*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.1.5.2   Funktionsfähigkeit globaler Finanzmärkte stärken: Weltweiten Handel und Austausch sichern

Für die Finanzierung internationaler Handelsströme sowie für die heimische Produktions- und Investitionstätigkeit sind funktionsfähige Finanzmärkte von entscheidender Bedeutung. Die riesigen globalen Finanzströme beruhen weitgehend, aber nicht ausschließlich, auf den Waren- und Dienstleistungsströmen. Denn jeder Handelsabschluss zieht eine Vielzahl von Finanztransaktionen nach sich. Kapital sucht rentable Anlagemöglichkeiten auf der ganzen Welt und wechselt bei Veränderungen von Rahmenbedingungen oder Erwartungen seinen Anlageort in bisweilen kürzester Zeit. Von der Liberalisierung und Deregulierung haben die Finanzmärkte und insbesondere die Finanzierung der Weltwirtschaft bisher am meisten profitiert. Dies ist ein Element des Systemwettbewerbs nach dem Motto „Das Kapital sucht sich seinen besten Wirt“.

Zunächst konzentrierte sich die Masse der internationalen Kapitalströme auf die etablierten Industrieländer. Seit den letzten zehn Jahren fließt auch zunehmend mehr Kapital in Form von Direkt- und Portfolioinvestitionen in Entwicklungsländer, ein Indiz für gesteigertes Vertrauen in die jeweilige Wirtschaftspolitik. Die Kapitalströme haben sich seit Ende der 1980er Jahre bereits verfünffacht (Brunetti und Scheidegger 2002: 9).

Finanzkrisen: Globalisierung macht Ordnungsdefizite transparent

Nach dem Scheitern des Bretton Woods-Systems hat es immer wieder schwere Wechselkursprobleme und krisenhafte Zuspitzungen in einzelnen Ländern oder Regionen gegeben. Jüngste Beispiele sind die Asienkrise 1997/98 oder die Argentinienkrise 2001/02. Derartige Krisen und die hohe Volatilität der meist kurzfristigen Finanzströme erschüttern das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit nationaler und internationaler Finanzmärkte. Sie stellen das Wirken der internationalen Finanzinstitutionen in Frage und führen zu Vermögensverlusten für Wirtschaftssubjekte und Volkswirtschaften. Sie zerstören Wohlstandsgewinne und führen zu neuer Armut.

Die Finanzkrisen und Missstände auf den Finanzmärkten werden oft pauschal der Globalisierung in die Schuhe geschoben. Es gebe so etwas wie „vagabundierendes Kapital“, das sich bar jeder güterwirtschaftlichen Basis global und binnen kürzester Zeit immer neue Wirte sucht. Gleichzeitig werden neuere Entwicklungen (wie etwa die so genannten Finanzinnovationen oder das „shareholder-value“-Denken) für die hohe Volatilität der Märkte verantwortlich gemacht. Dieses immer nur kurzfristige Kapital würde dann auch keiner geordneten Entwicklung mehr zur Verfügung stehen. Zur Abwehr derartiger Störungen wird zunehmend eine wieder erhöhte Regulierung („Reregulierung“) der internationalen Finanzmärkte und eine neue Finanzarchitektur gefordert.

Bei näherer Betrachtung sind diese Vorwürfe haltlos. Denn Finanzkrisen erfassten bislang insbesondere jene Länder, die eine ungenügende Finanzmarktordnung besaßen. Zudem provozierte das Festhalten an marktwidrigen festen Wechselkursen geradezu die Spekulation gegen sie. Platzen dann noch Spekulationsblasen an den Börsen oder bestehen Kapitalgeber auf der Einlösung kurzfristiger Verbindlichkeiten, so werden Finanzkrisen wahrscheinlich. Deren Ursache sind aber allesamt in den Ordnungsbedingungen der Finanzmärkte zu sehen. Die Globalisierung macht die Defizite transparent und könnte im Gegenteil zur Disziplinierung der heimischen Finanzmarktakteure führen. Die Finanzmärkte sind nicht nur die Gewinner der Globalisierung, auch sie müssen sich dem verschärften Wettbewerb und damit schrumpfenden Margen stellen.

Wohlstand durch geordneten freien Kapitalverkehr

Ein freier internationaler Kapitalverkehr fördert langfristig Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung. Er führt Kapital seiner volkswirtschaftlich besten Verwendung zu. Der notwendige Ausgleich von Ersparnissen und Investitionen wird erleichtert, Sparer erhalten eine größere Vielfalt an Anlagemöglichkeiten, Investoren eine größere Finanzierungsvariation.

Generelle Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs sind falsche Signale für die Märkte. Sie führen zu Wohlstands- und Beschäftigungseinbußen. So erstrebenswert eine in Zukunft geringere Schwankung der Wechselkurse – insbesondere die der Schlüsselwährungen Dollar, Euro und Yen – ist, so sehr muss davor gewarnt werden, dies mit nicht-marktformen Mitteln erreichen zu wollen. Erstrebenswert sind nicht feste Wechselkurse an sich, sondern realistische Wechselkurse. Wenn diese im Zeitablauf stabil bleiben, dann umso besser, denn dann spiegelt sich darin eine verlässliche Wirtschaftspolitik wider. Wechselkurse sind der ganz wesentliche Ausdruck der Einschätzung der Politik und der „performance“ des Währungsgebiets.

Keine „Tobin-Steuer“!

Zur Abwehr von „spekulativen“ Geldern wird von Globalisierungskritikern eine Steuer auf kurzfristige internationale Finanztransaktionen gefordert („Tobin-Steuer“). Abgesehen davon, dass „Spekulation“ weder definiert werden kann noch per se verwerflich ist, muss darauf hin gewiesen werden, dass der größte Teil der kurzfristigen Kapitalbewegungen mit dem Verkehr von Waren und Dienstleistungen (zum Beispiel zur kurzfristigen Zwischenfinanzierung oder Fristentransformation) mittelbar oder unmittelbar zusammenhängt. Eine solche Spekulationssteuer träfe also den Handel direkt und würde ihn wiederum noch unsicherer machen! Darüber hinaus könnte    eine Tobin-Steuer allenfalls dann wirken, wenn sie von allen Länder der Welt eingeführt wird.

Finanzaufsicht verbessern

Viele Länder verfügen auch noch nicht über ein ausreichend stabiles und umfassendes Finanzsystem mit entsprechender Aufsicht. Hier sind Hilfen der großen Indus­ trieländer und von IWF, Weltbank u.a. notwendig und sinnvoll. Dies müssen nicht unbedingt monetäre Hilfen sein, sondern könnte in wertvollen Beratungsleistungen liegen, so bei dem Entwurf neuer Zentralbankgesetze, die die Unabhängigkeit der Zentralbank von der Regierung festschreiben. Gerade die jüngsten Finanzkrisen haben wieder gezeigt, dass die Hauptursachen in „hausgemachter“, interventionistischer Wirtschaftspolitik bestanden.

Krisenprävention und Krisenmanagement von IWF und Weltbank

Die internationale „Finanzarchitektur“ hat sich grundsätzlich bewährt. Die in jüngerer Zeit begonnene Rückführung von Weltbank und IWF auf ihre ursprünglichen Kernaufgaben ist richtig. Der IWF sollte die ihm 1997 zugewiesene Aufgabe der Liberalisierung des Kapitalverkehrs realisieren. Außerdem ist zur Abwehr unvermeidbarer Krisen ein System wirksamer Notmaßnahmen zu entwickeln (Krisenmanagement), damit auch die Gefahr der „Ansteckung“ von nicht direkt betroffenen Staaten minimiert wird. Vor allem aber sind alle Maßnahmen zur Krisenprävention zu begrüßen. Dazu zählt für den IWF eine aktivere Rolle bei der Erhebung und Aufbereitung von länderspezifischen Kapitalmarktinformationen. Entwicklungs- und wachstumspolitische Aufgaben sollten der Weltbank zugeordnet werden und bleiben.

Vorwürfe, wonach die Weltbank, vor allem aber der IWF an Finanzkrisen eine große Schuld tragen und außerdem Länder (v.a. Entwicklungsländer) in eine falsche restriktive Politik treiben würden, sind ungerechtfertigt. Richtig ist, dass bei der Kreditgewährung die nationale Politik durch den IWF beurteilt wird und Wert auf eine stabilitäts­ orientierte Politik gelegt wird („Washington Consensus“). Dies ist unter dem Gesichtspunkt optimaler Kapitalallokation richtig, eine andere IWF-Politik wäre fahrlässig. Die Souveränität und Handlungsfähigkeit der kreditnehmenden Staaten wird hierdurch nicht unzulässig eingeschränkt. Kapitalmarktbewegungen bleiben immer ein Spiegel der ordnungspolitischen Situation in den jeweiligen Ländern.

Wirksame Vorgehensweise gegen Geldwäsche und Offshore-Finanzmärkte

Es liegt auf der Hand, dass gegen kriminelle Handlungen auf den Finanzmärkten mit allen verfügbaren Mitteln vorgegangen werden muss. Die Staatengemeinschaft muss private Macht durch Gestaltung der Rahmenbedingungen begrenzen und vor allem Geldwäsche, Steuerhinterziehung und die Finanzierung von Terrormaßnahmen etc. durch eine Verbesserung der internationalen Finanzaufsicht unterbinden. Die entsprechenden Vorschläge der internationalen Institutionen (z.B. OECD, Financial Stability Forum) sind zu unterstützen.

Wie wir sehen, geht es also auch bei der Diskussion um die globalen Finanzmärkte in Wirklichkeit um das Thema Wettbewerb. So sanktionieren liberalisierte Finanzmärkte eben eine schlechte Wirtschaftspolitik. Verursacht ein Staat durch eine wachstums- und stabilitätsgefährdende Geld- und Finanzpolitik erhebliche Teuerungsraten und hohe Budgetdefizite, bestrafen ihn die Finanzmärkte mit hohen Risikoaufschlägen bei den Zinsen. Entsprechend belohnen die Finanzmärkte eine langfristige und auf Seriosität ausgerichtete Wirtschaftspolitik.




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