11.1.5.2 Funktionsfähigkeit globaler
Finanzmärkte stärken: Weltweiten Handel und Austausch
sichern
Für die Finanzierung internationaler
Handelsströme sowie für die heimische Produktions- und
Investitionstätigkeit sind funktionsfähige
Finanzmärkte von entscheidender Bedeutung. Die riesigen
globalen Finanzströme beruhen weitgehend, aber nicht
ausschließlich, auf den Waren- und
Dienstleistungsströmen. Denn jeder Handelsabschluss zieht eine
Vielzahl von Finanztransaktionen nach sich. Kapital sucht rentable
Anlagemöglichkeiten auf der ganzen Welt und wechselt bei
Veränderungen von Rahmenbedingungen oder Erwartungen seinen
Anlageort in bisweilen kürzester Zeit. Von der Liberalisierung
und Deregulierung haben die Finanzmärkte und insbesondere die
Finanzierung der Weltwirtschaft bisher am meisten profitiert. Dies
ist ein Element des Systemwettbewerbs nach dem Motto „Das
Kapital sucht sich seinen besten Wirt“.
Zunächst konzentrierte sich die Masse
der internationalen Kapitalströme auf die etablierten
Industrieländer. Seit den letzten zehn Jahren fließt auch
zunehmend mehr Kapital in Form von Direkt- und
Portfolioinvestitionen in Entwicklungsländer, ein Indiz
für gesteigertes Vertrauen in die jeweilige
Wirtschaftspolitik. Die Kapitalströme haben sich seit Ende der
1980er Jahre bereits verfünffacht (Brunetti und Scheidegger
2002: 9).
Finanzkrisen: Globalisierung macht
Ordnungsdefizite transparent
Nach dem Scheitern des Bretton Woods-Systems
hat es immer wieder schwere Wechselkursprobleme und krisenhafte
Zuspitzungen in einzelnen Ländern oder Regionen gegeben.
Jüngste Beispiele sind die Asienkrise 1997/98 oder die
Argentinienkrise 2001/02. Derartige Krisen und die hohe
Volatilität der meist kurzfristigen Finanzströme
erschüttern das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit
nationaler und internationaler Finanzmärkte. Sie stellen das
Wirken der internationalen Finanzinstitutionen in Frage und
führen zu Vermögensverlusten für Wirtschaftssubjekte
und Volkswirtschaften. Sie zerstören Wohlstandsgewinne und
führen zu neuer Armut.
Die Finanzkrisen und Missstände auf den
Finanzmärkten werden oft pauschal der Globalisierung in die
Schuhe geschoben. Es gebe so etwas wie „vagabundierendes
Kapital“, das sich bar jeder güterwirtschaftlichen Basis
global und binnen kürzester Zeit immer neue Wirte sucht.
Gleichzeitig werden neuere Entwicklungen (wie etwa die so genannten
Finanzinnovationen oder das
„shareholder-value“-Denken) für die hohe
Volatilität der Märkte verantwortlich gemacht. Dieses
immer nur kurzfristige Kapital würde dann auch keiner
geordneten Entwicklung mehr zur Verfügung stehen. Zur Abwehr
derartiger Störungen wird zunehmend eine wieder erhöhte
Regulierung („Reregulierung“) der internationalen
Finanzmärkte und eine neue Finanzarchitektur gefordert.
Bei näherer
Betrachtung sind diese Vorwürfe haltlos. Denn Finanzkrisen
erfassten bislang insbesondere jene Länder, die eine
ungenügende Finanzmarktordnung besaßen. Zudem provozierte
das Festhalten an marktwidrigen festen Wechselkursen geradezu die
Spekulation gegen sie. Platzen dann noch Spekulationsblasen an den
Börsen oder bestehen Kapitalgeber auf der Einlösung
kurzfristiger Verbindlichkeiten, so werden Finanzkrisen
wahrscheinlich. Deren Ursache sind aber allesamt in den
Ordnungsbedingungen der Finanzmärkte zu sehen. Die
Globalisierung macht die Defizite transparent und könnte im
Gegenteil zur Disziplinierung der heimischen Finanzmarktakteure
führen. Die Finanzmärkte sind nicht nur die Gewinner der
Globalisierung, auch sie müssen sich dem verschärften
Wettbewerb und damit schrumpfenden Margen stellen.
Wohlstand
durch geordneten freien Kapitalverkehr
Ein freier
internationaler Kapitalverkehr fördert langfristig Wohlstand,
Wachstum und Beschäftigung. Er führt Kapital seiner
volkswirtschaftlich besten Verwendung zu. Der notwendige Ausgleich
von Ersparnissen und Investitionen wird erleichtert, Sparer
erhalten eine größere Vielfalt an
Anlagemöglichkeiten, Investoren eine größere
Finanzierungsvariation.
Generelle
Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs
sind falsche Signale für die Märkte. Sie führen zu
Wohlstands- und Beschäftigungseinbußen. So erstrebenswert
eine in Zukunft geringere Schwankung der Wechselkurse –
insbesondere die der Schlüsselwährungen Dollar, Euro und
Yen – ist, so sehr muss davor gewarnt werden, dies mit
nicht-marktformen Mitteln erreichen zu wollen. Erstrebenswert sind
nicht feste Wechselkurse an sich, sondern realistische
Wechselkurse. Wenn diese im Zeitablauf stabil bleiben, dann umso
besser, denn dann spiegelt sich darin eine verlässliche
Wirtschaftspolitik wider. Wechselkurse sind der ganz wesentliche
Ausdruck der Einschätzung der Politik und der
„performance“ des Währungsgebiets.
Keine
„Tobin-Steuer“!
Zur Abwehr von
„spekulativen“ Geldern wird von
Globalisierungskritikern eine Steuer auf kurzfristige
internationale Finanztransaktionen gefordert
(„Tobin-Steuer“). Abgesehen davon, dass
„Spekulation“ weder definiert werden kann noch per
se verwerflich ist, muss darauf hin gewiesen werden, dass der
größte Teil der kurzfristigen Kapitalbewegungen mit dem
Verkehr von Waren und Dienstleistungen (zum Beispiel zur
kurzfristigen Zwischenfinanzierung oder Fristentransformation)
mittelbar oder unmittelbar zusammenhängt. Eine solche
Spekulationssteuer träfe also den Handel direkt und würde
ihn wiederum noch unsicherer machen! Darüber hinaus
könnte eine Tobin-Steuer
allenfalls dann wirken, wenn sie von allen Länder der Welt
eingeführt wird.
Finanzaufsicht verbessern
Viele Länder
verfügen auch noch nicht über ein ausreichend stabiles
und umfassendes Finanzsystem mit entsprechender Aufsicht. Hier sind
Hilfen der großen Indus trieländer und von IWF,
Weltbank u.a. notwendig und sinnvoll. Dies müssen nicht
unbedingt monetäre Hilfen sein, sondern könnte in
wertvollen Beratungsleistungen liegen, so bei dem Entwurf neuer
Zentralbankgesetze, die die Unabhängigkeit der Zentralbank von
der Regierung festschreiben. Gerade die jüngsten Finanzkrisen
haben wieder gezeigt, dass die Hauptursachen in
„hausgemachter“, interventionistischer
Wirtschaftspolitik bestanden.
Krisenprävention und Krisenmanagement von IWF und Weltbank
Die
internationale „Finanzarchitektur“ hat sich
grundsätzlich bewährt. Die in jüngerer Zeit
begonnene Rückführung von Weltbank und IWF auf ihre
ursprünglichen Kernaufgaben ist richtig. Der IWF sollte die
ihm 1997 zugewiesene Aufgabe der Liberalisierung des
Kapitalverkehrs realisieren. Außerdem ist zur Abwehr
unvermeidbarer Krisen ein System wirksamer Notmaßnahmen zu
entwickeln (Krisenmanagement), damit auch die Gefahr der
„Ansteckung“ von nicht direkt betroffenen Staaten
minimiert wird. Vor allem aber sind alle Maßnahmen zur
Krisenprävention zu begrüßen. Dazu zählt
für den IWF eine aktivere Rolle bei der Erhebung und
Aufbereitung von länderspezifischen Kapitalmarktinformationen.
Entwicklungs- und wachstumspolitische Aufgaben sollten der Weltbank
zugeordnet werden und bleiben.
Vorwürfe,
wonach die Weltbank, vor allem aber der IWF an Finanzkrisen eine
große Schuld tragen und außerdem Länder (v.a.
Entwicklungsländer) in eine falsche restriktive Politik
treiben würden, sind ungerechtfertigt. Richtig ist, dass bei
der Kreditgewährung die nationale Politik durch den IWF
beurteilt wird und Wert auf eine stabilitäts orientierte
Politik gelegt wird („Washington Consensus“).
Dies ist unter dem Gesichtspunkt optimaler Kapitalallokation
richtig, eine andere IWF-Politik wäre fahrlässig. Die
Souveränität und Handlungsfähigkeit der
kreditnehmenden Staaten wird hierdurch nicht unzulässig
eingeschränkt. Kapitalmarktbewegungen bleiben immer ein
Spiegel der ordnungspolitischen Situation in den jeweiligen
Ländern.
Wirksame
Vorgehensweise gegen Geldwäsche und
Offshore-Finanzmärkte
Es liegt auf der
Hand, dass gegen kriminelle Handlungen auf den Finanzmärkten
mit allen verfügbaren Mitteln vorgegangen werden muss. Die
Staatengemeinschaft muss private Macht durch Gestaltung der
Rahmenbedingungen begrenzen und vor allem Geldwäsche,
Steuerhinterziehung und die Finanzierung von Terrormaßnahmen
etc. durch eine Verbesserung der internationalen Finanzaufsicht
unterbinden. Die entsprechenden Vorschläge der internationalen
Institutionen (z.B. OECD, Financial Stability Forum) sind zu
unterstützen.
Wie wir sehen, geht es also auch bei der
Diskussion um die globalen Finanzmärkte in Wirklichkeit um das
Thema Wettbewerb. So sanktionieren liberalisierte Finanzmärkte
eben eine schlechte Wirtschaftspolitik. Verursacht ein Staat durch
eine wachstums- und stabilitätsgefährdende Geld- und
Finanzpolitik erhebliche Teuerungsraten und hohe Budgetdefizite,
bestrafen ihn die Finanzmärkte mit hohen
Risikoaufschlägen bei den Zinsen. Entsprechend belohnen die
Finanzmärkte eine langfristige und auf Seriosität
ausgerichtete Wirtschaftspolitik.
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