11.4.2 Fairness und Gerechtigkeit als
Voraussetzung einer nachhaltigen Globalisierung
Die Probleme der
Entwicklungs- (und Transformations-) länder stehen in engem
Wirkungszusammenhang mit der Gefährdung globaler
öffentlicher Güter wie Frieden soziale Sicherheit, Schutz
der natürlichen Ressourcen sowie wirtschaftliche Entwicklung.
Daher ist die Nord-Süd (Wirtschafts-)Politik notwendigerweise
auch ein zentrales Thema der Globalisierung – zumal aus der
Perspektive von Nachhaltigkeit i.S. einer fairen
Berücksichtigung der Interessen heutiger und künftiger
Generationen auf der Erde.
Exemplarisch
möchte ich dieser für mich in der Kommission vorzeitig
abgebrochenen Diskussion an den Empfehlungen: Verbesserung des
Marktzugangs für Entwicklungsländer (3-8), Antidumping
(3-9) und Special and Differential Treatment (3-10) zur
Nord-Süd Handelspolitik nachgehen. Diese Empfehlungen
können isoliert den Eindruck erwecken, dass die Kommission
eine Fortführung der für viele Entwicklungsländer im
OECD Vergleich durchaus beispielhaften EU
Marktöffnungspolitik5
nicht nur als eine notwendige Bedingung für einen
allmählichen Aufholprozess des Südens ansehen
könnte. Denn die traditionelle Freihandelssicht sieht in dem
Zulassen einer Ressourcenallokation entsprechend den komparativen
Kostenvorteilen unter den nachstehenden Vo raussetzungen
sogar eine hinreichende Bedingung für einen Aufholprozess.
Undemokratische nicht partizipative und nicht transparente
Regierungsformen, wie sie die Mehrheit der Entwicklungsländer
prägen, sind ein Haupt hindernis für
Entwicklung6. Von gleich
großer Bedeutung wie die innere „good governance“
sind aber die globalen Rahmenbedingungen wie sie in der
Nachkriegszeit im wesentlichen nach den Interessen der wenigen
reichen Länder (rule maker) geschaffen wurden und heute
für alle Länder (rule taker) gelten. Damit hat sich die
Kommission ausführlich befasst (s. Kapitel 11.4.2.1).
Von den meisten
Menschen wird der absolute Abstand in Einkommen und Lebenschancen
zwischen Nord und Süd und die unveränderte Zahl absolut
armer Menschen als besonders großer Skandal wahrgenommen. Die
meisten Untersuchungen deuten zudem auf weiter zunehmende
Unterschiede. Bedeutsam sind ebenso im Globalisierungsprozess
auftretende zunehmende Differenzierungsprozesse innerhalb der
einzelnen Länder und auch zwischen Entwicklungsländern.
Die den diplomatischen Usancen entsprechende Einteilung in Nord (G
7, OECD) und Süd (G77 und China) wird der Realität
keineswegs mehr gerecht. Die reichen Ölländer,
Schwellenländer oder auch die osteuropäischen
Transformationsländer ebenso wie China haben sehr wenig mit
den in UN-Kategorien 49 ärmsten Entwicklungsländern
gemeinsam. Schätzungen zufolge leben derzeit 80 Prozent der
Gewinner der Globalisierung „im Norden“ und immerhin 20
Prozent mit einem dem westlichen Lebensstandard vergleichbaren
Lebensstandard in Entwicklungsländern – alleine in
Indien über 50 Mio. Zusammen umfassen sie etwa 20 Prozent der
Weltbevölkerung. Eine Minderheit im Norden und die große
Mehrheit im Süden – 40 Prozent der Menschen leben in den
ärmsten Ländern, deren Welthandelsanteil beträgt 3
Prozent – hat aus der Globalisierung noch keinen Vorteil
ziehen können und keine Chance sie mitzugestalten.
5 Hier sind die zahlreichen Präferenzabkommen bis
hin zur jüngsten EBA Initiative ebenso wie der weitgehende
Verzicht der EU auf das Antidumping Instrument zu nennen. Zu einer
kritische Sicht – hinsichtlich der unzureichenden
Öffnung im Agrarsektor – s. Windfuhr (2002:
82ff.).
6 Sen (2002: 180ff.).
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