*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.8          Handlungsempfehlungen

4.8.1       Handlungsempfehlungen zur koordinierten Makropolitik

Empfehlung 4-8    Erweiterung des Aufgabenbereichs der EZB41

Die Enquete-Kommission bewertet die Bildung der Europäischen Währungsunion insgesamt als historischen Fortschritt. Sie ist auch der Auffassung, dass mit dem Übergang zur Euro-Währung Chancen für eine Koordinierung der Geld-, Währungs- und Finanzpolitik gewachsen sind, um nicht nur das Ziel der Geldwertstabilität zu verfolgen, sondern auch die Beschäftigung im Euro-Raum zu fördern. Mit der Bildung der Europäischen Währungsunion sind auch die Chancen gestiegen, die Wechselkurspolitik zwischen den großen Währungsblöcken besser zu koordinieren.

Die Enquete-Kommission hält es angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Euro-Raum für unabdingbar, das Mandat der Europäischen Zentralbank diesen Gegebenheiten anzupassen und so zu erweitern, dass neben dem stabilitätspolitischen Ziel auch beschäftigungs- und wachstumspolitische Ziele verfolgt werden müssen. Schon jetzt sollten die im Art. 105 gegebenen Möglichkeiten der wirtschaftspolitischen Abstimmung zwischen Europäischer Zentralbank und Regierungen der Mitgliedsländer verstärkt ausgeschöpft werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, in diese Richtung bei Achtung und Beachtung der Unabhängigkeit der EZB initiativ zu werden.

Empfehlung 4-9    Konjunkturgerechte Fiskalpolitik

Es wird empfohlen, auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt auf der Grundlage von Artikel 2 des EGV und in Anlehnung an das deutsche Stabilitäts- und Wachstumsgesetz weiterentwickelt wird. Artikel 2 des EGV orientiert insoweit auf eine konjunkturgerechte, antizyklische Fiskalpolitik in Europa, als er ein beständiges, nichtinflationäres und umweltverträgliches Wachstum sowie ein hohes Beschäftigungsniveau verlangt.

Konjunktur- und investitionsbedingte öffentliche Ausgaben können unbedenklich kreditfinanziert werden, da beispielsweise aus öffentlichen Infrastrukturverbesserungen mehrere Generationen einen Nutzen ziehen. Demnach sind nur strukturelle Defizite, die weder konjunktur- noch investitionsbedingt sind, zu bekämpfen. Diesem Leitbild folgen im Kern auch die Empfehlungen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Finanzpolitik orientiert sich dann auch am Grundsatz der Nachhaltigkeit: Im langfristigen Durchschnitt werden konsumtive Ausgaben des Staates über Steuern und öffentliche Inves­ titionen, deren Nutzen mehreren Generationen zu Gute kommt, über Kredite finanziert. Im Konjunkturzyklus führen schwankende Steuereinnahmen zu einem „atmenden Haushalt“. Im langfristigen Durchschnitt bleiben die Schuldenstandsquote ebenso wie die Zinslastquote stabil.

Empfehlung 4-10 Produktivitätsorientierte Lohnpolitik42

Es wird empfohlen, dass die Lohnentwicklung in der EU einem produktivitätsorientierten Pfad folgt. Das heißt, die Löhne sollen entsprechend der Summe aus Produktivitätsfortschritt und der Zielinflation der Europäischen Zentralbank (EZB) zunehmen. Indem ein Kaufkraftausgleich nur bis zur Zielinflationsrate der EZB (unter zwei Prozent) einbezogen wird, werden Zweitrundeneffekte, die eine Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen können, vermieden. Die Lohnpolitik sollte sich an der Leistungsfähigkeit der Unternehmen, also am langfristigen Produktivitätszuwachs und nicht am aktuell prognostizierten Wert, orientieren. Die Lohnentwicklung wird dann verstetigt und die Lohnstückkosten steigen im Ausmaß der Zielinflation der Zentralbank. Damit liefert die Lohnpolitik einen Beitrag zur Preisniveaustabilität. Es werden sowohl Preis-Lohn-Spiralen nach oben als auch nach unten (Lohndumping-Wettbewerb) vermieden. Gleichzeitig kann die realen Konsumnachfrage stabilisiert und verstetigt werden und es werden wachstumsgerechte Anreize für produktivitätsschwache und -starke Unternehmen geschaffen.



41 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum von der CDU/CSU-Fraktion in 11.1.7.3.

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42 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum von der CDU/CSU-Fraktion in 11.1.7.3.

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