11.2.1.2 Thesen zur Globalisierung
Eine liberale
Finanzmarktpolitik lässt alle Neubewertungen der
Kapitalbestände zu, die sich aus der Dynamik von Wachstum,
Strukturwandel und Konjunktur von Volkswirtschaften ergeben.
Dafür müssen stabilitätsfördernde
Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sicherstellen, dass es
nicht zu fluchtartigen Kapitalbewegungen kommt und ein System
wirksamer Notmaßnahmen zur Abwehr makroökonomischer
Krisen gibt.
Liberale
begrüßen alle Reformschritte, die zu mehr Transparenz der
Kapitalmärkte und damit zu einer besseren Bewertung der
Risiken durch die Marktakteure beitragen.
Ludwig Erhardt
hat die Soziale Marktwirtschaft von Anfang an als weltoffene
Wettbewerbsordnung konzipiert. Mit einem liberalen Verständnis
von Weltordnungspolitik sind Kampfansagen an den Effizienzgedanken
in der Marktwirtschaft wie zum Beispiel eine Tobinsteuer nicht
vereinbar. Ein solcher Verzicht auf marktwirtschaftliche
Ordnungspolitik, verbunden mit dem Sand im Getriebe der
Märkte, würde mit verheerenden Folgen gerade für die
armen Länder einhergehen.
Es ist zu begrüßen, dass die
Globalisierung Grenzen für das souveräne Recht auf eine
schlechte Wirtschaftspolitik auch für Industrieländer mit sich bringt
und vermeidet, dass diese Länder die Konsequenzen einer
schlechten Wirtschaftspolitik ungestraft exportieren
können.
Deshalb ist auch eine schlichte Gleichsetzung
zum Beispiel des Steuerwettbewerbs mit Geldwäsche, wie sie
sich jetzt in manchen Kommentaren andeutet, nicht akzeptabel.
Die
Globalisierung ruft nach einer Renaissance staatlicher
Ordnungspolitik. Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren muss aber
auch zwischen entwickelten Volkswirtschaften gestützt auf das
internationale Recht möglich bleiben.
Der freie Handel
mit Gütern und Dienstleistungen ist ein Kernziel liberaler
Wirtschaftspolitik. Nur eine globale Handelsordnung kann dafür
sorgen, dass sich die Politik Schritt für Schritt in Richtung
einer Liberalisierung der Märkte bewegt. Deshalb ist die
Welthandelsorganisation (WTO) zu stärken. Weitere
Welthandelsrunden müssen folgende Ziele erreichen:
– Eine einschneidende Liberalisierung der
Agrar- und Textilmärkte im Interesse der ärmsten
Entwicklungsländer
– Weitere Fortschritte im Hinblick auf das
Langfrist-Ziel einer globalen Wettbewerbsordnung unter dem Dach der
WTO
– Eine Stärkung multilateraler
Streitschlichtungsmechanismen anstelle bilateraler Aushandlungen,
die nur zu oft dem Recht des Stärkeren folgen
– Eine Einschränkung des
Mißbrauchs von Anti-Dumping-Maßnahmen und mehr
Rechtssicherheit für internationale Investitionen
Dagegen lehnt die
FDP die Koppelung von Sozialstandards an handelspolitische
Vereinbarungen unter dem Dach der WTO grundsätzlich ab. Die
Einbindung armer Länder in die internationale Arbeitsteilung
über eine weitere Marktöffnung hilft am nachhaltigsten,
diese Länder schnell an höhere Lebensstandards
heranzuführen.
Die Regierungen
der Industrieländer können das Ziel, die sogenannten
Kernarbeitsnormen der ILO möglichst schnell und breit
durchzusetzen, durch mutige Liberalisierungsschritte wesentlich
effektiver erreichen als durch Androhen von Sanktionen.
Ein weiteres Ziel für Verhandlungen
sollte sein, die Bestimmungen internationaler Umweltabkommen mit
den Prinzipien der internationalen Welthandelsordnung kompatibel zu
machen. Globale Umweltprobleme müssen durch internationale
Absprachen angegangen werden, auch wenn einzelne Länder eine
Vorreiterrolle übernehmen.
Ökonomisch effizienter Umweltschutz
verlangt dabei Wege zu finden, um globale Schadstoffemissionen vor
allem dort zu vermindern, wo die Kosten pro reduzierter
Schadstoffeinheit am geringsten sind. Deshalb sind die flexiblen
Kyoto-Instrumente der richtige Ansatz.
Das Durchsetzen bestimmter Produktions- und
Verarbeitungsmethoden, die sich ein Importland wünschen mag
mit Hilfe von Handelsrestriktionen, lehnt die FDP ab.
Die
Globalisierung der Märkte und die Globalisierung der
Menschenrechte sind zwei Seiten derselben Medaille. Liberale
Menschenrechtspolitik tritt für die Stärke des Rechts und
nicht für das Recht der Stärkeren ein. Menschenrechte und
Völkerrecht können sich nicht selbst schützen. Sie
müssen von der Gemeinschaft freier Rechtsstaaten gestützt
werden.
Der Nationalstaat
wird durch die Globalisierung weder irrelevant noch seiner
Souveränität beraubt. Das Setzen politischer und
ökonomischer Rahmenbedingungen durch nationale Gesetze und
multilaterale Abkommen kann von den Akteuren der Globalisierung
nicht übernommen werden.
Angesichts
globaler Interdependenzen ist kein Raum mehr für
Schuldzuweisungen zwischen Nord und Süd. Der gemeinsame Kampf
gegen globale Probleme wie Terrorismus, Massenvernichtungswaffen,
Umweltzerstö rung, organisierte Kriminalität,
Bürgerkriege, Unterentwicklung, Menschenrechtsverletzungen und
Migration liegt im wohlverstandenen Interesse der gesamten
Staatengemeinschaft.
Für die FDP
steht fest: Globalisierung wirkt demokratiefördernd.
Wirtschaftliche und politische Modernisierung bedingen einander.
Wirtschaftlicher Erfolg ist nur durch Teilnahme an globalisierter
Informationstechnologie möglich. Repressive Systeme treten in
Konkurrenz zu freiheitlichen.
Kein noch so
isolationistisches Regime kann sich dem Prozess der
gesellschaftlichen Modernisierung und dem Reformdruck auf Dauer
entziehen. Bestes Beispiel für den Unterschied zwischen
Globalisierungsbefürwortern und -verweigerern ist der zwischen
Nord- und Südkorea.
Bei aller
kulturellen Vielfalt gibt es eine weltweite Ethik der
Humanität, die alle Kulturkreise verbindet. Die universale
Geltung der Menschenrechte darf nicht mit dem Hinweis auf
kulturelle Traditionen eingeschränkt werden. Das Verbot von
Folter, politischer, rassischer und religiöser Verfolgung und
dem Verschwindenlassen von Menschen ist nicht verhandelbar.
Gefragt ist ein
wirksames Instrumentarium der „Weltzivilgesellschaft“,
ein System weltweit verbindlicher und sanktionsbewehrter Normen.
Hierzu gehören u.a. die UN-Menschenrechtspakte, die
UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Anti-Folter-Konvention.
Menschenrechtliche Aspekte müssen integraler Bestandteil der
Entwicklungspolitik werden. Entwicklungsländer, die sich um
die Verbesserung ihrer Menschenrechtssituation und Festigung
rechtsstaatlicher Strukturen bemühen, sollen besonders
gefördert werden.
Die Schaffung des
Ständigen Internationalen Strafgerichtshofes für
Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit ist ein wichtiger Baustein zum Aufbau einer weltweit
verbindlichen Judikative zur Durchsetzung von
Völkerrechtsnormen, der weitere folgen müssen.
Politik und
Wirtschaft müssen gemeinsam Wege zur Verstärkung der
Ansätze zur Durchsetzung von Menschenrechten suchen. Dem
vielversprechenden Modell einer OECD-Konvention gegen Korruption müssen weitere
folgen.
Fazit:
Die FDP begreift
ihre Aufgabe darin, die Globalisierung nicht zu verteufeln, sondern
sie offensiv zu gestalten. Wir werden nicht nachlassen mit unseren
Bemühungen, möglichst viele politisch Verantwortliche
davon zu überzeugen :
Eine offene
Gesellschaft braucht mehr und nicht weniger Globalisierung!
|