*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.1.7.3   Arbeitsmärkte

Vorbemerkungen

Der Berichtsteil der Mehrheitsfraktionen gliedert sich grundsätzlich in einen Diagnose- und einen Therapie- oder Empfehlungsteil. Im Diagnoseteil konnten weitgehend Übereinstimmungen mit den Mehrheitsfraktionen hergestellt werden. Allerdings hegt die CDU/CSU-Arbeitsgruppe erhebliche Bedenken gegen viele von den Mehrheitsfraktionen ausgesprochenen Handlungsempfehlungen. Gerade bei diesem Thema ist offensichtlich, dass die Enquete-Kommission den Mehrheitsbericht nutzt, um ideologische und nationale Politikansätze unter Missachtung der empirischen Fakten und zum Teil gegen sie als angeblich nützliche Rezepte für komplizierte weltweite Prozesse zu verkaufen versucht.

Die Mehrheitsfraktionen stellen fest, dass die diagnos­ tizierten Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht in un­ mittelbarem oder ursächlichem Zusammenhang mit der Globalisierung stehen. Deshalb werden viele nationale Arbeitsmarktprobleme aufgezeigt und Handlungsempfehlungen vorgebracht.

Im Folgenden greifen wir explizit Kapitel undHandlungsempfehlungen aus dem Mehrheitsbericht auf und    stellen eigene Forderungen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit vor. Ergänzend verweist die CDU/CSU-Arbeitsgruppe auf ihr Votum zum Kapitel 5 „Arbeitsmärkte“ im Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“.

Zusammenfassende Bemerkungen

Die Regulierungsdichte wirkt auch auf den deutschen Arbeitsmärkten seit langem lähmend. Helfen könnte schon, wenn vor die Normsetzung – wo immer möglich – zunächst eine limitierte Testphase (siehe das sog. „Wisconsin-Modell“ der hessischen Landesregierung) gesetzt würde. Allein hierdurch würde auf der Zeitachse Flexibilität gewonnen.

Flexibilität und „Öffnungsklauseln“ notwendig

Vor allem aber müssen die Rahmenbedingungen im Tarifbereich („Öffnungsklauseln“) endlich flexibler werden. Der in dieser Legislaturperiode wiedereingeführte verstärkte Kündigungsschutz wirkt beschäftigungsfeindlich. Um die Einstellungschancen älterer Arbeitnehmer zu verbessern, sollte diesen beim Abschluss eines Arbeitsvertrages ein Optionsrecht eingeräumt werden. Sie könnten sich hierbei entscheiden, bei einer eventuellen späteren Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung auf eine Kündigungsschutzklage zu verzichten. Ebenso beschäftigungsfeindlich wirken der einseitige allgemeinen Anspruch auf Teilzeitarbeit und die kostenintensiven Neuregelungen bei der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001. Beide belasten insbesondere die mittelständische Wirtschaft zusätzlich und schädigen damit die eigentlichen Träger derzeitiger und zukünftiger Beschäftigung.

Beschäftigungswirksame Handlungsempfehlungen für Deutschland

Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollten zusammengefasst und so ausgestaltet werden, dass Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung entstehen. Deshalb muss das Lohnabstandsgebot strikt beachtet werden. Zudem sollte die Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Sozialhilfe reduziert und die vielfältigen Ansprüche, die über den Regelsatz der Hilfe zum Lebensunterhalt weit hinausgehen, geprüft werden. Wer ein Arbeitsangebot ablehnt, der muss mit einer deutlichen Verringerung seines Anspruchs auf Sozialhilfe rechnen. Um im Niedriglohnbereich gezielt Beschäftigungsanreize zu setzen, sollte auf Sozialbeiträge bis zum steuerlichen Grundfreibetrag (derzeit etwa 10.000 Euro p.a.) verzichtet werden. Die Beitragsausfälle könnten durch Einschränkungen der vielen ineffizienten Arbeitsmarktprogramme kompensiert werden.

Der relativ niedrige Anteil von Beschäftigten im Niedriglohnbereich und der hohe Anteil der Schatten­ wirtschaft weisen auf die falschen Rahmenbedingungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt hin. Diese sind maßgeblich von der jetzigen Bundesregierung zu verantworten.

Kommentar zu Kapitel 4.2: Der deutsche Arbeitsmarkt im globalen Wettbewerb

Zu Kapitel 4.2.3: Zusammenfassende Bewertung, Punkt 1.

Die Stellung Deutschlands im internationalen Wettbewerb wird hier nicht zutreffend beschrieben. Der von der OECD entwickelte und verwendete Indikator der Exportperformance zeigt dies deutlich: Seit Mitte der 80er Jahre hat dieser Indikator fast 25 Prozent eingebüßt. Die Exportperformance anderer Industrieländer (z.B. USA, Irland, Spanien, Norwegen, Finnland) hat sich hingegen verbessert, und wichtige europäische Konkurrenten haben weniger schlecht abgeschnitten als Deutschland.

Zu Kapitel 4.2.3, Punkt 8.

Zugrundeliegende Ursache der in Deutschland vergleichsweise geringen Beschäftigung im Bereich der persönlichen Dienstleistungen ist der unzureichende Lohnabstand (zur empirischen Relevanz siehe Boss 2001; Klös, Schäfer 2002). Dieser kann zwar durch die Entlastung geringer Einkommen von Sozialabgaben gemildert werden, doch dies löst nicht das eigentliche Problem. Vielmehr werden durch die Verschiebung von Finanzmitteln von einer öffentlichen Hand (Steuer) in die andere (Sozialversicherung) die ohnehin schon problematischen Anreizstörungen durch weitere Verletzungen des Konnexitätsprinzips verstärkt. Eine problemadäquate Lösung bestünde in einer Absenkung der Transfereinkommen und ggf. der Einführung einer negativen Einkommensteuer. Die Schaffung bzw. Ausdehnung eines öffentlichen Beschäftigungssektors beseitigt die Arbeitslosigkeit nicht, da die Opportunitätskosten beachtet werden müssen: Eine dadurch bedingte Erhöhung der Steuern zur Finanzierung öffentlicher Beschäftigung führt ihrerseits zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit.

Zu Kapitel 4.2.3, Punkt 9.

Die empirischen und theoretischen Hinweise auf einen beschäftigungsfeindlichen Einfluss von Rigiditäten sind unübersehbar (vgl. z.B. Eichhorst u.a. 2001, Berthold u.a. 1999, Siebert 1997). Voraussetzung für die Absenkung der hohen nationalen Arbeitslosigkeit ist jedoch Flexibilität, also die Bereitschaft zur Anpassung und die Öffnung veränderungsfeindlicher tarifrechtlicher Strukturen. Da dies bisher nicht geschehen ist, die Notwendigkeit jedoch weiter besteht, entstehen mittlerweile viele Arbeitsverhältnisse in rechtlichen Grauzonen oder sogar unter Verstoß des Tarifrechts. Je länger die arbeitsmarktpolitischen Anpassungen verzögert werden, desto höher werden im Zeitlablauf die Kosten dafür sein.

Zu Kapitel 4.2.3, Punkt 10.

Die Existenz einer Dienstleistungslücke ist unumstritten. Umstritten sind allerdings die Messmethode und daraus resultierende Ergebnisse. Nicht nachvollziehbar ist, warum eine „generelle Wachstumsschwäche“ und „Strukturprobleme in den neuen Bundesländern“ dafür ursächlich sein sollen, obwohl die Existenz der Lücke auch in    Westdeutschland einwandfrei nachweisbar ist. Eine generelle Wachstumsschwäche müsste alle Branchen betreffen.

Kommentar zu Kapitel 4.3: „Globalisierungs­ bedingter Strukturwandel auf dem deutschen Arbeitsmarkt“

Zu Kapitel 4.3.6: Zusammenfassende Bewertung, Punkt 3.

Der Hinweis auf makroökonomische Faktoren“ (zu geringe Binnennachfrage, Zunahme des Angebotes an Arbeitskräften, Produktivitätswachstum) als Ursache struktureller Arbeitslosigkeit überzeugt nicht. Das Produktivitätswachstum liefert keine langfristig zufriedenstellende Erklärung für Arbeitslosigkeit (Vivarelli 1995). Auch ein höheres Arbeitskräfteangebot führt nicht unbedingt zu höherer Arbeitslosigkeit. Dies zeigen Erfahrungen anderer Länder (z.B. der USA). Maßgeblich für die Absorptionsfähigkeit eines Arbeitsmarktes ist nämlich seine Flexibilität. Die Vorstellung, die strukturelle Arbeitslosigkeit sei keynesianischer Natur und resultiere aus einer unzureichenden Güternachfrage, ist angesichts des vorgeschlagenen Gegenmittels – einer Ausweitung der Staatsausgaben – empirisch wenig gehaltvoll: Die strukturelle Arbeitslosigkeit in Deutschland steigt seit vielen Jahren – unabhängig davon, ob eine expansive oder res­ triktive Fiskalpolitik betrieben wird.

Für die Lesbarkeit des gesamten Votums bilden wir in dem folgendem Kasten dieAussagen ab, die bereits im Zwischenbericht als Beispiel für einen internationalen Vergleich dienen.

   Kommentar zu Kapitel 4.4: Handlungsempfehlung 4-1 „Weiterbildung“

Jedes Individuum investiert durch Bildung und Weiterbildung in seine eigene Zukunft. Das heißt auch, dass jeder diese Entscheidungen für sich selbst treffen muss. Gegenwärtig gibt die Bundesanstalt für Arbeit bereits sieben Milliarden Euro im Jahr für die berufliche Weiterbildung aus. Angesichts ausstehender Belege für die Wirksamkeit der Förderung (Hagen, Steiner 2000) erscheint eine weitere Erhöhung nicht angemessen. Eine Ausweitung der Regulierungsdichte durch Rahmengesetze und Ausbildungsumlagen wird ebenso abgelehnt. Die Idee eines Zertifizierungssystems für Unternehmen erscheint zweifelhaft. Der Mangel an formalen Qualifikationen kann kaum durch Formalisierung abweichender Qualifikationen kompensiert werden. Wie die Unternehmen ihre Weiterbildung organisieren, sollte ihnen letztlich selbst überlassen werden.

Zu Handlungsempfehlung 4-3 „Arbeitszeitpolitik“

Diese Handlungsempfehlung beruht auf der Vorstellung, das Arbeitsvolumen sei fest vorgegeben und müsse bloß auf mehr Köpfe verteilt werden, um den Beschäftigungsstand zu erhöhen. Diese Vorstellung ist unzutreffend. Die Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt sind viel zu spezifisch, als dass man durch allgemeine Arbeitszeitverkürzungen die Beschäftigung erhöhen könnte. Während in einigen Segmenten sogar Fachkräftemangel herrscht, ist in anderen Segmenten ein Überschuss zu beobachten. Regulierungen wie das Teilzeit- und Befristungsgesetz werden diese Segmentierung verschärfen und die Arbeitslosigkeit erhöhen (vgl. Klös, Schäfer 2000). Bereits im Zwischenbericht 2001 zeigte die CDU/CSU- Arbeitsgruppe anhand von verschiedenen Beispielen aus dem europäischen Ausland, dass der hier erneut vorgebrachte Vorschlag der Arbeitszeitverkürzung nicht zu den gewünschten Effekten – der Verringerung von Arbeitslosigkeit – führt (Enquete-Kommission „Globalisierung“ 2001c: 178ff.). Aus diesem Grund wird auf eine erneute Darstellung an dieser Stelle verzichtet.

Zu Handlungsempfehlung 4-4 „Steigerung der Frauen­ ­ erwerbstätigkeit“, hier speziell: Rückführung des Ehegattensplittings“

Bereits der frühere SPD-Bundesfinanzminister Lafontaine plante die Begrenzung des Splittingvorteils auf maximal 8000 DM und scheiterte mit diesem Vorhaben an massiven verfassungsrechtlichen, aber auch ökonomischen Bedenken. An dieser Sachlage hat sich so gut wie nichts geändert. Folgende Gründe sprechen für die Beibehaltung des Splittingverfahrens:

–    Das Ehegattensplitting ist keine disponible Steuervergünstigung, sondern verfassungsrechtlich geboten, weil die Ehe als Lebensgemeinschaft beide Partner als gleichberechtigt ansieht und daher das Einkommen    auch beiden in gleicher Höhe zugerechnet werden muss. Außerdem begründet die Ehe auch zivilrechtliche Unterhaltsansprüche.

–    Im Zuge der Steuerreform sinkt die Grenzsteuerbelas­ tung und dadurch verringert sich automatisch auch der Splittingvorteil

–    Durch den Splittingvorteil profitieren nicht nur die kinderlosen Ehepaare, sondern insbesondere die Ehepaare mit Kindern – eine Kappung des Vorteils müsste aus verfassungsrechtlichen Gründen auch auf diese Gruppe im Zuge des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgedehnt werden.

–    Nur zwei Prozent der verheirateten Einkommensteuerzahler kommen gegenwärtig in den Genuss des vollen Splittingvorteils. Die steuerlichen Einsparpotenziale sind bei einer Abschaffung deshalb gering.

Zu Kapitel 4.4.1: Exkurs: Hilfen für die potenziellen Globalisierungsverlierer durch Subvention gering qualifizierter Arbeit

Das antizipierte Primat der Qualifizierungspolitik gegenüber der Lohnsubventionierung im Niedriglohnbereich stößt an Grenzen, da die Grenzkosten der Qualifizierung steigen und die Grenzerträge hieraus letztlich übersteigen. Ein Arbeitsmarkt muss aber auch Chancen für Geringqualifizierte bieten. Anreize zur Qualifizierung bietet der Markt durch bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz und höhere Löhne für Hochqualifizierte genug.

Dass kulturelle Aspekte einer Ausweitung des Sektors der Einfachdienstleistungen entgegenstehen, wird bereits durch ein steigendes Angebot dieser Dienstleistungen in der Schattenwirtschaft widerlegt.

Das Argument, das Lohnniveau sei zu hoch für einen Niedriglohnsektor leitet sich nicht aus dem Mangel an entsprechenden Leistungsgruppen in Tarifverträgen ab. Es resultiert vielmehr aus dem geringem Arbeitsangebot in diesen Leistungsgruppen. Dies kann mit dem Mindestlohncharakter der Sozialhilfe erklärt werden.

Zu Kapitel 4.5: Globalisierung und arbeits- und sozialpolitische Handlungsfähigkeit des Nationalstaates

Zu den Handlungsempfehlungen 4-5 und 4-6 „Mindestsozialleistungsquoten“

Die Forderung nach EU-weiten Mindestsozialleistungsquoten ist irrational, da einerseits nicht berücksichtigt wird, wie viele soziale Leistungen notwendig sind und andererseits der politische Wille einzelner Mitgliedsländer ignoriert wird. Stattdessen sollten die Sozialbudgets effizienter dazu verwendet werden, um den Finanzbedarf zu senken und Räume für wachstumsfördernde Steuer- und Sozialabgabensenkungen zu schaffen. Im Übrigen wird ein Wirkungszusammenhang impliziert (niedrigere So­ zi­ al­ ­leistungsquoten erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit), der in Abschnitt 4.2 noch heftig angezweifelt wurde.

Mindestsozialleistungsquoten laufen zudem auf eine Harmonisierung der Sozialausgaben auf hohem Niveau hinaus und beschränken den Wettbewerb um „Best Practices“. Zudem ist die Ausgangshypothese eines „Race to the Bottom“ im Wettbewerb bei den Sozialleistungen nicht zutreffend. Im Gegenteil, die Sozialleistungsquoten sind im Zeitraum 1980 bis 1999 in fast allen Ländern der EU gestiegen. Auch die Sozialleistungen je Kopf tendieren nach oben, nicht nach unten.

Zu Kapitel 4.7: Beschäftigungsrelevante Defizite in der Europäischen Union

Zu Handlungsempfehlung 4-8 „Erweiterung des Aufgabenbereichs der EZB“

Die Forderung nach einer Ausweitung des Zielkatalogs der EZB wird von CDU/CSU abgelehnt. Aus ordnungspolitischen Gründen sollten die Zuordnungen von Aufgaben in der Wirtschaftspolitik klar und eindeutig sein und nicht verwischt werden. Indem die EZB für Preisstabilität sorgt, leistet sie einen wichtigen Beitrag für Wachstum und Beschäftigung. Die Bundesregierung hat durch ihre Wirtschafts-, Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik für wachstums- und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen zu sorgen, die Tarifpartner sind für beschäftigungsorientierte Löhne verantwortlich.

Zu Handlungsempfehlung 4-10 „Produktivitäts­ orientierte Lohnpolitik“

Die Lohnentwicklung muss stets im Einklang mit der nationalen Produktivitätsentwicklung stehen und darf sich nicht an einem EU-Durchschnitt orientieren. Dies gewährleistet eine stabilitäts- und beschäftigungsorientierte Lohnpolitik.

Die Mehrheitsfraktionen scheinen zudem einen Lohnkos­ tenwettbewerb generell negativ zu beurteilen (Vorwurf eines „Lohndumping-Wettbewerbs“). Auch hier konnte z.B. der Sachverständigenrat in einem seiner letzten Gutachten kein „Race to the Bottom“ feststellen. Zudem ist die implizite Annahme falsch, Lohndisziplin sei beschäftigungsneutral, wenn dies alle Länder täten. Lohnmoderation kann vielmehr in allen beteiligten Ländern die Beschäftigungslage verbessern, denn sie verbessert tendenziell das Verhältnis von Arbeits- zu Kapitalkosten.

Zu Kapitel 4.8, 4.8.2: Handlungsempfehlungen zur Europäischen Steuerpolitik

Die in diesem Kapitel unterbreiteten Empfehlungen sind alle durch ein tiefes Misstrauen gegenüber dem internationalen Steuerwettbewerb gekennzeichnet. Dieser wird einseitig als „unfairer Wettbewerb“ interpretiert. Bisher existieren allerdings keine rechtlich verbindlichen und definitorisch klaren Begriffsunterscheidungen zwischen einem unerwünschten „unfairen“ und einem erwünschten „fairen“ Steuerwettbewerb.

Steuerwettbewerb ist auch nicht zwangsläufig mit Steuermindereinnahmen verbunden. Auch hier ist ein „Race to the Bottom“ empirisch bislang nicht nachweisbar. Im Gegenteil: Die Anteile der von den Kapitalgesellschaften gezahlten Gewinnsteuern an den Steuereinnahmen insgesamt sind laut OECD-Berechnungen in den 90er Jahren    angestiegen und nicht gesunken. Führt Steuerwettbewerb zu einer höheren Effizienz der nationalen Steuersysteme, (Senkung der Steuersätze und gleichzeitig Abschaffung von Steuerschlupflöchern) so kann dies positive ökonomische Anreize entfalten. Hohe Steuersätze ohne entsprechende Gegenleistung führen aber insbesondere im Bereich der Besteuerung mobiler Faktoren (Sachkapital und hochqualifizierte Arbeitskräfte) zu Ausweichreaktionen.

Soll eine Harmonisierung der direkten Steuern auf europäischer Ebene angestrebt werden, dann erscheint es bei der Unternehmensbesteuerung sinnvoller, an Stelle der Steuersätze, die steuerlichen Vorschriften der Gewinnermittlung anzugleichen. Dies würde den Steuerwettbewerb transparenter machen und nicht ausschalten. Ein solcher Vorschlag ist in der Diskussion und ein erster sinnvoller Schritt könnte eine europäische Angleichung im Bereich der Körperschaftsteuern sein (z. B. Halbeinkünfteverfahren als einheitliche Besteuerungsmethode).

Zu Handlungsempfehlung 4-13 „Bekämpfung von Standortkonkurrenz, die mittels Steuer­ vergünstigungen und steuerlichen Sonder­ konditionen für mobile Unternehmensfunktionen erfolgt“

Dieser Empfehlung liegt erneut die Angst vor einem „Race to the Bottom“ zu Grunde. Auch hier werden „mobile Unternehmensfunktionen“ nicht abwandern, so lange der „Value for Money“ stimmt. Deshalb sollte zunächst abgewartet werden, ob die bereits beschlossenen Maßnahmen in Form der Verhaltenskodizes ausreichen. Generell restriktivere Besteuerungsregeln bei mobilen Unternehmensfunktionen (Kapitalanlagen, Holding- und Finan­ zierungsfunktionen, Lizenzverwaltung, Versicherungsdienstleistungen) werden allerdings Umgehungs- und Vermeidungsstrategien nach sich ziehen (z.B. Verlagerungen außerhalb der EU) und sind deshalb nicht zielführend.

Zu Handlungsempfehlung 4-14 „Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen an veränderte Gegebenheiten und Subventionskontrolle“

Bevor multilaterale Abkommen geschaffen werden, sollte geprüft werden, ob die bilateralen Freistellungs- oder Anrechnungsmethoden für alle EU- verbindlich gemacht werden sollten. Auch bei dem Vorschlag einer umfassenden Subventionskontrolle ist Skepsis angebracht. Bereits auf nationaler Ebene ist eine Kontrolle schwer durchführbar; auch auf der EU-Ebene gibt es in der Beihilfenkontrolle erhebliche Probleme. Eine Ausdehnung der Kontrolle auf alle Steuervergünstigungen würde diese Kontrollprobleme weiter verschärfen, zumal selbst eine Quantifizierung von Vorteilen aufgrund von Steuervergünstigungen methodisch schwierig ist.

Zu Kapitel 4.8.3 Handlungsempfehlungen 4-15 bis 4-17

„Öffentliche Daseinsvorsorge“

Die in dem Mehrheitsbericht unter diesem Punkt geforderte Rahmenrichtlinie wäre bei konsequente Wettbewerbspolitik überflüssig. Es sollte zudem strikt das Beihilfenverbot und das Subsidiaritätsgebot durchgesetzt werden. Die Schaffung einer Rahmenrichtlinie für gemeinwohlorientierte Dienstleistungen setzt zunächst eine Definition solcher Dienstleistungen voraus. Allerdings entzieht sich der Begriff der Gemeinwohlorientierung einer exakten Definition. Es ist deshalb zu befürchten, dass hierdurch gemeinwohlorientierte öffentliche Unternehmen gegenüber privaten Unternehmen bevorzugt werden sollen.

Zu Kapitel 4.10.1: Handlungsempfehlungen zur Informalität der Arbeit

Zu Handlungsempfehlung 4-19 „Ausreichende Versorgung mit Öffentlichen Gütern“

Die Schlussfolgerung in dieser Handlungsempfehlung, Informalität resultiere aus mangelnder Versorgung mit öffentlichen Gütern, ist unplausibel und von der Analyse nicht gedeckt. Sie steht auch im Widerspruch zu den Ausführungen über den informellen Sektor in Kapitel 4.9.1.1 und die Schattenwirtschaft in Kapitel 4.9.1.5.




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Kasten 11-1