*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.2.1.2   Thesen zur Globalisierung

Eine liberale Finanzmarktpolitik lässt alle Neubewertungen der Kapitalbestände zu, die sich aus der Dynamik von Wachstum, Strukturwandel und Konjunktur von Volkswirtschaften ergeben. Dafür müssen stabilitätsfördernde Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sicherstellen, dass es nicht zu fluchtartigen Kapitalbewegungen kommt und ein System wirksamer Notmaßnahmen zur Abwehr makroökonomischer Krisen gibt.

Liberale begrüßen alle Reformschritte, die zu mehr Transparenz der Kapitalmärkte und damit zu einer besseren Bewertung der Risiken durch die Marktakteure beitragen.

Ludwig Erhardt hat die Soziale Marktwirtschaft von Anfang an als weltoffene Wettbewerbsordnung konzipiert. Mit einem liberalen Verständnis von Weltordnungspolitik sind Kampfansagen an den Effizienzgedanken in der Marktwirtschaft wie zum Beispiel eine Tobinsteuer nicht vereinbar. Ein solcher Verzicht auf marktwirtschaftliche Ordnungspolitik, verbunden mit dem Sand im Getriebe der Märkte, würde mit verheerenden Folgen gerade für die armen Länder einhergehen.

Es ist zu begrüßen, dass die Globalisierung Grenzen für das souveräne Recht auf eine schlechte Wirtschaftspolitik    auch für Industrieländer mit sich bringt und vermeidet, dass diese Länder die Konsequenzen einer schlechten Wirtschaftspolitik ungestraft exportieren können.

Deshalb ist auch eine schlichte Gleichsetzung zum Beispiel des Steuerwettbewerbs mit Geldwäsche, wie sie sich jetzt in manchen Kommentaren andeutet, nicht akzeptabel.

Die Globalisierung ruft nach einer Renaissance staatlicher Ordnungspolitik. Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren muss aber auch zwischen entwickelten Volkswirtschaften gestützt auf das internationale Recht möglich bleiben.

Der freie Handel mit Gütern und Dienstleistungen ist ein Kernziel liberaler Wirtschaftspolitik. Nur eine globale Handelsordnung kann dafür sorgen, dass sich die Politik Schritt für Schritt in Richtung einer Liberalisierung der Märkte bewegt. Deshalb ist die Welthandelsorganisation (WTO) zu stärken. Weitere Welthandelsrunden müssen folgende Ziele erreichen:

–    Eine einschneidende Liberalisierung der Agrar- und Textilmärkte im Interesse der ärmsten Entwicklungsländer

–    Weitere Fortschritte im Hinblick auf das Langfrist-Ziel einer globalen Wettbewerbsordnung unter dem Dach der WTO

–    Eine Stärkung multilateraler Streitschlichtungsmechanismen anstelle bilateraler Aushandlungen, die nur zu oft dem Recht des Stärkeren folgen

–    Eine Einschränkung des Mißbrauchs von Anti-Dumping-Maßnahmen und mehr Rechtssicherheit für internationale Investitionen

Dagegen lehnt die FDP die Koppelung von Sozialstandards an handelspolitische Vereinbarungen unter dem Dach der WTO grundsätzlich ab. Die Einbindung armer Länder in die internationale Arbeitsteilung über eine weitere Marktöffnung hilft am nachhaltigsten, diese Länder schnell an höhere Lebensstandards heranzuführen.

Die Regierungen der Industrieländer können das Ziel, die sogenannten Kernarbeitsnormen der ILO möglichst schnell und breit durchzusetzen, durch mutige Liberalisierungsschritte wesentlich effektiver erreichen als durch Androhen von Sanktionen.

Ein weiteres Ziel für Verhandlungen sollte sein, die Bestimmungen internationaler Umweltabkommen mit den Prinzipien der internationalen Welthandelsordnung kompatibel zu machen. Globale Umweltprobleme müssen durch internationale Absprachen angegangen werden, auch wenn einzelne Länder eine Vorreiterrolle übernehmen.

Ökonomisch effizienter Umweltschutz verlangt dabei Wege zu finden, um globale Schadstoffemissionen vor allem dort zu vermindern, wo die Kosten pro reduzierter Schadstoffeinheit am geringsten sind. Deshalb sind die flexiblen Kyoto-Instrumente der richtige Ansatz.

Das Durchsetzen bestimmter Produktions- und Verarbeitungsmethoden, die sich ein Importland wünschen mag mit Hilfe von Handelsrestriktionen, lehnt die FDP ab.

Die Globalisierung der Märkte und die Globalisierung der Menschenrechte sind zwei Seiten derselben Medaille. Liberale Menschenrechtspolitik tritt für die Stärke des Rechts und nicht für das Recht der Stärkeren ein. Menschenrechte und Völkerrecht können sich nicht selbst schützen. Sie müssen von der Gemeinschaft freier Rechtsstaaten gestützt werden.

Der Nationalstaat wird durch die Globalisierung weder irrelevant noch seiner Souveränität beraubt. Das Setzen politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen durch nationale Gesetze und multilaterale Abkommen kann von den Akteuren der Globalisierung nicht übernommen werden.

Angesichts globaler Interdependenzen ist kein Raum mehr für Schuldzuweisungen zwischen Nord und Süd. Der gemeinsame Kampf gegen globale Probleme wie Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, Umweltzerstö­ rung, organisierte Kriminalität, Bürgerkriege, Unterentwicklung, Menschenrechtsverletzungen und Migration liegt im wohlverstandenen Interesse der gesamten Staatengemeinschaft.

Für die FDP steht fest: Globalisierung wirkt demokratiefördernd. Wirtschaftliche und politische Modernisierung bedingen einander. Wirtschaftlicher Erfolg ist nur durch Teilnahme an globalisierter Informationstechnologie möglich. Repressive Systeme treten in Konkurrenz zu freiheitlichen.

Kein noch so isolationistisches Regime kann sich dem Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung und dem Reformdruck auf Dauer entziehen. Bestes Beispiel für den Unterschied zwischen Globalisierungsbefürwortern und -verweigerern ist der zwischen Nord- und Südkorea.

Bei aller kulturellen Vielfalt gibt es eine weltweite Ethik der Humanität, die alle Kulturkreise verbindet. Die universale Geltung der Menschenrechte darf nicht mit dem Hinweis auf kulturelle Traditionen eingeschränkt werden. Das Verbot von Folter, politischer, rassischer und religiöser Verfolgung und dem Verschwindenlassen von Menschen ist nicht verhandelbar.

Gefragt ist ein wirksames Instrumentarium der „Weltzivilgesellschaft“, ein System weltweit verbindlicher und sanktionsbewehrter Normen. Hierzu gehören u.a. die UN-Menschenrechtspakte, die UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Anti-Folter-Konvention.

Menschenrechtliche Aspekte müssen integraler Bestandteil der Entwicklungspolitik werden. Entwicklungsländer, die sich um die Verbesserung ihrer Menschenrechtssituation und Festigung rechtsstaatlicher Strukturen bemühen, sollen besonders gefördert werden.

Die Schaffung des Ständigen Internationalen Strafgerichtshofes für Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist ein wichtiger Baustein zum Aufbau einer weltweit verbindlichen Judikative zur Durchsetzung von Völkerrechtsnormen, der weitere folgen müssen.

Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam Wege zur Verstärkung der Ansätze zur Durchsetzung von Menschenrechten suchen. Dem vielversprechenden Modell einer    OECD-Konvention gegen Korruption müssen weitere folgen.

Fazit:

Die FDP begreift ihre Aufgabe darin, die Globalisierung nicht zu verteufeln, sondern sie offensiv zu gestalten. Wir werden nicht nachlassen mit unseren Bemühungen, möglichst viele politisch Verantwortliche davon zu überzeugen :

Eine offene Gesellschaft braucht mehr und nicht weniger Globalisierung!




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