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Barbara Minderjahn
Balkan braucht große Märkte
Südosteuropa-Gipfel in Skopje
Es ist seltsam, welch eigene Dynamik Konferenzen entwickeln
können. Eigentlich sind sich die meisten Länder der
Balkanregion bis heute spinnefeind. Und doch: Wenn es um die
Zusammenarbeit im Bereich von Infrastrukturprojekten geht,
äußerten sich alle Teilnehmer des
Südosteuropäischen Wirtschaftsgipfels vorige Woche in
Skopje einheitlich:
Man brauche ein neues Verkehrsnetz mit ausgebauten
Schienennetzen und mehr und besseren Straßen, Investitionen in
den Bereichen Telekommunikation, Energie, Bildung und Forschung.
All das, so die Konferenzteilnehmer, muss grenzüberschreitend
aufgebaut werden, denn grenzübergreifende Wirtschaftsprojekte
können helfen, die politischen Gräben zu überwinden
und damit Frieden und Wohlstand zu schaffen.
Jedes Jahr wollen sich die Regierungsvertreter
Südostosteuropas und internationale Wirtschaftsvertreter
fortan treffen, um die Zusammenarbeit in der Region voranzubringen.
Doch konkretere Projekte gibt es bisher nur wenige. Der vom
deutschen Institute For European Affairs (INEA) und dem
türkischen Institut DEIK organisierte Wirtschaftsgipfel war in
erster Linie eine politische Absichtserklärung. Dabei ist die
Herausforderung klar. Die Länder Südosteuropas
müssen ihre Konflikte überwinden und sich sowohl
politisch wie wirtschaftlich stabilisieren. Und das funktioniert am
besten durch regionale, grenzübergreifende Zusammenarbeit. So
zumindest scheint es die Erfahrung in Europa nach dem Zweiten
Weltkrieg gezeigt zu haben. Die Montanunion zwischen Deutschland
und Frankreich beispielsweise war unter anderem getragen von dem
Gedanken: Gemeinsamkeit schafft Vertrauen. Wenn zwei Staaten
gemeinsam die Kontrolle über eine kriegswichtige Industrie
übernehmen, können sie sie in Zukunft schlecht dazu
benutzen, einen Krieg gegeneinander anzuzetteln. Auf dem Weg zur
Europäischen Union erweiterten die westeuropäischen
Staaten das Rüstungskontrollprojekt dann zu einem Netzwerk
gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen, das in Europa für
Frieden und Wohlstand gesorgt hat.
Aber wird dieses Konzept auch in Südosteuropa
funktionieren? Der Koordinator des EU-Stabilitätspaktes
für Südosteuropa und Mitveranstalter der Konferenz in
Skopje, Erhard Busek, ist überzeugt, Investoren brauchten
große Märkte ohne Handelshemmnisse. An den kleinen
fragmentierten Märkten des Balkans gehe jeder Investor vorbei.
Regionale Zusammenarbeit, gemeinsame Infrastrukturprojekte und
Handelsliberalisierung sind daher notwendig. Die ersten Schritte
dazu werden bereits mit Hilfe der EU gemacht. Alle Länder der
Region haben untereinander Freihandelsabkommen abgeschlossen, und
seit rund einem Jahr arbeitet der Stabilitätspakt an einem
gemeinsamen südosteuropäischen Energiemarkt. Darüber
hinaus soll die Donau als gemeinsame, wichtige Wasserstraße
ausgebaut werden.
Schwierige Beziehungen
Vor allem die Nachfolgestaaten Jugoslawiens tun sich schwer mit
der Zusammenarbeit. Die Regierung der Teilrepublik Montenegro
beispielsweise möchte sich aus dem Staatsverband mit Serbien
lösen. Die von der EU geforderte Harmonisierung der
Wirtschaftssysteme zwischen Serbien und Montenegro ist daher bis
heute nicht umgesetzt. Hinter dem Zögern stecken nicht zuletzt
Emotionen, die auch auf der Konferenz hinter den Kulissen deutlich
zu spüren waren. So ärgern sich Teilnehmer aus Mazedonien
beispielsweise darüber, die Albaner würden ihnen
mittlerweile alle guten Stellen wegnehmen. Und die griechische
Regierung war nicht durch hohe Staatsrepräsentanten vertreten,
weil dies einer offiziellen Anerkennung Mazedoniens nahe gekommen
wäre.
Was treibt den Willen zur Kooperation also an? Zum Beispiel die
Hoffnung auf Geld. Die Staaten Südosteuropas brauchen dringend
Investitionen, um ihre Infrastruktur aufzubauen. Die Kriege auf dem
Gebiet des früheren Jugoslawiens haben Straßen,
Brücken und Eisenbahnlinien zerstört. Der Zerfall der
Sowjetunion hat die alten Energie- und Versorgungsnetze
zusammenbrechen lassen. Die Telekommunikation ist noch nicht auf
die Erfordernisse einer modernen Kommunikations- und
Wirtschaftswelt eingerichtet. Dem Stabilitätspakt stehen zwar
jährlich rund zwei Millionen Euro zur Verfügung, um den
Aufbau der Region zu fördern. Doch das reicht gerade, um
solche Projekte vorzubereiten und zu begleiten. Die eigentliche
Aufgabe des Stabilitätspaktes ist es, für
Rechtssicherheit in der Region zu sorgen, die Gesetzgebungen zu
harmonisieren, Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption
und Kriminalität anzuregen um so die Voraussetzungen für
einen erfolgreichen Wirtschaftsaufbau zu schaffen. Die Mitarbeiter
Buseks können nur helfen, Infrastrukturprojekte auf den Weg zu
bringen, indem sie Geldgeber und die umsetzenden Partner
zusammenbringen, die geplanten Maßnahmen evaluieren und
Sicherheiten und Qualitätskontrolle bereitstellen. Die
eigentlichen Investitionen müssen von den so genanntem Gebern
(EU, USA, Russland, Japan, Weltbank, EBRD und andere internationale
Organisationen) und privaten Unternehmen kommen. Sie alle waren in
Skopje vertreten.
Die Hoffnung, dass sich die Region allein durch solche
Konferenzen aufbauen lässt, ist allerdings zu optimistisch.
Noch verhindern Korruption, Kriminalität und komplizierte
bürokratische Verfahren umfangreiches privatwirtschaftliches
Engagement. Die Wirtschaft will sichere und stabile Voraussetzungen
sehen, bevor sie investiert und nicht umgekehrt.
Doch langfristig nützt die Konferenz. Die Staaten
Südosteuropas wissen, dass die EU auf regionale Zusammenarbeit
setzt. Da sie in die Union aufgenommen werden wollen, müssen
sie versuchen, die ihnen angetragenen Ideen umzusetzen. Dieser
Wirtschaftsgipfel ist ein Rahmen, in dem sich die Staaten dazu
verpflichten, ihre Grenzen zu überwinden. Eine Verpflichtung,
an der sie sich messen lassen müssen.
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