*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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10.2.1.3   Ein neues Verhältnis zwischen Innen- und Außenpolitik

Eindeutig ist, dass viele grenzüberschreitende Probleme nicht mehr mit den herkömmlichen Methoden und Instrumenten der nationalstaatlichen Außenpolitik erfolgversprechend bearbeitet werden können (vgl. Messner 2001b). Das Politikfeld „Außenpolitik“ schien lange Zeit sehr übersichtlich strukturiert zu sein. Im Zentrum der auswärtigen Beziehungen standen Friedens- und Sicherheitspolitik (inklusive Verteidigung), die Marktöffnung für eigene Exporte und die Gestaltung der Nord-Süd-Beziehungen im Rahmen der Entwicklungspolitik. Vor diesem Hintergrund ließen sich Innen- und Außenpolitik ziemlich trennscharf voneinander unterscheiden. Diese Wahrnehmung von Außenpolitik als überschaubarem Feld mit leicht zu umschreibenden Aufgabenfeldern und schnell zu verortenden Akteuren innerhalb der Ministe­ rienlandschaft dürfte grundlegend dafür sein, dass in Deutschland, wie die „Geschäftsordnung der Bundes­ regierung“ zeigt, das Auswärtige Amt (AA) für die Gesamtheit der deutschen Außenbeziehungen zuständig ist, flankiert durch das Bundeskanzleramt, das aufgrund der Richtlinienkompetenz des Kanzlers auch in der Außenpolitik eine starke Stellung besitzt. Die umfassende Verantwortung des AA für die Wahrnehmung „gesamtstaatlicher Interessen“ drückt sich zum Beispiel darin aus, dass in der Geschäftsordnung (§11) festgelegt ist, dass Mitglieder und Vertreter auswärtiger Regierungen und zwischenstaatlicher Einrichtungen nur nach vorherigem Benehmen mit dem AA empfangen werden sollen und Verhandlungen mit dem Ausland oder im Ausland nur mit Zustimmung des AA, auf Verlangen auch nur unter seiner Mitwirkung, geführt werden dürfen. Diese Aufgabenbeschreibung für das AA als Spitze und Zentrum deutscher Außenbeziehungen entspricht längst nicht mehr den Realitäten. So zeigt eine Bestandsaufnahme der auswärtigen Beziehungen der Bundesministerien (Eberlei und Weller 2001), dass alle Fachressorts in den vergangenen zehn bis 15 Jahren als Reflex auf Globalisierungsdynamiken ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten stark ausgebaut haben. Dies drückt sich z.B. in der hohen und steigenden Zahl der Arbeitseinheiten aus, die sich mit internationalen Fragestellungen beschäftigen. Derzeit sind in den Bundesministerien 336 Referate mit internationalen Aufgaben befasst, davon 281 mit Problemstellungen, die auch über die „europäische Innen­ politik“ hinausreichen. Zum Vergleich: das AA verfügt über 74 Referate. Faktisch ist somit jedes Fachministerium zum „Außenministerium“ des von ihm bearbeiteten Politikfeldes geworden.

Empfehlung 10-2       Stärkung einer kohärenten internationalen Politik der Bundesregierung

Die internationale Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ist eine unabdingbare Voraussetzung für die aktive Gestaltung der Globalisierung. Sie ist eng gekoppelt an ein hohes Maß von Kohärenz all der Politikbereiche, die sich mit internationalen Fragen beschäftigen. Die Enquete-Kommission empfiehlt der Bundesregierung, bereits bestehende Konzepte zur Schaffung von mehr Kohärenz zu stärken sowie darüber hinaus gehende Ansätze zu identifizieren und umzusetzen. Die über 250Referate und ähn­ liche Arbeitseinheiten in den Bundesministerien, die sich mit europapolitischen und internationalen Fragen beschäftigen, sollten in ihrer Politik aufeinander abgestimmt werden, um eine kohärente internationale Politik zu    gewährleisten. Um die Bearbeitungskapazitäten von internationalen Strukturfragen und politischen Querschnittsthemen zu erhöhen, sind Strukturreformen notwendig.

Beispielsweise kann die Entwicklungspolitik ihren erweiterten Aufgabenkatalog im Sinne eines Beitrags zu Globaler Strukturpolitik als politische Querschnittsaufgabe nur dann erfüllen, wenn Außen- und Menschenrechtspolitik, Handels- und Finanzpolitik, Umwelt- und Agrarpolitik mit der Entwicklungspolitik in eine kohärente Gesamtpolitik eingebunden werden. Ziel muss dabei sein, die nationalen wie internationalen Rahmenbedingungen sozial gerecht und ökologisch tragfähig zu gestalten, so dass alle Menschen an den Chancen der Globalisierung teilhaben können und Risiken der Globalisierung eingedämmt werden. Entsprechend den vier Zieldimensionen der Entwicklungspolitik (vgl. Kapitel 10.2.3.1)sollten im Zentrum der Bemühungen die Reduktion der Armut, die Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einschließlich der Bedingungen für private Direktinvestitionen in den Partnerländern, die politische Stabilität – auch im Kontext erweiterter Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung – sowie der Erhalt des ökologischen Gleichgewichtes stehen.




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