerseits werben. Wir müssen dringend die Finanzierungsmöglichkeiten für die kleinen und mittelständischen Unternehmen verbessern, und zwar nicht nur in Ostdeutschland, sondern bundesweit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dies betrifft gleichermaßen die Neugründungen als auch die bestehenden Betriebe. Ich erfahre oft – viel zu oft – von Unternehmern über ihre Kämpfe und Mühen auf verschiedenen Ebenen, wenn Kreditanträge entweder an den Hausbanken, fehlenden Sicherheiten oder an allen möglichen und unmöglichen Hürden scheitern. Bundeskanzler Schröder hat gestern nochmals deutlich gemacht, dass uns die Sorgen und Nöte der kleinen und mittelständischen Unternehmen besonders am Herzen liegen. Aber wie können diese Unternehmen an die zinsgünstigen Darlehen der Mittelstandsbank kommen, wenn die Hausbanken oftmals ihrer Verantwortung nicht gerecht werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich will die Hausbanken nicht pauschal kritisieren; denn einerseits gibt es auch Defizite bezüglich der Qualität der eingereichten Kreditunterlagen und andererseits gibt es in Ostdeutschland kaum noch Möglichkeiten einer klassischen Besicherung der Kredite zum Beispiel über die Betriebsimmobilie. Die Verkehrswerte der Immobilien sind in vielen Fällen – selbst bei Neubauten – nur noch virtueller Art. 60 bis 80 Prozent aller Finanzierungsanträge scheitern daher an fehlenden Sicherheiten. Es kann andererseits auch nicht sein, dass dann die Landesbürgschaftsbanken die ganze Verantwortung übernehmen müssen. Es stimmt etwas nicht mehr im System, wenn in einer Marktwirtschaft das Risiko zu 80 Prozent auf den Staat abgewälzt wird.

   Ich habe in vielen Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass es hier einen gordischen Knoten zu durchschlagen gilt. Je eher wir das tun, desto eher können auch hier Bremsen gelöst und kann zu einer Belebung und Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen werden. Das wäre gut und wichtig – auch für Ostdeutschland.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Joachim Günther, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Joachim Günther (Plauen) (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor 15 Jahren fanden die ersten freien Volkskammerwahlen statt. Herr Thierse, Sie haben sehr gut an dieses Ereignis erinnert. Es war ein historischer Moment. Erstmals konnten die Menschen frei wählen. Viele der Kandidaten standen am Abend dieses Tages vor der völlig neuen Situation, dass sie der ersten frei gewählten Volksvertretung angehörten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Einige dieser Kollegen sind heute hier. Ihnen gilt mein besonderer Gruß; denn sie waren ein sehr besonderes Parlament. Sie waren das einzige Parlament, das – zumindest mehrheitlich – von Anfang an darauf hingearbeitet hat, sich selbst aufzulösen. Sie haben damals den Wählerauftrag ernst genommen, den Weg zur deutschen Einheit zu gehen. Sie haben das am 3. Oktober 1990 auch besiegelt. Welch große Leistung, wenn ich an gestern Abend denke!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Heute, 15 Jahre später, diskutieren wir darüber, wie der Aufbau Ost weiter vorangebracht und ein weiteres Ausbluten der Bevölkerung in Ostdeutschland verhindert werden kann. Man muss ganz ehrlich sagen: Ganz so kompliziert haben wir uns das vor 15 Jahren nicht vorgestellt. Wie man so schön sagt: Leider ist der Mensch hinterher immer klüger.

(Zuruf von der SPD: Nicht leider, sondern Gott sei Dank!)

Ich sage aus heutiger Sicht: Hätten wir damals ein Niedrigsteuergebiet Ost durchgesetzt, wäre uns manche Milliarde für Programme und Transmissionen erspart geblieben und wären manche Arbeitsplätze erst gar nicht abgebaut worden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Heute müssen wir uns mit der Realität herumschlagen: Arbeitslosenquote bei 20 Prozent, Bevölkerungsabwanderung und Wohnungsleerstand in einer Dimension, die sich vorher niemand so richtig vorstellen konnte. In Berlin gibt es das politische Szenario, dass zwar jeder weiß, dass Kurskorrekturen sofort vorgenommen werden sollten, dass aber der Bundeskanzler scheinbar erst ein Treffen mit der Union braucht, um der eigenen Fraktion zu sagen: Genossen, ich werde von der Opposition erpresst; nun geht doch endlich einmal einen Schritt weiter.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es gibt viele Probleme, die zur Diskussion stehen. Wenn wir ehrlich sind, haben wir doch für viele Probleme eine Lösung. Bloß: Der Mut, Lösungen durchzusetzen, fehlt an der einen oder anderen Stelle.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen aus den Parteischützengräben heraus, egal auf welcher Seite. Wir müssen schnell zu Kompromissen kommen. Die Bevölkerung wartet darauf.

   Allein die Diskussion im vergangenen Jahr – wenn ich daran erinnern darf –, den Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit abzusetzen, hat gezeigt, dass sich einige über den Ernst der Situation gar nicht im Klaren waren. Die Chefsache Ost von der Tagesordnung zu nehmen ist Gott sei Dank selbst bei Ihnen nicht durchsetzbar gewesen. Der Bericht wird bis 2008 fortgeschrieben. Trotzdem habe ich den Chef bis heute nicht richtig auf den Tisch hauen hören, wenn es um den Aufbau Ost geht. Das ist das Problem.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wo ist denn sein Machtwort, wenn es zum Beispiel um die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen geht, was selbst von Ihren Experten gefordert wird? Wo ist denn sein Machtwort, wenn aufgrund der Entsenderichtlinie oder der Dienstleistungsrichtlinie Tausende deutsche Arbeitsplätze verloren gehen und deutsche durch billige osteuropäische Arbeitnehmer ersetzt werden? Gestern hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angekündigt, dass sich hier etwas ändern muss. Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen nur sagen: Schicken Sie Ihren Außenminister und Ihren Sozialminister nach Brüssel, um andere Lösungen herbeizuführen. Dann kann sich Herr Fischer endlich einmal um deutsche Arbeitsplätze kümmern und braucht sich nicht mit Visaangelegenheiten zu beschäftigen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Die FDP-Fraktion und auch die Unionsfraktion haben in ihren Anträgen klare Vorschläge für den Aufbau Ost gemacht: Senkung der Steuer- und Abgabenlast sowie Modellregionen für Bürokratieabbau. Herr Milbradt, Sie haben zwar viele ostdeutsche Beispiele genannt. Aber wir müssen in Ostdeutschland – auch in Sachsen – den Mut haben, dort, wo wir etwas regeln können, schnell zu Änderungen zu kommen. Ich nenne als Beispiele nur Sonntagswaschanlagen und Öffnungszeiten. In Landesangelegenheiten sollten die Länder entschieden. Alles andere sollte der Bund sofort regeln.

(Beifall bei der FDP)

   Wir brauchen befristete Steuerregelungen im grenznahen Gebiet. Wir brauchen weiterhin die Ziel-1-Gebiet-Förderung der EU für Ostdeutschland. Darüber gibt es keine Diskussionen. Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass der Tankstellentourismus für Steuerausfälle in Milliardenhöhe bei uns sorgt. Auch hierfür gibt es Lösungsvorschläge, zum Beispiel die Einführung einer Chipkarte. Das Beste wäre natürlich, wenn die Ökosteuer abgeschafft würde; wir wissen das. Aber niemand würde das umsetzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Meines Erachtens können wir bei all diesen Punkten durch schnelle Impulse ein Ergebnis erreichen. Wir brauchen in unserem Land Zuversicht. Es geht darum, dass unser Land gestaltet und nicht verwaltet wird. Das haben die Volkskammerabgeordneten vor 15 Jahren mit ihrer Arbeit eigentlich in Angriff genommen. Sie sind damals für Freiheit, soziale Marktwirtschaft und ein Ende des Spitzelstaates eingetreten.

   Ich sehe hier einige Kollegen von damals und erinnere mich, wie sie für diese Position gekämpft haben. Mein Blick fällt gerade auf Werner Schulz; er war wirklich einer der Eifrigsten. Ich frage mich, wie diese Kollegen mittragen können, dass in einem Ministerium darüber diskutiert wird, dass in Deutschland ein Jahr lang Telefonüberwachung stattfindet. Wie kann es sein, dass sich der Fiskus oder Sozialorgane Einsicht in die Kontenstände aller Bürger verschaffen können? Das war nicht die Freiheit, die sie 1989 gemeint haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir leben heute in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Wir können heute unsere Stimme erheben und wir werden sie erheben. Herr Schulz, Sie müssen sich wirklich fragen, ob Sie Bündnis 90 nicht neu gründen sollten. Das wäre eine angemessene Reaktion auf die jetzige Situation. Wir werden weiter für die Freiheitsideale in unserem Staat kämpfen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute abschließend über den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit und den Aufbau Ost. Dazu liegen mehrere Anträge der Koalition, der FDP und der Opposition zur Rechten vor.

   Die PDS im Bundestag sieht die Debatte heute im Kontext mit der Generalaussprache gestern und mit dem Jobgipfel im Anschluss im Kanzleramt. Deshalb haben wir bereits gestern aufmerksam gelauscht, was die Spitzen von RotGrün und die Spitzen der CDU/CSU zur besonderen Lage in den neuen Bundesländern beisteuern.

(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Lauschen können Sie ja! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

– Sie müssen sich gar nicht aufregen. – Mit Verlaub, das war gestern einfach nichts zum Thema Ostdeutschland.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Sie kennen meine These: Vieles, was bundesweit im Argen liegt, wirkt im Osten besonders zugespitzt. Vieles, was im Osten heute kriselt, erreicht morgen die gesamte Republik. Gerade deshalb muss es ein besonderes und gesamtdeutsches Interesse sein, die Probleme Ost positiv zu wenden. Davon sind wir – bei allen sichtbaren Fortschritten – in der Substanz meilenweit entfernt. Sie gießen mit Strategien, die im Westen schaden und im Osten Gift sind, zusätzlich Öl ins Feuer.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Die Agenda 2010 und Hartz IV gehören dazu.

   Ich möchte Ihnen das an drei Generalproblemen illustrieren:

   Wir haben bundesweit eine Massenarbeitslosigkeit von deutlich über 5 Millionen. Relativ ist die Arbeitslosigkeit Ost mehr als doppelt so hoch wie die Arbeitslosigkeit West. Trotzdem haben Sie Hartz IV verordnet. Dabei wissen alle: Hartz IV schafft keine Arbeitsplätze. Im Gegenteil; weitere Unternehmen und Arbeitsplätze werden dadurch gefährdet.

(Zuruf von der SPD: Unsinn!)

   Wir haben ein demographisches Problem. Sie versuchen aber nicht, das Problem zu lösen. Sie versuchen lediglich, die Kosten des Problems umzuverteilen. Auch hier gilt – ich zitiere aus einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ –: Der demographische Wandel findet überall in Deutschland statt, als Katastrophe aber nur im Osten.

   Deutschland ist Exportweltmeister. Zugleich krankt der Binnenmarkt. Das wissen alle und das spüren alle strukturschwachen Regionen. Der Osten aber spürt das flächendeckend. Trotzdem forcieren Sie eine Politik, die den Binnenmarkt schwächt, anstatt die noch ansässigen Unternehmen zu stärken.

   Ich fasse für die PDS zusammen: Wir brauchen endlich eine aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Wir brauchen gezielte Anreize gegen das Ausdörren ganzer Regionen. Wir brauchen eine Steuerpolitik, die den Kommunen etwas gibt und sie stärkt. Was wir allerdings nicht brauchen, Herr Ministerpräsident, sind Strategien, die den Osten und seine Menschen zum Testballon für Sozialabbau und zum Billiglohnland machen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kurzum: Wir brauchen hier kein „Weiter so“, sondern mit Blick auf den Osten und die gesamte Republik eine politische Wende.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Manfred Stolpe.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund (CDU/CSU): Jetzt geht’s los!)

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich grüße mit Respekt und Dankbarkeit die Mitglieder der ersten freien Volkskammer auf der Tribüne, aber auch hier im Saal. Wir haben ihnen allen viel zu verdanken.

(Beifall bei allen Fraktionen)

   Eindrucksvoll hat Wolfgang Thierse den Weg der Ostdeutschen in die Demokratie beschrieben. Das war nicht selbstverständlich. Wir sollten bei allem Zorn über einige Unbelehrbare doch dankbar feststellen: Die große Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland steht zum freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat. Das ist eine sichere gemeinsame Basis in Deutschland.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann (FDP))

   Auch in der Infrastruktur Ostdeutschlands gibt es seither eindrucksvolle Veränderungen. Man erkennt das Land nicht wieder – seien wir doch ehrlich! Wir werden zum 3. Oktober dieses Jahres eine Ausstellung über Städte in Ostdeutschland im Vergleich zwischen 1990 und 2005 vorbereiten. Da wird zu sehen und zu begreifen sein, wie sich dieses Land verändert hat,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wie westdeutsche Solidarität und ostdeutscher Aufbauwille ein schönes Stück Deutschland wiedergeboren haben. Görlitz, Dresden, Erfurt, Quedlinburg, Wismar und Stralsund, Potsdam und Weimar – das ist deutsches Weltkulturerbe, auf das wir alle gemeinsam stolz sein können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann (FDP))

   Auch in Industrie und Landwirtschaft wurde Erstaunliches geleistet. Mikroelektronik, Optronik, Automobilfabrikation, Flugzeugtriebwerkhersteller aus Ostdeutschland behaupten sich weltweit. Eine leistungsstarke Chemieindustrie, eine moderne Energiewirtschaft und große Raffinerien – das sind einige Beispiele für den wirtschaftlichen Fortschritt.

   Auch die Wissenschaft ist vorbildlich. Ich freue mich, dass Dresden gegen eine Konkurrenz aus ganz Deutschland „Stadt der Wissenschaft“ geworden ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Spätestens jetzt wird der Einwand kommen, das sei Schönfärberei.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Bis jetzt noch nicht! Es ist ja auch noch nichts Falsches dabei!)

Nein, es ist keine Schönfärberei, aber es ist auch nur die halbe Wahrheit. Denn der Transformationsprozess vom Plan zum Markt und der Globalisierungsdruck mit Rationalisierung, Modernisierung und Stellenabbau haben Ostdeutschland eine verheerende Massenarbeitslosigkeit gebracht. Das ist unsere Hauptsorge. Unser Handeln muss sich daran messen lassen, was wir dagegen tun. Es ist gut, dass wir in diesen Tagen über Arbeit in Deutschland sprechen – heute die größte Herausforderung für unser ganzes Land. Es ist eine gute Entscheidung des Bundeskanzlers gewesen, dass nun ältere Langzeitarbeitslose in großem Umfang in Beschäftigung gebracht werden können. 50 000 zusätzliche Arbeitsplätze bieten Perspektiven und sinnvolle Tätigkeiten für eine Generation, die von vielen schon abgeschrieben wurde. Auch die größere Flexibilität bei der Befristung solcher Tätigkeiten ist so etwas wie Lebenshilfe. Es ist ferner gut, dass auch für alle unter 25-Jährigen Tätigkeiten angeboten werden können.

   Für die Jugend und die wirtschaftliche Zukunft Ostdeutschlands brauchen wir konkrete Maßnahmen, die Arbeit schaffen und Entwicklung ermöglichen. Deshalb bauen wir die nötigen Verkehrswege weiter. Die Flughäfen Leipzig und Schönefeld sind Wachstumsmotoren;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wichtige Autobahnen und Schienenwege können zügig gebaut oder weitergebaut werden. Auch das hat der gestrige Tag gebracht. Das betrifft die A 4, die A 14, die A 72 und zum Beispiel auch die Schienenverbindung von Berlin nach Rostock.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das schafft die nötigen Verbindungen und das schafft immer auch Arbeitsplätze; denn die Faustregel gilt: 1 Milliarde für Infrastrukturinvestitionen machen rund 28 000 Arbeitsplätze aus.

   Die Stadtumbaumaßnahmen werden fortgesetzt,

(Siegfried Scheffler (SPD): Sehr gut!)

inzwischen auch in westdeutschen Problemstädten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Gebäudesanierungsprogramm 2006/2007 wird 120 000 Arbeitsplätze sichern bzw. neu schaffen. Den mittelständischen Unternehmen kann durch die neuen Regierungsentscheidungen spürbar geholfen werden. Da wird es wichtig sein, dass wir bei der Umsetzung dieser Grundsatzentscheidung dabei sind.

(Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Wo ist denn Bundeskanzler Schröder?)

Zuschüsse bei Neuinvestitionen werden weiterhin gewährt. Das alles schafft Arbeit. Genau das brauchen wir vor allem.

   In den nächsten Jahren wird es sehr darauf ankommen, Unternehmen in Ostdeutschland zu stärken und die Investitionsbereitschaft anzukurbeln. Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und die Investitionszulage spielen hier eine wichtige Rolle.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung wird dies bei der Aufstellung des Bundeshaushalts berücksichtigen.

   Wichtig ist es auch, Forschung und Entwicklung weiter gezielt zu fördern. Hier haben die ostdeutschen Länder noch einen großen Nachholbedarf. Die Entwicklung neuer innovativer Produkte und Produktionsverfahren ist eben der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die ostdeutschen Unternehmen haben große Chancen, sich dauerhaft im nationalen und internationalen Wettbewerb zu behaupten, wenn sie dynamisch auf neue Marktentwicklungen reagieren können.

   Meine Damen und Herren, all das kostet Geld. Der Bund wird seine Zusage zum Korb II im Rahmen des Solidarpaktes einhalten und überproportional Mittel bereitstellen: bis 2019 insgesamt 51 Milliarden Euro. In den ersten Jahren der Laufzeit des Solidarpaktes II werden es jährlich mehr als 5 Milliarden Euro sein. Wir müssen diese Mittel effizient nutzen und gezielt dort einsetzen, wo sie das meiste Wachstum und den größten Beschäftigungszuwachs bringen. Was kann eigentlich ernsthafter den bundespolitischen Willen bekunden als solche unverrückbaren Finanzgarantien, die der Bund in diesem Zusammenhang abgegeben hat?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unterstreicht nach meinem Eindruck die Ernsthaftigkeit, mit der man sich dem Aufbau Ost widmet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, vor einem Jahr ist die Debatte über eine Neujustierung der Förderpolitik in Gang gebracht worden; Ministerpräsident Milbradt hat darauf hingewiesen. Auch von unserer Seite wurden damals Vorschläge für eine Neujustierung unterbreitet. Unter dem Motto „Stärken stärken, Potenziale nutzen“ haben wir darüber mit Fachleuten, Wissenschaftsinstituten und einer breiten Öffentlichkeit gesprochen. Das Thema ist wieder lebendig geworden; der Widerspruch hat dazu beigetragen.

(Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Lebendiger als Sie zumindest!)

   Es ist auch deutlich geworden: Wir sind gefordert, die unterschiedliche Entwicklung, die sich in Ostdeutschland zeigt, zu berücksichtigen. Tatsache ist nämlich: In den vergangenen Jahren entstanden an zahlreichen Standorten leistungsfähige Zentren mit zukunftsfähigen Industrien. Diese Zentren stellen Ausgangspunkte für das wirtschaftliche Erstarken ganzer Regionen dar. Motor dieser positiven Entwicklung ist das verarbeitende Gewerbe, das robuste Zuwachsraten aufweist. Die Strategie, diese Zentren zu fördern, macht Sinn. Ich will Ihnen aber auch offen sagen, dass ich gewisse Skepsis hegte, ob diese Strategie nicht am Ende zulasten von Randregionen gehen würde. Es kommt deshalb nach meiner Überzeugung auf den richtigen Mix an: Schwerpunktsetzungen ja, aber Verlierer darf es nicht geben. Auch das muss ein Ziel unserer Politik sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund (CDU/CSU): Das ist so ein krudes Zeug!)

So wollen wir beharrlich und in konkreten Einzelschritten vorgehen, ohne auf angebliche Wundermedizin zurückzugreifen oder diesen Weg als Königsweg zu verkaufen.

   Ich bin froh, dass wir uns mit den ostdeutschen Ländern grundsätzlich verständigt haben. Wir wollen mithilfe des Solidarpaktes zukunftsfähige Strukturen aufbauen, damit die ostdeutschen Länder ab 2020 auf eigenen Füßen stehen können. Diesem Ziel fühlen wir uns verpflichtet. Da stehen wir auch in der Verantwortung aufgrund der vom Westen geleisteten Solidarzahlungen.

   Meine Damen und Herren, wir haben erst Halbzeit beim Aufbau Ost, aber wir werden unsere Ziele erreichen; denn die politischen Grundlagen sind gelegt, starke Wirtschaftskerne wachsen heran, die Solidarität West steht und die Menschen im Osten arbeiten mit großer Ausdauer und der Bereitschaft zu hoher Flexibilität für diesen Erfolg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund (CDU/CSU): Ihr von der SPD seid mit sehr wenig zufrieden!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Werner Kuhn, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist angemessen, heute, nach 15 Jahren, des 18. März 1990 zu gedenken. Damals konnten wir die ersten freien Wahlen nach 58 Jahren Diktatur in Ostdeutschland durchführen. Ich bedanke mich herzlich bei all denen, die sich damals zur Verfügung gestellt haben, die den Aufbau Ost sozusagen in der Volkskammer eingeleitet und in Angriff genommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich hatte damals die große Ehre, zu den Kommunalwahlen am 6. Mai anzutreten. Auch dort war Engagement gefragt. Wir kamen sozusagen aus grauer Städte Mauern,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

aus dem real existierenden Sozialismus in eine neue Zukunft. Wir wussten genau, dass die freiheitliche Demokratie nicht nur Zuckerschlecken ist, dass uns die Marktwirtschaft nicht in den Schoß fällt und dass wir einen steinigen Weg zu gehen haben. Aber wir haben die Aufgaben in der christlich-liberalen Regierung unter Führung von Helmut Kohl mit unserer christlichen Überzeugung in Angriff genommen und ich denke, wir haben die Weichen richtig gestellt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn ich konstatieren muss, dass in der gestrigen Regierungserklärung des Bundeskanzlers nicht ein einziges Wort über den Aufbau Ost zu hören war,

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Unglaublich!)

kein einziges Wort zu dem historischen Datum, das wir heute haben, kein Wort zur wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland, dann kann ich verstehen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern von dieser Bundesregierung verlassen fühlen; denn von der „Chefsache Aufbau Ost“ ist nichts mehr zu spüren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Siegfried Scheffler (SPD): Protokoll nachlesen!)

   Sicher sind die Ankündigungen des Bundeskanzlers sehr interessant gewesen:

(Siegfried Scheffler (SPD): Wie kann man so schamlos die Unwahrheit sagen?)

die Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent zu senken; die Personengesellschaften – das sind ja gerade die kleinen Unternehmen, die es in Ostdeutschland häufig gibt – durch die bessere Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer wettbewerbsfähiger zu machen, damit sie mehr Eigenkapital in ihren Unternehmen halten können; die Veränderungen bei der Erbschaftsteuer. Das sind sicher wichtige Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort Gesamtdeutschland.

   Aber wichtiger ist, dass wir – das gilt besonders für Ostdeutschland – die Auftragsdecke für die Unternehmen insgesamt wieder verbessern. Wir müssen diejenigen, die Aufträge schaffen können, in die entsprechende finanzielle Lage versetzen. Dazu gehören die öffentliche Hand, die Kommunen, die Landkreise, die einen Nachholebedarf haben. Herr Minister Stolpe, in Ihrer Rede hat gefehlt, wie wir mit den Verabredungen des Vermittlungsausschusses umgehen wollen, zum Beispiel dass bei Einführung des Arbeitslosengeldes II ein Kaufkraftausgleich erfolgt, weil in Ostdeutschland traditionell sehr viele Arbeitslosenhilfeempfänger von der Hilfe des Bundes abhängig waren. Dieser Kaufkraftausgleich sollte in einer Größenordnung von 1 Milliarde Euro erfolgen. Nichts davon haben wir bis jetzt gespürt. Legen Sie endlich ein kommunales Investitionsprogramm auf aus den Mitteln, die die Gemeinden an Sozialhilfezahlungen gespart haben und mit 50-prozentiger Ergänzung durch den Bund. Dann könnten wir auch den Jobmotor in Ostdeutschland wieder in Gang setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Siegfried Scheffler (SPD): Setzen Sie sich dafür ein!)

   Wir befinden uns – auch dazu ist gestern in der Debatte kein einziges Wort vom Bundeskanzler gekommen – in einer sehr schwierigen Situation, was die Binnennachfrage betrifft. Wir haben sehr hohe Spareinlagen; das können Sie nachlesen, Herr Kollege Scheffler. Das sagen Ihnen auch alle Wirtschaftsforschungsinstitute: Die Binnennachfrage ist zurückhaltend, weil nicht klar ist, was die Bürgerinnen und Bürger in der Zukunft an privater Altersvorsorge

(Siegfried Scheffler (SPD): Sie tragen doch zur Verunsicherung bei! Ihre Fraktion macht nur Schwarzmalerei!)

oder für ihre Krankenversicherung tatsächlich zu zahlen haben werden. Wo ist denn Ihre Bürgerversicherung? Legen Sie doch endlich einmal die Karten auf den Tisch, damit wir Bescheid wissen, was in Zukunft an privater Vorsorge zu erwarten ist! Dann wird sich auch, gerade in Ostdeutschland, die Binnennachfrage wieder verbessern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Siegfried Scheffler (SPD): Ihre Partei redet doch alles nur schlecht, jeden Tag!)

   Es besteht in den Kommunen ein Bedarf an Aufträgen für die Renovierung von Schulen und Kitas sowie dem Bau von Straßen. Die Handwerksmeister fragen die Bürgermeister, wann sie endlich mit solchen Aufträgen rechnen können. Damit könnten sich die Firmen über Wasser halten und die Beschäftigten aus der Region ihre Arbeitsplätze behalten. Damit könnte auch verhindert werden – das hat schon der Kollege Günther erwähnt –, dass der Abwanderungsdruck größer wird und Ostdeutschland einen Braindrain erlebt, den wir überhaupt nicht verkraften können.

   Wir wollen die Stellen in den Industrieclustern und in den hoch entwickelten Industriezentren mit qualifizierten Mitarbeitern aus den eigenen Reihen besetzen. Aber die Menschen haben das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der Regierung verloren und wandern in Scharen ab. Die „Ostsee-Zeitung“ aus Mecklenburg-Vorpommern schrieb, dass die jungen Menschen dem Küstenland den Rücken kehren. So kann es nicht weitergehen. Hier müssen durchgreifende Maßnahmen in Angriff genommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf des Abg. Detlef Dzembritzki (SPD): Jetzt ist mir klar, warum Sie in der Kommunalpolitik nicht bleiben konnten!)

   Es geht auch um die Bestandspflege der Betriebe, die nach einem sehr schwierigen Wettbewerb in den letzten 15 Jahren jetzt noch am Markt sind. Man muss natürlich einmal fragen: Wo sind die Instrumente der Förderung, um die Eigenkapitalausstattung zu verbessern? Die Kreditanstalt für Wiederaufbau soll sich besonders im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen engagieren.

(Zurufe von der SPD)

Wo sind denn die Hilfen und die Instrumente, die angekündigt worden sind? Ich habe hier schon immer Mezzanine Kredite mit einer Haftungsfreistellung für die Hausbanken gefordert. Wo sind letztendlich die Aktivitäten, die Sie angekündigt haben, damit gerade kleine und mittelständische Unternehmen in Ostdeutschland besser Fuß fassen können?

   Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt Maßnahmen, die kein Geld kosten. Schaffen Sie endlich die Ich-AGs und die Jobfloater ab! Mit den Ich-AGs machen Sie dem Handwerk Konkurrenz; das ist ein Verdrängungswettbewerb. Am Ende müssen die Beschäftigten beider Gruppen zum Arbeitsamt. Das ist die Konsequenz, die Sie nicht verstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Angeber!)

   Ich möchte herausstellen, welch hervorragende Arbeit wir in den neuen Bundesländern geleistet haben.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Der Ministerpräsident von Sachsen, Herr Milbradt, hat in seiner Rede ganz klare Vorgaben formuliert. Wir sollten nicht im Verdrängungswettbewerb, sondern in der Entwicklung von neuen Produkten und in der Förderung von Forschung und Entwicklung unser Heil suchen.

(Unruhe bei der SPD)

Wir sollten aber nicht nur die Universitäten fit machen, dass sie mit der Industrie zusammenarbeiten können. Wir sollten auch die außeruniversitäre Forschung – beispielsweise in den Leibniz-Instituten und in den Max-Planck-Instituten – unterstützen. Aber diesbezüglich ist nur eine große Entflechtungsdebatte im Gange. Das hat aber nichts mit Bürokratieabbau zu tun. Die Finanzierung dieser außeruniversitären Forschung in Ostdeutschland soll auf die Länder übertragen werden, die eh schon keine Luft mehr zum Atmen haben und die das finanziell gar nicht leisten können.

(Unruhe bei der SPD)

Ich fordere Sie auf: Geben Sie der außeruniversitären Forschung eine Chance, damit sie bei der Schaffung von Industrieclustern ihren Beitrag leisten kann.

(Siegfried Scheffler (SPD): Beim dem Quatsch muss man Schmerzensgeld kriegen! Das ist unglaublich!)

   Ich meine nicht, dass man den Aufbau Ost – das war Ihr Kritikpunkt, Herr Scheffler – nur mit Schmerzensgeld ertragen kann. Unser Bundestagspräsident, Herr Thierse, hat heute in seiner Rede darauf aufmerksam gemacht, woher wir eigentlich gekommen sind.

(Siegfried Scheffler (SPD): Herr Milbradt hat gesagt, dass alles erfolgreich aufgebaut ist!)

Wir stimmen darin überein, dass wir aus einer planwirtschaftlichen Kommandowirtschaft und aus der Unfreiheit – bei den manipulierten Wahlen konnten wir die Wahlzettel nur zusammenfalten und in eine Urne stecken – gekommen sind.

   Wir müssen die freiheitliche Demokratie schützen. Ich sage dem Herrn Bundeskanzler – er ist heute bei dieser Debatte nicht anwesend –: Schaffen Sie endlich wieder politisches Vertrauen gerade in den neuen Bundesländern! Unterbinden Sie den unglaublichen Machtpoker Ihrer Partei in Kiel!

(Beifall der Abg. Vera Lengsfeld (CDU/CSU))

Seien Sie ein standhafter Verlierer! Wir sind 1989/90 auf die Straße gegangen mit dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus“.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)

Wir werden es nicht zulassen, dass das Vertrauen in die freiheitliche Demokratie durch Ihre falsche Politik – ganz besonders in Ostdeutschland – weiter beschädigt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf Drucksache 15/4706. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/3201 mit dem Titel „Nachhaltiges Wachstum in Ostdeutschland sichern“ in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.

   Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/3047 mit dem Titel „Ostdeutschland eine Zukunft geben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und Enthaltung der FDP angenommen.

   Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/3202 mit dem Titel „Ostdeutschland als Speerspitze des Wandels – Leitlinien eines Gesamtkonzepts für die neuen Länder“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der CDU/CSU angenommen.

   Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung in Kenntnis des „Jahresberichts der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2004“ auf Drucksache 15/3796 die Ablehnung des gemeinsamen Entschließungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 15/4163. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a bis 17 c sowie Zusatzpunkt 4 auf:

17. a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Wolfgang Götzer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der DNA-Analyse zu Zwecken des Strafverfahrens

– Drucksache 15/4926 –

Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss (f)InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung

b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Richtervorbehalts für die DNA-Analyse anonymer Spuren

– Drucksache 15/4136 –

(Erste Beratung 148. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 15/5130 –

Berichterstattung:Abgeordnete Christine Lambrecht Joachim Stünker Dr. Jürgen Gehb Jerzy Montag Jörg van Essen

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Verbrechen wirksam bekämpfen – Genetischen Fingerabdruck konsequent nutzen

– Drucksachen 15/2159, 15/5130 –

Berichterstattung:Abgeordnete Christine Lambrecht Joachim Stünker Dr. Jürgen Gehb Jerzy Montag Jörg van Essen

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van Essen, Gisela Piltz, Rainer Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

DNA-Reihentests auf sichere Rechtsgrundlage stellen

– Drucksache 15/4695 –

Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss (f)Innenausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich würde gerne die Aussprache eröffnen und bitte die Kolleginnen und Kollegen, ihre Gespräche außerhalb des Saales weiterzuführen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Gehb, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem rhetorischen Feuerwerk, das soeben Bundesminister Stolpe abgebrannt hat, traut sich jemand wie ich kaum ans Rednerpult. Wenn der Aufbau Ost mit einer solchen Leidenschaft und einem solchen Tempo betrieben wird, dann muss einem nicht bange sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Desoxyribonukleinsäure – oder auf Englisch: desoxyribonucleid acid“ – ist die zungenbrecherische Langversion der Abkürzung DNS oder DNA. Dahinter verbirgt sich eine Trägersubstanz, bei deren Analyse man Erbinformationen, Anlagen, Charaktereigenschaften und versteckte Krankheiten erkennen kann.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD) – Jörg Tauss (SPD): In Lexika gelesen!)

– Herr Tauss, der intelligenteste Abgeordnete in diesem Haus!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): So eine Ironie versteht er nicht!)

   Das ist der Trägerstoff, bei dem man, wie ich eben gesagt habe, diese Merkmale durch eine so genannte genmolekularische Untersuchung feststellen kann. Aber es geht nicht nur um diese; denn man kann es auch bei den so genannten codierten Merkmalen belassen, man kann nämlich auch nur feststellen, ob eine bestimmte Referenzmenge an Speichel, Blut, Sperma, Haaren oder Hautpartikeln mit der DNA desjenigen, von dem sie stammen soll, identisch ist.

   Nun ist das nicht nur ein Quantensprung in der Wissenschaft, sondern auch geradezu ein Glücksfall für die Verbrechensbekämpfung. Das wissen nicht nur wir; das weiß die Ministerin, das weiß die SPD, ja das weiß sogar die Fraktion der Grünen.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was?)

Umso unverständlicher ist es mir, dass Sie all das, was dazu von uns vorgelegt wird, schlichtweg ablehnen.

Wir haben also heute in zweiter und dritter Lesung die Frage zu beantworten, ob wir bei einer anonymen Untersuchung solcher Körperzellen den Richtervorbehalt aufheben sollen oder nicht. Sagen Sie einmal, meine Damen und Herren: Was soll eigentlich einem Richter vorbehalten bleiben, wenn man in einer weiblichen Leiche Spermaspuren findet? Man kennt den Täter nicht; das ist eine rein anonyme Untersuchung. Was bleibt dem Richter, dem man die Entscheidung vorbehält, eigentlich zu entscheiden? Das würde mich wirklich einmal interessieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das würde mich auch interessieren, Herr Kollege!)

Aber Sie werden es natürlich ablehnen.

   Mein Kollege Röttgen hat in seiner Rede zu diesem Thema vor wenigen Wochen gesagt: Redet nicht so viel! Handelt lieber! Aber das Nichthandeln ist ja geradezu Koalitionsräson geworden. Sie erschöpfen sich in Interviews, Interviews, Interviews. Auch Sie, verehrte Frau Ministerin, haben in der letzten Woche vieles – wie den verbreiteten Einsatz der DNS-Analyse – angekündigt. Aber kaum haben Sie es gesagt, bekommen Sie einen Nasenstümper.

(Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Nasenstüber!)

– Nasenstüber.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, vom Ströbele! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nasenstünker!)

– Nicht einen Nasenstünker,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Der sieht schon ganz lädiert aus! – Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind gewaltfrei!)

einen Nasenstüber.

   Das erinnert mich an das, was der Bundeskanzler gerne macht, nämlich vollmundige Ankündigungen in Boulevardzeitungen wie „Wer sich an kleinen Mädchen vergreift, muss weggesperrt werden, und zwar für immer!“ oder „Wer sich als Ausländer hier nicht benehmen kann, muss raus, und zwar für immer!“ Damit holt man sich in bestimmten Kreisen zunächst Applaus,

(Jörg Tauss (SPD): Das wissen Sie! – Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Ihren Kreisen!)

wenn es aber darum geht, das in den Gremien in eine legislatorische Form zu bringen, dann kneifen Sie jämmerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Heute haben wir in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der DNA-Analyse. Es geht um den so genannten genetischen Fingerabdruck. Was unterscheidet diesen genetischen Fingerabdruck von unserem klassischen Fingerabdruck? Sie haben sich – im „Tagesspiegel“ konnte man es lesen – einer „vertraulichen Expertise“ des Wissenschaftlichen Dienstes dieses Hauses bedient. Wenn man sich einmal das Deckblatt dieser Expertise anschaut, dann erkennt man, dass sie nicht etwa von einer wissenschaftlichen Gruppe, sondern von einer geprüften Rechtskandidatin erstellt worden ist. Ich will einmal zu Ihren Gunsten unterstellen, dass es eine mit Erfolg geprüfte Rechtskandidatin ist.

(Widerspruch und Unruhe bei der SPD – Jörg Tauss (SPD): Das ist ja eine Unverschämtheit gegenüber dem Haus!)

Wenn wir Gutachten von bekannten Professoren haben, begegnen wir denen durchaus kritisch. Nichts anderes will ich in diesem Fall tun; ich will auch diesen Ausführungen kritisch begegnen. Man findet dort die fundamentale Ausführung, mit der Entnahme und Untersuchung solcher Körperzellen sei ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden und deswegen seien der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die verfassungsmäßigen Grenzen zu beachten.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So das Bundesverfassungsgericht!)

Ja, selbstverständlich ist das zu beachten.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ja ab!)

Beim klassischen Fingerabdruck ist das natürlich auch der Fall. Oder glauben Sie eigentlich, dass bei jedem, der mit offener Hose auf der Straße herumläuft, ein Fingerabdruck genommen wird, meine Damen und Herren?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Auch dafür muss natürlich – wie das in § 81 b der Strafprozessordnung geregelt ist – ein Anlass bestehen. Von Ihnen wird aber das Horrorszenario beschrieben, alles und jedes würde mit erkennungsdienstlichen Maßnahmen verfolgt. Wissen Sie eigentlich, wie viel Prozent der Beschuldigten erkennungsdienstlichen Maßnahmen unterzogen werden? Frau Lambrecht, Sie sind doch immer so vorlaut.

(Lachen der Abg. Christine Lambrecht (SPD) – Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Wissen Sie es?

(Lachen der Abg. Christine Lambrecht (SPD))

Na, Sie wissen es nicht, dann will ich es Ihnen sagen.

(Christine Lambrecht (SPD): Danke schön, Herr Lehrer!)

Es sind ganze 13 Prozent der Beschuldigten.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch bekannt, Herr Gehb! – Gegenruf des Abg. Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Frau Lambrecht wusste es aber noch nicht! Das ist das Problem!)

Selbst das Bundesverfassungsgericht, das Sie ja – jedenfalls, wenn es Ihnen passt, sonst nicht – gerne als Kronzeugen heranziehen – –

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Gehb, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stünker?

Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU):

Nichts lieber als das.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nasenstünker!)

Joachim Stünker (SPD):

Herr Kollege Gehb, wenn Sie schon meinen, heute Morgen den Oberlehrer spielen zu müssen, sind Sie dann bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es genau 12,7 Prozent sind?

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! – Hans-Michael Goldmann (FDP): Sie werden der Ernsthaftigkeit dieser Sache nicht gerecht!)

Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU):

Ich wiederhole für diejenigen, die sie nicht verstanden haben, die Frage des Kollegen Stünker: Er fragte, ob ich bereit sei, zur Kenntnis zu nehmen, dass es nicht 13 Prozent sind, sondern 12,7 Prozent. Ich bin bereit, es zur Kenntnis zu nehmen, und entschuldige mich für diese gravierende Abweichung zu dem von mir in freier Rede Vorgetragenen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nach dieser spaßigen Unterbrechung will ich weitermachen. Wir werden ja immer wieder mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konfrontiert. Sie machen das besonders gerne, Herr Montag. Nachdem Sie die nachträgliche Sicherungsverwahrung zunächst als etwas Schimpfliches dargestellt haben, wurde Ihnen dieses Instrument vom Bundesverfassungsgericht erklärt und dann haben Sie klein beigegeben. Heute gerieren Sie alle sich als Erfinder der nachträglichen Sicherungsverwahrung. So wird es eines Tages auch beim genetischen Fingerabdruck kommen.

   Lassen Sie mich auf das Bundesverfassungsgericht zu sprechen kommen. Worin besteht der Unterschied? Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Bei der Untersuchung von Körperzellen darf es natürlich nur um solche Merkmale gehen, die keine Rückschlüsse auf die so genannten codierten Merkmale zulassen,

(Joachim Stünker (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

also auf Erbanlagen, Charaktereigenschaften, mögliche Krankheiten. Es geht nur um das Vergleichsmuster, darum, ob zum Beispiel die Spermaspur von der Person stammt.

(Widerspruch des Abg. Joachim Stünker (SPD))

Weiter hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: So wie das im Moment ausgestaltet ist, kommt der genetische Fingerabdruck – jetzt gut zuhören! – forensisch in die Nähe des Daktyloskopen. „Daktyloskop“, Herr Stünker, ist die Übersetzung für „Fingerabdruck“.

(Lachen bei der SPD)

Damit hat das Bundesverfassungsgericht selbst gesagt, dass es eine Unterscheidung zwischen dem klassischen Fingerabdruck und dem genetischen Fingerabdruck nicht gibt.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Karneval zur falschen Zeit! – Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wider besseres Wissen erzählen Sie das!)

Deswegen frage ich mich, warum Sie diesen Schritt nicht mitgehen.

   Noch etwas anderes: Es geht nicht nur darum, mit diesem Instrument den Täter zu überführen. Es gibt auch Beschuldigte, die sich in einer schwierigen Beweissituation befinden. Wenn ein genetischer Fingerabdruck die Schuld eines anderen beweist, dann ist damit gleichzeitig die Unschuld anderer Beschuldigter bewiesen. Auch das müssen Sie, meine Damen und Herren, mit ins Kalkül ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Tun wir!)

   Es geht nicht immer nur darum, die armen Täter mit neuen Untersuchungsmethoden zu überziehen.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Beschuldigten!)

Es gibt keinen bürgerrechtlichen Anspruch auf Schutz von Tätern. Nach wie vor steht bei uns der Schutz der Opfer vor dem Schutz der Täter. Das ist der fundamentale Unterschied zwischen Ihrer Auffassung und unserer Auffassung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann (FDP))

   Gestern war nun wirklich nicht Ihr Tag, meine Damen und Herren. Sie haben nicht nur Frau Simonis blamiert, Sie haben nicht nur das Land blamiert,

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Der Kanzler ist blamiert!)

sondern Sie haben uns alle, die wir Politiker sind, in ein katastrophales Licht gestellt.

(Hans-Joachim Hacker (SPD): Was hat das damit zu tun?)

Wenn Sie noch einen Funken Anstand haben und ein bisschen Sachpolitik machen wollen,

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann stimmen Sie unseren Vorlagen zur Neuregelung der DNA-Analyse und zur Aufhebung des Richtervorbehalts zu!

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das ist der Gipfel der Lächerlichkeit!)

Dann hätten Sie wenigstens einen Funken Sachpolitik als Beitrag geleistet.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Joachim Günther (Plauen) (FDP) – Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Kasperle-Beitrag!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz:

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abgeordnete Goldmann hat eben einen sehr richtigen Zwischenruf gemacht, als Sie, Herr Gehb, geredet haben. Er hat gerufen: Sie werden der Ernsthaftigkeit der Debatte nicht gerecht. – Ich kann das nur bestätigen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Haben Sie auch Argumente? Haben Sie auch noch was zu sagen?)

– Machen Sie sich keine Sorgen! Ich habe neun Minuten Redezeit. Es sind noch 8 Minuten und 44 Sekunden übrig.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Dann mal ran! Die erste Minute ist schon rum!)

   Was ich jetzt sage, meine ich ganz im Ernst, Herr Gehb. Ich finde das ein bisschen schade. Als wir hier das letzte Mal über die Änderung des Versammlungsrechts und die Änderung des Strafrechts geredet haben, haben Sie eine sehr rechtsstaatliche Rede gehalten und eine Menge Bedenken vorgetragen. Ich habe gedacht, Sie hätten sich in Ihrer neuen Rolle als rechtspolitischer Sprecher ein kleines bisschen geändert

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Warum?)

und würden die Dinge jetzt wirklich ernsthaft angehen.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Wir hoffen, der Gehb ändert sich nicht mehr! Den mögen wir so, wie er ist!)

   Ich finde es vor allem nicht richtig – das sage ich, obwohl mir als Nichtmitglied dieses Hohen Hauses das kaum zusteht –, dass Sie den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages auf diese Art und Weise diskreditieren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie wissen so gut wie ich, dass jemand, der ein Gutachten in Auftrag gibt – das ist, soweit ich weiß, das gute Recht jedes Abgeordneten –, nicht bestimmen kann, wer das Gutachten macht, und vor allem nicht bestimmen kann, wie es aussieht. Das ist nämlich gerade der Kick an der Geschichte. Deswegen bittet man nämlich um ein wissenschaftliches Gutachten.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Ich habe es nur ein bisschen zerpflückt! – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Waren Sie auch nicht zufrieden?)

   Jetzt lassen Sie mich zur Sache kommen.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Zeit wird es!)

Was den Gesetzentwurf betreffend die anonymen Spuren anbelangt, habe ich schon das letzte Mal, als wir darüber geredet haben, gesagt, dass wir Ihre Auffassung teilen. Wir sehen das also genauso, wir wollen dem aber nicht isoliert stattgeben, weil wir der Auffassung sind, dass es sinnvoller ist, ein Gesamtkonzept zu entwickeln.

(Beifall bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Wann denn? Bis 2010 oder was? Das wird dauernd angekündigt! Es tut sich nichts!)

Ein solches Gesamtkonzept, sehr geehrter Herr Abgeordneter, wird die Bundesregierung in Kürze vorlegen.

   Wir meinen, dass es sinnvoller ist, ein Gesamtkonzept vorzulegen, das ausgegoren ist und nicht so viele Mängel aufweist wie die Vorlage, die Sie jetzt vom Bundesrat übernommen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Abgeschrieben!)

– Genau, nur abgeschrieben.

   Dass auch der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf Probleme hat, zeigt sich daran, dass es dort zwischen CDU, CSU und FDP knallharte Auseinandersetzungen darüber gibt, wer überhaupt zustimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Viele Länder haben inzwischen erkannt, dass das, was die Länder Hessen, Bayern, Hamburg, Saarland und Thüringen vorgelegt haben, wohl nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Was ist schon der Weisheit letzter Schluss?)

   Dass das so ist, habe ich auch schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfes im Bundesrat deutlich gemacht. Es handelt sich um einen sehr sensiblen Grundrechtsbereich. Diese Tatsache haben Sie beim Versammlungsrecht berücksichtigt und sollten das vielleicht auch in diesem Fall einmal tun. Der hier zur Debatte stehende Entwurf berücksichtigt das nicht. Dass es einen Unterschied zwischen dem daktyloskopischen und dem genetischen Fingerabdruck gibt, konzedieren Sie in Ihrem Antrag selbst.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Natürlich! Das ist richtig!)

Sie schreiben im Vorwort, dass es nur eine weitgehende Ähnlichkeit, aber keine vollständige Übereinstimmung gibt.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selbst das ist falsch! – Gegenruf des Abg. Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Professor Montag, Sie sollten sich auf Ihren Obmann konzentrieren!)

Insofern sollten wir uns mit der Frage befassen.

   Lassen Sie mich nun zu den einzelnen Punkten kommen.

(Weitere Zurufe von der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Das Wort hat überwiegend die Rednerin. – Der erste Punkt betrifft den Richtervorbehalt. Wir sind der Auffassung, dass man bei der DNA-Analyse anonymer Täterspuren darauf verzichten kann.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Genau! Macht ihr aber nicht! Es ist Ihr Schicksal, dass Sie klüger sind als Ihre Fraktion!)

– Nein, seien Sie ganz ohne Sorge. Die Koalition ist sich da einig. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist das auch bereits in der letzten Debatte hier gesagt worden.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Seit wann ist sich diese Koalition einig? – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Gibt es tatsächlich Punkte der Einigkeit?)

– Sehr häufig. Keine Angst. Diskussionen gibt es hier und auch im Bundesrat. Wem sagen Sie das?

   Mit Ihrem Gesetzentwurf wollen Sie aber das ganze System der Strafprozessordnung ins Wanken bringen.

(Beifall des Abg. Joachim Stünker (SPD))

Das können wir wirklich nicht tolerieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen nämlich völlig auf die Einschaltung des Staatsanwaltes verzichten. Das ist schlicht und ergreifend ein strafverfahrensrechtlicher Systembruch.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Wie bitte?)

– Jetzt wissen Sie noch nicht einmal, was in Ihrem Gesetzentwurf steht, oder was?

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Doch, doch!)

Die Strafprozessordnung kennt in keiner einzigen Vorschrift eine originäre Zuständigkeit der Polizei, auch nicht bei der erkennungsdienstlichen Behandlung.

(Joachim Stünker (SPD): Sehr richtig! – Jörg van Essen (FDP): Richtig!)

Die Polizisten und Polizistinnen kommen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren immer nur als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft zum Zuge. Sie stehen also in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis.

(Jörg van Essen (FDP): Sehr richtig! Aus guten Gründen!)

– Genau, das hat seinen guten Grund. Das soll in der Strafprozessordnung auch so bleiben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das hat mit dem Richtervorbehalt nichts zu tun!)

Es muss einen ganz klaren Unterschied zwischen dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und den präventiven, vorbeugenden Aufgaben der Polizei geben.

   Wir meinen, dass es nicht geht, in der Strafprozessordnung eine originäre Zuständigkeit der Polizei für die Durchführung der DNA-Analyse einzuführen, indem der Richtervorbehalt vollständig gestrichen wird.

   Zudem verzichtet der Entwurf, den Sie vorgelegt haben, vollständig auf die so genannte Negativprognose als Voraussetzung für die DNA-Analyse. Ausreichen soll Ihrer Meinung nach künftig jede Straftat. Ebenso sagen Sie, dass jede Anlasstat genügen soll. Wir meinen, das wird diesem besonders sensiblen Thema nicht gerecht. Wir meinen, dass immer auch ein bestimmtes Maß an Abwägung erforderlich ist. Das hat nichts mit Täterschutz zu tun, um das einmal ganz klar zu sagen. Diesen Vorwurf dieser Regierung zu machen, die in der letzten Zeit gerade den Opferschutz in den Vordergrund gestellt und mehrere Opferschutzgesetze verabschiedet hat,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Kauder!)

– der Herr Kauder teilt unsere Auffassung und hat das auch nicht kritisiert –, ist wirklich etwas neben der Sache.

   Wir sagen also: Keinen Richtervorbehalt bei der DNA-Analyse anonymer Täterspuren. Keinen Richtervorbehalt, wenn der Betroffene einverstanden ist. Ansonsten bleibt es dabei.

   Beim Anlasstatenkatalog, also dem Katalog von Straftaten, die Anlass geben, darüber nachzudenken, ob man die Daten speichern sollte, meinen wir, dass auch die wiederholte Begehung nicht erheblicher Straftaten auf ein bestimmtes Gefahrenpotenzial schließen lässt. Das hat uns das Bundeskriminalamt in neueren Studien dargelegt. Dem werden wir uns selbstverständlich nicht verschließen.

   Wir meinen, dass wir die Gefahrenprognose als Voraussetzung unbedingt beibehalten müssen. Wir wollen jedoch nicht, dass schon die Erwartung von Bagatelldelikten für die DNA-Analyse genügt.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das gibt es doch beim normalen Fingerabdruck auch nicht, Frau Ministerin! 13 Prozent! Sie tun ja gerade so, als würde jeder Ladendieb mit erkennungsdienstlichen Maßnahmen überzogen!)

– Herr Abgeordneter, das ist genau das, worauf ich jetzt kommen wollte: Sie machen einen logischen Denkfehler, wenn Sie meinen, dass die Definition einer Norm und ihre faktische Anwendung gleichgesetzt werden könnten

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das ist doch so!)

und man alles in eine Norm schreiben könne – die Exekutive werde es schon richten. So ist unser rechtsstaatliches System aber nicht angelegt.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So ist es!)

Die Formulierung von Gesetzen muss ordentlich erfolgen;

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Erstes Semester, Herr Gehb!)

wir haben bei der Formulierung einer Norm verfassungsrechtlichen Anforderungen zu entsprechen. Die Eingriffsbefugnis muss in der Norm festgelegt sein; die Entscheidung darüber kann nicht zwanglos an die Exekutive weitergereicht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist der Denkfehler, den Sie machen, wenn Sie davon sprechen, dass nur 12,7 Prozent der Beschuldigten erkennungsdienstlichen Maßnahmen unterzogen werden; deswegen kann das nicht funktionieren.

   Wir können uns bei der Gefahrenprognose zwar darüber unterhalten, ob es besondere Fälle gibt, die einer anderen Prognose bedürfen. Wir können uns auch auf die Delikte mittlerer Kriminalität oder Ähnliches beziehen. Aber es muss auf alle Fälle bei einer qualifizierten Prognose bleiben; eine vollständige Gleichstellung mit dem Fingerabdruck kann es nicht geben. Ein weiterer Punkt, über den Einvernehmen besteht – auch über die Parteigrenzen hinweg, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, Herr van Essen –, ist die Regelung der so genannten freiwilligen Reihengentests. Hier sind wir gemeinsam mit anderen aus der Opposition der Auffassung, dass es einer gesetzlichen Regelung bedarf. Insbesondere sind die Betroffenen darüber aufzuklären, was sie erwartet und was die Rahmenbedingungen für die Teilnahme an einem solchen freiwilligen Test sind.

   Sie sehen also, wir sind durchaus der Auffassung, dass wir etwas verändern sollten. Ich verspreche Ihnen, dass die Bundesregierung dazu zeitnah einen Entwurf vorlegen wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Jörg van Essen, FDP-Fraktion.

Jörg van Essen (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zur Sache komme, ein kurzes Wort an den Kollegen Gehb, der sich hier in der Debatte über die geprüfte Rechtskandidatin, die für den Wissenschaftlichen Dienst gearbeitet hat, lustig gemacht hat: Als ich Student war, habe ich ein Seminar besucht und wie meine Mitstudenten auch eine Seminararbeit verfasst. Sie ist unter dem Namen eines Professors als Stellungnahme beim Bundesverfassungsgericht eingereicht worden. Das macht deutlich, dass offensichtlich sogar Studenten in der Lage sind, vernünftige Gedanken aufzuschreiben. Deshalb denke ich, wir sollten hier im Plenum mit geprüften Rechtskandidaten nicht so umgehen, wie Sie das gerade getan haben.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gehb?

Jörg van Essen (FDP):

Nein. Ich denke, wir haben ein ernsthaftes Thema und sollten diese Sache hier nicht weiter vertiefen.

(Hans-Joachim Hacker (SPD): Herr Gehb, setzen! Fünf!)

   Frau Ministerin, für vieles von dem, was Sie gesagt haben, finden Sie meine volle Unterstützung. Wir haben hier ein grundrechtsensibles Thema. Wenn das so ist, dann muss die Debatte dem auch entsprechen. Wenn wir uns den Bereich der DNA-Analyse anschauen – wir haben darüber in den letzten Wochen ja mehrfach debattiert –, dann müssen wir feststellen, dass wir tatsächlich Diskussionsbedarf haben. Aber ich finde, wir sollten das mit der notwendigen Ruhe und mit dem notwendigen Verstand und nicht mit Eifer tun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Wenn man das mit Ruhe macht, dann muss man sagen: Der Kollege Gehb hat in einem Punkt tatsächlich Recht – und darin unterstütze ich ihn nachdrücklich –: Die DNA-Analyse ist nicht nur ein Aspekt bei der Belastung von Menschen, sondern sie ist auch ein ganz wichtiger Faktor bei der Entlastung von Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Das muss bei unserer Debatte immer wieder berücksichtigt werden: Wer weniger zulässt, der lässt auch weniger Entlastungsmöglichkeiten zu. Dieser Aspekt ist mir ganz wichtig.

   Auf der anderen Seite haben wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu beachten. Wir als FDP werden keiner Lösung zustimmen, die gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerichtet ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Wir auch nicht!)

Allerdings – und das habe ich schon in der letzten Debatte gesagt – gibt es auch Möglichkeiten, auszuloten, was möglich ist und was nicht möglich ist. Ich unterstütze nachdrücklich, was die Ministerin vorhin gesagt hat und was auch das Bundesverfassungsgericht erklärt hat: Auch in Zukunft brauchen wir vor der Speicherung von Daten eine Prognose, dass schwere Straftaten zu erwarten sind. Bei der Prognose kann auch wichtig sein, ob jemand eine Fülle von kleineren Straftaten begangen hat. Diese Erkenntnis verdanken wir dem Bundeskriminalamt. Ich finde, wir sollten auf diese Erkenntnis reagieren.

   Ich bin nachdrücklich der Meinung, dass diese Maßnahme in der Hand der Staatsanwaltschaft bleiben muss. Deshalb ist die Kritik der Bundesjustizministerin nach meiner Auffassung auch in diesem Punkt berechtigt. Es ist doch ganz selbstverständlich, dass hier keine eigene Befugnis für die Polizei geschaffen werden kann, wie das im Gesetzentwurf der CDU/CSU steht. Auch das macht deutlich, dass wir hier wirklich einen Nachdenkbedarf haben.

   Ich bin sehr dankbar, dass die Anregung zum Verfahren beim so genannten DNA-Massenscreening, die von meiner Fraktion in den Deutschen Bundestag eingebracht worden ist, aufgegriffen wurde. Bei diesem Verfahren werden sehr viele Menschen aufgefordert, für eine DNA-Analyse zur Verfügung zu stehen, beispielsweise dann, wenn es zu einem Mord und insbesondere zu einem Sexualmord gekommen ist. Das geschieht bislang ohne jede rechtliche Regelung. Dafür muss es eine klare Grundlage geben. Insbesondere muss festgelegt werden, dass die Spuren derer, die nicht tatverdächtig sind, hinterher zu vernichten sind.

   Ich habe das Gefühl, dass wir einen wichtigen Schritt nach vorne machen, wenn wir das so angehen. Wir haben neue kriminologische Erkenntnisse und es gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Meine Vorhersage und auch mein Wunsch ist es, dass wir die Fragen quer durch das ganze Haus gemeinsam mit rechtsstaatlicher Sensibilität regeln. Wir als Liberale sind dazu jedenfalls bereit.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Gehb das Wort.

Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit sich der freilich unzutreffende Vorwurf – Sie können das auch im Protokoll nachlesen –, ich hätte hier jemanden lächerlich gemacht, durch Wiederholungen im weiteren Verlauf nicht noch mehr verfestigt, möchte ich das richtig stellen.

   In dem Sinne, dass Allgemeingutachter bei uns gelegentlich kritisch gewürdigt werden – Herr Montag, Sie reden zum Beispiel sogar von deutschen Richtern als von Leuten, die bestellte Entscheidungen fällen –, habe ich lediglich sagen wollen, dass die Authentizität der Verfasserin dieses Gutachtens nicht höher einzuschätzen ist als die von hochkarätigen Professoren. Dabei habe ich den Begriff „geprüfte Rechtskandidatin“ in der mir eigenen Art, manchmal etwas spaßig zu sein, verwendet.

(Lachen bei der SPD)

Dass ich deshalb hinterher, wie immer, Gegenstand von Diffamierungen werde, zeigt mir die Hilflosigkeit der langweiligen Vorleser gegenüber jemandem, der sich traut, hier einmal etwas in freier Rede zu sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Immer noch peinlich! – Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unverbesserlich!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege van Essen, wollen Sie antworten?

(Jörg van Essen (FDP): Nein!)

– Dann gebe ich das Wort dem Kollegen Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Dr. Gehb, Sie schaffen es jedes Mal wieder, das notwendige Niveau einer Debatte im Deutschen Bundestag in freier Rede im Sturzflug nach unten zu durchstoßen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Und Sie können es mit Ablesen nicht verbessern!)

Heute haben Sie dafür wiederum ein ganz tolles Beispiel geliefert.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Oh, der blanke Neid!)

   Meine Damen und Herren, die Union hat mit ihrem neuen Gesetzesvorschlag die Katze aus dem Sack gelassen. Wenn wir diesen Gesetzesvorschlag analysieren, dann stellen wir fest, dass zukünftig jede Straftat Anlass für eine Speicherung der DNA-Identitätsmuster sein soll. Auf eine qualifizierte Negativprognose will die Union verzichten und jegliche richterliche Prüfung und Anordnung durch den Richter will sie aus der Strafprozessordnung herausstreichen.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Der Kollege Montag kann nicht einmal lesen!)

   Wenn wir uns anschauen, womit Sie diesen Anschlag auf die StPO – so bezeichne ich das – begründen, dann stellen wir fest, dass Sie zwei Gründe nennen:

   Erstens. Sie sagen, die DNA-Analyse und die Speicherung sowie der Vergleich der Identitätsmuster seien sehr erfolgreiche Elemente der Polizeiarbeit. Das ist richtig. Ich sage für die Grünen ausdrücklich: Das stimmt. Natürlich ist man mit dieser neuen Methode herausragend in der Lage, die Unschuld von Menschen zu beweisen. Deswegen werden wir uns auch dafür stark machen, dass dann, wenn man einer solchen Analyse zustimmt, der Richtervorbehalt entfällt.

Aber nicht jedes Mittel, das polizeilich erfolgreich ist, ist deswegen in vollem Umfang verfassungsrechtlich zulässig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Frage, ob das Mittel erfolgreich ist, entbindet uns als Rechtspolitiker nicht von der Überprüfung, was mit der Verfassung zu machen ist und was die Verfassung verbietet.

   Zweitens. Es wird behauptet – Herr Gehb ist in seiner Rede darauf eingegangen –, es gebe angeblich eine verfassungsrechtliche Neubewertung der DNA-Analyse und der Speicherung.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): 14.12.2000!)

– Jetzt schreien Sie doch nicht immer dazwischen. So steht es in der Begründung Ihres Gesetzesantrags. Ich habe mir die beiden Fundstellen angeschaut und festgestellt: Die eine Fundstelle bezieht sich auf eine Entscheidung aus dem Jahr 1996, als die DNA-Speicherung in der StPO noch nicht enthalten war; denn sie ist erst 1998 ins Gesetz aufgenommen worden. Die Fundstelle ist damit uralt.

   Die zweite Entscheidung aus dem 103. Band ist die Entscheidung vom Dezember 2000.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): 14. Dezember!)

In diese muss man hineinschauen, um zu wissen, was dort steht. Sie schreiben, dass darin eine Neubewertung der Eingriffsintensität des genetischen Fingerabdrucks abgehandelt sei. Das Zitat – das kann man in der freien Rede nicht einfach vortragen, dafür muss man ein Blatt Papier zur Hand nehmen – lautet:

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Doch!)
Die mit Hilfe des ... DNA-Indentifizierungsmusters erreichbare Code-Individualität wird in forensischer Sicht am besten durch ihre Nähe zum Daktylogramm verdeutlicht.

Das bedeutet nichts anderes, als dass die Trefferhäufigkeit genauso gut und vielleicht sogar besser ist als die beim Fingerabdruck. Das ist eine unbestreitbare Tatsache. Aber über die Frage der Intensität des Grundrechtseingriffs sagt diese Fundstelle nicht das Geringste aus. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Für uns Grüne bleibt es dabei: Es muss bei den so genannten Anlasstaten eine Schwelle geben, also bei den Taten, die Anlass bieten sollen und müssen, über eine solche Analyse und Speicherung für die Zukunft nachzudenken. Dabei ist richtig, dass die wiederholte Begehung auch geringerer Straftaten dann Anlass zu einer solchen Maßnahme sein kann, wenn die Gesamtbewertung dieser wiederholten Taten und der Person dazu führt, dass es sich hierbei um einen schwerwiegenden Fall handelt.

   Wir als Grüne sind auch der Auffassung, dass die qualifizierte Negativprognose im Gesetz bleiben muss. Alle meine Vorredner und auch die Ministerin haben davon gesprochen, dass dies eine verfassungsmäßige Schranke ist, die wir nicht unterschreiten werden. Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege Dr. Gehb: Nehmen Sie ein Papier zur Hand oder setzen Sie sich vor den Bildschirm und lesen Sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal nach.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Ich kenne sie auswendig!)

   Was wir machen wollen und werden, ist die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs, der alle Aspekte dieses Problems beinhaltet. Wir werden die Frage der Umwidmung lösen. Es gibt ein Problem der richterlichen Überprüfung derjenigen Analysen, die im konkreten Ermittlungsverfahren gemacht worden sind und später in die Datenbank eingestellt werden sollen. Wir werden die Frage der DNA-Reihentests im Gesetz verankern, und zwar so, dass klar ist, dass die Beteiligung an diesen Gentests freiwillig ist. Wir sind der Meinung, dass derjenige, der über die Konsequenzen belehrt worden ist, sehr wohl das Recht haben muss, zu sagen: Ich stimme einer solchen Analyse und Speicherung zu. In dem Fall kann der Richtervorbehalt entfallen.

   Schließlich – hören Sie gut zu, falls Sie es immer noch nicht verstanden haben –

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Ich habe es verstanden!)

sage ich Ihnen als grüner Rechtspolitiker: Die richterliche Überprüfung anonymer Spuren, die der Bundestag im Jahre 2000 ins Gesetz hineingeschrieben hat, kann wegfallen.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Kann wegfallen?)

Wir werden uns dafür einsetzen, dass der Richtervorbehalt entfällt. Das ist nicht das erste Mal, dass ich das hier sage. Aber wir werden das nicht in einem isolierten Verfahren machen, sondern in einem Gesetz, das all diese Elemente umfasst.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Sie haben dafür nicht mehr viel Zeit!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU und CSU wollen DNA-Analysen ausweiten, nicht zum ersten Mal, aber immer öfter. Die PDS im Bundestag wird diesem Anliegen erneut nicht zustimmen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Übrigens ist heute der 18. März. In Berlin, am Brandenburger Tor, und auch anderswo wird es zahlreiche Veranstaltungen geben, auf denen parteiübergreifend der Revolution von 1848 gedacht wird.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wie wäre es mit der Volkskammer?)

Damals ging es um demokratische Rechte, um Bürgerrechte. Die alte Bundesrepublik berief sich gern auf diese Tradition. Das war allerdings gestern. Seit der Vereinigung 1990 erleben wir das Gegenteil. Grund- und Bürgerrechte wurden massiv abgebaut.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Das ist ja unglaublich!)

Auch darum geht es heute in der Debatte.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Sie können auf die Daten der SED-Diktatur zurückgreifen!)

– Herr Kollege, regen Sie sich doch nicht so auf!

   Laut Grundgesetz gilt, dass jede und jeder über persönliche Daten selbst bestimmen kann. Ausnahmen, so sagt das Bundesverfassungsgericht, müssen wohlbegründet sein und äußerst restriktiv behandelt werden. DNA-Daten sind sehr sensible Daten. CDU und CSU wollen sie dennoch mehr denn je erfassen, speichern und nutzen. Das dahinter stehende Menschenbild erschreckt mich, Herr Kollege, weil dann alle potenziell verdächtig sind. Das lehnt die PDS ab.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Das Menschenbild der DDR ist erschreckend!)

   Dahinter steckt übrigens auch ein gefährliches Gesellschaftsmodell, wonach der Staat aus Sicherheitsgründen möglichst alles wissen muss. Da Sie gerade über die Geschichte, auch die Geschichte der DDR, reden: Ich hätte nicht geglaubt, dass man so wenig aus der Geschichte lernen kann und mit solchen Initiativen in den Bundestag geht.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Leider stehen CDU und CSU keinesfalls allein da, wenn es um den Abbau von Bürgerrechten geht. Sie haben mit dem Innenminister Schily einen sehr verlässlichen Patron und Patriarchen in der rot-grünen Koalition. Er forderte am Wochenende, Telekommunikationsdaten sollten mindestens zwölf Monate gespeichert werden, also alle Telefonverbindungen, E-Mails, SMS und mehr. Der Deutsche Anwaltverein spricht von staatlicher Schnüffelei in unerträglicher Dimension. Ich finde, er hat Recht. Selbst die Telekommunikationsanbieter monieren, das alles sei zu teuer und viel zu bürokratisch. Auch das ist nachvollziehbar, allerdings nicht das dringendste Argument. Die eigentliche Gefahr für die Bürgerrechte und die Verfasstheit unserer Gesellschaft ist größer. Denn wer mit der Zeit geht, das Internet nutzt, mobil telefoniert oder sich navigieren lässt – all jene müssen in Kauf nehmen, dass sie zunehmend ausgespäht werden und diesen Einbruch in ihre Privatsphäre auch noch selbst bezahlen müssen.

   Das ist übrigens keine pure Folgenfrage der technischen Entwicklung, sondern das ist eine Folgenfrage an die Politik.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Die Politik muss eingreifen, wenn technischer Fortschritt demokratische Errungenschaften bedroht. Sie tut es aber nicht oder nur unzureichend. Die Anträge der CDU/CSU und die Vorstöße des Innenministers sind in ihrem Anspruch das Gegenteil einer modernen und demokratischen Zivilgesellschaft. Genau diese Absage an die Bürgerrechte lehnt die PDS im Bundestag ab.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

… aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, die DNA-Analyse im Prinzip der erkennungsdienstlichen Behandlung gleichzustellen. Alle Täter, bei denen z. B. eine Wiederholungsgefahr besteht, müssen dann eine Haar- oder Speichelprobe abgeben. Dieser Eingriff ist nicht schwerwiegender als heute die Abnahme eines Fingerabdrucks und das Fotografieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit diesem Zitat möchte ich beginnen. Das hat zwei Tage vor dieser Debatte – welch ein Zufall – der Präsident des Bundeskriminalamtes öffentlich gefordert. Recht hat der Mann. Der BKA-Präsident Ziercke sagte in demselben Interview:

Eine immer wichtigere Rolle spielt die „intelligente Fahndung“, z. B. der genetische Fingerabdruck.

   Recht hat der Mann. Das ist nicht irgendjemand, sondern ein Fachmann, ein allseits erfahrener Kriminalbeamter. Das ist unabhängig von politischen Bewertungen. Er ist zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung zum Präsidenten des BKA ernannt worden.

   Wenn wir dank des Fortschreitens der Technik nun, um mit dem BKA-Präsidenten zu sprechen, mit dem genetischen Fingerabdruck eine unstreitig bedeutsame Methode intelligenter Fahndung haben, dann darf schon die Frage gestellt werden, warum Rot-Grün diese intelligenten Fahndungsmethoden unseren Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden vorenthalten will

(Joachim Stünker (SPD): Die haben sie doch!)

und warum eigentlich Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Verbrechensverfolgung und der Aufklärung von Straftaten künstlich dumm gehalten werden sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die sind nicht dumm!)

   Die DNA-Analyse ist in den vergangenen Jahren zu einem äußerst erfolgreichen Mittel gerade bei der Aufklärung von schweren und schwersten Straftaten geworden. Wenn das unstreitig ist, Kollege Montag, dann ist zu fragen, warum Sie seitens der Bundesregierung seit Jahren tönen, was Sie alles ändern wollen, aber tatsächlich nichts anderes zustande bringen, als die Anträge der Union abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Montag?

Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU):

Bitte sehr.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Strobl, ich frage Sie, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen und es auch selber im Deutschen Bundestag festzustellen, dass wir es waren, die in einer Gesetzesänderung zum 1. April 2004 die Vorschriften über die DNA-Analyse und -Speicherung auf alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erweitert,

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alle!)

die Möglichkeit der Geschlechtsbestimmung ins Gesetz aufgenommen und andere Ergänzungen vorgenommen haben. Ich frage Sie, ob all dies an Ihnen vorbeigegangen ist.

(Hans-Joachim Hacker (SPD): Scheinbar!)

Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU):

Verehrter Herr Kollege Montag, ich nehme seit längerer Zeit zur Kenntnis, dass Sie immer dann, wenn wir eine Debatte anstoßen, zwar zwangsläufig bereit sind, sich dieser Debatte zu stellen, sich dann aber in sicherheitspolitischen Fragen mit dem Tempo einer schleswig-holsteinischen Wanderdüne bewegen. Ein Stück weit verwerflich finde ich es sogar, dass Sie lediglich dann,

(Hans-Joachim Hacker (SPD): Bitte auf die Frage antworten!)

wenn eine spektakuläre Straftat – ein spektakulärer Mord oder eine spektakuläre Kinderschändung – passiert, bereit sind, sich minimal in kleinsten Schritten gesetzgeberisch zu bewegen.

   Das, was Sie gemacht haben – darin sind sich alle Polizeifachleute einschließlich des BKA-Präsidenten einig –, ist bei weitem nicht ausreichend. Ansonsten beschränken Sie sich darauf, die von der CDU/CSU gestellten Anträge unter irgendwelchen verfassungsrechtlichen oder anderen Vorwänden abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Kollege Montag, ich bin mit der Beantwortung der Frage noch nicht ganz fertig. Sie von Rot-Grün müssen sich schon entscheiden. Ich habe die Debatte, die wir vor einem Jahr – Anfang Januar des Jahres 2004 – geführt haben, im Protokoll nachgelesen. Darin wurden zwei Argumente gegen die Anträge der Union vorgebracht. Die eine Argumentation entspricht dem, was Sie ausgeführt haben, nämlich dass in den Anträgen der Union nichts Neues enthalten sei und dass Sie die darin angesprochenen Maßnahmen längst durchgeführt hätten. Die andere Argumentationsschiene ist die, welche der Herr, der neben Ihnen sitzt,

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer ist denn damit gemeint?)

und seine geistigen Verbündeten verwenden, nämlich dass alle Vorschläge der Union verfassungswidrig und schlimm sind. – Beides kann nicht richtig sein. Deswegen sollten Sie über Ihre eigene Argumentation nachdenken. Ansonsten wird nämlich offenkundig, dass es vorgeschobene Argumente sind und dass Sie in der Sache keine Gründe vorzubringen haben, warum unsere Vorschläge abzulehnen sind.

   Unsere Vorschläge sind auch deswegen nicht abzulehnen, weil sich der genetische Fingerabdruck zum Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts entwickeln wird. Er ist also ein äußerst effizientes und erfolgreiches Mittel und stellt, wie uns alle Experten aus der Praxis bestätigen, einen Quantensprung in der Kriminalistik dar.

   Dieselben Experten, meine Damen und Herren von Rot-Grün, fordern von uns als Gesetzgeber, dass eine Ausweitung des Ermittlungsinstruments genetischer Fingerabdruck und eine Abschaffung des Richtervorbehaltes wichtige Schritte wären, um die Aufklärungsquote bei Straftaten weiter zu erhöhen. An einer Erhöhung dieser Aufklärungsquote sollten wir doch alle ein vitales Interesse haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Diese Forderung wird im Übrigen nicht nur von Unionspolitikern und uns nahe stehenden Experten erhoben. Ich wundere mich, dass Bundesinnenminister Schily an einer so wichtigen Debatte nicht teilnimmt.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie wissen, dass gleichzeitig der Bundesrat tagt!)

– Vielleicht ist er aber auch durch seine ständigen sicherheitspolitischen Warnungen an das Auswärtige Amt inzwischen zu frustriert, verehrter Herr Kollege Schmidt. Der Bundesinnenminister hat bereits im Jahr 2001 deutlich gesagt:

Das ist keine dogmatische Frage. Ich finde es zum Beispiel richtig, dass die DNS-Datei auch zur Aufklärung von Einbruchsdiebstählen herangezogen wird.

Das sagt der Verfassungsminister, Herr Kollege Montag, der einst Mitglied Ihrer Partei gewesen ist.

(Jörg van Essen (FDP): Erste Verfassungsministerin ist die Justizministerin!)

Erst vor kurzem, Anfang 2005, hat sich der Bundesinnenminister für eine Ausweitung der DNA-Analyse ausgesprochen:

Die DNA-Spur ist der moderne Fingerabdruck. Deshalb sollte ihre Erhebung zum Normalfall werden.

Das sagt der Verfassungsminister. Herr Kollege Montag, Sie sollten sich insbesondere eines, was Herr Schily gesagt hat, zu Eigen machen: Dies ist ein Thema, bei dem Sie ein Stück weit Ihre Ideologie und Ihre Dogmatik zurückstellen und das zur Kenntnis nehmen sollten, was Fachleute der Verbrechensaufklärung und der Verfolgung von Straftaten Ihnen und uns sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, in dem es Ihnen gelungen ist, in der Öffentlichkeit durch gezielte Falschinformationen ein teilweise völlig falsches Bild entstehen zu lassen.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir nicht!)

Der genetische Fingerabdruck ist nichts anderes als eine moderne Form des klassischen Fingerabdrucks. In der DNA-Analysedatei des BKA wird lediglich ein Zahlencode des DNA-Profils gespeichert, mit dem keinerlei Rückschlüsse auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale oder Erbanlagen möglich sind. Das ist der Stand der Wissenschaft. Nur der Kollege Montag und der Kollege Ströbele wissen es natürlich besser.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Die Behauptung, man könne mit den Informationen des genetischen Fingerabdrucks Rückschlüsse auf Erbanlagen ziehen oder sogar ein Persönlichkeitsprofil erstellen, ist schlicht falsch. Sie wird auch durch ständiges Wiederholen nicht richtiger.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich möchte in diesem Zusammenhang einen ausgewiesenen Fachmann sprechen lassen, den Berliner Molekularbiologen und führenden DNA-Spezialisten Professor Dr. Hubert Pöche. Er leitet die Abteilung für forensische Molekularbiologie am Institut für Rechtsmedizin der Berliner Charité. Er erklärte vor einigen Wochen auf die Frage, ob durch den genetischen Fingerabdruck Rückschlüsse auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale oder Erbanlagen möglich sind:

Überhaupt nicht. Denn die Erbanlagen sind nur in den Genen feststellbar. Gene oder die so genannten codierenden Regionen der DNA werden aber zum Zweck der Identitätsfeststellung nicht untersucht. Wir untersuchen nur die „stummen Abschnitte“, die nicht codierenden Regionen zwischen den Genen. Und die sind nicht informativ, was zum Beispiel Erbkrankheiten oder Erbanlagen betrifft.

Punkt, Ende des Zitats.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Bitte nehmen Sie dies ein für allemal zur Kenntnis und verunsichern Sie nicht weiterhin die Bevölkerung, indem Sie Falsches behaupten! Zum Beispiel Erbkrankheiten sind mit dem Genmaterial einer herkömmlichen Speichelprobe nach Professor Pöche nur schwer bestimmbar, weil man dafür viel mehr Genmaterial bräuchte. Weiter gehende Erkenntnisse sind also nicht möglich. Solches Genmaterial wird im Übrigen bei jeder Blutprobe gewonnen, die einem Autofahrer, der einer Trunkenheitsfahrt verdächtig ist, abgenommen wird. Hier habe ich allerdings von Rot-Grün noch nie gehört, dass für jede Blutprobe, die einem Autofahrer entnommen werden soll, eine richterliche Anordnung erforderlich sein soll.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht nicht darum, was von Rot-Grün ständig unterstellt wird, nämlich dass wir eine uferlose Ausweitung eines Ermittlungsinstrumentes wollen. Wir wollen nur, dass dann, wenn jemand ohnehin erkennungsdienstlich behandelt wird, zusätzlich zum herkömmlichen Fingerabdruck und zu dem dreigeteilten Foto das DNA-Identifizierungsmuster gespeichert werden kann.

   Verehrter Herr Kollege Dr. Gehb, Sie lagen leider nicht ganz richtig – genauso wenig wie der Kollege Stünker von der SPD-Fraktion –, als Sie behauptet haben, eine erkennungsdienstliche Behandlung erfolge in 15 Prozent der Strafverfahren. Vor wenigen Tagen hat der nordrhein-westfälische Innenminister Behrens, der der SPD angehört, gesagt: Jährlich werden in Nordrhein-Westfalen nur bei rund 5 Prozent aller der Polizei bekannten Delikte Fingerabdrücke genommen und Fotos von den Tätern gemacht.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Ich habe das für die Gesamtschüler nur etwas aufgerundet!)

Das heißt, nur ein Bruchteil der Bevölkerung kommt mit erkennungsdienstlichen Maßnahmen in Berührung. Insofern ist der Eindruck, hier sollten massenhaft DNA-Tests vorgenommen werden, völlig falsch. Trotzdem versuchen Sie ständig, ihn zu erwecken. Von einem inflationären Gebrauch kann aber keine Rede sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Es ist zurzeit in der Politik und insbesondere in diesem Haus angesagt, Molière zu zitieren.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Ich glaube, es war Montesquieu.

Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU):

Ich will deswegen mit einem Zitat enden, welches in Bezug auf Sie ganz gut passt. Molière sagte einmal:

Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

Dieses Nichtstun, welches Sie in diesem Bereich seit einigen Jahren praktizieren, ist es, was wir Ihnen vorwerfen. Deswegen fordern wir Sie klar auf: Stimmen Sie unseren Gesetzentwürfen und unserem Antrag im Interesse der schnellen Aufklärung von Straftaten und der Vorbeugung von Verbrechen zu!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Dann werden wir dieses Zitat bei Molière suchen oder vielleicht doch bei Montesquieu.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das spielt doch heute alles keine Rolle mehr! Analphabetentum!)

   Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Joachim Stünker.

(Beifall bei der SPD)

Joachim Stünker (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gehb, ich habe volles Verständnis dafür, dass Sie angesichts der Ereignisse am gestrigen Tag kräftig gefeiert haben. Aber wenn man am nächsten Morgen reden will, muss man rechtzeitig aufhören.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Ich rede betrunken noch besser als Sie nüchtern, Herr Stünker und ich habe nichts getrunken!)

Herr Kollege Gehb, nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, dass die Mitglieder aller Fraktionen bis auf die Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion der Meinung sind, dass Ihre Rede heute diesem Thema nicht angemessen war. Es war wohl doch nicht Ihr Tag, Herr Kollege!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das meinen Sie!)

   Herr Kollege Gehb, ich möchte dazu inhaltlich noch sagen – die Ministerin hat es auch getan –: Es ist wirklich nicht in Ordnung, dass Sie uns gerade in dieser Legislaturperiode inzidenter, also mittelbar den Vorwurf machen, Täterschutz vor Opferschutz zu stellen, wo wir in dieser Legislaturperiode im Interesse des Opferschutzes gerade in der Strafprozessordnung und an anderen Stellen wirklich Erhebliches geleistet haben,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

teilweise in Zusammenarbeit mit Ihrer Fraktion.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Ja, weil Sie der Herr Kauder zum Jagen getragen hat!)

– Nein, da wurde keiner zum Jagen getragen, Herr Kollege Gehb. – Was Sie behaupten, ist einfach nicht in Ordnung. Unter Kollegen, die im Ausschuss regelmäßig gut zusammenarbeiten, sollte man Derartiges hier im Plenum vor laufenden Kameras nicht von sich geben; denn es ist aus meiner Sicht unanständig, Herr Kollege Gehb, uns das vorzuhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Unanständig ist etwas ganz anderes!)

   Frau Kollegin Merkel hat gestern Morgen in diesem Hohen Hause ein wenig philosophiert. Sie hat versucht, den neuen gesellschaftspolitischen Ansatz der Unionsfraktionen – die „Ordnung der Freiheit“ – zu entwickeln, um ihn der rot-grünen Regierungspolitik gegenüberzustellen. Die Frage, ob ihr die Definition gelungen ist, will ich nicht beantworten. Heute reden wir hier über Rechtspolitik. Ich meine, dass einer Definition von „Ordnung der Freiheit“ ein allgemein gültiger Ansatz zugrunde liegen muss. Was heißt Freiheit im Sinne der Unionsparteien? Was erleben wir in der Rechtspolitik, der Innenpolitik und der Politik der inneren Sicherheit? Wie wird von Ihnen hier „Ordnung der Freiheit“ definiert?

   Zu dem, was Sie uns dazu in der Vergangenheit in immer kürzeren Abständen vorgelegt haben und was Sie uns dazu heute wieder vorlegen, kann ich nur eines sagen – es knüpft an eine Presseerklärung des DAV, des Deutschen Anwaltvereins, zu dieser Thematik in diesen Tagen an –, meine Damen und Herren von der Union: Besinnen Sie sich wieder darauf, dass die Menschen in der Bundesrepublik Grundrechte als Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates haben!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael GrosseBrömer (CDU/CSU): So schlimm ist es nun wirklich nicht!)

   Genau darum geht es, wenn wir hier über die – ich betone – zukünftige Ausgestaltung der DNA-Analyse zum Zwecke einer wirksamen Bekämpfung von Straftaten streiten. Es geht – darauf hat mein Kollege Strässer schon in der letzten Debatte über dieses Thema hingewiesen – um einen verfassungsrechtlichen Zielkonflikt: Natürlich haben die Menschen, hat die Gesellschaft einen Anspruch darauf, dass der Staat sie vor Straftätern und Straftaten schützt und die notwendigen Aufklärungsinstrumente schafft. Der Staat hat hier nicht nur das Gewaltmonopol, sondern auch die Justizgewährungspflicht. Darüber sind wir uns doch alle einig.

   Ich hoffe, dass wir alle uns auf der anderen Seite noch immer darüber einig sind, dass dem die Grundrechte jedes einzelnen Menschen in diesem Lande gegenüberstehen. Dazu gehört nun einmal das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, abzuleiten aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes. Darauf hat uns das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen hingewiesen.

Auch das gehört zur Ordnung der Freiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Hören Sie daher auf, Freiheit immer nur ökonomisch zu definieren! Definieren Sie Freiheit auch im Sinne von Bürgerrechten!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Deshalb sollten wir, Herr Kollege Strobl, zu einer Grundüberzeugung zurückkehren, die uns in den Jahren 1998/1999 in diesem Hohen Hause geeint hat, als wir nämlich das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz – ein furchtbares Wort – beschlossen haben, dass nämlich die völlige Gleichstellung der DNA-Analyse mit der Entnahme eines Fingerabdrucks weder sachlich geboten ist noch verfassungsrechtlich vertretbar erscheint.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Aber der Schily sagt das auch!)

Denn der genetische Fingerabdruck geht eindeutig über den normalen Fingerabdruck hinaus; er gibt mehr Erkenntnismöglichkeiten als dieser. Von daher hat seine Speicherung eine andere Bedeutung.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Welche denn? Sagen Sie mal konkret, was! – Gegenruf des Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Geschlecht zum Beispiel, Herr Kollege!)

– Wenn Sie das wissen wollen, gebe ich Ihnen folgende Empfehlung: Es gibt einen sehr guten Bericht der Arbeitsgruppe des Rechtsausschusses der Justizministerkonferenz, in dem genau darauf hingewiesen wird, welche Möglichkeiten es nach den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Geben Sie den Bericht Herrn Schily!)

Schauen Sie sich das an! Dann können wir uns, glaube ich, auf der Basis vielleicht einigen.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): So genau wollte ich das eigentlich nicht wissen!)

   Da dem so ist, geht es hier eigentlich nur um einen einzigen Punkt. Wir können uns, denke ich, über alles einigen, wenn es um die zukünftige Speicherung von entsprechenden Daten geht, die wir durch solche Untersuchungen gewinnen, wenn wir darüber reden, welche Schwelle die Anlasstat haben muss oder welche Prognose wir im Hinblick darauf stellen müssen, dass der betreffende Täter zukünftig wieder straffällig werden könnte, oder wenn wir darüber reden, ob wir im Lichte neuerer wissenschaftlicher, kriminologischer Erkenntnisse die Voraussetzungen senken könnten. Darauf hat die Frau Ministerin vorhin hingewiesen. Dazu werden wir Ihnen einen Entwurf vorlegen; darüber können wir miteinander reden.

   Aber über eines sollten wir uns einig sein – ich freue mich, Herr Kollege van Essen, dass die FDP in dieser Frage zumindest bis heute standhaft an unserer Seite steht –:

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es um grundlegende Eingriffe in Grundrechte des Einzelnen geht, dürfen wir den Richtervorbehalt nicht aufgeben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Es geht doch darum nicht! Es ist eine anonyme Spurenfindung! Da gibt es doch keine Person!)

– Wenn wir zu den anonymen Spuren kommen, Herr Kollege Gehb – –

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Wo ist denn da die Person?)

– Herr Kollege Gehb, machen Sie sich doch einmal sachkundig! Um die anonymen Spuren geht es doch gar nicht mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das haben Sie doch gerade gesagt!)

Dass wir bei anonymen Spuren auf den Richtervorbehalt verzichten wollen, darüber sind wir uns doch alle einig. Darum geht es doch gar nicht.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Nichts anderes steht doch im Antrag drin, Herr Stünker!)

Sie wollen mit dem Gesetzentwurf, den Sie heute vorgelegt haben, genau den Paradigmenwechsel vornehmen, den Ihnen die Frau Ministerin vorhin vorgehalten hat und der darin besteht, dass Sie in der Strafprozessordnung diese Methode zum originären Ermittlungsinstrument der Polizei machen wollen und darüber die dritte Gewalt, die Judikative, nicht befinden lassen wollen.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Mit einem so schlichten Gemüt kann man nicht diskutieren!)

Darin besteht genau der Paradigmenwechsel in der Strafprozessordnung, und zwar bezieht er sich auf zukünftige Speicherungen, Herr Kollege Gehb. Genau darum geht es.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu sagen wir Ihnen: In dieser Frage muss es im Grundsatz beim Richtervorbehalt bleiben. Wir können bei Gefahr im Verzug davon eine Ausnahme machen; wir können eine Ausnahme machen, wenn die betreffende Person in eine DNA-Analyse einwilligt. Das alles können wir machen. Aber wenn Sie vom Grundsatz her jede Kontrollmöglichkeit durch den Richter aufgeben wollen, machen wir das nicht mit.

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das wollen wir doch gar nicht! Das haben wir doch gar nicht gesagt!)

Das steht in Ihrem Antrag.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Sie haben ihn nicht gelesen!)

– Natürlich machen Sie das. Lesen Sie, was Ihnen die Bayern aufgeschrieben haben, Herrgott noch mal.

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die bayerische Staatsregierung!)

Das ist ja auch der Grund dafür, weshalb die Niedersachsen und die Baden-Württemberger heute im Bundesrat nicht zustimmen werden,

(Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Warum denn?)

weil nämlich die FDP Gott sei Dank mittlerweile begriffen hat, dass hier ein Paradigmenwechsel vorgenommen werden soll, den sie nicht mitmachen kann.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jörg van Essen (FDP): Immer schon! Das war schon immer unsere Linie!)

   Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin.

(Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Es gab schon seriösere Reden von Ihnen!)

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen. Ich plädiere noch einmal dafür – ich habe das wiederholt getan, heute Morgen offensichtlich ohne Erfolg, aber in Anbetracht des gestrigen Tages sehe ich Ihnen das nach –: Lassen Sie uns über dieses Thema sachlich und in Ruhe reden! Die Justizministerkonferenz hat sich bewusst ein Ziel gesetzt: Sie wird am 6. Juni auf der Grundlage des Berichtes, den ich eben angesprochen habe, darüber diskutieren. Lassen Sie uns das gründlich diskutieren, denn wir berauben uns damit keinerlei Ermittlungsmöglichkeiten, Herr Kollege Strobl. Wir können in jedem aktuell anhängigen Strafverfahren DNA-Untersuchungen bei den Ermittlungen anwenden. Das ist überhaupt nicht das Thema.

(Widerspruch des Abg. Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU))

Natürlich ist das so. Schütteln Sie nicht den Kopf! Oder wissen Sie nicht, worüber wir reden?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Jetzt hören Sie aber einmal auf! – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Wenn es so wäre, bräuchten wir nicht darüber zu streiten!)

   Es geht doch in unserer Auseinandersetzung nur um eines, nämlich ob die Sammlung und Speicherung der Daten durch den Staat in Zukunft unbegrenzt zulässig ist. So etwas werden wir heute und auch in Zukunft nicht mittragen. Da wird auch dieses Haus nicht mitmachen, denn Sie werden drei Fraktionen gegen sich haben.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Danke schön. Ich schließe damit die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/4926 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Wir kommen zur Abstimmung über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Gesetzentwurf zur Aufhebung des Richtervorbehalts für die DNA-Analyse anonymer Spuren. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5130, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.

   Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 15/5130 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel: „Verbrechen wirksam bekämpfen – Genetischen Fingerabdruck konsequent nutzen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 15/2159 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen worden.

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/4695 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a bis 18 c auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall-Düren, Günter Gloser, Kurt Bodewig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Rainder Steenblock, Ulrike Höfken, Marianne Tritz, weiterer Abgeordneter und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Für eine zukunftsgerichtete Weiterführung der Lissabon-Strategie – Neue Impulse zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Erneuerung

– Drucksache 15/5116 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Wachstum in Deutschland und Europa stärken – Neue Strategie für Lissabon-Ziele entwickeln

– Drucksache 15/5025 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)FinanzausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Zur Tagung des Europäischen Rates am 22./23. März 2005 – Stabilität und Wachstum stärken

– Drucksache 15/5131 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Kurt Bodewig.

[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 167. Sitzung – wird am
Montag, den 21. März 2005,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15167
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