*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.1.5.4   Die Voraussetzung für eine gerechte globale Wirtschaft: Eine internationale Wettbewerbspolitik schaffen

Eine funktionierende Wettbewerbsaufsicht ist also eine der zentralen Aufgaben eines für internationalen Handel und Austausch attraktiven Rechtsstaats. Defizite an Planungssicherheit für die Unternehmen, aber auch Risiken der unkontrollierten Vermachtung der Märkte, entstehen, wenn unternehmerische Aktivitäten in „rechtsfreie“ Räume vorstoßen.

Nationale Wettbewerbsordnung

Eine nationale Wettbewerbsordnung ist nur auf eine Jurisdiktion begrenzt. Mit der Internationalisierung der Märkte und der Durchlässigkeit von politischen Grenzen wachsen zunehmend grenzüberschreitende unternehmerische Aktivitäten aus dem Geltungsbereich ihrer Rechtsordnungen heraus in neue hinein und/oder „emanzipieren“ sich gar von jeglicher Jurisdiktion. Diese Entwicklung ist dem Grunde nach nicht neu, sie hat sich nur in den vergangenen zehn Jahren ganz wesentlich beschleunigt. Sie ist Mitursache für die wachsende Bedeutung des Völkerrechts, das zum Ziel hat, das Entstehen rechtsfreier Räume zu verhindern. Nationale Rechtsordnungen sind oft dazu nicht mehr in der Lage. So sind das Europäische Recht und seine Institutionen entstanden, so entsteht eigene völkerrechtsbasierte Jurisdiktion in neuen Wirtschaftszonen, und dieser Prozess findet nun auch verstärkt global statt.

Internationale Wettbewerbsordnung

Für marktwirtschaftlich orientierte Staaten und Staatengemeinschaften ist Wettbewerb das konstitutive Element ihrer Wirtschaftsordnungen. Der aus der Freiheit der Wirtschaftssubjekte resultierende Wettbewerb muss aber ebenso wie die auf den politischen Freiheiten basierende Demokratie ständig gegen Vermachtung geschützt werden. Hierfür sind ein Wettbewerbsrecht und Institutionen erforderlich, die auf die Einhaltung der vorgegebenen Spielregeln achten und sie durchsetzen. Auch die internationalen Handelsbeziehungen bedürfen eines solchen Rechtsrahmens. Die Initiativen hierzu gehen in drei Richtungen, die nebeneinander verfolgt werden sollten: den multilateralen, den plurilateralen und den bilateralen Ansatz.

Multilateraler Ansatz

Multilateral ist der Ansatz, Wettbewerbsregeln im Rahmen der WTO auszuhandeln. Er wurde auf der WTO-Ministerkonferenz 1996 in Singapur mit Gründung der „Working Group on the Interaction between Trade and Competition Policy“ aufgegriffen und auf der jüngsten Ministerkonferenz in Doha bestätigt. Allerdings hat sich die Einsicht in die Wichtigkeit von Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle bisher noch nicht in der WTO durchgesetzt. Dies ist bei der Zahl der Mitglieder der WTO und der Einstimmigkeitsmethode nicht weiter überraschend. Es verwundert daher nicht, das die Working Group in den fünf Jahren ihrer Existenz noch zu keinen greifbaren Ergebnissen gelangt ist. Wenn ihr das irgendwann mit einem Verbot von Hardcore-Kartellen gelingen sollte, wäre multilateral sicher ein sehr wichtiger erster Schritt getan. Bis dahin kann die Gruppe im Sinne einer „competition advocacy“ bewusstseinsbildend wirken, was nicht zu unterschätzen wäre. Mit dem um vieles komplexeren Thema „Fusionskotrolle“ aber wäre die WTO wohl für nicht absehbare Zeit überfordert. Hier jedoch liegen – angesichts des noch keineswegs ausgelaufenen Trends zu Megafusionen – die eigentlichen, nicht nur wettbewerblichen Risiken einer wirtschaftlichen Vermachtung.

Plurilateraler Ansatz

Pragmatisch ist der plurilaterale Ansatz, der bei der Diskussion über eine globale Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen und Missbrauch von Marktmacht mit Industriestaaten beginnt, die bereits eine entwickelte Wettbewerbsordnung und Erfahrungen mit ihrer Implementierung haben, und diesen „Club“ beitrittsoffen gestaltet. In eine solche Richtung zielt das im Oktober 2001 in New York gegründete „International Competition Network“ (ICN). Auch hier wird es zunächst um intensiveren Informationsaustausch und verbesserte Kooperation ge    hen. Die allermeisten Mitglieder des ICN haben jedoch langjährige Erfahrungen mit dem Antitrust-Recht, auch mit dem Instrument der Fusionskontrolle. Dies bietet die Chance, dass sich hier schneller als sonst im Wege einer „soft harmonisation“ zunächst gemeinsame Auslegungsregeln herausbilden, die sich nach und nach zu einem Regelwerk verdichten. Auch das wird seine Zeit brauchen, aber schon jetzt wird immer öfter der Bedarf an internationalen Fusionsregeln von den international tätigen Unternehmen eingefordert.

Bilateraler Ansatz

Auch die bilaterale Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden sollte weitergeführt und intensiviert werden, denn sie erzeugt Wirkung in Sachen Kohärenz nicht nur zwischen den Parteien solcher zweiseitiger Abkommen. Zum Beispiel ist das deutsch-amerikanische Regierungsabkommen inhaltlich weitgehend im bilateralen transatlantischen Abkommen der EU mit den USA aufgegangen, und die USA haben ein ähnliches Abkommen mit Kanada abgeschlossen. Beide wiederum haben Pate für das jüngs­ te Abkommen der EU mit Kanada gestanden. Soweit sich solche Kooperationsformen bewähren, und das haben sie bisher, erscheint der Übergang vom bilateralen zu plurinationalen Vertragsbeziehungen geradezu programmiert.

Inwieweit sich langfristig der Bedarf nach einer völkerrechtlich abgesicherten internationalen Wettbewerbsorganisation („Weltkartellamt“) ergibt, lässt sich noch nicht abschätzen, kann und soll aber auch nicht ausgeschlossen werden.




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