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Claudia Heine
Schlaffe Frauenpower?
"Berliner Gespräche" bei der CDU
Eine solche Ermahnung erlebt Alice Schwarzer von einem
CDU-Politiker wohl eher selten: "Die Frauenbewegung braucht mehr
Galopp. Sie müssen mehr kämpfen!" Aber es war ja nicht
irgendwer, sondern der ehemalige Generalsekretär der Partei,
Heiner Geißler, der an die prominenteste Feministin der
Bundesrepublik appellierte. Der heute 75-Jährige galt in den
80er-Jahren immerhin als "die beste Frau der CDU", wie Angela
Merkel in ihren Begrüßungsworten feststellte. Am
vergangenen Montag hatte die Partei im Rahmen der "Berliner
Gespräche" ins Konrad-Adenauer-Haus geladen, um mit
Geißler und Schwarzer auf dem Podium über die Frage "Wie
modern ist Deutschlands Frauenbild? - 20 Jahre nach dem ?Essener
Parteitag'" zu diskutieren.
Im März 1985 bekannte sich die CDU unter ihrem
Generalsekretär Geißler zu den "Leitsätzen für
eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau". Sie konzentierten
sich auf die Gleichwertigkeit von Hausarbeit und Erwerbsarbeit.
1986 verabschiedete die Bundesregierung ein Erziehungsurlaubs- und
Bundeserziehungsgeldgesetz. Berufstätige Mütter oder
Väter konnten erstmals zehn Monate (ab 1992 bis zu drei
Jahren) pausieren, ohne den Anspruch auf ihren Arbeitsplatz zu
verlieren. Außerdem erhielten sie ein Erziehungsgeld von 600
Mark. Die Resonanz in der Frauenbewegung war zwiespältig.
Viele Frauen erkannten in diesem "Lohn für Hausarbeit" eine
Festschreibung patriarchalischer Strukturen. Alice Schwarzer
ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie auch nach 20
Jahren keine Freundin dieser Regelung geworden ist: "Das sieht erst
mal gut aus, ist aber in der Realität zu einer Hauptfalle
für Frauen geworden. Die Mehrheit der Frauen kommt nach einer
längeren Pause nicht mehr rein in den Beruf!" Einen solchen
Vorwurf wollte Heiner Geißler nicht auf sich sitzen lassen,
auch wenn er es manchmal schwer hatte, sich gegen seine
stimmgewaltige Gesprächspartnerin durchzusetzen: "Der
Erziehungsurlaub ist ja nichts anderes als ein
Kündigungsschutz. Dass das in der Praxis weitgehend
unterlaufen wird, ändert nichts an der richtigen Zielsetzung
dieser Entscheidung." Dass sich aber die Höhe des
Erziehungsgeldes bis heute nicht verändert habe, sei, so
glaube er, "ein markantes Zeichen dafür, dass Frauenpower
immer mehr erschlafft ist".
An diesem Abend spürten die dicht gedrängt sitzenden
Zuhörer davon nichts. Kämpferisch wie immer forderte die
Frauenrechtlerin die CDU auf: "Wenn sie es ernst meinen mit den
Frauen, dann sorgen sie für mehr Kinderbetreuung und
Ganztagsschulen!" Geißler und Schwarzer waren sich darin
einig, dass eine Gleichberechtigung der Frauen nicht ohne einen
veränderten Lebensstil der Männer zu erreichen ist. "Wir
müssen die verkrusteten Strukturen der Männerwelten
aufbrechen", sagte Geißler. Dass die CDU auf dem Weg dorthin
ist, unterstrich die Vorsitzende Merkel am Beginn der
Veranstaltung: "Wir haben jetzt auch die Männer im Visier",
umriss sie die neue familienpolitische Orientierung der Union, die
von der im Januar einberufenen Kommission "Frauen, Familie und
Beruf" derzeit augearbeitet wird. Bis zum Parteitag im Dezember
sollen die Ergebnisse auf dem Tisch liegen.
Unabhängig davon hat die CDU mit ihrer weiblichen
Vorsitzenden hier bereits Unerwartetes geleistet, was Moderatorin
Tissy Bruns zu der Frage veranlasste: "Was sagen sie nun, Frau
Schwarzer?" Die hielt sich jedoch mit Lob zurück. Statt dessen
erkannte sie auch darin vor allem ein althergebrachtes Muster: "Wir
dürfen nicht vergessen, dass es der CDU nicht gut ging, als
Angela Merkel Vorsitzende wurde. So ist das immer: In brenzligen
Situationen dürfen die Frauen den Karren aus dem Dreck
ziehen."
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