*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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11.4.1     Nachhaltigkeit als Imperativ der Globalisierung

Nachholbedarf besteht nach über 10 Jahren der derzeitigen Globalisierungswelle – neben der Frage von Fairness und Gerechtigkeit – vor allem in der ökologischen Dimension dieses Imperativs. Weltweit hat seine ökonomische und im Norden meist auch seine soziale Dimension eine stärkere Lobby als die ökologische Dimension. Die Zeit, die uns auf dem Weg zu einem neuen Zivilisationsmodell bleibt, das den ökologischen Grenzen des Wachstums Rechnung trägt1, ist gemessen in Wahlperioden unbekannt. Unbestreitbar ist, dass seit der globalen Über­ einkunft anlässlich der UNCED Konferenz in Rio de Janeiro 1992 keine Umkehr wesentlicher damals beklagter negativer globaler Trends bei zentralen sozialen und Umweltbedingungen erreicht werden konnte.2 Der nach 200 Jahren westlicher Industrialisierung verbliebene Umweltraum für eine Entwicklung des Südens nach gleichem Muster wird zunehmend eingeengt, obwohl wir das in unserem Alltag in Deutschland kaum wahrnehmen können.

Dies in Fortführung bisheriger ökonomischer Muster und Trends weiterhin ungenügend zu beachten, würde in diesem Jahrhundert unbestreitbar die geophysikalischen Gegebenheiten der Erde überfordern. Die bisher verfügbaren multilateralen Verfahren im UN-Kontext reichen für ein Gegensteuern erkennbar nicht aus. Der gewachsenen Ernüchterung ja Verzweiflung mancher Entwicklungsexperten steht allerdings die immer wieder neue Hoffnung auf eine bessere Welt entgegen, die Zehntausende von Menschen in Orten wie Seattle, Porto Alegre oder in Johannesburg ausdrücken.

Für die Arbeit der Enquete-Kommission hierfür zentrale textliche Grundlagen – insbesondere die Kapitel 8. Nachhaltigkeit3 und 9. Weltbevölkerung – wurden buchstäblich in letzter Minute entworfen. Sie konnten daher weder sorgfältig diskutiert noch in den Dialog mit den unsere nicht nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise in wesentlichen Punkten fortschreibenden Kapiteln 3. Waren und Dienstleistungen und 4. Arbeitsmärkte geführt werden.

Die nötige fachliche Diskussion hätte den Einstieg in die nach den Berichten der oben genannten Enqueten überfällige Auseinandersetzung über das Wie eines Übergangs in eine ressourceneffiziente und ressourcenleichtere nachfossile Wirtschaftsweise und Empfehlungen zum kreativen Umgang mit den dabei unvermeidbaren gesellschaftlichen Konflikten werden müssen.4 Heute wäre dieser Umstieg aufgrund breiter Vorarbeiten tatsächlich noch ohne von der Bevölkerung im Norden schwer akzeptierbare Einbußen an Lebensstandard vorstellbar.



1 Ich verweise hier auf die Ergebnisse von Enquete Kommissionen des 12. („Schutz der Erdatmosphäre“ sowie „Schutz des Menschen und der Umwelt“) und 13. („Schutz des Menschen und der Umwelt“) BT. Siehe besonders die damaligen Minderheitenvoten und das Sondervotum von Prof. Rochlitz, MdB, im Endbericht der letzteren Enquete. Zu aktuellen Einschätzungen s. z. B. die Veröffentlichungen des WBGU (www.wbgu.de) und des Worldwatch Instituts (www.worldwatch.org).

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2 Siehe z. B. Sachs (2002). In isolierter Betrachtung scheint diese Einschätzung für Deutschland nicht zuzutreffen, vgl. Umweltbundesamt (2002). Der Fokus auf die nationale Dimension lässt aber den ökologischen Rucksack unserer Wirtschafts- und Lebensweise außer acht (Wackernagel, Rees 1997). Eine Weiterführung der Ökosteuer, die Umsetzung der Zielstellungen: 50 Prozent erneuerbare Energieerzeugung 2050 sowie Steigerung der Energie- und Rohstoffproduktivität um 40 Prozent bis 2020 – jeweils bezogen auf 1990 – sind wichtige Elemente der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Eine vom WBGU, dem Nachhaltigkeitsrat und NGOs geforderte Zielstellung für die Reduktion von klimaschädlichen Emissionen von – 40 Prozent für 2020, wie parteiübergreifend bereits 1998 in der o. g. Enquete beschlossen – wurde mit Rücksichtnahme auf die deutsche Wirtschaft nicht in die Strategie der Bundesregierung aufgenommen. Dies gilt ähnlich für die Fortführung umweltschädlicher Subventionen. Aus ökologischen Gründen – „Faktor 4“, zu dem sich auch die Bundesregierung „langfristig“ bekennt (Bundesregierung 2002: 68) – wäre bis 2050 eine Reduzierung um 80 Prozent erforderlich. Die Einführung eines verbindlichen Emissionshandelssystems sowie eine vollständigere preisliche Berücksichtigung von Umweltrisiken durch erweiterte Haftungsregeln sind weitere notwendige Schritte auf dem Weg zu einem nachhaltigen Wirtschaftsmodell (Bals 2002: 28ff.).

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3 Wichtige Ergebnisse zur Nachhaltigkeit finden sich vor allem im Kapitel 10 (Global Governance). Nachhaltigkeit wird dort zum programmatischen Ziel von Politik (Empfehlung 10-1) empfohlen. Empfehlungen zur Ressourceneffizienz , zur Welternährung und Landwirtschaft, zur biologischen Vielfalt, zum Klimaschutz im Flugverkehr, zum nachhaltigen Konsum, zum Technologietransfer werden im Kapitel 7 entwickelt. Auch zum nachhaltigen/ethischen Investment, gibt es im Bericht konkrete Ergebnisse (Kapitel 2.4.5, Empfehlung 2-14).

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4 Siehe Kopfmüller u. a. (2001), Grunewald (2001).

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